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Trinkwasser- und Abwasserpreise in Baden-Württemberg 2010

Zur Gestaltung der Preise für Trinkwasser und Abwasser ergingen im zurückliegenden Jahr zwei wichtige Gerichtsurteile: Am 2. Februar 2010 hielt der Bundesgerichtshof (BGH) es für rechtens, dass die Kartellbehörden in Hessen in die Preisgestaltung durch privatrechtlich geführte Wasserversorgungsunternehmen (Private WVU) eingreifen dürfen. Und der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) verfügte mit seinem Urteil vom 11. März 2010, dass die Berechnung der Abwassergebühren nicht mehr allein an den Frischwasserverbrauch geknüpft sein darf. Beide Urteile führten 2010 noch nicht zu großen Veränderungen bei den Trink- und Abwasserpreisen. Der durchschnittliche Kubikmeterpreis für Trink- und Abwasser lag in Baden-Württemberg am 1. Januar 2010 bei 4,16 Euro. Das waren 10 Cent mehr als 2009. Diese Steigerung um 2,5 % liegt im langjährigen Mittel seit 1991. Im vorliegenden Beitrag werden die bestehenden Entgeltmodelle, die Entwicklung der Preise sowie die regionalen Unterschiede auch im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Rechtsformen der Versorgungsunternehmen betrachtet.

Weiterhin gedämpfter Anstieg der Trink- und Abwasserpreise

Der durchschnittliche Gesamtpreis je Kubikmeter (m³) Trink- und Abwasser im Land ist 2010 gegenüber dem Vorjahr um 10 Cent auf 4,16 Euro (Stand 1. Januar 2010) gestiegen. Diese aktuelle Preissteigerung der Kubikmeterentgelte um 2,5 % entspricht damit dem langjährigen Mittel seit 1991. Im Zeitablauf lag der Preisanstieg in den Jahren seit 2001 mit durchschnittlich 7 Cent deutlich niedriger als in den 90er-Jahren (1991 bis 1999) mit Preissteigerungen von im Durchschnitt 15 Cent pro Jahr. Mit einer Steigerung um knapp 18 % lag die Entwicklung der Kubikmeterpreise für Trink- und Abwasser in den letzten 10 Jahren leicht unter der allgemeinen Preissteigerung der Lebenshaltungskosten von rund 19 %.

In mehr als der Hälfte aller Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg stieg der Gesamtpreis für einen Kubikmeter Trink- und Abwasser im Vergleich zu 2009 nicht, in 6% aller Gemeinden ist er sogar gesunken. In 44 % aller Gemeinden wurde der Preis gegenüber 2009 angehoben.

Gründe für erhöhte Entgelte sind in der Regel Kostensteigerungen, hauptsächlich durch Investitionen, zum Beispiel in die Sanierung von Leitungsnetzen, Trinkwasseraufbereitungsanlagen oder Kläranlagen (Einbau zusätzlicher Reinigungsstufen, zum Beispiel Stickstoff- und Phosphatelimination). Die vom Land gewährten Zuschüsse für Investitionsausgaben hängen von einer kostendeckenden Preisgestaltung und der Überschreitung bestimmter Preisschwellen ab. Dies führt mitunter vor Beginn der Maßnahmen zu einem Preisanstieg bis zu dieser Grenze. Umgekehrt werden bei einer Kosteneinsparung die erzielten Überschüsse auch an die Verbraucher weitergegeben und es kommt zu Gebührensenkungen.

Abwasser teurer als Trinkwasser

Von den insgesamt 4,16 Euro je Kubikmeter Trink- und Abwasser entfallen 1,91 Euro auf das Trinkwasserentgelt (Schaubild 1). Für einen solchen Betrag kann man zum Beispiel 3 Liter eines günstigen Mineralwassers im Supermarkt (1,50 – 2,50 Euro) kaufen. Gegenüber 2009 ist die Gebühr für einen Kubikmeter Trinkwasser im Landesdurchschnitt um 4 Cent gestiegen. Bezogen auf die einzelnen Gemeinden wurde die Kubikmetergebühr in nur 20 % aller Gemeinden erhöht. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Gemeinden blieb er konstant oder ging zurück.

