:: 11/2010

5 Jahre Kinderland Baden-Württemberg – eine Zwischenbilanz

5 Jahre nach Start von »Kinderland Baden-Württemberg« im Jahr 2005 zieht die Landesregierung eine erste Zwischenbilanz. Die FaFo FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt wurde beauftragt, hierzu einen Indikatorenbericht zu erarbeiten. »Trends und Fakten Kinderland Baden-Württemberg« beschreibt auf rund 180 Seiten die Entwicklung der Lebenssituation von Kindern, Jugendlichen und Familien im Land in den letzten 5 Jahren. Der Bericht zeigt: Wo stehen wir auf dem Weg zum »Kinderland«? Welche Erfolge sind zu verzeichnen? Was bleibt zu tun? Der Bericht basiert im Wesentlichen auf Daten der amtlichen Statistik. Den Leser erwartet eine kompakte, systematische und zugleich praxisnahe Übersicht zu den Handlungsfeldern von »Kinderland Baden-Württemberg« mit seinen zahlreichen vernetzten Themenkomplexen und Maßnahmen, die es erleichtert, »Kinderland Baden-Württemberg« mit all seinen Facetten als Gesamtheit zu erfassen und zu bewerten. Darüber hinaus bieten Portraits innovativer Praxisbeispiele aus dem kommunalen Bereich konkrete Anregungen und Motivation für die praktische Arbeit vor Ort. Dieser Artikel stellt Ergebnisse des Berichts vor (siehe i-Punkt).

Im Rahmen des ersten großen Kinderland-Handlungsfelds »Kinder und Jugendliche« ist der individuelle Bildungserfolg das zentrale Anliegen. Bildung wird dabei als ein kontinuierlicher Prozess über den gesamten Lebensverlauf hinweg verstanden. Bildung – verbunden mit Erziehung und Betreuung – beginnt bereits im Kleinkindalter in der Familie und in Kindertageseinrichtungen. Mit der Einschulung, dem anschließenden Wechsel auf eine weiterführende Schule sowie schließlich dem Erwerb eines beruflichen oder akademischen Ausbildungsabschlusses setzt sich der individuelle Bildungsverlauf fort (siehe i-Punkt).

Fortschritte beim Ausbau der Kinderbetreuungsangebote für unter 3-Jährige

Für den individuellen Bildungserwerb und Bildungserfolg wird mehr und mehr die Bedeutung der ersten Lebensjahre unterstrichen. Zu Beginn der Bildungskarriere werden die kognitiven und motorischen Grundlagen für den weiteren Bildungsweg gelegt. Darüber hinaus ist die frühkindliche Bildung ein zentraler Ansatzpunkt, um herkunftsbezogene Bildungsungleichheiten abzubauen. Im Rahmen von »Kinderland Baden-Württemberg« schlägt sich dieser hohe Stellenwert der frühkindlichen Erziehung, Bildung und Betreuung im zunehmenden und qualitätsorientierten Ausbau der Kinderbetreuungsangebote nieder. Für das Kindergartenalter war 2009 mit einer landesweiten Besuchsquote von 95 % annähernd Vollversorgung zu verzeichnen. Außerdem werden immer mehr Kinder auch unter 3 Jahren ergänzend zum Leben in der Familie in Kindertageseinrichtungen oder in der Kindertagespflege betreut. 2009 waren es bereits rund 44 000 Kinder, 3 Jahre zuvor noch 25 000. Die Betreuungsquote hat sich entsprechend von 9 % im Jahr 2006 auf fast 16 % im Jahr 2009 erhöht. Ziel der Landesregierung ist eine landesweite bedarfsgerechte Betreuungsquote von 34 % bis zum Jahr 2013.

