:: 12/2010

Im Zeichen der Wirtschaftskrise 2009: Massive Investitionskürzungen der Südwestindustrie

Die schärfste Rezession der Nachkriegszeit führte 2009 dazu, dass das Investitionsklima drastisch abkühlte. Eine Reduzierung der Investitionsbudgets binnen eines Jahres um satte 2,7 Mrd. Euro (nominal) auf 8,5 Mrd. Euro, stellte einen neuen Negativrekord dar. Dabei reduzierten über drei Viertel der Branchen ihre Investitionsausgaben. Alleine die drei Schlüsselbranchen »Hersteller von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«, »Maschinenbau« und »Hersteller von Metallerzeugnissen« kürzten ihre Budgets um insgesamt 2,1 Mrd. Euro. Aber auch die Leasinginvestitionen zeigten sich stark konjunkturreagibel (−25,2 %). Für 2009 liegen zum ersten Mal Daten vor, wie viel die Südwestunternehmen in immaterielle Vermögensgegenstände investiert haben. Insgesamt wurden 823,5 Mrd. Euro für Konzessionen, Patente, Lizenzen, Warenzeichen und ähnliche Rechte sowie für erworbene Software aufgewendet.

2009 durchlebte die baden-württembergische Industrie die schärfste Rezessionsphase der Nachkriegszeit. So mussten die Betriebe beim Auftragseingang (−25,9 %), bei der Produktion (−21,1 %) und beim Umsatz (−24,2 %) beispiellose Verluste hinnehmen1. Angesichts geringer Kapazitätsauslastungen reduzierten die Firmen ihre Personalbestände um 5,4 %. Nur durch den flexiblen Einsatz von Arbeitszeitmodellen und durch Kurzarbeit konnte ein größerer Aderlass der Stammbelegschaften verhindert werden. Auch im Investitionsverhalten der Betriebe hinterließ die konjunkturelle Talfahrt tiefe Spuren. Die mehrjährige Investitionsdynamik hatte bereits in 2008, als das Rekordvolumen von 11,3 Mrd. Euro erreicht wurde, nachgelassen. 2009 fand diese Entwicklung nach den Ergebnissen der jährlichen Investitionserhebung (siehe i-Punkt) eine drastische Verschärfung. Die Betriebe2 im Verarbeitenden Gewerbe Baden-Württembergs reduzierten ihre Investitionsausgaben um nominal 2,7 Mrd. Euro (−24,1 %) auf 8,5 Mrd. Euro. Damit nahmen die Investitionseinschränkungen historische Ausmaße an. Zwar ist ein Nachlassen der investiven Tätigkeit in rezessiven Wirtschaftsphasen nicht ungewöhnlich, allerdings konnte ein nominaler Rückgang von über 2 Mrd. Euro in der über 40-jährigen Investitionsbeobachtung durch die amtliche Statistik bislang nur 1993 beobachtet werden. Damals sank das Investitionsvolumen um nominal 2,3 Mrd. Euro. Allerdings wurde der Einbruch damals durch das investive Engagement in den neuen Bundesländern verstärkt, das zu Lasten der Investitionstätigkeit im Südwesten ging.

Beide Anlageformen von Kürzungen betroffen

Die investiven Aufwendungen für Ausrüstungsgüter gingen auf 7,4 Mrd. Euro (−24,1 %) und für Grundstücke und Bauten auf 1,1 Mrd. Euro (−23,9 %) zurück. Damit blieben die jeweiligen Anteile an den aktivierten Bruttoanlageinvestitionen auf dem Vorjahresniveau. In den vergangenen Jahrzehnten war der Anteil der Investitionen in Maschinen und sonstige Ausrüstungen im Trend gestiegen. Erst seit Mitte der 2000er-Jahre gewann der Anteil der Grundstücke und Bauten an den aktivierten Bruttoanlageinvestitionen, der als Indikator für Erweiterungstätigkeiten angesehen werden kann, wieder leicht an Boden und stieg auf 13 % in 2008. Dies deutet darauf hin, dass in den vergangenen investitionsstarken Jahren das Erweiterungsmotiv für Investitionen an Bedeutung gewonnen hatte3. Dafür, dass sich der Anteil der Investitionen in Immobilien an den aktivierten Bruttoanlageinvestitionen 2009 auf dem Vorjahresniveau hielt, dürfte allerdings auch eine Rolle gespielt haben, dass Investitionen in Immobilien zumeist strategische Überlegungen zugrunde liegen, die trotz des konjunkturellen Einbruchs nicht schnell verworfen werden. Wie bereits in den beiden Vorjahren gab der »Maschinenbau« am meisten für Immobilien aus. 2009 investierte diese Branche 269,4 Mill. Euro in Gebäude und Grundstücke.

