:: 10/2010

Im Blickpunkt: Die Gemeinde Calw

Für jede der 1 102 Gemeinden in Baden-Württemberg lassen sich aus der Struktur- und Regionaldatenbank (SRDB) des Landesinformationssystems (LIS) Baden-Württemberg statistische Daten abrufen und damit interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung der Kommunen gewinnen. Viele dieser sachlich und räumlich tief gegliederten Ergebnisse stehen auch im Internet unter www.statistik-bw.de (Regionaldaten) zur Verfügung. In der Serie »Im Blickpunkt« richtet sich diesmal der Fokus auf die Gemeinde Calw. Deren Bevölkerungsentwicklung war in den letzten Jahren leicht rückläufig und die Chancen auf eine Beschäftigung vor Ort nahmen eher merklich ab.

Die Stadt Calw, an der Nahtstelle zwischen Gäu und Schwarzwald bzw. am östlichen Rand des Nordschwarzwaldes gelegen, wurde erstmals im Jahre 1075 im Zusammenhang mit dem Bau der Burg urkundlich erwähnt. Im Zuge der Gebiets- und Gemeindereformen Anfang der 70er-Jahre entstand zunächst die Gemeinde Calw-Hirsau durch Zusammenschluss der bis dahin selbstständigen Gemeinden Altburg, Calw, Hirsau, Holzbronn und Stammheim zum 1. Januar 1975. Durch den starken Einwohnerzuwachs in Verbindung mit der Gemeindereform wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1976 die Stadt Calw-Hirsau zur Großen Kreisstadt erklärt und führt fortan den Namen Calw. Politisch bildet Calw heute eine Verwaltungsgemeinschaft mit der Gemeinde Oberreichenbach und ist zugleich Mittelzentrum für alle umliegenden Gemeinden. Die Stadt an der Nagold – eine ehemals württembergische Gemeinde – gehört zum badischen Regierungsbezirk Karlsruhe und liegt in der Region Nordschwarzwald. Ihre Gemarkungsfläche beträgt insgesamt 5 988 Hektar. Darunter sind knapp 20 % der Fläche besiedelt bzw. als Verkehrsfläche genutzt, rund 30 % landwirtschaftlich genutzt und gut die Hälfte des Gemeindegebietes ist bewaldet.

In den letzten Jahren rückläufige Bevölkerung …

Calw ist mit 23 275 Einwohnern (EW) zum Jahresende 2009 die größte der 25 Gemeinden des Landkreises Calw (158 055 EW). Mit 389 Einwohnern je Quadratkilometer (EW/km²) hat Calw nach Rohrdorf (492 EW/km²) und Althengstett (416 EW/km²) von allen dem Landkreis angehörenden Gemeinden die dritthöchste Bevölkerungsdichte. Diese ist gegenüber dem Kreisergebnis (198 EW/km²) fast doppelt so hoch und liegt auch wesentlich über der Bevölkerungsdichte im Land (301 EW/km²).

Die Große Kreisstadt Calw ist eine von zwölf Gemeinden im Kreis, die im Mittel der Jahre 1999 bis 2009 eine abnehmende Bevölkerung aufwiesen. Unter diesen Kommunen hatte Calw den drittniedrigsten Bevölkerungsrückgang (– 0,5 %). Mit diesem Wert blieb die Gemeinde auch leicht unter dem Ergebnis für den Landkreis Calw (– 0,2 %) und deutlich hinter der in diesem Zeitraum landesweit noch positiven Entwicklung (+ 2,6 %) zurück. Für den Bevölkerungsrückgang in Calw sorgten negative Geburten- und positive Wanderungsbilanzen. Beide lagen für diesen Zeitraum jeweils unter der kreis- und landesweiten Entwicklung. So wurde ein Geburtendefizit (weniger Geburten als Sterbefälle) von – 0,1 je 1 000 Einwohner (EW) im Mittel der Jahre 1999 bis 2009 festgestellt. Der Landkreis dagegen verzeichnete einen Geburtenüberschuss von 0,2 je 1 000 EW, der zugleich dem Landesergebnis entsprach. In Calw zogen für den vorgenannten Zeitraum im Mittel 0,1 Personen je 1 000 Einwohner mehr zu als fort. Damit lag die Gemeinde nahezu gleich mit dem Wert für den Kreis (0,2 Personen je 1 000 EW). Deutlich höher als in der Gemeinde und im Landkreis Calw fiel der Wanderungsgewinn im Land aus (2,5 Personen je 1 000 EW).

