:: 9/2010

Ackernutzung im Wandel der Zeit

Weizen, Gerste, Mais und Raps – bei einem Streifzug über die Äcker Baden-Württembergs sind das heutzutage die sichtbaren landwirtschaftlichen Leitkulturen. Vor 50 Jahren sah dies noch ganz anders aus. Der damals schon bedeutende Getreideanbau wechselte sich mit einer Vielfalt an Hackfrüchten und Ackerfutterpflanzen ab. Dieser Wandel auf dem Acker ist dabei der sichtbare Teil der Veränderung in der Landwirtschaft. War es früher noch dessen ureigene Funktion, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen, haben sich inzwischen weitere Aufgaben dazugesellt. Dabei dürfte der Bioenergiesektor momentan der Bereich sein, welcher von der Öffentlichkeit am meisten wahrgenommen wird.

Weizen – unser tägliches Brot

Weizen ist seit Jahrzehnten die Nummer 1 auf dem Ackerland in Baden-Württemberg. Vielseitig einsetzbar, erfolgt der Anbau hauptsächlich als Brot- und Futtergetreide, wobei er verglichen mit anderen Getreidearten ein höheres Ertragspotenzial hat. Für ein optimales Wachstum bevorzugt Weizen zwar tiefgründige Böden, aber auch unter weniger optimalen Bedingungen ist Weizenanbau mit entsprechend geringeren Erträgen möglich. Für die unterschiedlichen Qualitätsanforderungen und Standortansprüche steht ein großes Spektrum an Back-, Aufmisch- und Futterweizensorten zur Verfügung. Zusammen genommen führte dies dazu, dass Weizen über ein halbes Jahrhundert hinweg konstant hohe Anbauzahlen vorzuweisen hat. Ungefähr ein Viertel der Ackerfläche im Lande wird regelmäßig mit Weizen bestellt, zu dem neben Winterweizen auch Dinkel, Durum und Sommerweizen gezählt werden. Nachdem 2007 die Verpflichtung zur Flächenstilllegung ausgesetzt wurde, erfuhr Winterweizen nochmals einen Aufschwung. Der aktuelle Flächenumfang entspricht mit 234 000 Hektar ungefähr dem Vorjahresergebnis. Damit ist Weizen – besonders Winterweizen – die einzige Fruchtart, die ihre herausragende Stellung über Jahrzehnte hinweg behaupten konnte.

Hinter Weizen ordnen sich heute Fruchtarten ein, die vor 50 Jahren entweder noch gar keine oder nur eine geringfügige Rolle spielten. Wintergerste, Mais und Raps stehen im Jahr 2010 auf über 40 % der Ackerfläche zur Ernte an. Vor 50 Jahren waren dagegen diese Fruchtarten auf nicht einmal 3 % des Ackerlandes zu finden. Damals lagen die Schwerpunkte im Ackerfutterbau mit Fruchtarten wie Klee, Luzerne und Futterrüben. Daneben hatten noch Sommergerste, Hafer und Kartoffeln eine größere Bedeutung.

Die Weichenstellung für den enormen Wechsel bei den Feldfrüchten erfolgte vorwiegend in den 70er- und 80er-Jahren, als die Flächen mit Raps, Silomais und Wintergerste fast sprunghaft anstiegen. Letztendlich führte das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Faktoren zu dieser Entwicklung. Die Fruchtarten wurden züchterisch intensiver bearbeitet, womit die Sorten ertragreicher und mit besseren Eigenschaften bezüglich Inhaltsstoffen und Pilzresistenzen ausgestattet waren. Die Tierproduktion wurde intensiviert und forderte damit auch umfangreichere Futtermengen. Der technische Fortschritt begünstigte Fruchtarten, die sich leichter mit Maschinen bearbeiten ließen. Insgesamt also eine Zeit, die mit großen strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft einherging. Viele Betriebe wurden in diesen beiden Jahrzehnten aufgegeben1, verbleibende wurden größer, wodurch auch die Produktionsabläufe in den Betrieben gestrafft und die Produktivität erhöht wurde. Der Anbau weniger personalintensiver Fruchtarten rückte in den Vordergrund, während arbeitsintensive Kulturen wie Kartoffeln und Futterrüben zurückgedrängt wurden.