Unterschiedliche Entwicklung bei den Indikatorenwerten

Nachdem für die Investitionsintensität4, die als Indikator für Produkt- und Verfahrensinnovationen dient, in den Vorjahren absolute Rekordwerte ausgewiesen werden konnten, sank sie in 2009 deutlich auf 7 400 Euro ab. Dabei sollten zwei Aspekte beachtet werden. Zum einen liegt der Wert von 2009 auf dem Durchschnittsniveau der Indikatorenwerte, bevor diese 2007 und 2008 Rekordwerte erreichten. Zum anderen lässt sich der starke Abfall des Wertes damit erklären, dass die Investitionsausgaben in 2009 wesentlich stärker als die Beschäftigtenzahlen sanken. Im Gegensatz zur Investitionsintensität ging die Investitionsquote5 von 3,8 % auf 3,7 % nur leicht zurück. Sie lag damit weiterhin deutlich über dem Tiefstwert 3,1 % von 2005. Der Indikator für Investitionsdynamik sank trotz der massiven Einsparungen im Investitionsbudget nicht stärker ab, da im gleichen Zeitraum die Umsätze gleichfalls dramatisch abnahmen. Die höchsten Indikatorwerte wiesen 2009 die »Hersteller von pharmazeutischen Erzeugnissen« aus, die eine Investitionsintensität von 17 205 Euro und eine Investitionsquote von 6 % erlangten.

Investitionskürzungen erfolgten auf breiter Front

Der Investitionseinbruch erfolgte 2009 auf breiter Front. Über drei Viertel der Industriebranchen investierten zum Teil erheblich weniger als im Vorjahr. Die »Hersteller von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« nahmen, nachdem sie 2008 eine Rekordsumme ausgegeben hatten, die höchsten Budgetkürzungen mit einem Minus von 865,6 Mill. Euro (−23,9 %) auf 2,8 Mrd. Euro vor. Trotzdem dominierte die Branche weiterhin das Investitionsgeschehen in Baden-Württemberg mit einem Strukturanteil von 32,3 %, welcher 2009 sogar leicht über dem Niveau der Vorjahre lag. Dies wurde auch dadurch bedingt, dass andere Branchen ihre Ausgaben im Verhältnis deutlich drastischer zurückfuhren. Der »Maschinenbau« reduzierte seine Budgets auf 1,6 Mrd. Euro (−31,9 %). Die »Hersteller von Metallerzeugnissen« investierten nur noch 583,5 Mill. Euro (−42,8 %). Insgesamt sank damit der Strukturanteil 2009 der »großen Drei«, die seit 2001 regelmäßig über die Hälfte der Investitionen tätigten, nur leicht gegenüber dem Vorjahr auf 58 %. Zu den wenigen Branchen mit einem Plus an Investitionen gehörten die »Hersteller pharmazeutischer Erzeugnisse«, die 469,6 Mill. Euro (20 %) für Sachanlagen ausgaben.

Einbruch verschonte auch die Leasinggüter nicht

Um die Investitionsaktivitäten der Industriebetriebe in der Gesamtheit besser darstellen zu können, werden neben den Kaufinvestitionen auch Mietinvestitionen in die Investitionserhebung einbezogen. Hierbei handelt es sich um gemietete bzw. geleaste neue Sachanlagen, die beim Mieter (Leasingnehmer) genutzt, aber nicht aktiviert werden6. Die Neigung der einzelnen Branchen, inwieweit sie anstatt Anlagen zu kaufen, diese lediglich mieten, war bislang durchaus unterschiedlich. Bei den »Herstellern von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«, welche die Kaufinvestitionen seit Jahren dominierten, spielten die Mietinvestitionen in den letzten Jahren eine nachrangige Rolle, womit auch ihr Anteil an den Mietinvestitionen insgesamt eher gering ausfiel. Der Maschinenbau hingegen war letztens bei beiden Investitionsformen mit tonangebend. Nachdem die Mietinvestitionen bereits 2008 im Gegensatz zu den Kaufinvestitionen zurückgegangen waren, wurden sie 2009 bei über drei Viertel der Branchen gekürzt. Insgesamt wurden die investiven Ausgaben für geleaste neue Sachanlagen auf 1,3 Mrd. Euro (−25,2 %) zurückgefahren. Die höchsten Einschnitte im Mietbudget nahmen der »Maschinenbau« und die »Hersteller von Metallerzeugnissen« vor. Der »Maschinenbau« gab noch 396,6 Mill. Euro (−18,7%) für gemietete neue Sachanlagen aus, während die »Hersteller von Metallerzeugnissen« lediglich 203,9 Mill. Euro (−40,6 %) investierten. Trotzdem bestimmten die beiden Branchen 2009 mit einem Strukturanteil von 46 % das Geschehen um die Mietinvestitionen, das sie in den letzten Jahren immer mehr dominierten. Unter den wenigen Branchen, die ihr Leasingbudget aufstockten, gaben die »Hersteller von Druckerzeugnissen; Vervielfältigung von bespielten Ton-, Bild- und Datenträgern« mit 72,6 Mill. Euro (30,6 %) am meisten an Mieten aus.

