:: 10/2010

Der Platz Baden-Württembergs im Welthandel

Die Globalisierung der Wirtschaftsprozesse hat sich in den letzten 20 Jahren – mit dem Fall der Mauer und dem Eintritt der ehemaligen Ostblockstaaten in die Weltwirtschaft wie auch mit dem wirtschaftlichen Durchstarten von Schwellenländern wie China oder Indien – massiv beschleunigt. Sie hat Wachstum und Wohlfahrtsgewinne für die immer stärker vernetzten Volkswirtschaften mit sich gebracht, aber auch die Sensibilitäten für Erschütterungen im System erhöht. Die deutsche Wirtschaft profitiert aufgrund ihrer hohen Exportorientierung in besonderem Maße von der Globalisierung – und hat aus demselben Grund in besonderem Maße die Globalisierungs-»Entschleunigung« im Gefolge der Finanzkrise zu spüren bekommen. Beides gilt aufgrund seiner im Bundesvergleich überdurchschnittlichen Exportneigung noch mehr für Baden-Württemberg. Dieser Beitrag beleuchtet die Position, die der Südweststaat im Welthandel einnimmt und versucht, die Kapriolen der baden-württembergischen Außenhandelsergebnisse der letzten beiden Jahre in Perspektive zu setzen.

Baden-Württemberg hat 2007 und auch noch 2008 Waren im Wert von jeweils etwa 150 Mrd. Euro exportiert, so viel wie nie zuvor. 2009 sind die Exporterlöse auf 125 Mrd. und damit um ein Sechstel (genauer: um 16,3 %) geschrumpft. Einen derartigen Einbruch hat das Land seit Beginn der Erfassung der Außenhandelsdaten im Jahr 1950 nicht einmal annähernd erlebt.1 In wichtigen Exportbranchen wie dem Kraftfahrzeug- und dem Maschinenbau waren im Laufe des Krisenjahres 2009 Meldungen von Einbrüchen der Auslandsnachfrage um ein Drittel keine Seltenheit, im 1. Quartal wurde in der Automobilbranche gar nur noch halb so viel ans Ausland verkauft wie im Vorjahreszeitraum. Wie ist es in dieser Zeit dem Rest der Welt ergangen?

Vollbremsung im Welthandel …

Laut den Vereinten Nationen hatte der Welthandel im Jahr 2009 ein Volumen von etwa 12,4 Bill. US-Dollar, nach 16 Bill. 2008. Damit wurden im Krisenjahr 2009 wertmäßig 22,4 % weniger Waren grenzüberschreitend gehandelt.2 Seit dem zweiten Weltkrieg hatte das starke globale Handelswachstum nur vereinzelt Zäsuren erfahren, allenfalls mit Rückgängen im niedrigen einstelligen Prozentbereich. In jüngerer Zeit, seit der Dotcom-Krise Anfang des Jahrtausends, waren die weltweiten Exporte wertmäßig im Schnitt um mehr als 16 % jährlich gewachsen.

Die entwickelten Volkswirtschaften, die für knapp 60 % des Welthandels verantwortlich zeichnen, haben im Jahr 2009 überdurchschnittliche Handelseinbußen erlitten, während der Außenhandel der Schwellenländer wie etwa der BRIC-Staaten3 – von diesen vier Staaten allein stammen knapp 15 % der weltweiten Exporte – weniger eingebrochen ist. Der Nachfrageausfall aus den Industrieländern hat sie deshalb nicht mit noch größerer Wucht getroffen, weil der »Süd-Süd-Handel« – also der Handel von Schwellen- und Entwicklungsländern untereinander – in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat und sich in der Krise relativ stabil gezeigt hat.

… und in Europa

Aus Europa kommen 38 % der weltweiten Exporte, und fast ebensoviel hat es 2009 vom Rest der Welt bezogen, wobei der Löwenanteil (36 % des Welthandels) auf die 27 EU-Staaten entfällt. Ihr Außenhandel hat im Gleichschritt mit den weltweiten Handelsvolumina Federn gelassen, hat 2009 also auch mit 22,4 % weniger Ausfuhrerlösen abgeschlossen als 2008. Der Intrahandel – also der Handel der 27 EU-Staaten untereinander – macht knapp ein Viertel des Welthandels aus (24 bzw. 23 % bei Ex- bzw. Importen).4 Er hat 2009 mit einem Rückgang der Exporte um 23,3 % überdurchschnittlich eingebüßt. Deutschland schließlich, der langjährige, inzwischen allerdings auf Platz 2 verwiesene Exportweltmeister, erlöste im Jahr 2009 jeden elften auf der Welt erzielten Exportdollar, denn Deutschland trägt 9,1 % zum Weltexport bei.5 Die deutschen Ausfuhren haben – trotz unterjährig massiveren Einbrüchen – im Jahresvergleich nicht mehr eingebüßt als die weltweiten Exporte (gemäß den Vereinten Nationen exportseitig 22,3 %).

