:: 8/2010

Vor der Landtagswahl 2011 – Regionale Besonderheiten bei der Landtagswahl 2006

Die Wahlen zum 15. Landtag Baden-Württembergs finden am 27. März 2011 statt. Im Vorfeld der kommenden Wahl veröffentlicht das Statistische Landesamt Baden-Württemberg eine Retrospektive mit Ergebnissen früherer Landtagswahlen. In Heft 7/2010 wurde ein Rückblick auf die Wahlergebnisse 1946 bis 2006 gegeben. Im vorliegenden Heft wird auf die regionalen Besonderheiten der Landtagswahl 2006 eingegangen. Hierzu gehört beispielsweise, dass die CDU in 9 Wahlkreisen auf über 50 % der Stimmen kam, die SPD in allen Wahlkreisen Verluste erlitt, die Grünen flächendeckend Gewinne erzielte und die Liberalen in 65 Wahlkreisen ihr Ergebnis steigern konnte. Im Ausblick auf die nächsten Landtagswahlen wird auf die dann geltenden wahlrechtlichen Änderungen hingewiesen.

CDU in 28 der 70 Wahlkreise mit Stimmengewinnen, in 40 mit Verlusten

Bei der Wahl zum 14. Landtag von Baden-Württemberg lag das CDU-Ergebnis in insgesamt 9 Wahlkreisen über der 50 %-Marke. Den stärksten Rückhalt fand die CDU in den Wahlkreisen Wangen mit 58 % der gültigen Wählerstimmen, Ehingen mit 54,6 % sowie Main-Tauber mit 54,4 %. Die Wahlkreise mit den niedrigsten Stimmenanteilen für die CDU waren die Landtagswahlkreise Freiburg II, Stuttgart I und Mannheim I, in denen die CDU lediglich Stimmenanteile von 30,3 %, 31,5 % bzw. 32,5 % erreichen konnte (Schaubild 1).

In 28 Wahlkreisen konnten die Christdemokraten Stimmengewinne für sich verbuchen. Den höchsten Stimmenzuwachs verzeichneten sie dabei im Wahlkreis Schwäbisch Hall (+ 6,9 Prozentpunkte). In diesem Wahlkreis konnte die CDU vermutlich zumindest teilweise von den starken Verlusten der FDP (−8,7 Prozentpunkte) profitieren. Im Jahr 2001 war dort noch Walter Döring für die FDP angetreten. Auch im Wahlkreis Schorndorf gewann die CDU mit + 4,0 Prozentpunkten deutlich hinzu. In 40 Wahlkreisen mussten die Christdemokraten hingegen Verluste hinnehmen. Am stärksten fielen diese in den Wahlkreisen Tuttlingen-Donaueschingen (−7,3 Prozentpunkte), Rastatt (−6,5 Prozentpunkte) und Kehl (−6,1 Prozentpunkte) aus.

In den CDU-Hochburgen (siehe i-Punkt) blieb die SPD mit 21,4 % erwartungsgemäß deutlich hinter dem Landesergebnis zurück. Auch die GRÜNEN (9,3 %) und die Liberalen (8,5 %) erzielten in den Hochburgen der Union nur unterdurchschnittliche Ergebnisse. Dagegen verbuchte die SPD in den Diasporagebieten der Christdemokraten mit 28,5 % ein überdurchschnittliches Ergebnis. Auch die GRÜNEN erzielten hier mit 16,3 % einen deutlich überdurchschnittlichen Wert. Die FDP lag mit 10,9 % in den Diasporagebieten der CDU in etwa auf dem Niveau ihres Landesergebnisses.

Die CDU war auch bei der Landtagswahl 2006 wieder in ländlichen Gebieten (siehe i-Punkt Seite 49) besonders erfolgreich (Tabelle). So lag die CDU in eher ländlich geprägten Landtagswahlkreisen mit niedriger Bevölkerungsdichte mit 50,6 % spürbar über ihrem Landeswert. In den eher urban geprägten Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte entschieden sich im Vergleich dazu hingegen nur 37,3 % der Wähler für die CDU. Auch der Zusammenhang zwischen Wahlerfolg der CDU und der Konfessionszugehörigkeit spiegelte sich in den Wahlergebnissen wider. So kam die CDU in Landtagswahlkreisen mit hohem Katholikenanteil mit 49,7 % der gültigen Stimmen auf ein weit überdurchschnittliches Ergebnis.

SPD durchgängig mit Verlusten

Wie bereits bei früheren Wahlen schnitt die SPD auch bei der Landtagswahl 2006 wieder im Landtagswahlkreis Mannheim I (40 %) am besten ab. Weitere Wahlkreise mit Spitzenergebnissen für die SPD waren unter anderem die Wahlkreise Heidenheim (33,7 %) sowie Lörrach und Heilbronn (jeweils 31,6 %). Lediglich in 7 Wahlkreisen konnte die SPD über 30 % der abgegebenen Stimmen verbuchen. Bei den Wahlkreisen mit den niedrigsten SPD-Stimmenanteilen handelt es sich vor allem um die traditionellen CDU-Hochburgen. So bildete der Wahlkreis Biberach mit 15,8 % der Stimmen für die SPD wiederholt das Schlusslicht. Auch in Wangen (16,4 %) konnte sie nur ein wenig besseres Ergebnis erzielen.

