:: 10/2010

Jugendkriminalität in Baden-Württemberg

Das Thema Jugendkriminalität steht in der gesellschaftlichen Diskussion immer wieder im Mittelpunkt. Der folgende Beitrag zeigt die Gesamtentwicklung der Jugendkriminalität in Baden-Württemberg, beschreibt aber auch die Belastung durch Jugendkriminalität in den Stadt- und Landkreisen, die häufigsten Deliktgruppen, geschlechterspezifische Unterschiede sowie Vorstrafen.

Im Jahr 2009 war jeder sechste gerichtlich Verurteilte jünger als 21 Jahre alt. In der Gesamtbilanz der letzten 10 Jahre ging die Verurteiltenhäufigkeit bei den 18- bis unter 21-Jährigen um 12 % zurück, während sie bei den 14- bis unter 18-Jährigen im gleichen Zeitraum um 7 % zunahm. Bundesweit weist der Südwesten die geringste Belastung durch Jugendkriminalität auf. In den Ballungszentren ist grundsätzlich eine höhere Belastung durch Jugendkriminalität zu beobachten als in den Landkreisen. Seit 2000 stieg die Zahl der verurteilten jungen Frauen um 18 % an, während die Zunahme bei den jungen Männern im gleichen Zeitraum nur 2 % betrug. Rund 70 % aller Verurteilungen von Jugendlichen und Heranwachsenden wurden im Jahr 2009 wegen Diebstahls- und Straßenverkehrsdelikten, Gewaltstraftaten, Straftaten wegen Betrugs und Untreue sowie Drogendelikten ausgesprochen. Nahezu die Hälfte aller jungen Straftäter unter 21 Jahren im vergangenen Jahr war bereits vorbestraft.

Jeder sechste gerichtlich Verurteilte ist jünger als 21 Jahre

Der Begriff Jugendkriminalität bezeichnet alle strafrechtlich relevanten Verstöße von Personen im Alter unter 21 Jahren. Wie entwickelte sich die Jugendkriminalität in Baden-Württemberg innerhalb der letzten 10 Jahre? Schaubild 1 zeigt, dass im Jahr 2009 die Zahl der verurteilten jungen Menschen im Alter von unter 21 Jahren um rund 4 % höher lag als 2000. Die Absolutzahl nahm in diesem Zeitraum von 20 400 auf 21 300 verurteilte Jugendliche und Heranwachsende zu. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war die Gruppe der verurteilten Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren, bei der in den letzten 10 Jahren eine Zunahme der Schuldsprüche um 14 % auf 8 800 zu beobachten war. Dagegen ging die Zahl der verurteilten Heranwachsenden im Alter von 18 bis unter 21 Jahren im gleichen Zeitraum um 2 % auf 12 500 zurück. Unter den im Jahr 2009 insgesamt 115 700 vor baden-württembergischen Gerichten schuldig gesprochenen Personen im strafmündigen Alter von mindestens 14 Jahren waren 21 300 unter 21 Jahre alt, was einem Anteil an allen Verurteilten von 18 % oder rund jedem sechsten gerichtlich Verurteilten entspricht.

Die Verurteiltenhäufigkeit, welche die Zahl der Verurteilten zu 100 000 Einwohnern gleichen Alters in Beziehung setzt, gilt als Gradmesser für die Belastung der Bevölkerung durch gerichtlich registrierte Kriminalität. Bei den Heranwachsenden lag die Verurteiltenhäufigkeit in den vergangenen 10 Jahren unter allen Altersgruppen mit Abstand am höchsten. Während hinsichtlich aller Altersgruppen jede 80. Person, die in Baden-Württemberg lebt, im Jahr 2009 gerichtlich verurteilt wurde, wurde jeder 31. im Land lebende Heranwachsende und jeder 55. Jugendliche vor Gericht verurteilt. Anders ausgedrückt lag der Anteil der Verurteilten unter den Einwohnern im Land bei den 18 bis unter 21-Jährigen mit gut 3 % deutlich höher als bei den 14 bis unter 18-Jährigen mit einem Anteil von knapp 2 %. Generell ist das Niveau jedoch in beiden Altersgruppen gering. In den letzten 10 Jahren ging die Verurteiltenhäufigkeit bei den Heranwachsenden um 12 % zurück, während sie bei den Jugendlichen im gleichen Zeitraum um 7 % zunahm.

