:: 9/2010

Vor der Landtagswahl 2011 – Wahlverhalten der Baden-Württemberger bei der Landtagswahl 2006

Im Vorfeld der kommenden Landtagswahl am 27. März 2011 wurde bereits in den Heften 7/2010 und 8/2010 eine Retrospektive zu den Wahlergebnissen und regionalen Besonderheiten vergangener Landtagswahlen veröffentlicht. Neben den eigentlichen Wahlergebnissen ist auch das Wahlverhalten der Baden-Württemberger von großem Interesse. Im vorliegenden Heft erfolgt daher ein Rückblick auf das Wahlverhalten bei der Landtagswahl 2006. Informationen hierzu liefert die Repräsentative Wahlstatistik, die Daten über die Wahlberechtigten, die Wahlbeteiligung, die Stimmabgabe und die Zusammensetzung der Wählerschaft der Parteien nach Geschlecht und Altersgruppen umfasst. Sie stellt zuverlässige Informationen über das Wahlverhalten bereit, da sie – anders als die Wahlanalysen der Forschungsinstitute – nicht das erfragte, sondern das tatsächliche Wahlverhalten widerspiegelt und auf einer vergleichsweise breiten Zahlenbasis beruht.

CDU erzielte Stimmengewinne bei den 25- bis 44-Jährigen

Nach den Ergebnissen der Repräsentativen Wahlstatistik sind die leichten Stimmenrückgänge der CDU bei der Landtagswahl 2006 vor allem auf die Wahlentscheidung der 18- bis 24-jährigen sowie der 45-jährigen und älteren Wähler zurückzuführen. In diesen Altersgruppen hatten die Christdemokraten, prozentual betrachtet, überdurchschnittlich hohe Stimmenrückgänge, wohingegen sie bei den Wählerinnen und Wählern zwischen 25 und 44 Jahren Stimmengewinne verzeichnen konnten. Wie bereits bei der Landtagswahl 2001 war die CDU auch bei der Landtagswahl 2006 bei den Senioren besonders erfolgreich. Gut 54 % der 60-Jährigen und Älteren machten ihr Kreuz bei den Christdemokraten. Bei den unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern hingegen blieb die CDU in allen Altersgruppen deutlich unter ihrem Landesdurchschnitt. Wie bereits bei der Landtagswahl 2001 wurde die CDU etwas häufiger von Frauen (knapp 45 %) als von Männern (43 %) gewählt.

SPD hatte bei jungen Frauen stärksten Rückhalt

Die Sozialdemokraten mussten in allen Altersgruppen Stimmenrückgänge hinnehmen, in geringfügigem Maße bei den 18- bis 24-jährigen, überdurchschnittlich stark dagegen bei den 25- bis 44-jährigen Wählerinnen und Wählern. Vor allem bei den Männern verzeichnete die SPD Einbußen in der Wählergunst, am stärksten bei den 35- bis 44-jährigen Männern. Bei dieser Bevölkerungsgruppe wurde mit einem Minus von 14,4 Prozentpunkten der höchste Stimmenrückgang für die Sozialdemokraten beobachtet. Den größten Rückhalt fand die SPD mit einem Stimmenanteil von rund 30 % bei den 18- bis 24-jährigen Wählerinnen und Wählern. Von den Frauen dieser Altersgruppe hatten sogar nahezu ein Drittel die SPD gewählt.

FDP besonders erfolgreich bei den 25- bis 34-jährigen Männern

Die FDP verdankte ihre Stimmengewinne bei der Landtagswahl 2006 der Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler aller Altersklassen. Die Liberalen hatten die stärksten Stimmenzuwächse bei den 25- bis 34-jährigen Männern (+ 5 Prozentpunkte) zu verzeichnen. Bei dieser Bevölkerungsgruppe waren die Liberalen auch mit Abstand am erfolgreichsten. Gut 14 % der männlichen 25- bis 34-jährigen Wähler gaben ihre Stimme der FDP. Den geringsten Rückhalt hatten sie hingegen bei den 35- bis 44-jährigen Frauen, von denen nur rund 9 % ihre Stimme der FDP gaben. Die FDP erhielt von den Männern (gut 11 %) etwas mehr Stimmen als von den Frauen (10 %), was bereits bei der Landtagswahl 2001 der Fall gewesen war.