Baden-Württemberg – in Deutschland und Europa ein Exportmusterknabe …

Das Bundesland Baden-Württemberg kann sich mit einigen europäischen Nationalstaaten messen: Seine Wirtschaft hat auch 2009 mehr exportiert als beispielsweise diejenige der Schweiz, Polens oder Österreichs und als die der skandinavischen Länder. Auch innerhalb Deutschlands gehört der Südwesten zu den Exportgiganten: Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern tragen fast die Hälfte zu den deutschen Gesamtausfuhren bei (2009 waren es 48 %, im Ausfuhrrekordjahr 2007 über 49 %). Dabei liegt Nordrhein-Westfalen mit einem Anteil von gut 17 % der deutschen Exporte vorne, während Baden-Württemberg und Bayern sich in der Nähe der 15-Prozentmarke auf Platz 2 und 3 drängen.6 Hatte Bayern 2008 mit Exporten im Wert von 154 Mrd. Euro noch die Nase vorn, so verbuchte Baden-Württemberg dank seiner geringeren Ausfuhreinbußen im Krisenjahr 2009 eine Mrd. mehr an Exporterlösen als der benachbarte Freistaat und war damit, was die Ausfuhrwerte anbelangt, zweitgrößtes Exportbundesland.

Gemessen an der Exportquote – also dem Anteil der Exporte am Bruttoinlandsprodukt – liegt der Südwesten unter den großen Flächenländern ganz vorn: mit 36,4 % wies er auch 2009 eine sowohl über der bundesweiten (33,6 %) als auch über der Exportquote anderer großer Bundesländer liegende Exportneigung auf (Nordrhein-Westfalen: 26,6 %, Bayern: 28,8 %). Unter den kleineren Flächenländern verzeichnete nur das Saarland einen noch höheren Exportanteil am Bruttoinlandsprodukt (38,7 %). Das gegenüber den Vorjahren deutlich niedrigere Niveau dieser Exportquoten – sie lagen 2008 noch in der Nähe der 40-Prozentmarke – spiegelt den Einbruch im Außenhandel auf breiter Front und die entsprechend relativ gestiegene Bedeutung der Binnenwirtschaft wider.

Setzt man die Exportwerte in Relation zu der Einwohnerzahl, so liegt Baden-Württemberg mit Exportwerten von rund 11 600 Euro pro Kopf auch nach diesem Maßstab an der Spitze der Bundesländer, vor dem Saarland (10 900 Euro) und Bayern (9 900 Euro). Die Exportwerte pro Kopf von Hamburg und Bremen sind dank Überseehafen und (relativ) kleiner Wohnbevölkerung kaum vergleichbar.

… und ein kaufkräftiger Importeur

Ähnlich ist Baden-Württemberg auf der Einfuhrseite positioniert: Nach Importwerten ist der Südwesten auch 2009 drittgrößter innerdeutscher Importeur – hinter Nordrhein-Westfalen und Bayern – mit einem Anteil an den gesamtdeutschen Importen, der mit 16,1 % über seinem Exportanteil liegt.7 Auch bei der Importneigung liegt der Südwesten mit Einfuhren, die 31,7 % des Bruttoinlandsproduktes ausmachen, an der Spitze der großen deutschen Flächenländer, wiederum nur überragt vom Saarland und den Hansestädten Hamburg und Bremen. Pro Kopf hat jeder Baden-Württemberger 2009 rechnerisch Waren im Wert von 10 150 Euro importiert, und damit mehr als jeder andere deutsche Nicht-Hanseat. Dass sich das Bild bei Ein- und Ausfuhren ähnelt, ist wiederum vor allem Ausdruck der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung: Vorprodukte und Komponenten werden immer öfter im Ausland gefertigt und für Weiterverarbeitungszwecke eingeführt, um in Produkte einzugehen, die dann wieder ausgeführt werden. Dies geschieht vorwiegend zwischen industriell ähnlich positionierten Ländern, innerhalb derselben Branchen und oft genug innerhalb derselben Unternehmen oder Unternehmensgruppen.