Südwesten hat bundesweit die geringste Belastung durch Jugendkriminalität

Um die Kriminalitätsbelastung regional vergleichen zu können, wird die Zahl der polizeilich ermittelten tatverdächtigen Jugendlichen und Heranwachsenden auf 100 000 altersgleiche Einwohner bezogen. Aus erfassungstechnischen Gründen beschränkt sich der regionale Vergleich auf die Gruppe der 14- bis unter 21-Jährigen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Im Jahr 2009 war Baden-Württemberg bundesweit das Land mit der geringsten Häufigkeit an jungen Tatverdächtigen, gefolgt von Hessen und Bayern. Die Spannweite bei der Belastung durch Jugendkriminalität reichte von 5 400 in Baden-Württemberg bis zu über 11 000 in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Bundesweit kamen 6 900 tatverdächtige Jugendliche und Heranwachsende auf 100 000 altersgleiche Einwohner. Bei der räumlichen Verteilung der Tatverdächtigenbelastungszahl ist bundesweit insbesondere ein Nord-Süd-Gefälle erkennbar.

Stadtkreise in Baden-Württemberg sind stärker von Jugendkriminalität betroffen

Auch in Baden-Württemberg ist die Belastung durch Jugendkriminalität regional sehr unterschiedlich. Die Zahl der von der Polizei ermittelten deutschen Tatverdächtigen im Alter von 14 bis unter 21 Jahren je 100 000 Einwohner im gleichen Alter reichte im Jahr 2009 von 3 000 im Alb-Donau-Kreis bis zu 14 100 in Freiburg. Ähnlich wie in den Stadtstaaten ist auch in den Stadtkreisen und damit in den Ballungszentren grundsätzlich eine höhere Belastung durch Jugendkriminalität zu beobachten. Neben Freiburg lag in fast allen Stadtkreisen die Tatverdächtigenhäufigkeit höher als 10 000 und damit rund doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt von 5 400. In Stuttgart betrugen die entsprechenden Häufigkeiten 13 600 und in Mannheim 12 300, der Stadtkreis Baden-Baden wies dagegen mit 8 000 die mit Abstand geringste Belastung durch Jugendkriminalität unter den neun Stadtkreisen auf.

Mehr Schuldsprüche gegen junge Frauen

Junge Frauen sind in einem viel geringeren Umfang an gerichtlich registrierter Kriminalität beteiligt als junge Männer. 2009 waren unter den 21 300 Verurteilten, die jünger als 21 Jahre alt waren, rund 18 000 Männer und 3 300 Frauen. Seit dem Jahr 2000 stieg die Zahl der verurteilten jungen Frauen allerdings um 18 % (von 2 800 auf 3 300) an, während die Zunahme bei den jungen Männern im gleichen Zeitraum lediglich 2 % (von 17 600 auf 18 000) betrug. Der Anteil der Frauen unter den jungen Verurteilten unter 21 Jahren ist im Zeitraum 2000 bis 2009 von 14 auf 15 % gestiegen. Damit richtete sich rund jeder sechste Schuldspruch gegen eine junge Frau.

Im Jahr 2009 hatten unter den 21 300 jungen Verurteilten 16 200 Personen die deutsche und fast 5 100 eine ausländische Staatsangehörigkeit. Der Anteil der ausländischen Verurteilten im Alter von unter 21 Jahren fiel von 27 % im Jahr 2000 auf 24 % im Jahr 2009. Die Zahl der deutschen Verurteilten, die unter 21 Jahre alt waren, nahm von 14 800 auf rund 16 200 und damit um über 9 % zu.

