:: 8/2010

Recycling von Siedlungsabfällen in Baden-Württemberg

Berechnung einer Recyclingquote gemäß Abfallrahmenrichtlinie

Das derzeit auf Bundesebene vorbereitete Kreislaufwirtschaftsgesetz, mit dem auch die europäische Abfallrahmenrichtlinie von 2008 umgesetzt werden soll, verlangt weiter fortgesetzte Anstrengungen zur stofflichen Verwertung von Siedlungsabfällen. Über deren Erfolg soll auch die Dokumentation der in den Bundesländern erreichten Recyclingquoten Auskunft geben. Im vorliegenden Beitrag wird für Baden-Württemberg die derzeit diskutierte Methodik für eine geeignete Berechnung der Recyclingquote für Siedlungsabfälle dargestellt und mit denkbaren Varianten verglichen. Wichtige Rahmenbedingung für die Berechnung der Recyclingquote sind die Verwendung bereits verfügbarer statistischer Daten und der dadurch möglichst vollständige Verzicht auf zusätzlichen bürokratischen Aufwand.

Stärkung der stofflichen Verwertung durch die Abfallgesetzgebung

Die Umsetzung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes von 1995, mit dem die Rangfolge der Vermeidung vor Verwertung sowie vor Beseitigung von Abfällen verankert worden war, hat in Baden-Württemberg bereits beachtliche Fortschritte bewirkt. Dies wird insbesondere bei der Abfallverwertung und damit der Entwicklung einer Ressourcen schonenden und die Umwelt möglichst wenig belastenden Kreislaufwirtschaft offenkundig. Die im Dezember 2008 in Kraft getretene europäische Abfallrahmenrichtlinie (AbfRRL) verfolgt gleichfalls das Ziel einer Systematisierung der Anstrengungen zur Abfallvermeidung sowie vor allem eine Stärkung der stofflichen Verwertung von Abfällen.

Dies drückt sich in der dort festgelegten sogenannten 5-gliedrigen Abfallhierarchie aus, bei der der Wiederverwendung von Abfällen sowie dem Recycling Vorrang vor der thermischen Verwertung von Abfällen eingeräumt wird. Konkretisiert wird dies, indem für bestimmte Abfälle auch Vorgaben für die in den Mitgliedstaaten zu erreichenden Recyclingquoten formuliert werden. Bezogen auf zwei wichtige Teilbereiche des Gesamtabfallaufkommens, nämlich die Abfälle aus privaten Haushalten und die nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfälle, sind danach in den Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2020 Recyclingquoten von 50 % bzw. 70 % zu erreichen. Dabei beziehen sich die Quotenvorgaben nicht auf einzelne Abfallfraktionen, sondern auf die Gesamtheit der Abfälle aus privaten Haushalten sowie der Bau- und Abbruchabfälle. Zudem kann bei den Abfallarten aus privaten Haushalten die Berechnung der Quote auch auf Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen ausgeweitet werden, soweit diese Abfälle den Haushaltsabfällen vergleichbar sind.

Zielvorgaben für Recycling von Siedlungsabfällen sowie Bauabfällen

Mit dem im Frühjahr 2010 durch die Bundesregierung vorgelegten Entwurf für ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz soll die europäische Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Dabei sieht § 13 des Gesetzentwurfs die Umsetzung der in Artikel 11 der Abfallrahmenrichtlinie formulierten Maßnahmen zur Förderung der Verwertung von Abfällen vor. Darin soll der in Deutschland bereits hochentwickelten Abfallwirtschaft Rechnung getragen und eine Erhöhung der in der Abfallrahmenrichtlinie vorgesehenen Mindestquoten vorgesehen werden. Bei den Bau- und Abbruchabfällen, die im Folgenden nicht weiter betrachtet werden, sieht der Gesetzentwurf eine Recyclingquote von 80 % statt 70 % vor.

Für die hier näher zu betrachtenden Siedlungsabfälle aus privaten Haushalten ist eine Recyclingquote von im Bundesdurchschnitt 65 % statt 50 % bis zum Jahr 2020 beabsichtigt. Bei dieser gegenüber der AbfRRL deutlich erhöhten Quote wird von der dort ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die angestrebte Recyclingquote auf den Bereich aller Siedlungsabfälle zu beziehen. Die Siedlungsabfälle beinhalten alle Abfälle des EAV-Schlüssels 20 (Haushaltsabfälle und ähnliche gewerbliche und industrielle Abfälle sowie Abfälle aus Einrichtungen, einschließlich getrennt gesammelter Fraktionen) plus die unter dem EAV-Schlüssel 1501 (Verpackungen, einschließlich getrennt gesammelter kommunaler Verpackungsabfälle) subsumierten Abfälle, die ebenfalls dem Bereich Haushalte oder den hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen zuzurechnen sind.