Das Welthandelsgefüge verschiebt sich

Die Wirtschaftskrise hat im Welthandelsgefüge deutliche Spuren hinterlassen. Das vielerorts befürchtete Wiedererstarken protektionistischer Tendenzen – wie andere große Rezessionen sie gesehen haben – hat sich im Großen und Ganzen nicht materialisiert. Dennoch haben sich die Gewichte, vor allem im Handel zwischen Industrie- und Schwellenländern, durch die Krise verschoben. Wie bereits gezeigt, ist die Nachfrage der von der Finanzkrise weit stärker gebeutelten Länder der reichen Hemisphäre ungleich stärker eingebrochen als diejenige der »Emerging Markets«, die dank ihrer rapide wachsenden Binnenwirtschaft – gestützt durch kluge Konjunkturpolitik – die globale Rezession schneller und unbeschadeter hinter sich gelassen haben. So haben die sich entwickelnden Volkswirtschaften, allen voran die großen unter den Schwellenländern, in ihrer Bedeutung als Exportmärkte für die Industrieländer massiv zugenommen. 2009 sind die Anteile derjenigen Güter, die China und Indien von Industrieländern gekauft haben, an ihren gesamten Einfuhren seit 2008 stark angestiegen.8 Wie hat sich nun der Außenhandel Baden-Württembergs inmitten dieser starken tektonischen Bewegungen der internationalen Handelsbeziehungen behauptet?

Baden-Württemberg hat im Export Marktanteile gewonnen

Vergleicht man die Entwicklung der Exporte Baden-Württembergs in ein Land mit der Entwicklung der gesamten Importe dieses Partnerlandes, so kann eine Aussage über die Entwicklung der Marktanteile baden-württembergischer Ausfuhrgüter in diesem Land getroffen werden. Die sogenannte »Export-Performance« Baden-Württembergs hat sich dann gegenüber einem Ausgangsjahr verbessert, wenn die baden-württembergischen Ausfuhren in ein Partnerland stärker zugenommen (oder weniger abgenommen) haben als die gesamten Einfuhren dieses Partnerlandes. Für die Berechnung wurden – in Anlehnung an die Methodik des Statistischen Bundesamtes9 – die 25 wichtigsten der rund 230 Partnerländer im Export Baden-Württembergs im Jahr 2008 herangezogen. Die Ausfuhren in diese 25 Länder machen knapp 85 % aller Exporte des Südwestens aus. Sie gingen gegenüber 2008 um 20,6 % zurück, was in der Dollarbetrachtung auch in etwa dem gesamten Exportrückgang entspricht.10 Die gesamten Importe dieser Partnerländer sind 2009 aber in den meisten Fällen stärker geschrumpft (im Schnitt um 24,2 %).

Damit konnte Baden-Württemberg seine Marktanteile in 17 der 25 wichtigsten Exportdestinationen ausbauen, besonders stark in so unterschiedlichen Ländern wie Österreich (unser fünftwichtigster Exportpartner 2009), Südkorea, Finnland, der Schweiz (drittgrößter Exportpartner 2009) und China (achtgrößter Exportpartner 2009). Natürlich muss bei diesen Überlegungen berücksichtigt werden, dass die Importe der meisten unserer Handelspartner – überwiegend rohstoffarme Staaten – krisenbedingt weniger Rohstoffkäufe zu deutlich geringeren Rohstoffpreisen 2009 beinhalten. Ein geringerer Rohstoffanteil an den Importwerten lässt die Anteile anderer Importgüter – auch derjenigen aus Baden-Württemberg – schon allein aus diesem Grunde steigen. Zudem hat der in der zweiten Hälfte 2009 gegenüber dem US-Dollar wieder aufwertende Euro bei Gütern, die in Dollar gehandelt werden, rechnerisch steigende Importe aus dem Euroraum – und damit auch aus Baden-Württemberg – zur Folge.

