:: 10/2010

Arbeitsmarkt im Fokus von Demografie und Bildung

Die demografische Entwicklung spiegelt sich auch auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt wider. Die zunehmende Zahl älterer Arbeitnehmer stellt die Unternehmen und Betriebe im Land vor neue Herausforderungen. Die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten gewinnt daher immer stärker an Bedeutung und wird zu einer zentralen Aufgabe. Im Mittelpunkt stehen hier insbesondere Frauen und ausländische Mitbürger, deren Ausbildungsniveau trotz enormer Verbesserungen in den letzten Jahren immer noch unter dem Durchschnitt aller Beschäftigten liegt.

Das Durchschnittsalter der Beschäftigten in Baden-Württemberg ist deutlich gestiegen. Zum Jahresende 2009 waren nach Auswertung der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (siehe i-Punkt) 25 oder jeder vierte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Baden-Württemberg 50 Jahre und älter. Binnen 10 Jahren ist der Anteil der älteren Arbeitnehmer um 6 Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt waren 2009 von den rund 3,86 Mill. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten knapp 980 000 im Alter zwischen 50 und 65 Jahren.

Anteil der über 50-jährigen Arbeitnehmer im Land geringer als bundesweit

Im bundesweiten Vergleich weist Baden-Württemberg eine leicht unterdurchschnittliche Quote älterer Arbeitnehmer auf. Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Berlin und Nordrhein-Westfalen hatten einen Anteil von 25 % und lagen damit allesamt unter dem Bundesdurchschnitt von 26 % (Tabelle 1). Mit 23 % hatte Hamburg den geringsten Anteil an Arbeitnehmern im Alter von mindestens 50 Jahren und das Saarland unter den westdeutschen Bundesländern mit 27 % den höchsten. In den fünf Flächenländern Ostdeutschlands sind die Belegschaften insgesamt spürbar älter. In Sachsen und Brandenburg lag die Quote der Arbeitnehmer mit mindestens 50 Jahren bei 29 %, in Mecklenburg-Vorpommern waren es 30 % und in Sachsen-Anhalt sogar 31 %. In der Gesamtbilanz waren in Westdeutschland 25 % der Arbeitnehmer 50 Jahre und älter, in Ostdeutschland einschließlich Berlin lag der Anteil bei 29 %.

Nur wenige Arbeitnehmer der »Generation 50+« im Landkreis Heilbronn

In den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs reichte die Spannweite der älteren Arbeitnehmer von 23 % im Landkreis Heilbronn bis zu 28 % im Stadtkreis Pforzheim und dem Neckar-Odenwald-Kreis. Gegenüber 1999 nahm der Anteil älterer Arbeitnehmer in allen Stadt- und Landkreisen zu. Der Alterungsprozess der Belegschaften vollzog sich jedoch in den Kreisen recht unterschiedlich. Im Neckar-Odenwald-Kreis erhöhte sich der Anteil der älteren Arbeitnehmer zwischen 1999 und 2009 um 10 Prozentpunkte von 18 auf 28 %, so stark wie in keinem anderen Kreis. Auch in den Landkreisen Rastatt, Ortenaukreis, Emmendingen und Main-Tauber-Kreis nahmen die Anteile der 50- bis unter 65-jährigen Beschäftigten um jeweils rund 9 Prozentpunkte kräftig zu, so dass diese Kreise gemessen am Landesdurchschnitt inzwischen überdurchschnittlich hohe Anteile älterer Arbeitnehmer aufweisen. Umgekehrt hatten beispielsweise der Stadtkreis Stuttgart und die Landkreise Ludwigsburg und Esslingen im Jahr 1999 mit Anteilen von jeweils 21 % noch überdurchschnittlich viele ältere Arbeitnehmer (Landesdurchschnitt 1999: 19 %), 10 Jahre später lagen diese Quoten mit 24 bis 25 % jedoch unterhalb des Landeswertes. Der Stadtkreis Pforzheim war in den Jahren 1999 und 2009 mit Anteilen von 22 und 28 % der Kreis mit den landesweit meisten älteren Arbeitnehmern. Vergleichsweise junge Belegschaften gibt es dagegen im Landkreis Heilbronn und im Hohenlohekreis. In beiden Kreisen blieben die Anteile der Älteren unter den Beschäftigten auch im Jahr 2009 mit 23 bzw. 24 % spürbar unter dem Landesdurchschnitt.