Wachsende Nachfrage nach verlängerter und ganztägiger Betreuung

Für beide Altersgruppen ist dabei eine zunehmende Nutzung längerer Öffnungszeiten festzustellen. Von den 3- bis 6-Jährigen wurde 2009 fast die Hälfte in einer Tageseinrichtung mit verlängerten Öffnungszeiten zwischen 5 und 7 Stunden täglich betreut. Weitere 12 % besuchten eine ganztägige Einrichtung. Im Vergleich dazu besuchten 2006 noch 42 % der Kindergartenkinder eine Einrichtung mit verlängerten Öffnungszeiten und 7 % wurden ganztags betreut. Bei den unter 3-jährigen Kindern zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. 2009 wurden 37 % in Einrichtungen mit verlängerten Öffnungszeiten und 25 % ganztägig betreut. Dies sind zusammen über 60 %, die Angebote mit längeren Öffnungszeiten nutzen, was einem Zuwachs von fast 7 Prozentpunkten im Vergleich zu 2006 entspricht. Für beide Altersgruppen hat sich damit der Anteil der Kinder in Halbtagsbetreuung verringert und es zeigt sich eine wachsende Nachfrage nach verlängerten und ganztägigen Betreuungsangeboten.

Verstärkte Qualifizierung von Erziehungskräften

Erziehung und Bildung im Kleinkindalter bedeutet aber weit mehr als bloße »Betreuung«. Im Rahmen von »Kinderland Baden-Württemberg« wurde die Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern sowie von Tageseltern intensiviert. Seit 2007 müssen Tageseltern verpflichtend an einem umfassenden und wissenschaftlich geprüften Qualifizierungskurs teilnehmen. Diesen hatten 2009 bereits über 90 % der Tagesmütter und -väter belegt. Deutschlandweit waren es 71 %. Im Bereich der Kindertagesstätten dominiert in Baden-Württemberg traditionell die Erzieherausbildung. Drei Viertel der Betreuungskräfte hatten 2009 eine Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher. Bislang verfügen nur sehr wenige Erziehungskräfte über einen Hochschulabschluss. Um diese Zahl zu erhöhen, werden seit dem Wintersemester 2007/08 von den pädagogischen Hoch- und Fachhochschulen im Land sieben Bachelor-Studiengänge im Bereich Früh-/Elementarpädagogik angeboten.

Zur Frühförderung im Bereich der Kindertagesstätten steht den Einrichtungen seit 2009 außerdem der »Orientierungsplan für Bildung und Erziehung« zur Verfügung. Der Orientierungsplan will Erziehungskräften Impulse zur pädagogischen Begleitung der kindlichen Entwicklung geben. Ein besonderer Schwerpunkt dabei ist die Sprachförderung. Davon sollen vor allem Kinder mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Elternhäusern profitieren. Darüber hinaus ist es wichtig, nicht nur die Kinder zu fördern, sondern auch die Eltern mit einzubeziehen. Dass dies gelingen kann, zeigt zum Beispiel das Projekt KiFa in Ludwigsburg, das die kindliche Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen systematisch mit Kursen für die Eltern verknüpft.

Immer mehr Schulen im Land mit Ganztagsangebot

Im Bereich der schulischen Bildung liegen die Schwerpunkte im Rahmen von »Kinderland Baden-Württemberg« auf dem Ausbau der Ganztagsschulen und auf der Förderung von höherqualifizierenden Bildungsabschlüssen. Ganztagsschulen sollen bis 2015 einen Anteil von 40 % an allen allgemeinbildenden baden-württembergischen Schulen ausmachen. Denn gerade Ganztagsschulen sind eine Chance, wenn es darum geht, Bildungsungleichheiten und Chancenunterschiede abzubauen, die Durchlässigkeit im Bildungssystem zu erhöhen sowie die individuelle Förderung zu optimieren. Denn nach wie vor prägt die soziale Herkunft wesentlich den späteren Bildungserfolg.

Die Zahl der Ganztagsschulen in Baden-Württemberg hat sich spätestens seit 2006 mit Start der Landesprogramme zum Ausbau von Ganztagsschulen deutlich erhöht. Im Schuljahr 2008/09 waren insgesamt 20 % der allgemeinbildenden Schulen Ganztagsschulen. Dies sind rund 1 000 Schulen mit ganztägigem Angebot. 2004 waren es noch halb so viele Schulen. Dabei verläuft die Entwicklung je nach Schulart unterschiedlich. Besonders dynamisch ist die Entwicklung bei den Gymnasien und bei den Hauptschulen mit einem Ganztagsanteil von jeweils rund 30 %. Deutlich geringer fiel der Anteil 2009 noch bei den Realschulen (15 %) und bei den Grundschulen (9 %) aus.