… sinkende Bevölkerung auch in der Zukunft

Nach den aktuellen Ergebnissen der regionalen Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg wird die Bevölkerungsentwicklung der Stadt Calw bis 2030 weiterhin rückläufig bleiben. Bis zum Jahr 2015 ist aus heutiger Sicht mit einem Rückgang um rund 0,7 % (gegenüber dem Basisjahr 2008) auf rund 23 200 Personen und bis zum Jahr 2030 mit einem Absinken der Bevölkerung auf knapp 22 500 Einwohner (– 4 % gegenüber 2008) zu rechnen. Aber auch der Landkreis Calw und das Land insgesamt werden Bevölkerung verlieren. So wird die Einwohnerzahl im Kreis bis zum Jahr 2015 voraussichtlich auf rund 156 400 Personen (– 1,5 %) und bis 2030 auf gut 149 700 Personen (– 5,6 %) zurückgehen. Für das Land wurde bis 2015 ein Bevölkerungsrückgang um 0,5 % auf gut 10,7 Mill. Personen vorausberechnet. Im Jahr 2030 werden in Baden-Württemberg voraussichtlich nur noch rund 10,37 Mill. Menschen leben (– 3,5 %).1

Mit im Durchschnitt 42,0 Jahren war die Bevölkerung Calws zum Jahresende 2009 – wie in 14 weiteren kreisangehörigen Gemeinden – jünger als die Menschen im Kreis (42,6 Jahre) und im Land (42,5 Jahre). Der Anteil der 65-Jährigen und Älteren hat sich zwischen 1999 und 2009 von rund 15 % auf gut 19 % erhöht und lag damit in etwa ebenso hoch wie im Kreis- und Landesdurchschnitt. Bis zum Jahr 2030 wird mehr als jeder/jede vierte Einwohner/in von Calw (rund 27 %) dieser Altersgruppe angehören. Die Zahl der 85-Jährigen und Älteren nimmt gegenüber heute voraussichtlich um etwa 90 % zu und damit deutlich mehr als im Landkreis (rund 80 %) und in Baden-Württemberg insgesamt (rund 85 %). Das Durchschnittsalter der Bevölkerung von Calw wird 2030 mit 47 Jahren nahezu ebenso hoch ausfallen wie im Kreis (47,1 Jahre). Mit im Schnitt 46,6 Jahren wird die baden-württembergische Bevölkerung voraussichtlich dann noch etwas jünger sein.

Wohnungsversorgung positiv entwickelt

Die räumliche Nähe der Stadt Calw zu ihrem Oberzentrum Pforzheim (Luftlinie rund 20 Kilometer) sowie zur Landeshauptstadt Stuttgart (rund 33 Kilometer) dürfte für die überdurchschnittlichen Baulandpreise sowie für den niedrigen Anteil an Einfamilienhäusern sprechen bzw. mitentscheidend sein. Im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2008 kostete 1 Quadratmeter baureifes Land im Schnitt 190 Euro. Das ist der fünfthöchste Wert im Vergleich zu den anderen kreisangehörigen Gemeinden. In Baden-Württemberg waren es 176 Euro, im Landkreis Calw sogar nur 142 Euro. Der Anteil der Einfamilienhäuser an den Wohngebäuden fiel 2009 mit 55,6 % für Calw vergleichsweise gering aus: 19 der 25 Gemeinden des Landkreises sowie der Kreis selbst (58,2 %) und auch das Land (58,3 %) verzeichneten einen höheren Wert. Insgesamt haben sich in den letzten Jahren die Wohnverhältnisse in der Stadt positiv entwickelt. Die Zahl der Wohnungen nahm zwischen 1999 und 2009 um 6,5 % zu und erreichte einen Bestand von rund 10 700 Wohnungen. In dieser Zeit stieg die Anzahl der Wohnungen im Landkreis um 6,7 % und landesweit um 7 % noch mehr an. Mit im Schnitt 41 Quadratmetern je Einwohner (m2/EW) fiel die Wohnfläche in der Gemeinde gegenüber dem Kreis und im Vergleich zum Land (jeweils 43 m2/EW) kleiner aus.