Verurteilungen wegen Diebstahls- und Straßenverkehrsdelikten am häufigsten

Rund 70 % aller Verurteilungen von Jugendlichen und Heranwachsenden werden wegen Diebstahls- und Straßenverkehrsdelikten, Gewaltstraftaten, Straftaten wegen Betrugs und Untreue sowie Drogendelikten ausgesprochen. Im Jahr 2009 waren alleine Diebstahlsdelikte bei 21 % aller jungen Straftäter unter 21 Jahren Anlass der Verurteilung, gefolgt von Straßenverkehrsdelikten mit einem Anteil von 17 % sowie Betrugsdelikten und Gewaltstraftaten mit Anteilen von 13 bzw. 12 %. Nach Angaben des Landeskriminalamtes standen 30 % aller von der Polizei wegen Gewaltdelikten ermittelten jungen Tatverdächtigen unter 21 Jahren zum Tatzeitpunkt unter Alkoholeinfluss.

In den letzten 10 Jahren sank die Zahl der wegen Drogendelikten Verurteilten jungen Menschen um 33 %, bei den Straßenverkehrsdelikten und den Diebstahlsdelikten um 22 bzw. 12 %. Dagegen nahm die Zahl der Schuldsprüche wegen Gewaltstraftaten im gleichen Zeitraum um 27 % zu. Die Zahl der verurteilten jungen Menschen unter 21 Jahren wegen Betrugs- und Untreuedelikten hat sich fast verdoppelt (+ 89 %), bei den jungen Frauen betrug der Zuwachs sogar 137 %.

Über 80 % aller Sanktionen nach Jugendstrafrecht haben erzieherischen Charakter

Jugendliche Straftäter können ausschließlich nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, heranwachsende Täter im Alter von 18 bis unter 21 Jahren dagegen nach Jugendstrafrecht oder allgemeinem Strafrecht (Erwachsenenstrafrecht). Im Jahr 2009 wurden 6 300 Heranwachsende und damit gut die Hälfte (51 %) nach Jugendstrafrecht sowie 6 200 oder 49 % nach allgemeinem Strafrecht verurteilt.

Bei den Jugendlichen und Heranwachsenden, die im Jahr 2009 nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden, wurden zu 79 % und damit zum weit überwiegenden Teil Zuchtmittel wie beispielsweise die Leistung einer gemeinnützigen Arbeit verhängt. Bei rund 18 % der Verurteilten unter 21 Jahren war die Straftat so schwer, dass ein Freiheitsentzug mittels einer Jugendstrafe ausgesprochen wurde. In knapp 3 % aller Fälle wurde die mildeste Sanktion im Jugendstrafrecht in Form von Erziehungsmaßregeln verhängt, bei der Weisungen zur Lebensführung erteilt werden.

Bei den Schuldsprüchen nach allgemeinem Strafrecht wurden die Heranwachsenden zum größten Teil, nämlich in 96 % aller Fälle zu einer Geldstrafe verurteilt. Die übrigen 4 % erhielten Freiheitsstrafen.

Fast die Hälfte aller jungen Straftäter ist bereits vorbestraft

Von den insgesamt 21 300 vor Gericht schuldig gesprochenen Jugendlichen und Heranwachsenden waren im Jahr 2009 fast 10 000 oder 47 % bereits vorbestraft. 4 100 (19 %) und damit die meisten von ihnen hatten lediglich eine Vorstrafe, es gab aber auch fast 2 000 (9 %) mit vier und mehr Vorstrafen. Fast 2 500 (12 %) junge Straftäter hatten zwei Vorstrafen und gut 1 400 (7 %) waren schon drei Mal vorbestraft. Die übrigen 11 300 jugendlichen und heranwachsenden Straftäter (53 %) hatten keine Vorstrafen.

Nach Angaben des Landeskriminalamtes wurden Gewaltdelikte von Jugendlichen und Heranwachsenden zu über 80 % von Wiederholungstätern begangen. Zahlreiche landesweite und örtliche Maßnahmen der Kriminalprävention, die von Polizei und Justiz in Zusammenarbeit mit den in der Jugendarbeit tätigen Einrichtungen, Behörden, Schulen und Kommunen durchgeführt werden, sind speziell auf die Zielgruppe junger Menschen ausgerichtet. Die wichtigsten Themen dieser Initiativen sind Gewalt- und Drogenprävention, soziale Kompetenz und Integration.