:: 10/2010

Schwarzwald: Mit Fakten in die Zukunft

Fundgrube Regionaldatenbank

Lange Zeitreihen, Vorausrechnungen und eine breite Themenvielfalt mit zum Teil monatsaktuellen Zahlen bietet das Statistische Landesamt unter www.statistik-bw.de an. Aus diesen amtlich festgestellten Zahlen lassen sich für Gemeinden oder Kreise und Regionen mit wenig Aufwand Porträts erstellen. Der Charme einer solchen Kleinstudie liegt besonders in der großen Auswahl an verfügbaren Themenkreisen, aus denen der Nutzer eigene Schwerpunkte wie etwa zur Wirtschafts-oder Bevölkerungsentwicklung selbst wählen kann. Beispielhaft hierfür wird an dieser Stelle ein aus dem Informationsangebot erstellter Beitrag zu den Zukunftsperspektiven ausgewählter Kreise im Schwarzwald präsentiert. Dieser ist in der Sonderbeilage des Schwarzwälder Boten zum 175. Jubiläum am 19. Juni 2010 als Namensbeitrag erschienen.

Der Demografische Wandel betrifft uns alle. Er wird einer der wichtigsten Herausforderungen für die Gesellschaft und für jede Gemeinde. Alle Lebensbereiche werden davon betroffen sein. Dies gilt nicht nur für den Schwarzwald oder Baden-Württemberg insgesamt. Fast jedes Land in Europa muss sich auf diesen Wandel einstellen. Diese Herausforderung ist eine Chance, sich auf die Zukunft einzustellen und sie aktiv zu gestalten. Auch der Wandel von der Industrie zur Dienstleistungsgesellschaft wird in den nächsten Jahren weiter fortschreiten.

Die Menschen werden älter, so dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung weiter steigen wird. Die Zahl der Einwohner wird bis zum Jahr 2030 in Baden-Württemberg um 3,5 % zurückgehen.

Diese Veränderung hat schon eingesetzt und ist nicht mehr aufzuhalten. Erstmals gab es im Jahr 2000 mehr 60-Jährige und Ältere in Baden-Württemberg als unter 20-Jährige. Die Frage ist daher, wie diese Entwicklung mit welchen Konzepten gestaltet werden kann. Sehr häufig wird hier zunächst ein negativer Aspekt aufgegriffen. Da wird über »schwindsüchtige« Einwohnerzahlen gesprochen, über »demografisch gefährdete Gebiete« oder über »Vergreisung« bei den Einwohnern.

Über den Tellerrand hinaus

Hilfreich ist es eher, über den Tellerrand hinauszuschauen und zu vergleichen. Hier können die neutralen und sachlichen Informationen aus dem Statistischen Landesamt ein gutes Stück weiterhelfen.

Erstaunliches zeigt sich dabei für die Bevölkerungsentwicklung seit 1950 für die Landkreise Calw, Freudenstadt, Rottweil, Zollernalbkreis sowie für die Kreise Schwarzwald-Baar und den Ortenaukreis. Die Zahl der Einwohner ist fast so stark gewachsen wie im Durchschnitt des gesamten Landes. So leben in diesen Kreisen derzeit rund 1,24 Mill. Menschen. Das sind immerhin fast 460 000 mehr als im Jahr 1950. Damals waren es noch rund 780 000 Einwohner. Damit ist die Bevölkerung um rund 58 % gewachsen. In Baden-Württemberg insgesamt hat die Zahl der Einwohner um knapp 70 % zugenommen. Von 6,4 Mill. im Jahr 1950 auf heute gut 10,7 Mill.

Dies ist der Ausgangspunkt, um den langsamen Bevölkerungsrückgang sowie ein höheres Durchschnittsalter in den nächsten beiden Jahrzehnten zu bewerten. Kein anderes Bundesland hat in den vergangenen Jahrzehnten so viele Menschen angezogen wie Baden-Württemberg.

Im Detail zeigt die neue regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung, dass der Zollernalbkreis bis zum Jahr 2030 voraussichtlich 7 % weniger Einwohner als heute haben wird, die Landkreise Calw rund 6 %, Rottweil knapp 5 %, Freudenstadt 4 % und der Ortenaukreis knapp 3 % weniger.

In den Gemeinden kann allerdings die Veränderung nach unserer Vorausrechnung in enger Nachbarschaft sehr unterschiedlich sein. So dürfte in Albstadt der Rückgang von 2008 bis 2030 rund 11 % betragen. Das wären rund 5 000 Einwohner weniger als im Jahr 2008 mit 45 600. In Balingen dürfte die Zahl der Einwohner um 2 % zurückgehen, in Calw, Haslach im Kinzigtal, in Horb, Villingen-Schwenningen und Donaueschingen um rund 4 %; in Freudenstadt um rund 2 %, in Nagold um gut 7 %, in Rottweil um knapp 3 % oder zum Beispiel in Schramberg um fast 10 %.