Zusammengefasst betrachtet, sind die Kauf- und Leasinginvestitionen um 3,1 Mrd. Euro (−24,2 %) auf 9,9 Mrd. Euro gesunken. Die höchsten Budgetkürzungen wurden von den »Herstellern von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« mit einem Minus von 879,3 Mill. Euro (−23,6 %) vorgenommen, gefolgt vom »Maschinenbau«, der seine Gesamtinvestitionen um 850,6 Mill. Euro (−29,7 %) senkte. Trotzdem spielten die beiden Branchen 2009 auch weiterhin die tragenden Rollen für die Gesamtinvestitionen der Südwestindustrie mit einem Strukturanteil von knapp 50 %.

Erstmalige Aussagen zu immateriellen Vermögensgegenständen

In der Investitionserhebung 20097 wurden zum ersten Mal die Bruttoinvestitionen in immaterielle Vermögensgegenstände bei Industrieunternehmen erfragt8. Damit können erstmalig Aussagen dazu getroffen werden, wie viel in Konzessionen, Patente, Lizenzen, Warenzeichen und ähnliche Rechte sowie in beschaffte Software investiert wurde. Allerdings ist erfahrungsgemäß bei der Einführung neuer Erhebungsmerkmale mit gewissen Einschränkungen in der Datenqualität zu rechnen. Die Südwestunternehmen gaben an, 823,5 Mill. Euro in immaterielle Vermögensgegenstände investiert zu haben. Zum Vergleich: In Sachanlagen investierten die baden-württembergischen Unternehmen deutschlandweit 11-mal soviel wie in immaterielle Vermögensgegenstände. Obwohl bei über drei Vierteln der Branchen der Investitionsschwerpunkt auf erworbener Software (357,6 Mill. Euro) lag, wurde insgesamt mehr für Konzessionen, Patente, Lizenzen, Warenzeichen und ähnliche Rechte (465,9 Mill. Euro) ausgegeben. Annähernd drei Viertel der Investitionen in immateriellen Vermögensgegenstände wurde von den »Herstellern von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«, dem »Maschinenbau« und den »Herstellern von pharmazeutischen Erzeugnissen« mit insgesamt 605,1 Mill. Euro getätigt. Neben dem »Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden« und den »Herstellern von Bekleidung« investierten diese drei Branchen auch mehr in Konzessionen, Patente, Lizenzen, Warenzeichen und ähnliche Rechte als in erworbene Software.

Nachdem die Südwestindustrie im Jahr 2009 die bislang schwerste Rezession in der Nachkriegszeit verkraften musste, befindet sich die Konjunktur in 2010 auf Erholungskurs. Getragen wurde der Aufschwung derzeit vor allem von Bestellungen aus dem Ausland, wobei auch die Binnennachfrage inzwischen wieder anzieht. Inwieweit damit auch die Bereitschaft der Firmen, in neue Sachanlagen zu investieren, gestiegen ist, wird erst im Herbst 2011 deutlich werden, wenn die Ergebnisse der Investitionserhebung für das Berichtsjahr 2010 vorliegen.

1 Dargestellt werden die Veränderungsraten der preisbereinigten Indizes des Auftragseingangs, der Produktion und des Umsatzes (2005=100).

2 In der Investitionserhebung 2009 wurden 7 968 Betriebe befragt, wovon 6 731 Betriebe (84,5 %) in Sachanlagen investiert hatten.

3 Vgl. zu den Investitionsmotiven unter anderem Annette Weichselberger: Westdeutsche Industrie: 2010 geringer Investitionsanstieg. Die neuen Ergebnisse des ifo Investitionstests, in ifo Schnelldienst Heft 24/2009 – 62. Jahrgang, S. 81.

4 Investitionen pro Beschäftigten.

5 Verhältnis Investitionen zum Umsatz.

6 Vgl. i-Punkt.

7 Aufgrund der EG-Verordnung Nr. 295/2008 (StrukturVO-Neufassung) sind ab dem Berichtsjahr 2009 Angaben zu Bruttoinvestitionen in immaterielle Vermögensgegenstände an Eurostat zu liefern.

8 Erfolgte die Ergebnisdarstellung in diesem Beitrag bis zu diesem Abschnitt auf der Betriebsebene, können die Investitionen in immaterielle Vermögensgegenstände nur auf der Unternehmensebene dargestellt werden. Damit ist eine regional scharf getrennte Analyse der Investitionen in immaterielle Vermögensgegenstände für Baden-Württemberg nicht möglich, da in den Unternehmensdaten von Mehrländerunternehmen auch Daten von Betrieben außerhalb Baden-Württembergs enthalten sind.