Der Kubikmeter Abwasser kostete 2010 die privaten Haushalte durchschnittlich 2,25 Euro, 6 Cent mehr als 2009. Knapp 7 % aller Gemeinden erhoben einen niedrigeren Abwasserpreis als 2009. Bei einem Drittel aller Gemeinden erhöhte er sich.

Die Gebühr für die Entsorgung und Behandlung eines Kubikmeters Abwasser liegt seit Mitte der 90er-Jahre im Mittel über dem Preis für die Bereitstellung und Lieferung von Trinkwasser (Schaubild 2). Ursache war vor allem der nach 1995 verstärkte Ausbau der Kläranlagen mit weitergehenden Reinigungsstufen. In dieser Zeit ist der Kubikmeterpreis für Abwasser spürbar stärker gestiegen als der für Trinkwasser. Gegen Ende der 90er-Jahre hat sich der steigende Trend sowohl beim Trinkwasser als auch beim Abwasser erkennbar abgeschwächt. In den letzten 10 Jahren wurde die Abwasser- und auch die Trinkwassergebühr um jeweils durchschnittlich 3 Cent pro Jahr erhöht. Im Jahr 2010 fiel die Steigerung beim Abwasser wieder höher aus als beim Trinkwasser. Dies liegt wohl auch daran, dass im Bereich Trinkwasser zwischenzeitlich ein hoher Standard erreicht wurde, während beim Abwasser weiterhin hohe Investitionen anstehen bzw. durchgeführt werden. Aktuell liegt das Abwasserentgelt im Mittel um 34 Cent je Kubikmeter über dem Trinkwasserentgelt.

Große Preisunterschiede zwischen den Gemeinden

Nicht zuletzt aufgrund der erheblichen regionalen Strukturunterschiede weichen die Gebühren für die Bereitstellung und Entsorgung von Trinkwasser beziehungsweise Abwasser in den einzelnen Städten und Gemeinden des Landes deutlich voneinander ab. So betrug die gesamte Kubikmetergebühr in Ummendorf im Landkreis Biberach mit 1,94 Euro nur ein Viertel des Gesamtentgeltes in Widdern (8,09 Euro) im Landkreis Heilbronn. Die maximale Preisdifferenz zwischen den Kommunen sank dabei im Vergleich zu 2009 um 12 Cent auf 6,15 Euro je Kubikmeter.

Für die beträchtlichen Preisunterschiede zwischen den Städten und Gemeinden gibt es vielfältige Gründe und Ursachen, die beim regionalen Preisvergleich berücksichtigt werden müssen.1 Wichtige Einflussgrößen sind beispielsweise die Qualität der Wasserressourcen, die Geologie und Geografie des Einzugs-, Versorgungs- und Entsorgungsgebietes, Alter und Zustand des Leitungsnetzes, der Aufbereitungsanlagen sowie die Anzahl und der Zustand von Vorratsanlagen.

Daneben beeinflusst auch die Siedlungsstruktur des Versorgungsgebietes die Preisfestlegung. Die Abwassergebühren in Verdichtungs- und Ländlichen Räumen unter-scheiden sich beispielsweise aufgrund der unterschiedlichen Anzahl und Ausbaugröße von Kläranlagen, der Länge des Kanalnetzes sowie dem Volumen der erforderlichen Regenwasserbehandlungsanlagen. Dabei führen Investitionen zur Sanierung bzw. zum Neubau solcher Anlagen zwangsläufig zu einem Anstieg der Gebühren, da Wasser- und Abwasserpreise kostendeckend kalkuliert werden müssen.