Die SPD Baden-Württembergs musste in allen 70 Landtagswahlkreisen Verluste hinnehmen. Der größte Stimmenrückgang war in Pforzheim mit −13,6 Prozentpunkten zu verzeichnen, wo 2001 noch Ute Vogt kandidiert hatte. Zur Landtagswahl 2006 wechselte sie in den Wahlkreis Bretten. Auch in Waldshut (−11,4 Prozentpunkte) und Konstanz (−11,1 Prozentpunkte) musste die SPD besonders starke Verluste hinnehmen.

In den SPD-Hochburgen, das heißt in den 10 Wahlkreisen in denen die SPD am besten abgeschnitten hat, verzeichneten bei der Landtagswahl 2006 alle anderen im Landtag vertretenen Parteien unterdurchschnittliche Ergebnisse. Erwartungsgemäß blieb hier vor allem die CDU mit 40,7 % deutlich hinter ihrem Landesergebnis zurück. Auch die Liberalen verfehlten in den Hochburgen der SPD mit 8,9 % ihr Landesergebnis um 1,8 Prozentpunkte. Dagegen verbuchte die CDU in den Diasporagebieten der Sozialdemokraten, das heißt in den 10 Wahlkreisen mit den niedrigsten Wahlresultaten, mit 50,4 % ein weit überdurchschnittliches Ergebnis, während dort die GRÜNEN mit 10,4 % ihr Landesergebnis um 1,3 Prozentpunkte verfehlten.

Die SPD erzielte ihre vergleichsweise besten Ergebnisse erneut in den eher urban geprägten Wahlkreisen mit einer hohen Bevölkerungsdichte (28,6 %), während sie in ländlich geprägten Gebieten unterdurchschnittlich abschnitt (20,9 %). Auch in den Wahlkreisen mit einem hohen Anteil Beschäftigter im Dienstleistungsgewerbe erreichte die SPD mit 27,6 % ein überdurchschnittliches Ergebnis. Gleiches gilt für die Wahlkreise mit einer hohen Erwerbslosenquote (27,5 %).

GRÜNE verzeichneten flächendeckend Gewinne

Bei den Landtagswahlen 1984, 1988 und 1996 waren die GRÜNEN drittstärkste Kraft im Land. Bei der Landtagswahl 2001 hatten die GRÜNEN diese Position an die FDP verloren. Mit der Landtagswahl 2006 erreichten sie nun erneut ihr Ziel, drittstärkste politische Kraft im Land zu werden. In 36 der 70 Landtagswahlkreise Baden-Württembergs erhielten die GRÜNEN mehr Wählerstimmen als die FDP.

Auch in Sachen Wählermobilisierung waren die GRÜNEN am erfolgreichsten. Ungeachtet der rückläufigen Wahlbeteilung gelang es ihnen bei der baden-württembergischen Landtagswahl 2006, ihre Anhängerschaft von rund 350 000 auf knapp 463 000 Wähler zu vergrößern. Dies entspricht einer Steigerung um nahezu ein Drittel.

Traditionsgemäß erzielten die GRÜNEN auch bei der Landtagswahl 2006 in den Hochschulstandorten des Landes ihre höchsten Stimmenanteile. In den beiden Freiburger Wahlkreisen erhielten sie 24,2 % bzw. 23,2 % der gültigen Stimmen, in Stuttgart I 24 %, in Tübingen 22,1 %, in Heidelberg 21 % und in Konstanz immerhin noch 18,9 %. Den geringsten Rückhalt hatten die GRÜNEN in den Wahlkreisen Neckar-Odenwald (5,4 %), Balingen (5,5 %) und Main-Tauber (5,8 %). In allen Landtagswahlkreisen konnten die GRÜNEN Gewinne erzielen. Am stärksten waren diese in den Wahlkreisen Biberach (+ 8,6 Prozentpunkte), Ulm (+ 7,2 Prozentpunkte) und Tübingen (+ 7 Prozentpunkte).

In ihren Hochburgen verbuchten die GRÜNEN einen Stimmenanteil von 20 %. Die CDU blieb in diesen Gebieten mit 39,3 % deutlich unter ihrem landesweiten Ergebnis. Auch die Sozialdemokraten erreichten in den GRÜNEN-Hochburgen mit 23,3 % der Stimmen 1,9 Prozentpunkte weniger als landesweit. Die Liberalen kamen in diesen Wahlkreisen auf 9,8 % und lagen damit um 0,9 Prozentpunkte unter dem Landesergebnis.