Schramberg 1871: 3 700 Einwohner

Schramberg hatte 2008 rund 21 600 Einwohner, 2030 wären es dann gut 19 500. Damit hätte die Stadt das Niveau seiner Einwohnerzahl von 1950 mit damals rund 20 000 Einwohnern. Nur zum Vergleich, denn wir beobachten auch lange Zeiträume: 1871 lag die Zahl der Einwohner in Schramberg bei 3 700.

Die Zunahme des Durchschnittsalters in den Kreisen Baden-Württembergs bis 2030 bewegt sich in der Spanne zwischen 0,8 Jahren und 5,7 Jahren. Die Altersstruktur der Ausgangsbevölkerung hat hier einen deutlichen Einfluss. Es sind die derzeit »jüngeren« Kreise, die dynamischer altern. Landesweit ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters von 42,2 Jahren auf 46,6 Jahre 2030 zu rechnen. Spitzenreiter im Südwesten dürfte der Stadtkreis Baden-Baden mit 47,8 Jahren sein, Ulm und Stuttgart wären mit 44,5 Jahren die jüngsten Stadtkreise im Südwesten. Das Durchschnittsalter der Menschen in Landkreisen wie Freudenstadt, Calw oder dem Zollernalbkreis läge dann bei 47 Jahren und mehr und damit leicht über dem Landesdurchschnitt. Derzeit hat die Gemeinde Wörnersberg im Landkreis Freudenstadt mit 35,1 Jahren die jüngste Bevölkerung in Baden-Württemberg.

In elf Landkreisen in Baden-Württemberg wird sich die Zahl der Hochbetagten im Alter von 85 und mehr Jahren voraussichtlich bis 2030 mehr als verdoppeln. Die Kreise der Schwarzwälder Region dürften knapp darunter liegen. Im Landkreis Freudenstadt würde der Zuwachs 92 % betragen, im Ortenaukreis sowie im Schwarzwald-Baar-Kreis 85 sowie 83 %. In absoluten Zahlen heißt dieses, dass die Zahl der Hochbetagten im Landkreis Freudenstadt von heute rund 2 600 auf über 5 000 im Jahr 2030 ansteigen wird, im Ortenaukreis von heute rund 9 400 auf 17 500. Zum Vergleich: Spitzenreiter ist der Landkreis Emmendingen mit einer Zunahme um 131 %. Wir gehen davon aus, dass gleichzeitig die Schülerzahlen in Baden-Württemberg insgesamt um ein Viertel niedriger sein werden als heute. Jeder vierte Platz in einer Klasse wird damit nicht mehr besetzt.

Zukunft mit Bildung

Die Zukunft des Landes und seiner Regionen wird stark von der Bildung der Einwohner, einer besseren Ausbildung der Migranten und von der Weiterbildung derjenigen abhängen, die heute schon im Berufsleben stehen.

Die Regierungsbezirke Stuttgart, Karlsruhe und Tübingen gehören zu den wirtschaftsstärksten Regionen Europas. Gibt es ein vergleichbares Land in Europa, das zudem einen so hohen Freizeit- und Erholungswert hat? Baden-Württemberg und der Schwarzwald, weltweit als »Black Forest« bekannt, haben hier viel zu bieten. Der klassische Erholungs- und Gesundheitstourismus kann im Ländlichen Raum einen besonders hohen wirtschaftlichen Stellenwert verbuchen. Hier konzentrieren sich sowohl die landschaftlichen Reize des Landes als auch die natürlichen Heilmittel wie Heilwässer, Moorbäder oder auch gesunde Luft.

Der Ländliche Raum ist das »Kernland« des baden-württembergischen Tourismus. Obwohl hier »nur« ein Viertel der Landesbevölkerung wohnt, gingen deutlich über 40 % der statistisch erfassten Gästeübernachtungen auf das Konto des Ländlichen Raums. Dieser Anteil dürfte sogar noch unterschätzt sein, denn die amtliche Statistik erfasst nur Betriebe ab neun Betten. Nicht berücksichtigt sind also Kleinbetriebe wie Privatquartiere, Ferienwohnungen kleinerer Anbieter oder auch ein Großteil der Ferien auf dem Bauernhof.