Gerste – zwischen Bier und Futter

Gerste, mit aktuell 19 % der Ackerfläche die zweitwichtigste Getreideart Baden-Württembergs, hat eine differenzierte Entwicklung hinter sich. Insgesamt ist ihr Anteil an der Ackerfläche gegenüber 1960 gestiegen, jedoch haben sich die Winter- und Sommerformen flächenmäßig in unterschiedliche Richtungen bewegt. Die Sommergerstenflächen gingen seit 1960, als noch 126 500 Hektar in Baden-Württemberg standen, stark zurück. Sommergerste wird hauptsächlich mit der Absicht zur Vermarktung als Braugerste angebaut. Die Landwirte reagierten auf die schlechte Erlössituation auf dem Braugerstenmarkt und schränkten die Aussaatflächen immer mehr ein. Ein sinkender Bierkonsum und höhere Ertragsleistungen als vor 50 Jahren sind ebenfalls Komponenten, die zum Flächenrückgang beitrugen. In den letzten beiden Jahren erlebte der Sommergerstenanbau nochmals einen Einbruch mit jeweils einem Minus von 17 % auf nunmehr 60 100 Hektar.

Dagegen führte der Wintergerstenanbau in den 70er-Jahren steil nach oben. Im Jahr 1971 waren ungefähr 14 000 Hektar Wintergerste auf den Äckern. Binnen 12 Jahren vervielfachte sich dieser Wert auf 78 500 Hektar. Das höhere Ertragspotenzial der mehrzeiligen Wintergerste, die überwiegend als Futtermittel für Schweine und Geflügel eingesetzt wird, machte den Anbau gegenüber einer zweizeiligen Sommergerste attraktiver. Damit wurde wahrscheinlich der Anbau von Sommergerste teilweise substituiert. Im Jahr 2010 musste Wintergerste hohe Einbußen hinnehmen. Sie steht mit 99 000 Hektar aber immer noch auf fast 12 % der Ackerfläche.

Hafer hatte als Futtergetreide in den 60er-Jahren als »Biosprit für Pferde« noch eine große Bedeutung. Zusammen mit Sommermenggetreide sorgte Hafer 1960 auf 12 % der Ackerfläche bzw. 110 000 Hektar für Abwechslung in der Fruchtfolge. Darunter stand Hafer allein auf 65 700 Hektar. Aufgrund seiner positiven Wirkung auf die Bodengesundheit kann Hafer wichtige Vorzüge aufweisen, ist jedoch im Ertrag hinter Weizen oder Gerste einzustufen. Mit dem Rückgang der Tierbestände wurde der Haferanbau Anfang der 70er-Jahre stark eingeschränkt, da auch die alternativen Verwendungsmöglichkeiten in der Nahrungsmittelindustrie begrenzt waren. Inzwischen unternehmen Hafermühlen verstärkt Anstrengungen, den Haferanbau wieder attraktiver werden zu lassen, da sich aufgrund der großen Nachfrage in den letzten 10 Jahren2 die Verarbeitungsmengen verdoppelten. Auf das Jahr 2010 zeigte dies jedoch noch keine Auswirkungen, da sich die Fläche bei eher abnehmender Tendenz auf lediglich 25 100 Hektar (3 % der Ackerfläche) beläuft.