Trinkwassergebühren nach der Rechtsform der Versorger

Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wasser- und Abwasserentgelte wird immer wieder auch die Frage nach dem Einfluss der Rechtsform der tätigen Unternehmen gestellt. Die Wasserversorgung der 10,7 Mill. Einwohner Baden-Württembergs in 1 102 Gemeinden erfolgte zum Stand 1. Januar 2010 durch insgesamt 1 077 Wasserversorgungsunternehmen (WVU). Die Wasserabgabe in den Gemeinden verteilt sich auf folgende Unternehmensformen: Es sind Regie- und Eigenbetriebe der Gemeinden, öffentlich bestimmte Unternehmen in privater Rechtsform (GmbH, AG etc.) – hier privates WVU – genannt sowie Zweckverbände. Mehr als 98 % aller Gemeinden mit fast 59 % aller Einwohner werden durch Regie- oder Eigenbetriebe der Gemeinden mit Wasser versorgt. In 83 Gemeinden mit zusammen 4,2 Mill. Einwohnern erfolgt die Wasserversorgung der Bürger durch 76 private WVU, in 32 Gemeinden (0,2 Mill. Einwohner) sind insgesamt 14 Zweckverbände zuständig.

Der Preis für den Kubikmeter Trinkwasser liegt 2010 in Gemeinden, die durch ein privates WVU versorgt werden, im Durchschnitt bei 2,05 Euro/m³ und damit um 21 Cent höher als in den durch Regie- oder Eigenbetriebe der Kommunen versorgten Gemeinden (Tabelle 1). Das Abwasser ist allerdings in den Gemeinden, die durch einen Regie- oder Eigenbetrieb einer Kommune versorgt wurde, mit 2,48 Euro je Kubikmeter um 61 Cent höher als in den durch ein privates WVU versorgten Gemeinden. Diese unterschiedlichen Relationen stützen die These, dass die Preisunterschiede nicht in erster Linie auf die Rechtsform des WVU zurückgeführt werden können, sondern zusätzlich nach der Lage und Größe der jeweils versorgten Gemeinden zu differenzieren ist.

Tatsächlich sind die privaten Versorger überproportional in Verdichtungsgebieten tätig. Vier von fünf Gemeinden, die durch private WVU versorgt werden, liegen in Verdichtungsgebieten (Verdichtungsräume insgesamt, Randzonen um die Verdichtungsräume, Verdichtungsbereiche im ländlichen Raum), während die Verteilung bei den Regie- und Eigenbetrieben nahezu umgekehrt ist. Drei von fünf Gemeinden liegen hier im ländlichen Raum im engeren Sinne, während dies bei den privaten WVU nur für eine von fünf Gemeinden gilt. Nach Gemeindegrößenklassen betrachtet, liegt der Preis für Trinkwasser in Gemeinden unter 2 000 Einwohnern bei Versorgung durch einen Regie- oder Eigenbetrieb im Durchschnitt bei 1,83 Euro je m³, bei Versorgung durch ein privates WVU sind es 2,04 Euro je m³. Umgekehrt liegt der Kubikmeterpreis in Gemeinden über 100 000 Einwohnern bei privatem Versorger mit 2,10 Euro um 20 Cent niedriger als bei Versorgung durch einen Eigenbetrieb.

Einfluss der Fixkosten auf die Gebühren

Die Kalkulation der Preise für Wasser und Abwasser umfasst zahlreiche verschiedene Kostenbereiche, die teils verbrauchsabhängig (verkaufte Wassermengen) teils aber fix, das heißt unabhängig von der verteilten Wassermenge entstehen. Der Fixkostenanteil beträgt deutlich mehr als die Hälfte der Entstehungskosten für die Wasserver- und Abwasserentsorgung. In allen Gemeinden des Landes werden die Kosten in erster Linie über ein verbrauchsabhängiges Entgelt für den Trink- und Abwasserverbrauch gedeckt. Der Wasserverbrauch sank aber in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich. Bei vorgeschriebener Kostendeckung führt dies ohne Änderung des Gebührenmodells tendenziell zu höheren Preisen je Kubikmeter.

Durch eine teilweise Umlegung der Kosten auf eine fixe Entgeltkomponente, meist als Grundgebühr bezeichnet, wird die Kostendeckung auf eine breitere Grundlage gestellt. Diese wird zusätzlich zur verbrauchsabhängigen Gebühr erhoben und als Festbetrag monatlich oder auch jährlich in Rechnung gestellt.