Dennoch kann festgehalten werden, dass Baden-Württemberg seine Stellung im Welthandel über die Krise hinweg – trotz des dramatischen Einbruchs der Exportzahlen in der ersten Hälfte des Jahres 2009 – verbessern konnte: Der Anteil baden-württembergischer Exporte an den weltweiten Exporten ist gegenüber 2008 von 1,38 auf 1,41 % angestiegen – ebenso wie er auch innerhalb Deutschlands, Europas und der Industrieländer zugelegt hat. Das hat zu tun mit der Ausfuhrgüterstruktur des Landes in Verbindung mit der durch die Krise nur wenig aufgehaltenen Industrialisierung der Schwellenländer: Die Nachfrage nach den Exportschlagern Maschinen und Investitionsgüter sowie hochwertigen Autos »Made in Baden-Württemberg« verschiebt sich zunehmend hin zu den Emerging Markets – allen voran China, Brasilien und Indien, die nicht nur quantitativ rasch wachsen, sondern sich auch investiv und konsumtiv in Richtung höherwertiger Produkte bewegen.

2010: Überraschend schnelle Rückkehr zur Vitalität der Vorkrisenjahre

Dass Baden-Württemberg sich nach dem Einbruch so schnell wieder den alten Exportziffern nähern könnte, hat wohl kaum jemand erwartet. Tatsächlich ist das Aufholtempo erstaunlich. Gut ein Fünftel (22 %) mehr als im 1. Halbjahr 2009 hat der Südwesten von Januar bis Juni 2010 exportiert. Vor einem Jahr musste noch von Halbjahreswerten im Export 2009 berichtet werden, die 23,2 % unter denen des Vorjahreszeitraums lagen. Damit sind nominale Exportwerte erreicht, die inzwischen nur noch 6,3 % unter denen des noch sehr exportstarken 1. Halbjahres 2008 liegen. Das Schwungrad Export hat sich wieder gedreht und Baden-Württemberg eine im Bundesvergleich überdurchschnittlich schnelle Erholung beschert.11

Wieder sind es die Galionsfiguren der südwestdeutschen Exportindustrie, die am meisten zu der kräftigen Erholung der Außenhandelsergebnisse beitragen. An erster Stelle der Ausfuhrschlager stehen inzwischen wieder die Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile; diese waren zwischendurch von den Maschinen abgelöst worden. Sie machen aktuell 22,9 % an allen Ausfuhren des Landes aus. 59,4 % an Exportwerten wurden im 1. Halbjahr 2010 mehr verbucht als im Krisenhalbjahr Januar bis Juni 2009. Dieses aber wiederum hatte einen Einbruch von 43,4 % gegenüber dem 1. Halbjahr 2008 zu verzeichnen gehabt. Mit dieser Aufholjagd liegen die Autoexporte aus dem Ländle aktuell noch knapp 10 % unter denen des 1. Halbjahres 2008.

Wachstumsziffern, die in normalen Zeiten euphorisch verkündet würden, muss man nun angesichts solcher Zahlen als weniger spektakulär bezeichnen. So zum Beispiel die der Ausfuhrgüterkategorie Nummer 2, den Maschinen, die von Januar bis Juni 20,3 % zu den Exportwerten beigetragen haben. 7 % mehr hat das Ausland davon bezogen als noch im 1. Halbjahr 2009, das seinerseits nur drei Viertel der Exporterlöse des 1. Halbjahres 2008 verbuchen konnte (minus 24,8 %). Zum Halbjahr liegen die Maschinenbauer aus dem Südwesten mit ihren Ausfuhren noch knapp 20 % unter denjenigen des 1. Halbjahres 2008. Sie rechnen aber angesichts der guten Auftragslage mit einer noch zunehmenden Dynamik. Unter den großen Ausfuhrkategorien konnten einzig die Pharmaexporte über die Krise hinweg wachsen und damit ihren Aufwärtstrend der letzten Jahre, wenn auch abgeschwächt, fortsetzen. Im 1. Halbjahr 2010 wurden hier Waren im Wert von 5,9 Mrd. Euro und damit eine ganze Milliarde mehr ausgeführt als im Vorkrisenhalbjahr 2008. Mit gut 8 % an den Gesamtexporten sind sie die drittgrößte Ausfuhrgüterkategorie.