Qualifikation der Arbeitnehmer deutlich verbessert

Auch in den kommenden Jahren wird alleine wegen der demografischen Entwicklung im Land das Alter der Belegschaften weiter zunehmen. Aus- und Weiterbildungsprogramme in Unternehmen müssen deshalb auf die gesamte Belegschaft ausgerichtet werden und dürfen keine Altersgruppe von Qualifikationsmaßnahmen ausschließen. Bereits in den letzten 30 Jahren hat sich das Ausbildungsniveau der Beschäftigten in Baden-Württemberg deutlich verbessert. Von den fast 3,86 Mill. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Südwesten hatten 2,7 Mill. oder fast 70 % eine abgeschlossene Berufsausbildung. Im Jahr 1979 waren es nur knapp 2 Mill. der seinerzeit 3,3 Mill. Beschäftigten, was einem Anteil von 58 % entspricht. Ein Blick auf die Art der beruflichen Qualifikation der Arbeitnehmer zeigt, dass auch deren Ausbildungsgrad deutlich gestiegen ist. So hat sich in Baden-Württemberg die Zahl der Arbeitnehmer mit einer akademischen Ausbildung in den letzten 30 Jahren von 138 000 auf über 433 000 mehr als verdreifacht. Die Akademikerquote erhöhte sich von 4 auf gut 11 %. Bundesweit liegt der entsprechende Wert aktuell bei rund 10 % und damit etwas niedriger als in Baden-Württemberg.

Frauen holen auf

Maßgeblichen Anteil an dem deutlich höheren Ausbildungsstand der Arbeitnehmer im Land haben die Frauen. Mit der steigenden Erwerbsbeteiligung der Frauen ist die Zahl der weiblichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den letzten 30 Jahren um 29 % auf 1,7 Mill. gestiegen, und damit fast 5-mal so stark wie die ihrer männlichen Arbeitskollegen (+ 6 % auf 2,1 Mill.). Hinzu kommt, dass sich das Qualifikationsniveau der Frauen weitgehend dem ihrer männlichen Kollegen angenähert hat. Im Jahr 1979 besaßen von den seinerzeit 1,3 Mill. beschäftigten Frauen lediglich 630 000 und damit nicht einmal die Hälfte eine Berufsausbildung (47 %), 30 Jahre später waren es 68 % (1,2 Mill.). Bei den Männern ist der Anteil der Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung von 66 % im Jahr 1979 auf 72 % im Jahr 2009 gestiegen. Besonders stark erhöhte sich die Zahl der Akademikerinnen von gut 27 000 auf 138 000. Bezogen auf die im Jahr 2009 insgesamt gut 1,7 Mill. beschäftigten Frauen im Südwesten lag die Akademikerquote aktuell bei 8 % und war 4-mal so hoch wie 1979. Die Akademikerquote bei den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männern erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 6 auf 14 % und ist aktuell immer noch höher als bei den Frauen.

Die verbesserte berufliche Qualifikation der Frauen kommt der Wirtschaft im Land allerdings nur eingeschränkt zugute, da viele Frauen insbesondere aus familiären Gründen teilzeitbeschäftigt sind. Insgesamt arbeiteten 2009 rund 35 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Frauen in Teilzeit. Bei den Männern waren es lediglich 5 %.