In 1 071 Gemeinden Baden-Württembergs (97 %) wird für die Trinkwasserversorgung eine vom Wasserverbrauch unabhängige Grundgebühr erhoben. Diese beinhaltet neben einem Fixkostenanteil unter anderem auch die Bereitstellung der Wasserzählereinrichtung und die Kosten der amtlichen Eichung. Die übrigen 31 Gemeinden (gut 3 %) im Land erheben nur eine Kubikmetergebühr und keine Grundgebühren. Gibt es in einer Gemeinde eine Trinkwassergrundgebühr, so beträgt sie im Durchschnitt 2,58 Euro im Monat (Tabelle 2). Der dazugehörige durchschnittliche Preis für einen Kubikmeter Trinkwasser liegt mit 1,91 Euro dennoch um 4 Cent höher als in den Gemeinden ohne Grundgebühr.

Eine getrennte monatliche Abwassergrundgebühr ist – erstmals im Jahr 1995 eingeführt – inzwischen in 86 Gemeinden festgesetzt. In diesen Gemeinden, mit einer mittleren Grundgebühr von 2,97 Euro im Monat, liegt der durchschnittliche Kubikmeterpreis für Abwasser bei 2,30 Euro und damit um 10 Cent niedriger als in den 987 Gemeinden ohne Abwassergrundgebühr. Wie beim Trinkwasser gibt es im Land keine Gemeinde, die ohne Kubikmetergebühr ausschließlich einen pauschalen Betrag, das heißt eine Grundgebühr für das Abwasser erhebt.

Einfluss des VGH-Urteils vom 11. März 2010 auf die Entgeltfestlegung

Bislang bestand für die Städte und Gemeinden die Möglichkeit, für Abwasser eine Einheitsgebühr in Abhängigkeit vom Frischwasserverbrauch oder eine gesplittete Abwassergebühr zu erheben (siehe i-Punkt). Der Unterschied liegt hauptsächlich in der Zuordnung der Kosten, die durch die Fassung und Reinigung von Regenwasser entstehen. Die tatsächlich zu reinigende Abwassermenge ist im allgemeinen höher als die beim Letztverbraucher durch den Frischwasserverbrauch anfallende Schmutzwassermenge.

Bei der Einheitsgebühr bezogen auf die Frischwasserbezugsmenge werden die Kosten für die Regenwasserentsorgung pauschal auf alle Verbraucher einheitlich umgelegt. Durch die starke Versiegelung der Flächen stieg die in den Kanal eingeleitete Regenwassermenge und somit dieser Kostenanteil. Um eine gerechtere, den Verursacher stärker belastende Verteilung der Abwasserentsorgungskosten zu ermöglichen, wird seit Mitte der 90er-Jahre in einzelnen Gemeinden der Regenwasseranteil in Abhängigkeit von der versiegelten Fläche eines Grundstücks getrennt berechnet. In den 32 Gemeinden mit einer gesplitteten Abwassergebühr liegt 2010 der durchschnittliche Preis je Kubikmeter Abwasser (Schmutzwasser nach Frischwasserbasis) bei 1,57 Euro und beim Niederschlagswasser bei 62 Cent je Quadratmeter versiegelter Fläche. In drei Städten ist die gesplittete Gebühr bislang nur bei Grundstücken über 1 000 Quadratmeter versiegelter Fläche zwingend vorgeschrieben und die anderen Grundstücke können diese Berechnungsweise auf Antrag anwenden.

Am 11. März 2010 erging am Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim ein Urteil, auf Grund dessen bei der Berechnung der Abwassergebühren nicht mehr der einheitliche Frischwassermaßstab zugrunde gelegt werden darf. Alle Kommunen im Lande müssen auf ein gesplittetes Modell mit getrennter Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Bemessungsgrundlage umstellen. Zur Zeit können knapp 18 % aller Einwohner im Land ihr Abwasser über eine gesplittete Abwassergebühr abrechnen. Die neue Rechtslage wird dazu führen, dass der Anteil der Gemeinden mit einer gesplitteten Abwassergebühr – derzeit knapp 3 % – in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Die Niederschlagsgebühr kann durch Flächenentsiegelung reduziert werden. Dies wird in einer Reihe von Städten und Gemeinden durch Fördergelder unterstützt, da diese Maßnahmen die Grundwasserneubildung aus Niederschlägen fördern.