Dokumentation durch vorhandene statistische Daten

Nach den Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie bezieht sich die Recyclingquote auf die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling von Siedlungsabfällen, das heißt die stofflich verwerteten Mengen. Die geforderte regelmäßige Berichterstattung verlangt eine nachprüfbare Dokumentation über die Erfüllung der Zielvorgaben für die Recyclingquoten. Diese soll sich auf die im Rahmen der amtlichen Abfallstatistik ohnehin verfügbaren Daten stützen, um zusätzlichen bürokratischen Aufwand weitgehend zu vermeiden. Auf Bundesebene soll sich die Berechnung der Recyclingquote auf die Abfallbilanz des Statistischen Bundesamtes stützen. Diese Abfallbilanz basiert auf den regelmäßig nach dem Umweltstatistikgesetz durchgeführten Erhebungen über die Abfallentsorgung sowie das Recycling von Bauabfällen. Hier werden jährlich die jeweils in den Abfallentsorgungsanlagen verwerteten, behandelten oder beseitigten Mengen in der Gliederung nach Abfallarten des europäischen Abfallverzeichnisses nachgewiesen.

Einbezogen sind dabei alle abfallrechtlich genehmigten Anlagen, die entsprechend der Systematik der R- und D-Verfahren1 zur Verwertung bzw. Beseitigung von Abfällen eindeutig typisiert werden. Diese dezentral durch die Statistischen Landesämter durchgeführten Einzelstatistiken liefern entsprechende Daten auch für die einzelnen Bundesländer. Sie können im Grundsatz für die im Entwurf des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auch für die Bundesländer geforderte Dokumentation über die Erfüllung der Zielvorgaben für Recyclingquoten herangezogen werden.

Recyclingquote für Siedlungsabfälle im Land bei 67 %

In Entsorgungsanlagen mit Standort in Baden-Württemberg wurden 2008 insgesamt 4,7 Mill. Tonnen an Siedlungsabfällen einschließlich zugehöriger Verpackungsabfälle behandelt (Tabelle 1). Der weitaus überwiegende Teil (4,3 Mill. Tonnen) davon stammte aus dem eigenen Bundesland. Mit Herkunft aus anderen Bundesländern gelangten gut 0,3 Mill. Tonnen in die Anlagen im Land und nur rund 60 000 Tonnen (überwiegend Wertstoffe) kamen aus dem Ausland.

Die nachfolgend betrachtete Berechnung der Recyclingquote bezieht sich – in Anlehnung an die auf Bundesebene gewählte Vorgehensweise – allein auf die aus dem eigenen Bundesland stammenden und in Anlagen im Land entsorgten Abfälle. Dafür sind zunächst die Abfallmengen abzugrenzen, die der stofflichen oder biologischen Verwertung zuzurechnen sind. Ausdrücklich von der Abgrenzung der Recyclingmenge ausgeschlossen sind Abfälle, die der energetischen Verwertung, das heißt Anlagen des Verfahrens R1 zugeführt werden. Relevant für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling sind demnach insbesondere Sortieranlagen, Zerlegeeinrichtungen, Schredderanlagen, Anlagen zur biologischen Behandlung und mechanisch biologische Anlagen, eher im Ausnahmefall auch Anlagen zur Bodenbehandlung sowie chemisch physikalische Anlagen.

Von den insgesamt 4,33 Mill. Tonnen mit Herkunft aus dem Land 2008 in Baden-Württemberg entsorgten Siedlungsabfällen inklusive Verpackungen, wurden in den entsprechenden Anlagen der Verfahren R2 bis R13 zusammen 2,9 Mill. Tonnen behandelt (Tabelle 2). Diese Teilmenge wird zum gesamten im Land entstandenen und entsorgten Aufkommen an Siedlungsabfällen ins Verhältnis gesetzt. So errechnet sich für Baden-Württemberg bezogen auf die Entsorgungssituation 2008 eine Recyclingquote von 67 %. Die Quote ist 2005 deutlich und danach kontinuierlich weiter angestiegen (Schaubild 1). Im Jahr 2004, also vor Inkrafttreten des Verbots der Ablagerung unbehandelter Siedlungsabfälle auf Deponien, lag die Recyclingquote noch spürbar niedriger bei 57,5 %.

Recyclingquote im Land höher als im Bundesdurchschnitt und über dem Zielwert

Die 2008 realisierte Recyclingquote – bezogen auf die in baden-württembergischen Anlagen entsorgten Siedlungs- einschließlich Verpackungsabfälle – liegt erkennbar über dem Bundesdurchschnitt von 63,1 %. Zudem wird in Baden-Württemberg der im Entwurf zum Kreislaufwirtschaftsgesetz für das Jahr 2020 vorgesehene Zielwert bereits übertroffen. Bei einer Ausweitung der Berechnung auf alle, auch die aus anderen Bundesländern an baden-württembergische Anlagen angelieferten Abfälle, errechnet sich eine Recyclingquote von sogar über 67 %. Die Quote fiele ebenfalls höher aus, wenn die nicht den privaten Haushalten zugerechneten sonstigen Siedlungsabfälle bei der Berechnung ausgeklammert würden. Eine Beschränkung auf die den privaten Haushalten zugerechneten Siedlungsabfälle führt zu einer höheren Quote, da insbesondere im Bereich der getrennt erfassten und dem Recycling zugeführten Abfallfraktionen nicht immer eine trennscharfe Aufteilung der Mengen nach ihrer Herkunft aus privaten Haushalten beziehungsweise anderen Bereichen erfolgen kann und diese deshalb insgesamt dem Haushaltsbereich zugeschlagen werden. Bei den Restabfällen hingegen ist eine solche Abgrenzung eher möglich. Deshalb würde die Ausklammerung der sonstigen Siedlungsabfälle tendenziell zu einer überhöhten Recyclingquote führen.

