:: 10/2010

Lebensbedingungen und Einkommen der Haushalte in Baden-Württemberg

Ausgewählte Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2008

Die Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen EU-SILC (Leben in Europa) wird seit einigen Jahren in den Ländern der Europäischen Union durchgeführt. Zu den Themen dieser Erhebung gehören neben dem Einkommen auch wichtige Lebensbereiche wie etwa die Wohnsituation oder die Gesundheit. EU-SILC ist die Standarddatenquelle für die Messung von Armut und Lebensbedingungen in den Mitgliedstaaten der EU und eine wichtige Basis für die europäische Sozialpolitik. Neben den EU-weiten Zahlen zur Armutsgefährdung und zum Haushaltseinkommen wurden für diesen Beitrag auch Daten des Jahres 2008 für Baden-Württemberg ausgewertet. Ausgewählte Ergebnisse geben einen Einblick in die Einkommensverteilung und zu Einschätzungen über die Themen Wohnkosten, Wohnumfeld und Gesundheit.

In Deutschland wird seit dem Jahr 2005 die europäische Statistik EU-SILC (Leben in Europa) erhoben (siehe i-Punkt). Einen Themenschwerpunkt bei EU-SILC bildet die Einkommenssituation der Haushalte mit detaillierten Angaben zum Erwerbseinkommen, zu erhaltenen Sozialleistungen sowie zu den gezahlten Steuern und Sozialbeiträgen. Weitere Themen der Erhebung bilden allgemein die Lebensbedingungen, so der Gesundheitszustand, die Wohnsituation (zum Beispiel Zustand der Wohnung, Probleme im Wohnumfeld), der Bildungsstand und die Kinderbetreuung. Bei EU-SILC werden auch Fragen zu subjektiven Einschätzungen gestellt, beispielsweise wie die Haushalte mit ihrem Einkommen zurechtkommen oder wie die Belastung durch die Wohnkosten gesehen wird. Ergänzt wird die Erhebung durch ein jährlich wechselndes Schwerpunktmodul.

Vorrangiges Ziel von EU-SILC ist es, Statistiken und Indikatoren für die Europäische Union zur Verfügung zu stellen und somit Vergleiche zwischen den einzelnen Staaten zu ermöglichen.1 Veröffentlichungen und Analysen zu EU-SILC liegen bisher im Wesentlichen als bundesweite Ergebnisse für Deutschland vor2, während die detaillierte Perspektive der einzelnen Bundesländer bei dieser Erhebung auch aus methodischen Gründen eher in den Hintergrund tritt. Das Hochrechnungsverfahren der EU-SILC-Statistik ist auf das gesamte Bundesgebiet bezogen. Auswertungen sind jedoch auch für Baden-Württemberg und die Bundesländer möglich. Im Folgenden werden neben einem EU-Vergleich zur Armutsgefährdung auch ausgewählte Ergebnisse zur Einkommenssituation und den Lebensbedingungen der privaten Haushalte im Land dargestellt.

Armutsgefährdung im Vergleich der EU-Staaten

Ein Indikator, der besonders im Fokus der EU-Sozialpolitik steht und der mit den Einkommensdaten aus EU-SILC berechnet wird, ist die Armutsgefährdungsquote. Dieser Indikator dient der Messung relativer Einkommensarmut und wird definiert als der Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Medians der Äquivalenzeinkommen der gesamten Bevölkerung in Privathaushalten beträgt (Begriffserläuterungen siehe i-Punkt). Die Armutsgefährdungsquoten beziehen dabei üblicherweise neben allen Arten von Einkünften auch die Sozialtransfers mit ein.

Für Deutschland errechnet sich aus der EU-SILC-Erhebung 20083 ein medianes Äquivalenzeinkommen von 18 254 Euro pro Jahr. Der Schwellenwert für Armutsgefährdung betrug davon ausgehend 10 953 Euro für alleinlebende Personen und beispielsweise für Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren 23 001 Euro (Bedarfsgewicht dieses Haushaltstyps 2,1 gegenüber einem Einpersonenhaushalt). Haushalte, die ein geringeres verfügbares Jahreseinkommen haben, gelten als armutsgefährdet. Einen Vergleich des Äquivalenzeinkommens in den Staaten der EU zeigt Schaubild 1.

Die Armutsgefährdungsquote in Deutschland betrug für das Jahr 2008 rund 15 %. Im EU-Vergleich befindet sich Deutschland damit im Mittelfeld, der Durchschnittswert für die 27 Staaten der Europäischen Union liegt bei 16,5 %. Die geringsten Armutsgefährdungsquoten in der EU hatten die Tschechische Republik (9 %) und die Niederlande (10,5 %) sowie einige mittel- und nordeuropäische Staaten, während höhere Werte vor allem in süd- und osteuropäischen Staaten zu verzeichnen waren. Die höchsten Quoten wiesen Rumänien (23 %) und Lettland (26 %) auf.

Zu den Hintergründen für geringe Armutsgefährdungsquoten zählt neben ausgebauten Sozialsystemen auch ein geringes Wohlstandsgefälle, also eine geringere Streuung der Einkommen. Dies zeigt sich besonders in Staaten mit einem im EU-Vergleich zwar niedrigem mittleren Haushaltseinkommen, aber auch geringeren Einkommensunterschieden. Dies betrifft die Tschechische Republik, die Slowakei, Slowenien und Ungarn.

Während auf europäischer Ebene und auf Bundesebene EU-SILC als Datenquelle zur Berechnung der Armutsgefährdungsquoten herangezogen wird, ist diese Statistik für Ergebnisse auf Ebene der Bundesländer oder von Regionen weniger geeignet, da der Stichprobenumfang nicht groß genug ist, um auch für kleinere Bundesländer die entsprechenden Indikatoren auszuweisen.