Ein wichtiger Baustein des Ganztagsschulprogramms sind die Jugendbegleiter, die als qualifizierte ehrenamtliche Kräfte ergänzende Betreuungs- und Bildungsangebote an den Schulen anbieten. 2009 engagierten sich rund 15 000 Schüler, Eltern, Vereinsangehörige und Einzelpersonen als Jugendbegleiter.

Zunehmend höherqualifizierende Schulabschlüsse

Ganztagsschulen unterstützen nicht nur die Eltern bei der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern fördern auch Kinder und Jugendliche in ihren schulischen Leistungen. Seit längerem zeigt sich ein anhaltender Trend zum Besuch höherqualifizierender Schularten und zum Erwerb entsprechender Abschlüsse. Allein im Zeitraum von 2004 bis 2008 hat sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Schule mit der (Fach-)Hochschulreife beendet haben von 30 % auf 35 % erhöht. Gleichzeitig ging der Anteil der Absolventinnen und Absolventen mit Hauptschulabschluss von 29 % auf rund 25 % zurück. Zugleich verlassen weniger Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss. 2008 waren dies noch 6 %. Im Rahmen dieser Entwicklung zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede zwischen ausländischen und deutschen Schülerinnen und Schülern: Die (Fach-)Hochschulreife erwarben im Jahr 2008 mit 13 % deutlich weniger ausländische Schülerinnen und Schüler als insgesamt. Vielmehr zeigt sich bei ausländischen Schülerinnen und Schülern ein Trend zum Erwerb eines mittleren Bildungsabschlusses. Einen solchen haben 2009 rund 29 % der ausländischen Absolventinnen und Absolventen erreicht. Die häufigste Abschlussart bleibt aber nach wie vor der Hauptschulabschluss mit 48 % – wenn auch mit abnehmender Tendenz. Ohne Abschluss haben 14 % der ausländischen Schülerinnen und Schüler ihre Schullaufbahn beendet.

Ein Indikator für die Durchlässigkeit des Schulsystems sind Schulartwechsel. 2008 haben in Baden-Württemberg 1,4 % der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I die Schulart gewechselt. Davon wechselte ein Großteil (42 %) vom Gymnasium auf die Realschule, weitere 19 % von der Real- auf die Hauptschule. 33 % wechselten von der Haupt- auf die Realschule, und weitere 5 % von der Realschule auf das Gymnasium. Von quantitativ größerer Bedeutung sind in Baden-Württemberg Wechsel auf die beruflichen Gymnasien. Zum Schuljahr 2008/09 wechselten fast 17 000 Schülerinnen und Schüler auf ein berufliches Gymnasium. Das waren 14 % mehr als zum Schuljahr 2004/05. Dabei kamen 2008/09 die meisten Neuzugänge auf die beruflichen Gymnasien von der Realschule (71 %), mit großem Abstand folgten Schülerinnen und Schüler von Gymnasien (15 %), beruflichen Schulen (9 %) sowie von Hauptschulen (5 %). Die beruflichen Gymnasien scheinen damit besonders für Jugendliche mit Realschulabschluss ein attraktiver Weg zur Hochschulreife zu sein, für Hauptschüler dürfte der Weg zur Höherqualifizierung häufiger zunächst über den Erwerb eines mittleren Bildungsabschlusses im System der beruflichen Bildung führen.

Chancen in Berufsausbildung und Studium

Mit dem Abschluss der Schullaufbahn ist die Bildungskarriere nicht beendet, vielmehr setzt diese sich mit einer Lehre oder einer Ausbildung im beruflichen Bildungswesen oder mit dem Studium an einer Hochschule fort. Berufsausbildung und Studium sind dabei prägend für die Integration in die Gesellschaft und entscheiden mit darüber, wie sich die jungen Erwachsenen später auf dem Arbeitsmarkt behaupten. Es ist daher ein zentrales Ziel von »Kinderland Baden-Württemberg«, jedem ausbildungswilligen Jugendlichen eine berufliche Ausbildung bzw. ein Studium zu ermöglichen. 2009 wurden in Baden-Württemberg knapp 77 000 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Dabei standen – wie bereits in den Vorjahren – die Chancen der Jugendlichen auf einen Ausbildungsplatz gut. Seit 2007 werden mehr Ausbildungsplätze angeboten als nachgefragt.