Einst Zentrum der Textilproduktion bzw. des Textilhandels …

Die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt Calw ist – gemessen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – zwischen 1999 und 2009 von 7 900 auf 7 300 Personen und somit um rund 8 % merklich gesunken. Weitere elf Gemeinden des Kreises wiesen für diese Dekade sogar noch stärkere Beschäftigtenrückgänge auf. Im Landkreis ging die Zahl der Beschäftigten um 1 % zurück. Dagegen nahm für den gleichen Zeitraum die Beschäftigtenentwicklung in Baden-Württemberg einen dynamischen Aufwärtsverlauf (3,8 %).

Einst sorgten in der Zeit zwischen dem 14. Jahrhundert bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vor allem die Zünfte der Weber, Färber, Gerber und Tuchmacher für den Reichtum der Bürger und machten Calw – wie auf ihren Internetseiten2 zu erfahren ist – zu einem Zentrum der Textilproduktion bzw. des Textilhandels und damit auch zum Arbeitsmarkt für das umliegende Land. Vor diesem Hintergrund ist hier insbesondere die im Jahr 1650 gegründete Calwer Zeughandelskompanie zu nennen, die sich rasch nach ihrer Gründung zum größten Handelsunternehmen in Württemberg entwickelte. Zusammen mit dem Holzhandel (Flößerei), der im 18. Jahrhundert noch dazu kam, bildete der Tuchhandel somit die wirtschaftlichen Säulen der Stadt.

… heute vorwiegend Dienstleister

Heute liegt der wirtschaftliche Schwerpunkt der Kommune in den sonstigen Dienstleistungsbereichen, zu denen unter anderem das Gesundheits- und Sozialwesen, der Bereich Information und Kommunikation, Kreditinstitute und das Versicherungsgewerbe, Dienstleistungen für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung gerechnet werden. Mehr als die Hälfte (rund 56 %) der 2009 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort waren dort tätig. Das ist der vierthöchste Wert aller kreisangehörigen Gemeinden und damit weitaus mehr als im Kreis- (gut 38 %) bzw. im Landesdurchschnitt (40,5 %). Nach den weiteren Wirtschaftsbereichen differenziert arbeiteten 27 % der Beschäftigten Calws im Produzierenden Gewerbe, während auf den Bereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr rund 17 % entfielen. Im Jahr 2009 kamen auf 1 000 Einwohner der Stadt Calw 312 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort, was zugleich den fünfthöchsten Wert unter allen kreisangehörigen Gemeinden bedeutete. Gegenüber dem Landkreis (250 Beschäftigte je 1 000 EW) fiel der Beschäftigtenbesatz ebenfalls überdurchschnittlich aus. Allerdings blieb dieser deutlich unter dem landesweiten Ergebnis (359 Beschäftigte je 1 000 EW).

Die Stadt ist selbst Arbeitgeber für insgesamt 402 Beschäftigte.3 Mit knapp einem Viertel (24,6 %) aller Kommunalbediensteten ist der personalintensivste Aufgabenbereich in Calw – wie statistisch betrachtet in allen baden-württembergischen Gemeinden des Landes (23 %) – der Bereich »Soziale Sicherung«, wozu unter anderem die Kindertageseinrichtungen zählen. Mit einem Beschäftigtenanteil von 23,9 % ist der Aufgabenbereich »Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege« der zweitgrößte von Calw. Dies ist eine Besonderheit im Vergleich zum Landesschnitt mit nur 7 %. Ausschlaggebend dafür ist der hohe Anteil an Beschäftigten in der städtischen Musikschule. Allein 17,2 % aller Kommunalbediensteten sind hier beschäftigt, während es im Landesmittel lediglich 1,8 % sind. Dass die Musik in der Stadt Calw somit eine herausragende Stellung einnimmt, dürfte sich wohl auch im weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus bekannten Chor der »Aurelius Sängerknaben« widerspiegeln. Der Chor selbst ist eine Abteilung der Musikschule in Trägerschaft der Stadt Calw.4