Armutsgefährdungsquoten für die Bundesländer und auf kleinräumigerer Ebene werden von der amtlichen Statistik daher auf der Grundlage des Mikrozensus berechnet, der einen deutlich größeren Stichprobenumfang hat. Veröffentlicht werden diese Daten im Projekt »Amtliche Sozialberichterstattung« der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder.4

Einkommensverteilung der Haushalte in Baden-Württemberg

Das Einkommen der privaten Haushalte bildet einen Schwerpunkt der Erhebung EU-SILC. Als eine wichtige Ergebnisgröße wird das verfügbare Haushaltseinkommen berechnet. Addiert werden hierfür alle Einkünfte aller Haushaltsmitglieder. Dazu gehören Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, aus Vermietung, Verpachtung und Kapitalanlagen, alle staatlichen (Sozial-)Leistungen, Renten, Pensionen und auch regelmäßige Zahlungen von anderen Privathaushalten. Abgezogen werden sämtliche auf die Einkünfte gezahlten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sowie Unterhaltszahlungen an andere Privathaushalte.

Für Baden-Württemberg wird in der Erhebung 2008 ein medianes verfügbares Haushaltseinkommen von knapp 29 000 Euro im Jahr errechnet. Die Verteilung des verfügbaren Haushaltseinkommens nach Größenklassen zeigt, dass 8 % der Haushalte weniger als 10 000 Euro im Jahr zur Verfügung haben. Fast 2,2 Mill. Haushalte im Land (45 %) haben ein Jahreseinkommen zwischen 10 000 und 30 000 Euro. Eine etwas größere Zahl an Haushalten (2,24 Mill., das sind knapp 47 %) in Baden-Württemberg verfügt hingegen über mehr als 30 000 Euro. Darunter sind immerhin auch knapp 350 000 Haushalte mit einem vergleichsweise hohen Jahreseinkommen von über 70 000 Euro.

Wie kommen die Haushalte mit ihrem Einkommen zurecht?

In Baden-Württemberg kamen 2008 gut 82 % der privaten Haushalte nach eigener Einschätzung insgesamt gut mit dem monatlichen Einkommen zurecht, davon die meisten »relativ gut« und »gut« sowie einige »sehr gut«. Diese Werte liegen etwas höher als die für Deutschland (insgesamt 78 % mit Einschätzungen »sehr gut«, »gut« oder »relativ gut«) und spiegeln damit die ökonomisch vergleichsweise gute Lage des Landes wider. Hingegen kommt etwa jeder sechste Haushalt im Land (rund 17 %) mit dem monatlichen Einkommen eher schlecht zurecht. Davon gaben die meisten »relativ schlecht« an und nur sehr wenige »schlecht« bzw. »sehr schlecht«.

Die Haushalte werden bei EU-SILC auch nach der finanziellen Belastung durch die Wohnkosten gefragt, die sowohl Mietkosten bzw. die Rückzahlung von Krediten als auch die laufende Kosten umfassen. Für Baden-Württemberg zeigen die Ergebnisse 2008, dass für 18 % der Haushalte im Land die Wohnkosten keine finanzielle Belastung darstellen, während 61 % eine gewisse Belastung und 20 % eine große Belastung feststellen. Gegenüber der Befragung im Jahr 2005 zeigt sich jedoch eine leichte Entspannung in der Einschätzung zu den Wohnkosten. 3 Jahre zuvor hatten noch 24 % der Haushalte eine große Belastung gesehen.

Einschätzungen zu Problemen im Wohnumfeld und zur Gesundheit

Bei ihren Einschätzungen zu Problemen im Wohnumfeld gaben 23 % der Bevölkerung in Baden-Württemberg im Jahr 2008 an, sich durch Lärmbelästigung, zum Beispiel durch Nachbarn oder durch Verkehrslärm, gestört zu fühlen. Der Landeswert lag damit knapp unter dem Bundeswert von 26 %, aber beispielsweise etwas höher als der EU-Durchschnitt von 22 %.

Im Vergleich zur Lärmbelästigung leiden deutlich weniger Menschen im eigenen Wohnumfeld unter Kriminalität, Gewalt oder Gebäudebeschädigungen. Während sich etwa jeder Achte (13 %) in Deutschland davon beeinträchtigt fühlt, wird dies in Baden-Württemberg nur von 9 % aller Personen als Problem genannt. Der geringere Anteil im Land verweist auf ein vergleichsweise höheres Sicherheitsempfinden der Bewohner im Südwesten.

Zu ihrem subjektiven Gesundheitsempfinden werden bei EU-SILC alle Personen ab 16 Jahren befragt. Im Jahr 2008 schätzten 17 % ihren Gesundheitszustand als »sehr gut« und 52 % als »gut« ein. Damit sind die positiven Antworten etwas häufiger geworden als im Jahr 2005. Dementsprechend gingen die kritischen Einschätzungen des eigenen Gesundheitszustands im Vergleichszeitraum etwas zurück. Rund ein Viertel der Befragten antwortete 2008 mit »mittelmäßig«, weitere 7 % mit »schlecht« bzw. »sehr schlecht«. Weiterhin wurde nach einer dauerhaften Einschränkung in der Ausübung alltäglicher Arbeiten durch Krankheit gefragt. Dabei stellten 9 % der Personen ab 16 Jahren eine erhebliche Einschränkung fest, während rund 70 % sich im Alltag gar nicht eingeschränkt sehen.