Die Aufholjagd der baden-württembergischen Kernbranchen schlägt sich auch einfuhrseitig nieder, denn für die Bedienung der erstarkten Exportnachfrage werden mehr Vorprodukte, auch importierte, benötigt. So rangieren diejenigen Güterkategorien, die exportseitig dominieren, auch importseitig unter den Top Ten: Elektrische Ausrüstungen auf Rang 6 (mit 3,7 Mrd. Euro von Januar bis Juni 2010), Kraftwagen und Kfz-Teile mit 4,8 Mrd. auf Rang 4, Datenverarbeitungsgeräte, elektronische und optische Erzeugnisse mit 5,9 Mrd. auf Rang 3 und Maschinen mit 7,5 Mrd. auf Rang 2.

Wer annimmt, das wichtigste Importgut Baden-Württembergs sei das »schwarze Gold«, liegt gründlich daneben, denn Erdöl und Erdgas stehen mit Importen im Wert von 2,2 Mrd. Euro auf Rang 8 der Einfuhrliste und machen im 1. Halbjahr wertmäßig nur noch 3,6 % aller Importe aus (2008 waren es noch 6,6 % gewesen). Ursächlich sind vor allem die immer noch weit unter ihrem Vorkrisenhoch liegenden Ölpreise. Topimportgüter im Südwesten sind indessen die Pharmazeutischen Erzeugnisse, von denen wesentlich mehr ein- als ausgeführt werden (im 1. Halbjahr 2010: 10,1 Mrd. Euro).

Beschleunigte Kontinentaldrift

2008 wurden noch knapp 72 % aller baden-württembergischen Ausfuhrgüter innerhalb Europas ausgeliefert, 2009 war es 1 Prozentpunkt weniger, und im 1. Halbjahr 2010 sind es noch 67,5 %. Innerhalb der Europäischen Union ist der Anteil von 58,4 im Jahr 2008 auf 53,9 % aktuell zurückgegangen, in der Eurozone von 40,9 auf 38,5 %. Dem steht eine starke Zunahme der Bedeutung der asiatischen Exportmärkte gegenüber, die 2008 noch 13,6 % aller baden-württembergischen Ausfuhren aufnahmen. In den ersten 6 Monaten dieses Jahres gingen bereits 17,4 % aller Ausfuhren aus dem Südwesten nach Asien, davon allein zwei Fünftel – nämlich Waren im Wert von über 5 Mrd. Euro – nach China. Die mittlerweile zweitgrößte Volkswirtschaft hat damit im 1. Halbjahr 2010 fast doppelt so viel aus Baden-Württemberg bezogen wie im Vorjahreszeitraum und ist inzwischen – nach den USA, Frankreich und der Schweiz – viertgrößter Abnehmer von Produkten vor allem wiederum der Auto-, Maschinen-, Elektro- und DV-Branche.

Importseitig ist Baden-Württemberg in der relativen Betrachtung etwas mehr mit den Ländern Europas verbunden, denn seit dem Jahr 2008 stabile 71 % der baden-württembergischen Einfuhren stammen aus Europa. Auch der Anteil der Güter, die wir von anderen Euroländern kaufen, hat sich über die Krise hinweg kaum verändert (41,7 %). Abgenommen hat seit 2008 der Anteil an Gütern, die wir aus Amerika beziehen (10,5 %), während wiederum die asiatischen Lieferanten für die Südwestwirtschaft seit 2008 erkennbar wichtiger geworden sind: 16,2 % unserer Importe (2008: 14,6 %) kommen von diesem Kontinent.

Der obligatorische Warnhinweis

Die Außenhandelsstatistiker, die in den letzten beiden Jahren mit Veränderungsraten in gänzlich ungewohnten Dimensionen zu tun hatten, fühlen sich angesichts der jüngeren Entwicklungen dazu verleitet, eine rasche Rückkehr zu alten Relationen und zu dann wieder kontinuierlich starkem Außenhandelswachstum zu erwarten. Dennoch: Bei aller nachvollziehbaren Euphorie über das im Vergleich zu anderen Industrieländern erfolgreichere Meistern der Krise in Deutschland und besonders in Baden-Württemberg gibt es doch auch gute Gründe dafür, das Wachstumspotenzial des Exports – und durch den Export – in der mittleren Frist nicht zu überschätzen. Zum einen erzielt Baden-Württemberg im Export noch immer 2 von 3 Euro mit europäischen Handelspartnern, deren Wirtschaft zum Teil noch deutlich von der Krise gezeichnet ist. Das Trimmen der von den Konjunkturprogrammen aufgeblähten öffentlichen Haushalte wird dort einer kraftvolleren Erholung entgegenstehen. Der aktuell wichtigste Abnehmer baden-württembergischer Produkte, die Vereinigten Staaten, ist zwar früher zum Wachstum zurückgekehrt, sieht sich inzwischen aber bereits wieder einer deutlichen Verlangsamung gegenüber. Die Risiken, die von einer Verschärfung der Eurokrise oder aber mittelfristig von überhitzten Rohstoffmärkten ausgehen können, sind kaum kalkulierbar. Selbst wenn sie sich nicht materialisieren, ist eine Verlangsamung des Exportwachstums auch für Baden-Württemberg unumgänglich, sobald der Aufholeffekt von in der Krise aufgeschobenen und nun nachgeholten Käufen für Lageraufbau und Investitionen abflacht. Mit Sicherheit kann jedoch für jedes Szenario davon aus-gegangen werden, dass sich die Gewichte im Außenhandel Baden-Württembergs weiter deutlich in Richtung Asien verschieben werden.