In den Wahlkreisen mit hohem Akademikeranteil schnitten die GRÜNEN mit 18,6 % überdurchschnittlich ab. Da es sich bei den Hochburgen der GRÜNEN hauptsächlich um die Universitätsstandorte des Landes handelt, ist dies nicht weiter überraschend. Auch in den Wahlkreisen mit einem hohen Anteil Beschäftigter im Dienstleistungsgewerbe erzielten die GRÜNEN mit 17,6 % ein überdurchschnittliches Ergebnis. Dagegen blieben die GRÜNEN in Wahlkreisen mit einem hohen Anteil Beschäftigter im Produzierenden Gewerbe unter dem Landesdurchschnitt.

Liberale konnten in 65 Wahlkreisen Stimmenanteile hinzugewinnen

Die FDP erzielte ihr mit großem Abstand bestes Wahlergebnis mit 19,8 % im Landtagswahlkreis Freudenstadt. Hier hatte der damalige Oberbürgermeister von Horb, Michael Theurer, kandidiert. Auch im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen, in dem Wirtschaftsminister Ernst Pfister für die FDP antrat, erreichte sie mit 16,4 % ein überdurchschnittliches Ergebnis. Am wenigsten Erfolg war den Liberalen in den Wahlkreisen Wangen (5,4 %), Neckar-Odenwald (6 %) und Mannheim I (6,2 %) beschieden.

In 65 der 70 Wahlkreise konnte die FDP Stimmengewinne erzielen. Am höchsten war die Zunahme dabei in Kehl mit einem Plus von 8 Prozentpunkten. In Tuttlingen-Donaueschingen und Freudenstadt lagen die Stimmenzuwächse bei 7,3 bzw. 7 Prozentpunkten. Im Wahlkreis Schwäbisch-Hall, in dem 2001 noch der damalige Spitzenkandidat Walter Döring angetreten war, verzeichneten die Liberalen dagegen mit einem Minus von 8,7 Prozentpunkten die höchsten Stimmenverluste.

In den Hochburgen der Liberalen schnitten bei der Landtagswahl alle anderen im Landtag vertretenen Parteien unterdurchschnittlich ab. Das Ergebnis der FDP war dort mit 14,6 % rund doppelt so hoch wie in ihren Diasporagebieten (7,2 %).

Die FDP erzielte in protestantisch geprägten Gebieten mit 12,4 % einen überdurchschnittlich hohen Stimmenanteil. Besonders augenfällig ist auch der Zusammenhang zwischen der Kaufkraft der Bevölkerung und dem Stimmenanteil der Liberalen: In Wahlkreisen, in denen die Bevölkerung über eine hohe Kaufkraft verfügt, erzielte die FDP 12,3 % der Stimmen, in Wahlkreisen mit niedrigen Kaufkraft lediglich 8,6 %.

Ausblick auf die Landtagswahl 2011

Zur nächsten am 27. März 2011 stattfindenden Landtagswahl treten einige wahlrechtliche Änderungen in Kraft. Diese betreffen unter anderem die Wahlkreiseinteilung und das Verfahren der Sitzverteilung bzw. die Zuteilung der Zweitmandate.

Das baden-württembergische Landtagsystem vereint Elemente der Verhältniswahl und der Mehrheitswahl. Die Erstmandate werden durch Mehrheitswahl in den 70 Wahlkreisen vergeben. Gewählt ist, wer im Wahlkreis die meisten Stimmen erhalten hat. Auf diese Weise werden 70 der 120 Mandate vergeben. Die Zweitmandate (Regelzahl 50) werden über Verhältnisrechnungen auf der Ebene des Landes und der vier Regierungsbezirke vergeben.

Bis einschließlich der Landtagswahl 2006 wurden die Zweitmandate nach der Reihenfolge der absoluten Stimmenzahl verteilt, welche die Kandidatinnen und Kandidaten innerhalb ihres Regierungsbezirks erlangt haben. Damit war es in großen Wahlkreisen, das heißt in Wahlkreisen mit einer höheren Zahl an Wahlberechtigten grundsätzlich leichter, ein Zweitmandat zu erhalten, als in kleineren Wahlkreisen. Nach der neuen Regelung werden nun Zweitmandate in der Reihenfolge der prozentualen Stimmenanteile innerhalb des Regierungsbezirks vergeben, um Auswirkungen unterschiedlicher Wahlkreisgrößen auf die Wahlchancen der Bewerber zu beschränken.

Geändert wurde für die Landtagswahl 2011 auch die Wahlkreiseinteilung (Schaubild 2). In 37 der 70 Landtagswahlkreise wurden Änderungen in der Zusammensetzung vorgenommen.1 Hintergrund für diesen Neuzuschnitt waren verfassungsrechtliche Gründe. Der Staatsgerichtshof erklärte in seinem Urteil vom 14. Juni 2007 Größenabweichungen von mehr als 25 % von der durchschnittlichen Wahlkreisgröße als nicht mehr verfassungsgemäß.

1 Gesetz zur Änderung des Landtagswahlgesetzes vom 19. Oktober 2009 (GBI. S. 533).