Moderate Steuerkraft, vergleichsweise hohe Schulden

Das Arbeitsplatzangebot einer Gemeinde spiegelt sich auch in ihrer kommunalen Steuerkraft wieder. Hierbei liegt die Steuerkraftmesszahl, welche die Steuerkraft einer Kommune zur Abdeckung des Grundbedarfs aus eigenen Finanzmitteln darstellt, in Calw leicht unter dem Kreisdurchschnitt (2010: 681 Euro gegenüber 718 Euro je EW), jedoch deutlich unter dem landesweiten Ergebnis (921 Euro je EW). Auch für die hinsichtlich der Bevölkerungszahl mit Calw vergleichbaren Gemeinden im Land ist die Steuerkraftmesszahl wesentlich höher (Kommunen der Größenklasse mit zwischen 20 000 und 50 000 Einwohnern: 973 Euro je EW). Vergleichsweise »ungünstig« fiel für die Stadt Calw auch die Schuldenlast (Kernhaushalt und Eigenbetriebe) aus. Mit 2 118 Euro je EW (2009) wurde hierbei die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung von allen Gemeinden aus dem Landkreis ermittelt. Für die größenmäßig mit Calw vergleichbaren Kommunen war die Schuldenlast mit im Durchschnitt 929 Euro je EW ebenfalls deutlich niedriger.

Bildung wird groß geschrieben

Für die Bildung verfügt die Große Kreisstadt Calw neben dem umfassenden Angebot an allgemein bildenden Schulen über eine Musik- und Volkshochschule sowie über das Berufsschulzentrum des Landkreises. Hinzu kommen weiterführende Bildungseinrichtungen wie beispielsweise die Gesundheits- und Krankenpflegeschule am Klinikum Nordschwarzwald oder die Bundesfachschule für Betriebswirtschaft im Kfz-Gewerbe (BFC). Ergänzt wird das hervorragend ausgebaute Schulwesen mit ca. 20 Schulen in der Gesamtstadt durch zwei private, staatlich anerkannte Fachhochschulen. Einerseits durch die SRH Hochschule für Wirtschaft und Medien – mit Studiengängen in den Bereichen »Steuer- und Prüfungswesen« sowie »Medien- und Kommunikationsmanagement« – und andererseits durch die Internationale Hochschule für Kreativpädagogik. Calw ist nicht nur ein Bildungs-, sondern auch Bundeswehrstandort und verfügt darüber hinaus über ein Kreis- sowie ein psychiatrisches Landeskrankenhaus.

Musik und Literatur prägen die Kultur

Die Gemeinde Calw führt staatlich anerkannt das Fremdenverkehrsprädikat Luftkurort und eignet sich daher als Naherholungsgebiet für die Menschen aus den umliegenden Ballungszentren. Zum Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord gehörend und an der Schwarzwald-Bäderstraße sowie an der Deutschen Fachwerkstraße gelegen, bietet Calw zahlreiche Sehenswürdigkeiten und eine reiche Museumslandschaft. So laden beispielsweise die Altstadt mit geschlossener Fachwerkkulisse oder das Gerbermuseum, in welchem Vieles über die Geschichte der Stadt zu erfahren ist, zum Besuch ein. Nicht nur die Musik bildet einen kulturellen Schwerpunkt in Calw. Auch die Literatur, und hier insbesondere die Werke von Hermann Hesse, spielt eine bedeutende Rolle. Dem berühmtesten Sohn der Stadt ist ein Museum gewidmet, welches die umfangreichste Sammlung über den Literaturnobelpreisträger von 1946 zeigt. Höhepunkte eines Calwer Kulturjahres bilden – wie auf den Internetseiten der Kommune zu lesen – unter anderem die Vergabe des Calwer Hermann-Hesse-Preises, das Hermann Hesse-Kolloquium sowie der »Gerbersauer Lesesommer«. Die Festspiele zum »Calwer Klostersommer in Hirsau« runden hierbei das kulturelle Angebot der Stadt ab.