Bei der oben beschriebenen Berechnung der Recyclingquote auf Basis der Statistik über die Abfallentsorgung werden in der Regel wegen länderübergreifender Entsorgungswege nicht alle im betrachteten Bundesland entstandenen und zur Entsorgung abgegebenen Siedlungsabfälle einbezogen. Dies kann zu einer Verzerrung der auf das Bundesland bezogenen Recyclingquote führen. Je nach Umfang der länderübergreifenden Entsorgung einerseits und Abweichung in der Aufteilung zwischen Recycling und übriger Entsorgung bei den exportierten bzw. importierten Mengen andererseits, kann diese Verzerrung mehr oder weniger groß ausfallen.

Geringfügig niedrigere Recyclingquote für Haushaltsabfälle bei Aufkommensbetrachtung

Für Baden-Württemberg ist die Verzerrung eher gering. Dies zeigt die aufkommensbezogene Betrachtung auf Grundlage der jährlich bei den öffentlich rechtlichen Entsorgungsträgern (örE) durchgeführten regionalen Abfallbilanzerhebung2. Bei dieser Erhebung werden allein die aus privaten Haushalten insgesamt den örE überlassenen Abfälle einschließlich Verpackungen nachgewiesen. Dabei sind auch die an Anlagen außerhalb des Landes abgegebenen Siedlungsabfälle aus Haushalten einbezogen. Der Verbleib der Abfälle wird derzeit nur in aggregierter Form nach R- und D-Verfahren gegliedert dargestellt.3 Für Baden-Württemberg können die nach R1-Verfahren thermisch verwerteten Mengen getrennt ausgewiesen werden, so dass analog zur obigen Berechnung die für die Recyclingquote geforderte Abgrenzung gemäß Abfallrahmenrichtlinie möglich ist.

Für die 2008 den örE in Baden-Württemberg überlassenen Abfälle einschließlich Verpackungen aus privaten Haushalten in einer Gesamtmenge von 4,56 Mill. Tonnen errechnet sich somit eine Recyclingquote von 66,2 % (Schaubild 2). Diese um einen Prozentpunkt niedrigere Quote erklärt sich auch dadurch, dass getrennt erfasste und dem Recycling zugeführte Wertstoffe aus dem Bereich privater Haushalte in teilweise beträchtlichem Umfang über gewerbliche und sonstige Sammlungen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der örE erfasst werden. Daraus resultiert tendenziell eine Untererfassung der recycelten Abfallmenge.

Für die Interpretation der Recyclingquote ist generell bedeutsam, dass die Berechnung bezogen auf die Gesamtheit der auf der ersten Entsorgungsstufe den verschiedenen Behandlungsanlagen zugeführten Abfallmengen, den sogenannten Inputmengen, erfolgt. Dies führt zwar zu einer gewissen Überhöhung der Recyclingmengen, da je nach Abfallart und Behandlungsverfahren in unbekanntem Umfang auch nicht stofflich verwertbare Teilmengen verbleiben. Eine Bereinigung um diese Teilmengen ist jedoch aufgrund der häufig mehrstufigen Entsorgungspfade nicht mit vertretbarem Erhebungsaufwand möglich. Auch ein theoretisch denkbarer Ansatz, an der jeweils letzten Entsorgungsstufe anzuknüpfen, scheidet aus, da diese zum einen nicht vollständig erfasst werden kann und zum anderen die eindeutige Zuordnung zur Kategorie der Siedlungs- bzw. Haushaltsabfälle nicht möglich ist. Die vorgesehene Berechnung der Recyclingquote basierend auf Ergebnissen der Erhebung über die Abfallentsorgung und bezogen auf die gesamten Siedlungsabfälle einschließlich Verpackungen stellt demnach auch für das Land Baden-Württemberg ein hinreichend geeignetes Verfahren unter Vermeidung zusätzlichen bürokratischen Aufwands dar.

1 Dabei handelt es sich um die in Anhang IIB und IIA des Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetzes aufgeführten Verwertungs(R)- und Beseitigungs(D)-Verfahren.

2 Diese Erhebung wird in Baden-Württemberg im Auftrag des UVM durch das Statistische Landesamt auf der Grundlage des Landesabfallgesetzes jährlich durchgeführt.

3 Angaben zu den über die öffentlich rechtlichen Entsorgungsträger (örE) entsorgten Abfälle aus privaten Haushalten stehen für alle Bundesländer zur Verfügung. Bislang sieht die entsprechende bundeseinheitliche Statistik auf der Grundlage der regionalen Abfallbilanzen in den Ländern bei der Gliederung des Verbleibs jedoch lediglich eine Differenzierung in 2 Aggregaten gegliedert nach D- bzw. R-Verfahren vor.