Hohe Stimmengewinne für die GRÜNEN bei den 45- bis 59-jährigen Wählerinnen

Die GRÜNEN verzeichneten bei der Landtagswahl 2006 mit einem Plus von 4 Prozentpunkten die höchsten Stimmengewinne aller im Landtag vertretenen Parteien. Sie konnten in allen Altersgruppen der Wählerinnen und Wählern Stimmenzuwächse verbuchen. Die höchsten Stimmengewinne erzielten sie bei den 45- bis 59-jährigen Wählerinnen mit einem Plus von 7 Prozentpunkten.

In allen Altersgruppen unter 60 Jahren kamen die GRÜNEN auf überdurchschnittliche Wahlergebnisse. Am stärksten war ihr Rückhalt bei den 35- bis 44-jährigen Wählerinnen. Nahezu jede fünfte Baden-Württembergerin dieser Altersgruppe hat die GRÜNEN gewählt. Am wenigsten Erfolg war ihnen hingegen bei den 60-jährigen und älteren Baden-Württembergern mit nur gut 4 % der gültigen Stimmen beschieden. Wie bereits bei der Landtagswahl 2001 schnitten die GRÜNEN auch bei der Landtagswahl 2006 bei den Frauen (rund 12 %) besser ab als bei den Männern (knapp 10 %).

Nahezu jeder zweite CDU-Wähler war 60 Jahre oder älter

Mit Blick auf ihre Alterszusammensetzung wies die Wählerschaft der einzelnen Parteien bei der Landtagswahl 2006 deutliche Unterschiede auf.

Die CDU hat von allen Parteien den höchsten Anteil an älteren Wählern. Während bei der Landtagswahl 2006 der Anteil der 60-Jährigen und Älteren an der baden-württembergischen Wählerschaft insgesamt bei rund 37 % lag, war unter den CDU-Wählern nahezu jeder Zweite (rund 45 %) im Seniorenalter. Die unter 60-Jährigen waren in der Wählerschaft der CDU hingegen unterrepräsentiert. Bei den SPD-Wählern lag der Seniorenanteil (gut 35 %) zwar leicht unter dem Durchschnitt aller Wählerinnen und Wähler, dennoch stellten sie die mit Abstand größte Gruppe der SPD-Wähler.

Wählerschaft der GRÜNEN am jüngsten

Im Gegensatz zu den beiden großen Parteien waren unter der Wählerschaft der GRÜNEN die Senioren stark unterrepräsentiert, während alle Altersgruppen unter 60 Jahren überproportional vertreten waren. So waren – wie bereits erwähnt – bei der Landtagswahl rund 37 % der Wähler 60 Jahre oder älter. Von den Wählern der GRÜNEN gehörten jedoch lediglich 14 % zu dieser Altersgruppe. Insgesamt betrachtet wiesen die GRÜNEN die jüngste Wählerschaft auf. Im Vergleich zu den anderen im Landtag vertretenen Parteien wich die Zusammensetzung der FDP-Wählerschaft am wenigsten von der Altersstruktur der Wählerschaft in Baden-Württemberg insgesamt ab.

Wer sind die Nichtwähler? – Wahlbeteiligung und Wahlenthaltung

Bei der Landtagswahl 2006 wurde mit einer Wahlbeteiligung von nur 53,4 % ein historischer Tiefstand erreicht. Von den gut 7,5 Mill. Wahlberechtigten im Land haben am 26. März 2006 nur rund 4 Mill. Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme abgegeben. Die Zahl der Wähler hat sich gegenüber 2001 um 12,3 % oder mehr als 564 000 Personen drastisch reduziert, das entspricht in der Größenordnung nahezu der Einwohnerzahl der Stadt Stuttgart. Hatten sich bei der Landtagswahl 2001 noch gut 37 % der Wahlberechtigten für das Lager der Nichtwähler entschieden, so ist die Gruppe der Nichtwähler bei der Landtagswahl 2006 auf knapp 47 % weiter angestiegen.

Die Wahlbeteiligung war durchweg in allen Wahlkreisen stark rückläufig. Die Spannbreite zwischen der höchsten Beteiligungsquote (62,6 % in Stuttgart II) und der niedrigsten (40,8 % in Mannheim I) betrug knapp 22 Prozentpunkte. In 15 Wahlkreisen lag die Beteiligung sogar bei unter 50 %. Von diesen lagen 13 im badischen Landesteil. Neun der zehn Wahlkreise mit der höchsten Wahlbeteiligung waren in der Region Stuttgart zu finden.