Sprit vom Acker

Die wichtigste Ölfrucht im Südwesten ist Raps. Durch die Entwicklung von Sorten in den 70er- und 80er-Jahren, die frei von Erucasäure und bitterstoffarm sind, wurde Rapsöl für die Nahrungsmittelindustrie interessant und führte zu einer starken Ausdehnung der Rapsflächen. Inzwischen steht die Verarbeitung zu Biokraftstoffen im Vordergrund. Rapsöl kann zu reinem Biodiesel verarbeitet werden oder wird als Biokraftstoff den herkömmlichen Kraftstoffen zugemischt. Die Mindesthöhe der Beimischung ist über eine Quotenregelung gesetzlich geregelt. In 2010 wirkt sich vermutlich das Ende der Steuervergünstigung auf Biodiesel aus. Nach der Zunahme im Vorjahr ging der Rapsanbau wieder auf 70 400 Hektar zurück, womit dieser auf rund 8 % der Ackerfläche wächst.

Ackerfutterbau – damals und heute

Bis in die 70er-Jahre hinein bildeten Gras, Luzerne, Klee und die heute kaum mehr bekannte Futterrübe die wichtigste Futtergrundlage in vielen Bereichen. Gegen Ende der 70er-Jahre wurden diese traditionellen Futterpflanzen zunehmend verdrängt, weil zunehmend Maissilage als Futter Verwendung fand. Die Grundfuttergewinnung für Rinder wurde auf eine andere Basis gestellt, wobei besonders Silomais durch hohe Energieerträge je Hektar und eine gute Mechanisierung bei Aussaat und Ernte punkten konnte. Im weiteren zeitlichen Verlauf reduzierte sich angesichts sinkender Rinderzahlen auch bei Silomais der Flächenumfang bis 2003. Erst die alternativen Verwendungsmöglichkeiten in den Biogasanlagen ließen die Anbauzahlen wieder kräftig steigen. Unterstützt durch den Güllebonus wurde letztes Jahr nochmals vermehrt in Biogasanlagen investiert, was für einen weiteren Flächenzuwachs bei Silomais um ca. 15 % sorgte. Damit wurde mit 108 000 Hektar bzw. 13 % am Ackerland ein Höchststand im Silomaisanbau erreicht. Aber auch andere Ackerfutterpflanzen wie Gras profitierten – wenn auch in bescheidenerem Umfang – von ihrer Verwendungsmöglichkeit als Substrat in Biogasanlagen.

Kartoffeln und Rüben – vom Massenanbau zur »Sonderkultur«

Vor 50 Jahren bildete der Kartoffelanbau eine wichtige Stütze der Landwirtschaft. Auf 98 000 Hektar wurden Kartoffeln (12 % des Ackerlandes) angebaut – einerseits als Grundnahrungsmittel, andererseits auch in großem Umfang zur Verfütterung. In gedämpfter Form erhielten die Schweine die Kartoffeln im Futtertrog, eine recht aufwändige Methode der Schweinefutterherstellung, die inzwischen durch Futtermischungen mit hohem Getreideanteil abgelöst wurde. Heute führt der Kartoffelanbau in Baden-Württemberg fast ein Nischendasein. Auf nur noch ca. 5 000 Hektar werden vorrangig im Heilbronner Raum und in Südbaden Kartoffeln angebaut. Auch die damals in der Rinderfütterung noch weit verbreitete Futterrübe (1960 noch rund 54 000 Hektar) ist in heutiger Zeit fast unbekannt geworden. Der Anbau von Futterrüben erfordert einen hohen Arbeitseinsatz, der damals am ehesten in den kleiner strukturierten Betrieben geleistet werden konnte.

Insgesamt werden die Anbauentscheidungen auf dem Ackerland zunehmend durch die Nachfrage aus dem Bioenergiesektor bestimmt. Zwar steht auch heute noch an erster Stelle die Erzeugung von Nahrungsmitteln, wie an der dominanten Stellung des Weizenanbaus, der großen Gerstenflächen und auch beim Rapsanbau ersichtlich ist. Aber bereits bei der Nummer 2 auf dem Ackerland, dem Maisanbau, geht die deutliche Ausweitung der Silomaisflächen auf den »Futterbedarf« der Biogasanlagen zurück. Daneben wird zunehmend Getreide wie Triticale und Roggen als Substrat eingesetzt. Auch bei Raps wandert ein großer Teil der Ernte in die Biokraftstoffproduktion.