Neben der klassischen Lehre im Betrieb besteht für Jugendliche die Möglichkeit, in schulischer Ausbildung einen Beruf zu erlernen. Diesen Weg zum Erwerb eines beruflichen Abschlusses nahmen zum Schuljahr 2008/09 rund 33 000 Ausbildungsanfänger auf. Weitere 64 000 Ausbildungsanfänger besuchten das so genannte Übergangssystem, das der Berufsvorbereitung und der beruflichen Grundbildung dient und die Chancen leistungsschwächerer Jugendlicher auf eine Berufsausbildung erhöhen soll.

Neben einer beruflichen Ausbildung kommt in einer wissensbasierten Gesellschaft insbesondere dem Hochschulstudium hohe Bedeutung zu. Im Wintersemester 2008/09 lag die Studienanfängerquote, also der rechnerische Anteil junger Menschen eines Jahrgangs, die ein Studium aufgenommen haben, bei 47 %. Einen besonderen Schwerpunkt legt Baden-Württemberg dabei auf die Förderung des Studiums so genannter MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Der Anteil der MINT-Absolventen an allen Absolventen lag in Baden-Württemberg mit 37 % höher als im Bundesdurchschnitt mit 32 %. Weiteres Potenzial liegt unter anderem in der Ermutigung von jungen Frauen zur Aufnahme eines MINT-Studiums. Von allen MINT-Absolventen in Baden-Württemberg sind weniger als ein Drittel Frauen. Programme wie zum Beispiel »Schülerinnen forschen – Einblicke in Naturwissenschaft und Technik« sollen dazu beitragen, diesen Anteil zu erhöhen.

Erwerbsbeteiligung von Müttern über dem Bundesdurchschnitt

Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, ist von vielen Faktoren abhängig. Das zweite große Kinderland-Handlungsfeld »Eltern und Familie« greift mit seinen Prioritäten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ausbildung und Studium sowie Familienleben wichtige Aspekte auf.

Wie wichtig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Baden-Württemberg ist, zeigt die hohe Erwerbsbeteiligung von Müttern. Rund zwei Drittel (67 %) der Mütter im Land waren 2008 erwerbstätig. Die Quote liegt damit sowohl höher als im Jahr 2004 als auch etwas über dem Bundesdurchschnitt von 64 %. Dabei nimmt sowohl die Erwerbsbeteiligung an sich als auch der Anteil vollzeiterwerbstätiger Mütter mit zunehmendem Alter der Kinder zu.

Während mit 91 % die große Mehrheit der Väter Vollzeit arbeitet, hat nur jede sechste Mutter eine Vollzeitstelle, gut die Hälfte der Mütter arbeitet Teilzeit oder in geringfügiger Beschäftigung. Oft wird übersehen, dass nicht nur erwerbstätige Mütter ein Vereinbarkeitsproblem haben können, sondern auch junge Mütter, die sich noch in einer Ausbildung oder in einem Studium befinden. 2008 hatten rund 5 % der Studierenden in Baden-Württemberg Kinder. Um diese Gruppe besser zu unterstützen, wurde in Baden-Württemberg die Zahl der Kinderbetreuungsplätze an Hochschulen seit 2005 um 50 % auf knapp 1 750 im Jahr 2008 erhöht. Außerdem sind mittlerweile 14 Hochschulen im Land mit dem Zertifikat »familiengerechte Hochschule« ausgezeichnet, darunter zum Beispiel die Universität Hohenheim mit ihrer »Kinderfeuerwehr-Betreuung« bei kurzfristigem Betreuungsbedarf.

Zukunftsthema: Vereinbarkeit von Pflege und Berufstätigkeit

In Zukunft wird auch die Vereinbarkeit von Pflege und Berufstätigkeit weiter an Bedeutung gewinnen. 2007 wurde knapp die Hälfte aller pflegebedürftigen Menschen in Baden-Württemberg zu Hause von Angehörigen versorgt – über 106 000 Personen. Die Pflegenden sind dabei oft selbst noch erwerbstätig oder müssen die Pflege von Eltern oder Schwiegereltern mit der Betreuung von Kindern vereinbaren. Dieser Herausforderung müssen sich künftig angesichts der demografischen Entwicklung zunehmend mehr Familien stellen.

