:: 11/2010

Die wirtschaftliche Erholung geht bei leicht gebremster Dynamik weiter

Konjunktureller Funke springt auf die Binnennachfrage über

Die wirtschaftliche Entwicklung des 1. Halbjahres verlief mit einer Dynamik, die nicht nur die Prognostiker überraschte. Besonders das 2. Quartal erwies sich als ausgesprochen wachstumsstark. Für die 2. Jahreshälfte ist mit einer weiteren Erholung zu rechnen. Im 3. Quartal könnte die baden-württembergische Wirtschaftsleistung saison- und kalenderbereinigt um ¼ % gegenüber dem Vorquartal steigen, für das 4. Quartal wird ein Anstieg von ¾ % prognostiziert. Betrachtet man dagegen den geglätteten Verlauf des BIP, zeigt sich für das 2. Halbjahr eine leicht abgeschwächte konjunkturelle Grunddynamik. Diese Einschätzung stützt sich auch auf den Verlauf des Gesamtkonjunkturindikators, der bei gebremstem Tempo eine Fortsetzung des Aufschwungs anzeigt.

Wenn der Aufschwung bislang hauptsächlich vom Auslandsgeschäft getragen wurde, zeichnet sich mittlerweile mehr und mehr ab, dass der konjunkturelle Funke auf die Binnennachfrage überspringt. In den Sommermonaten war sowohl bei den Auslandsumsätzen als auch bei den ausländischen Bestellungen eine deutliche Abflachung festzustellen. Bei der Binnennachfrage fiel der konjunkturelle Aufholprozess im Durchschnitt der letzten 12 Monate zwar verhaltener aus, dafür zeigt er sich bis an den aktuellen Rand ungebrochen. Die Umsatzzuwächse sind dabei insbesondere auf die Vorleistungs- und Investitionsgüterproduzenten zurückzuführen.

Die erfreuliche konjunkturelle Lage wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus, wenngleich die Folgen der Krise auch hier noch nicht überwunden sind. Immerhin, die Arbeitslosigkeit sinkt kontinuierlich und die Zahl der offenen Stellen steigt. Im 2. Quartal lag die Zahl der Erwerbstätigen nur noch geringfügig unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums.

Die robuste Weltkonjunktur schlägt sich naturgemäß in einer Verteuerung vor allem der Rohstoffe nieder. Auf die Verbraucherpreise in Baden-Württemberg hatte dies jedoch mäßigen Einfluss. So betrug der Anstieg der Lebenshaltungskosten im 3. Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur moderate 1,2 %.

»Währungskrieg« oder eher Säbelrasseln?

Der konjunkturelle Rückenwind aus dem Ausland dürfte zumindest vorläufig etwas abflauen. Dies zeigt sich bereits jetzt in der Entwicklung der Auftragseingänge des Verarbeitenden Gewerbes. Auch in der politischen Diskussion werden aktuell eher die Risiken der gesamtwirtschaftlichen Erholung diskutiert. Von »Währungskrieg« ist die Rede, mit Wechselkursen als »Waffe«. Diese Worte wählte der Geschäftsführende Direktor des IWF Strauss-Kahn im Vorfeld des jüngsten Jahrestreffens von IWF und Weltbank, um auf eine der Gefahren für die weltwirtschaftliche Erholung hinzuweisen. Die Idee, durch Währungsabwertung die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, scheint auf den ersten Blick verlockend. Da die dergestalt angestrebte wirtschaftliche Erholung aber auf Kosten des Auslands geht, ist eine entsprechende Gegenreaktion absehbar. Außenwirtschaftlich würde sich die versuchte Abwertung – um im Bild zu bleiben – als stumpfe Waffe erweisen, die zwar Schä­den anrichtet, mit der aber kein Krieg zu gewinnen ist. Binnenwirtschaftlich wäre zumindest theoretisch ein positiver Effekt denkbar. Wenn die Währungsblöcke groß genug sind, um mit ihren Abwertungsversuchen auch das globale Zinsniveau zu beeinflussen, stiege die Gesamtnachfrage. Für den Euroraum und die USA wäre diese Bedingung sicherlich erfüllt, allerdings befinden sich die Leitzinsen bereits auf einem Niveau nahe Null. Die EZB lässt die Euroaufwertung ohnehin zu, da sie dem Binnenwert des Euro verpflichtet ist und sie die Inflationserwartungen fest verankert sieht.

Der Vorwurf, sich durch eine unterbewertete Währung (ungerechtfertigte) Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, wird traditionell eher gegen China gerichtet. Das vergleichsweise alte Thema ist auf der politischen Agenda wieder in den Vordergrund gerückt, weil der Aufschwung in den USA als fragil angesehen wird, und die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau verharrt. Die unterbewertete chinesische Währung wird unter diesen Umständen umso schmerzhafter spürbar, als sie nicht nur die Gü­terausfuhr subventioniert, sondern faktisch auch den Export von Arbeitslosigkeit in die USA bedeutet. Aus diesem Grund mahnte der US-Finanzminister im Rahmen des genannten Treffens die Länder mit chronisch hohen Überschüssen zur Stärkung der Binnennachfrage und zu marktgerechten Wechselkursanpassungen. Von chinesischer Seite ist dagegen keine Absage an die exportinduzierte Wachstumspolitik zu erwarten, was die offizielle Replik deutlich macht: Den hohen Wachstumsraten werden das nach wie vor bescheidene BIP pro Kopf und andere Kennzahlen gegenübergestellt, die illustrieren sollen, dass China nach wie vor ein Entwicklungsland sei – und für Entwicklungsländer kann exportgetriebenes Wachstum eine angemessene Aufholstrategie sein, lautet der nicht ausgesprochene Nachsatz.

Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, die sich in nominalen Wechselkursen und Differenzen in der Preisentwicklung ausdrückt, ist nicht der einzige Nachfrage bestimmende Faktor, und für die baden-württembergische Exportwirtschaft vielleicht noch nicht einmal der entscheidende. Die Nachfrage nach differenzierten, das heißt nicht ohne weiteres substituierbaren Gütern, reagiert auf veränderte Preisrelationen unempfindlicher.