So betrug die Zahl der Übernachtungen auf 1 000 Einwohner gerechnet im Jahr 2009 im Land insgesamt knapp 4 000. Spitzenreiter ist unter den Kreisen der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 17 700 Übernachtungen je 1 000 Einwohner. Auf Platz zwei liegt der Stadtkreis Baden-Baden mit 14 000, die Landkreise Freudenstadt und Calw folgen auf den Plätzen drei und sechs mit je 13 600 und 7 700 Übernachtungen. Zum Glück ist die Zahl der Gästeübernachtungen 2009 mit 16,1 Mill. landesweit nur moderat um 2,6 % gegenüber 2008 zurückgegangen.

Dies bedeutet, dass gerade der Tourismus im ländlichen Raum in einer gesamtwirtschaftlich schwierigen Situation seine Stellung recht gut behaupten konnte. Während der Anteil der ausländischen Gäste 2009 landesweit bei gut 20 % lag, konnten zum Beispiel die Gemeinden Schiltach mit rund 30 % sowie Hornberg und Triberg mit rund 27 und 31 % deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse für sich verbuchen. Die Aufenthaltsdauer der Gäste lag landesweit 2009 bei 3,5 Tagen, im Landkreis Freudenstadt bei 3,7 Tagen. Auch die Auslastung der Schlafgelegenheiten für jede Gemeinde kann online in der Regionaldatenbank im Statistischen Landesamt abgerufen werden. Tourismus gilt weltweit als Zukunftsbranche und wird auch für Baden-Württemberg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor bleiben.

Bruttoverdienste sinken erstmals

Im vergangenen Jahr ist die Wirtschaftsleistung um 7,4 % zurückgegangen. Damit haben wir die tiefste Rezession seit Bestehen des Landes erlebt. Besonders schwer war dabei das Produzierende Gewerbe betroffen. Hier ging die Wirtschaftsleistung preisbereinigt um mehr als 21 % zurück. Regionen und Gemeinden im Land, die eine Wirtschaftsstruktur mit einem hohen Industrieanteil haben, spüren diesen scharfen und einzigartigen Einbruch nochmals deutlich stärker. Im Gastgewerbe betrug der Rückgang »nur« 4 %.

Erstmals seit 1950 sind im Jahr 2009 die Bruttoverdienste im Südwesten gesunken. Auch wenn die Branchen sehr unterschiedlich betroffen sind, gilt: Die Menschen werden in naher Zukunft bei ihren Ausgaben eher vorsichtig sein. Das zurückliegende Jahr zeigt deutliche Auswirkungen bei den Unternehmensinsolvenzen. Diese haben 2009 landesweit um rund 30 % zugenommen. Erstaunlich ist, dass diese Insolvenzen in vier Kreisen landesweit nicht zu-, sondern abgenommen haben. Darunter sind die Landkreise Rottweil und der Ortenaukreis.

Im August hat das Statistische Landesamt eine neue Prognose zur Wirtschaftsentwicklung veröffentlicht. Danach dürfte im Jahresdurchschnitt 2010 das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Baden-Württemberg 2 % über dem Vorjahreswert liegen.

Zweistellige Zuwachsraten

Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft vollzieht sich landesweit sehr unterschiedlich. Während die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstellen landesweit heute um rund 20 000 niedriger ist als 1988, hat die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten um 314 000 bis 2008 zugenommen. Das ist ein Plus von rund 90 %, bei den Vollzeitstellen dagegen ein Minus von 0,6 %. Der Ortenaukreis konnte in diesen 20 Jahren deutlich besser als im Landesdurchschnitt mit einem Plus von gut 6 % bei den Vollzeitstellen und zudem einem Plus von 100 % bei der Teilzeitbeschäftigung zulegen. Der Zollernalbkreis hat dagegen 20 % bei den Vollzeitstellen verloren und konnte bei der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung »nur« um 50 % zulegen. Für den Landkreis Freudenstadt ergeben sich Werte von Plus 15 sowie Plus 70 %. Dieser Wandel wird sich in Zukunft weiter fortsetzen. Dabei dürften zum Beispiel Gesundheits- und Pflegeberufe wie in der Vergangenheit weiter an Bedeutung gewinnen. Sie haben in allen 44 Stadt- und Landkreisen in den letzten 10 Jahren zweistellig zugelegt. Im Ortenaukreis war dies ein Zuwachs bei sozialversicherungspflichtigen Gesundheits- und Pflegeberufen seit 1999 von 3 300 Arbeitsplätzen auf heute insgesamt knapp 16 500.

Die hier zusammengestellten Fakten sind ein Auszug aus dem umfangreichen Informationsangebot des Statistischen Landesamts. Danken möchte ich den Auskunftspflichtigen im Land, die uns diese Angaben regelmäßig und zeitnah zur Verfügung stellen. Nur so ist es möglich, Fakten aus der Vergangenheit mittels »Wenn-Dann-Aussagen« so aufzubereiten, dass eine Vorausrechnung für die Zukunft erstellt werden kann.