Bei der Verbesserung der Vereinbarkeit ist auch die Arbeitgeberseite gefragt. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall zum Beispiel engagiert sich bereits seit längerer Zeit im Bereich Vereinbarkeit und bietet ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

  • flexible Arbeitszeitmodelle und vielfältige Unterstützungsangebote für Eltern und Pflegende sowie
  • die Möglichkeit einer Pflegepause.

Auch das Land Baden-Württemberg setzt sich als Arbeitgeber für eine bessere Vereinbarkeit ein und bietet seinen Beschäftigten

  • ein erweitertes Angebot zum Beispiel an Telearbeitsplätzen und flexiblen Arbeitszeitmodellen,
  • frühzeitige Unterstützung beim Wiedereinstieg über Schulungen und Begleitung durch Mentoren,
  • mehr Plätze zur arbeitsplatznahen Kinderbetreuung, so zum Beispiel in Stuttgart und in Tübingen für den Nachwuchs von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz und weiterer Landesbehörden sowie
  • mittlerweile rund 700 Betreuungsplätze für Kinder unter 3-Jahren des wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen im Land.

Bessere Lebensbedingungen für Familien durch Beteiligung vor Ort

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt für bessere Lebensbedingungen von Familien ist deren direkte Beteiligung vor Ort in den Kommunen. Dazu wurde im Rahmen von »Kinderland« das Landesprogramm »Kompetenzzentrum Familienfreundliche Kommune« gestartet, das bei der FaFo FamilienForschung im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg angesiedelt ist. Das Kompetenzzentrum trägt mit seinen Beratungs- und Unterstützungsangeboten dazu bei, die Ziele einer nachhaltigen familienfreundlichen Kommunalentwicklung in die Fläche zu tragen. Es bietet familienpolitisch Aktiven im Land

  • aktuelle Informationen, innovative Praxisbeispiele und Arbeitshilfen zur Familienfreundlichen Kommunalentwicklung im Portal www.familienfreundliche-kommune.de,
  • Beratung und Prozessbegleitung zur familienfreundlichen Kommunalentwicklung,
  • »Zukunftswerkstätten Familienfreundliche Kommune«,
  • »RegioKonferenzen zur Familienfreundlichkeit« sowie
  • Bilanz-Werkstätten und Workshops für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.

Bis Anfang 2010 wurden mit über 40 Kommunen und über 4 000 Beteiligten »Zukunftswerkstätten Familienfreundliche Kommune« durchgeführt. In sechs der zwölf Regionen des Landes fanden außerdem RegioKonferenzen zur Vernetzung und zum Austausch familienfreundlicher Praxisbeispiele statt. Weitere Veranstaltungen sind in Vorbereitung.

Das dritte zentrale Kinderland-Handlungsfeld »Gesellschaft und Umwelt« hebt die Bedeutung der gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Familienleben hervor. Dabei stehen die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen sowie der Kinderschutz an erster Stelle.

10 % der Kinder bereits im Grundschulalter übergewichtig

Wichtige Themen im Bereich Gesundheit sind Über- und Untergewicht von Kindern und Jugendlichen, das Rauchverhalten und der Alkoholkonsum. 2007 waren rund 10 % der Kinder in Baden-Württemberg bereits im Grundschulalter übergewichtig. Haupt- und Förderschüler sind häufiger von Übergewicht betroffen. Gleichzeitig betreibt ein Großteil der Kinder in Baden-Württemberg Sport. So waren 2008 fast zwei Drittel der unter 18-Jährigen in einem Sportverein aktiv.

Kritisch für die Gesundheit sind auch der übermäßige Genuss von Alkohol oder Rauchen. In Baden-Württemberg rauchen 21 % der Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren. Im Bereich Alkoholkonsum ist zwar die große Mehrheit der Jugendlichen abstinent oder trinkt nur maßvoll Alkohol. Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass sich in den letzten 5 Jahren die Zahl der alkoholbedingten Krankenhausbehandlungen bei Jugendlichen auf fast 4 000 Fälle im Jahr 2008 verdoppelt hat. Mit einem Anteil von 60 % sind Jungen dabei häufiger betroffen als Mädchen.