Regionale Besonderheiten spielen offensichtlich eine große Rolle bei der Wahlbeteiligung. Untersucht man die Wahlkreise anhand bestimmter Sozialstrukturmerkmale, so zeigt sich, dass sowohl bei der Wahl einer Partei wie auch bei der Teilnahmebereitschaft an einer Wahl, in Gebieten mit ähnlicher Sozialstruktur in der Tendenz ähnliche Wahlergebnisse auftreten. So konnte auch bei der Landtagswahl 2006 wieder festgestellt werden, dass in Wahlkreisen mit hoher Kaufkraft die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich hoch ausfiel, in Wahlkreisen mit niedriger Kaufkraft hingegen nur unterdurchschnittlich. Auch lag in Wahlkreisen mit hohem Protestantenanteil die Wahlbeteiligung höher als in solchen mit überwiegend katholischer Bevölkerung. Eine höhere Wahlbeteiligung als im Landesschnitt war auch in Wahlkreisen mit einer niedrigen Erwerbslosenquote zu verzeichnen. Ein eindeutiges Stadt-Land-Gefälle konnte bei der Landtagswahl 2006 bezüglich der Wahlbeteiligung nicht festgestellt werden.

Geringe Wahlbeteiligung: Vor allem junge Baden-Württemberger »verschenken« politisches Einflusspotenzial

Die Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik lassen sowohl altersspezifische Unterschiede in der Wahlbeteiligung als auch Unterschiede in der Wahlbeteiligung von Frauen und Männern erkennen. Die Möglichkeiten der jüngeren Baden-Württemberger, durch Teilnahme an Wahlen Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen, sind nicht nur durch die abnehmende Zahl der jüngeren Wahlberechtigten im Land reduziert, sondern auch durch die vergleichsweise niedrige Wahlbeteiligung der jungen Generation. So blieb die Wahlbeteiligung der jüngeren Wahlberechtigten noch deutlich unter dem niedrigen Gesamtdurchschnitt von 53,4 %. Lediglich rund 33 % der unter 30-jährigen baden-württembergischen Wahlberechtigten machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch, während von den 60-Jährigen und Älteren immerhin gut 60 % ihre Stimme abgaben.1 Somit war bei der Landtagswahl 2006 ein gutes Drittel der Wählerschaft (rund 37 %) 60 Jahre oder älter, aber nur etwa jeder Zehnte war unter 30 Jahre alt. Damit wird deutlich, dass die jüngeren Wahlberechtigen im Land durch ihre schwache Beteiligung an Wahlen politisches Einflusspotenzial »verschenken«.

Wie bereits bei früheren Landtags-, Bundestags- und Europawahlen konnte auch bei der Landtagswahl 2006 eine mit dem Alter tendenziell zunehmende Wahlbeteiligung festgestellt werden. Die mit Abstand niedrigste Wahlbeteiligung wiesen dabei die 21- bis 29-Jährigen auf, von denen sich lediglich gut 31 % an der Wahl beteiligten. Demgegenüber lag die Wahlbeteiligung der Erstwähler mit rund 41 % erheblich höher. Bei den Wahlberechtigten zwischen 30 und 39 Jahren erreichte die Wahlbeteiligung etwas über 42 %, bei den 40- bis 49-Jährigen gut 49 % und bei den 50- bis 59-Jährigen knapp 55 %. Die höchste Wahlbeteiligung wiesen – wie auch bei früheren Wahlen – die 60- bis 69-Jährigen mit gut 64 % auf, während bei den 70-jährigen und älteren Wahlberechtigten die Wahlbeteiligung wieder deutlich zurückging (57 %).

Männer nach wie vor mit höherer Wahlbeteiligung als Frauen

Die Wahlbeteiligung der Frauen lag auch bei der Landtagswahl 2006, wie bereits bei früheren Wahlen, unter der der Männer. Dies resultiert vor allem daraus, dass die unter 30-jährigen und die 60-jährigen und älteren Frauen seltener wählen gehen als die Männer dieser Altersgruppen. Vor allem in der Altersgruppe der 70-Jährigen und Älteren ist ein besonders eklatanter Vorsprung der Männer zu beobachten: Hier machten bei der Landtagswahl 2006 noch 65 % der Männer von ihrem Wahlrecht Gebrauch, jedoch nur rund 52 % der Frauen.

Die stark rückläufige Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl 2006 ist bei Männern und Frauen zu beobachten und spiegelt sich in allen Altersklassen wider. Allerdings war der Rückgang der Wahlbeteiligung bei den unter 25-Jährigen und bei den 70-Jährigen und Älteren geringer als im Landesdurchschnitt von 9,2 Prozentpunkten. Mit rund 13 Prozentpunkten nahm die Wahlbeteiligung bei den 45- bis 59-Jährigen am stärksten ab.

1 Im Rahmen der Repräsentativen Wahlstatistik kann nur die Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten ohne Wahlschein ausgewiesen werden.