1 Die größten Exportrückgänge gab es in Baden-Württemberg 1975 als Folge der ersten Ölkrise (– 3,7 %) und im Jahr 1993 (– 4,5 %). Letzterer Rückgang war allerdings maßgeblich statistisch bedingt: Nach der Einführung des Europäischen Binnenmarkts gab es anfänglich eine Untererfassung in der Intrahandelsstatistik.

2 2009 International Trade Statistics Yearbook, Volume I, United Nations 2009. Die zitierten Zahlen beziehen sich auf die weltweiten Exporte in US-Dollar, konvertiert zum jeweiligen Jahresdurchschnittskurs. Bei allen Angaben handelt es sich um nominale Werte, Veränderungsraten beinhalten also auch Preisbewegungen. Der von der WTO berechnete Rückgang im Welthandel von 12,2 % bezieht sich auf gehandelte Mengen. Die Differenz zwischen mengen- und wertmäßigen Veränderungsraten ist vor allem auf den krisenbedingten Verfall der Rohstoffpreise zurückzuführen.

3 Brasilien, Russland, Indien, China.

4 Gründete man also morgen die Vereinigten Staaten von Europa (EU27), so würde der Welthandel rein statistisch in einer ähnlichen Größenordnung schrumpfen wie er das 2009 – allerdings tatsächlich – getan hat.

5 China ist seit 2009 mit 9,7 % der weltweiten Ausfuhren Nummer eins auf den Weltexportmärkten, während die USA mit 12,9 % aller Einfuhren nach wie vor unbestrittener Importweltmeister sind. Deutschland rangiert bei den Warenimporten, wiederum nach China, auf Rang 3, mit 7,5 % der weltweiten Importe.

6 Dass sich die Ausfuhren der Bundesländer nicht auf die Exportziffer von Deutschland summieren, liegt an Ausfuhren, die nicht auf Bundesländer aufgeschlüsselt werden (dem sogenannten »17. Bundesland«). Hier handelt es sich vor allem um »Waren ausländischen Ursprungs«, also nach Deutschland importierte, zwischengelagerte und – ohne Be- oder Verarbeitung – wieder exportierte Güter (nicht zu verwechseln mit reinen Durchfuhren, die nicht in die Außenhandelsstatistik eingehen). Sie machen mit fast 19 % der Ausfuhren mittlerweile einen Anteil aus, der größer als der Beitrag des exportstärksten Bundeslandes ist.

7 Auch das hat mit dem »17. Bundesland« zu tun, der Position nicht auf Bundesländer aufgeschlüsselter Waren. Sie ist auf der Einfuhrseite wesentlich geringer als auf der Ausfuhrseite, weshalb der auf Baden-Württemberg entfallende Importanteil höher ausfällt als sein Exportanteil.

8 Von 59 auf 66 % im Falle Chinas und von 42 auf 47 % in Indien. Vgl. »Defying Gravity and History«, The Economist, August 7th, 2010.

9 Vgl. »Der Deutsche Außenhandel im Sog der Weltwirtschaftskrise«, in: Wirtschaft und Statistik Heft 4/2010, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2010.

10 Da der Euro im Jahresdurchschnitt 2009 in Dollar ausgedrückt weniger wert war als noch 2008 ist der Rückgang der baden-württembergischen Ausfuhrwerte in Dollar größer als in Euro.

11 Die bundesweiten Exporte sind gegenüber dem 1. Halbjahr 2009 um 17,1 % gewachsen.