Innovative Ansätze zur Gesundheitsförderung in den Kommunen

Um ein gesundheitsförderliches Verhalten möglichst frühzeitig zu verankern, arbeitet in Baden-Württemberg zum Beispiel das Landesprogramm »Jugendbegleiter« an Ganztagsschulen mit Sportvereinen zusammen. Und auch in den Kommunen gibt es innovative Ideen, wie die Gesundheit von Kindern gefördert werden kann:

Um Kinder zu mehr Bewegung zu motivieren und gleichzeitig einen sicheren Schulweg zu garantieren, wurde zum Beispiel in der Gemeinde Mauer (Rhein-Neckar-Kreis) ein »Walking-Bus« ins Leben gerufen. Die Schüler werden von ehrenamtlich Engagierten zu Fuß zur Schule begleitet. Dabei gibt es wie bei einem Schulbus einen »Fahrplan« und feste »Haltestellen« an denen der »Busfahrer« anhält.

Ebenfalls von ehrenamtlichem Engagement profitiert das Projekt »b.free« im Landkreis Konstanz. Ziel des Projektes ist es, Jugendlichen einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol nahe zu bringen. Dafür werden neben Informationsveranstaltungen zum Beispiel alkoholfreie Discos oder Dance Nights mit alkoholfreien Cocktails veranstaltet.

Beim Kinderschutz setzt »Kinderland Baden-Württemberg« insbesondere darauf, die Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung zu stärken. Sind die Eltern mit der Erziehung überfordert oder kommt es zu Misshandlungen, greift als eines der letzten Mittel die Inobhutnahme Minderjähriger: Die Zahl der Inobhutnahmen nahm von 2004 bis 2008 um über 60 % auf rund 2 700 Fälle zu. Zugleich ging die Zahl der Misshandlungen von 2004 bis 2009 um 10 % auf 357 Fälle zurück. Häufigste Gründe für Inobhutnahmen waren eine Überforderung der Eltern oder Beziehungsprobleme, wesentlich seltener waren Misshandlungen oder Vernachlässigung die Ursache.

Um Inobhutnahmen von vornherein zu vermeiden und Eltern in ihren Erziehungskompetenzen zu unterstützen, werden im Rahmen von »Kinderland Baden-Württemberg« verstärkt Elternkurse angeboten, zum Beispiel über die Landesprogramme »STÄRKE« oder »Guter Start ins Kinderleben«. Aber auch private Initiativen in Baden-Württemberg unterstützen Projekte gegen Kindesmissbrauch. Die Stiftung »Hänsel + Gretel« beispielsweise betreibt Aufklärungsarbeit und betreut Kindern, die Opfer von Missbrauch geworden sind.

Aufwachsen mit Handy, PC und Internet

Oft wird die zunehmende Mediennutzung für nicht gesundheitsförderliche Gewohnheiten von Kindern und Jugendlichen verantwortlich gemacht. Insgesamt nutzen Jugendliche täglich fast 6 Stunden Internet, Computer, TV, Spielkonsolen und Handy. Ein Handy gehört mittlerweile zur Grundausstattung von Jugendlichen. 2009 besaßen 95 % der Jugendlichen ab 12 Jahren ein Handy. Bereits die 6- bis 13-Jährigen besitzen zur Hälfte ein eigenes Handy. Das sind doppelt so viele Kinder wie noch 2003. Einen eigenen Computer hatten drei Viertel der Jugendlichen und 15 % der Kinder. Die Internetnutzung entwickelte sich entsprechend: 2009 nutzen 90 % der Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche das Internet. 2007 waren es noch 75 %. Gleichzeitig nahm die Nutzungsdauer um 20 Minuten auf rund 130 Minuten werktags zu.

Um Kinder an einen reflektierten Umgang mit den neuen Medien heranzuführen wurde im Rahmen von »Kinderland Baden-Württemberg« die Initiative »Kindermedienland« ins Leben gerufen. Die Initiative bündelt Projekte in Schulen und Kindertageseinrichtungen und bezieht auch Eltern und weitere Multiplikatoren mit ein.