Mehr ausländische Arbeitnehmer mit akademischem Abschluss

Auch bei den ausländischen Beschäftigten im Südwesten hat sich die berufliche Qualifikation alleine in den letzten 10 Jahren deutlich verbessert. Von den zur Jahresmitte 2009 rund 409 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ausländischer Nationalität hatten 171 000 oder 42 % eine abgeschlossene Berufsausbildung. 10 Jahre zuvor hatte der entsprechende Wert lediglich 37 % betragen. Während sich der Anteil der ausländischen Beschäftigten mit einer abgeschlossenen Lehre nur leicht von 34 auf 35 % (2009: 143 000 Beschäftigte) erhöhte, hat sich unter den ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Quote der Fachhochschul- und Hochschulabsolventen von 3 auf 7 % mehr als verdoppelt (2009: 28 000 Beschäftigte). Auch der Anteil der ausländischen Beschäftigten ohne Ausbildung ging in der letzten Dekade deutlich zurück. Waren 1999 noch die Hälfte aller ausländischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung, hat sich seither der Anteil um 15 Prozentpunkte auf nunmehr 35 % verringert (2009: 144 000 Beschäftigte). Diese Entwicklung zeigt, dass sich die ausländischen Beschäftigten zunehmend besser beruflich qualifizieren.

Trotz des Aufholprozesses ist die berufliche Qualifikation der ausländischen Arbeitnehmer dennoch spürbar geringer als die der deutschen Arbeitskollegen. Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit deutscher Staatsangehörigkeit besaßen 2009 lediglich 16 % keine Berufsausbildung. Damit war die Quote nicht einmal halb so hoch wie bei den ausländischen Beschäftigten. Umgekehrt lag die Akademikerquote unter den deutschen Beschäftigten mit 12 % um 5 Prozentpunkte höher als bei den ausländischen Arbeitnehmern.

Große Unterschiede zwischen den Nationalitäten

Je nach Staatsangehörigkeit gibt es unter den ausländischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten große Unterschiede in der beruflichen Ausbildung. Betrachtet man alleine die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der fünf in Baden-Württemberg zahlenmäßig am stärksten vertretenen Nationalitäten Türkei, Italien, Kroatien, Frankreich und Griechenland, so wird deutlich, dass die gut 26 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit französischem Pass unter den ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weit überdurchschnittlich qualifiziert sind. 63 % aller in Baden-Württemberg sozialversicherungspflichtig beschäftigten Franzosen haben eine abgeschlossene Ausbildung, wobei 50 % eine Lehre absolviert haben und 13 % einen akademischen Abschluss vorweisen können. Damit ist die Akademikerquote bei den Beschäftigten mit französischer Nationalität fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller ausländischen Beschäftigten und um einen Prozentpunkt höher als bei den deutschen Arbeitskollegen. Unter den Beschäftigten mit französischer Staatsangehörigkeit dürften allerdings zahlreiche Personen in Frankreich wohnen und als Einpendler in Baden-Württemberg arbeiten. Auch bei den Beschäftigten aus Kroatien, Italien, Griechenland und der Türkei hat sich das Qualifikationsniveau deutlich erhöht. Im Jahr 2009 betrug der Anteil der Beschäftigten mit Ausbildung bei den Kroaten 51 %, bei den Italienern 41 %, bei den Griechen 40 % und bei den Türken 32 %.

Akademiker in den Stadtkreisen stärker vertreten als in den Landkreisen

In den einzelnen Stadt- und Landkreisen des Landes war 2009 der Ausbildungsstand der Beschäftigten recht unterschiedlich. An erster Stelle des Rankings stand der Landkreis Biberach, in dem 74 % aller Beschäftigten eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können, gefolgt vom Stadtkreis Ulm, den Landkreisen Main-Tauber, Ostalbkreis, Böblingen und Bodenseekreis sowie dem Stadtkreis Stuttgart mit jeweils 73 %. Während beispielsweise im Landkreis Biberach sowie dem Main-Tauber-Kreis überdurchschnittlich viele Beschäftigte über eine abgeschlossene Lehre verfügen, liegt der Anteil der Akademiker im Stadtkreis Stuttgart mit 22 % doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Insgesamt lag in den Stadtkreisen der Anteil der Akademiker mit 17 % um 8 Prozentpunkte höher als in den Landkreisen.