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Flächenverbrauch – Dauerbrenner der umweltpolitischen Diskussion

Das Thema Flächenverbrauch hat viele Facetten. Auf der einen Seite gibt es ein berechtigtes Interesse von Bevölkerung und Wirtschaft an Flächen für Wohnen und Arbeit, Verkehr und Freizeit. Auf der anderen Seite muss insbesondere der Verlust an Landwirtschaftsfläche kritisch gesehen werden. Denn die Umwidmung von Landwirtschaftsfläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche bedeutet immer den Verlust an naturnaher Fläche und damit eine weitere Einschränkung des Lebensraumes von Flora und Fauna. Hinzu können Beeinträchtigungen des Kleinklimas und des Hochwasserschutzes kommen, sowie Auswirkungen auf das Landschaftsbild. In loser Folge wird diese Thematik – auch mit Blick auf methodische Aspekte – vor dem Hintergrund unterschiedlicher Gebietskulissen wie etwa den Raumkategorien des Landesentwicklungsplanes, der Naturräume oder den Stadt- und Landkreisen behandelt.

Vorgestellt und diskutiert werden die Ergebnisse der Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung, kurz: Flächenerhebung. Datengrundlage ist das amtliche Liegenschaftskataster1, das für Zwecke der Flächenerhebung sekundärstatistisch ausgewertet wird. Wichtigste Kenngröße der Flächenerhebung ist die Siedlungs- und Verkehrsfläche, die sich aus

  • Gebäude- und Freifläche,
  • Betriebsfläche (ohne Abbauland)
  • Erholungsfläche,
  • Verkehrsfläche und
  • Friedhofsfläche

zusammensetzt. Ist am Ende einer Beobachtungsperiode die Siedlungs- und Verkehrsfläche einer Gebietseinheit größer als zu Beginn, bildet diese Veränderung den jeweiligen Flächenverbrauch, also das Ausmaß der Flächenumwidmung ab. Zu beachten ist hierbei allerdings stets, dass Änderungen bei den Nutzungsarten ganz verschiedene Gründe haben können: Methodisch begründete oder tatsächliche Nutzungsänderungen, Berichtigungen und Aktualisierungen.

Wichtiger Meilenstein: Einführung des Automatisierten Liegenschaftsbuches und der Automatisierten Liegenschaftskarte

Bei der Einführung der Flächenerhebung Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre konnten zunächst nur die acht Nutzungsartengruppen2

  • 100/200 Gebäude- und Freifläche,
  • 300 Betriebsfläche,
  • 400 Erholungsfläche,
  • 500 Verkehrsfläche,
  • 600 Landwirtschaftsfläche,
  • 700 Waldfläche,
  • 800 Wasserfläche,
  • 900 Flächen anderer Nutzung

und einige wenige Unternutzungen wie beispielsweise Abbauland (310), Moor (650), Heide (650) nachgewiesen werden. Die übrigen nicht näher benannten Nutzungsarten wurden jeweils in der Rubrik »… nicht weiter untergliedert« zusammengefasst. Parallel mit der 1985 begonnenen Umstellung des amtlichen Liegenschaftskatasters auf DV- gestützte Führung (Automatisiertes Liegenschaftsbuch-ALB bzw. Automatisierte Liegenschaftskarte-ALK) konnten alle 10er-Positionen des AdV-Nutzungsartenkataloges direkt zugeordnet werden. Zum Stand 31. Dezember 1996 war die Umstellung bis auf wenige Gemarkungen und damit nahezu flächendeckend vollzogen, sodass zu diesem Zeitpunkt nur noch wenige Flächen der Kategorie »… nicht weiter untergliedert« im Kataster nachgewiesen wurden.

Die berühmte Ausnahme von der Regel ist die Nutzungsart »Gebäude- und Freifläche nicht weiter untergliedert«. Bei einem Neubaugebiet ist beim Abmarken der neuen Flurstücksgrenzen nicht immer erkennbar, welche Unternutzung später tatsächlich vorliegt. In diesen Fällen werden die Flächen zunächst unter »GF nicht weiter untergliedert« geführt. Erst später, nach der Gebäudeaufnahme, erfolgt die endgültige Buchung in die zutreffende Nutzungsart.

Die Zukunft des Liegenschaftskatasters: ALKIS

Voraussichtlich 2011 werden die bislang getrennten Dateisysteme ALB und ALK im Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem ALKIS zusammengefasst. Dabei werden unter anderem die kartografischen Inhalte von ALK und ATKIS (Amtliches Topographisches Informationssystem) einander angeglichen. Für das Kataster bedeutet dies, dass die Nutzungsarten Übungsgelände (910) und Schutzfläche (920) entfallen. In Vorbereitung auf die ALKIS-Umstellung wurden diese Flächen – es handelt sich um rund 8 800 ha im Land – entsprechend ihrer »Oberflächennutzung« großteils bereits umgebucht, und zwar vorwiegend zur Landwirtschaft und dem Wald, weniger zur Wasser- und der Verkehrsfläche.

Berichtigungen und Aktualisierungen

Ein weiterer Teil der Änderungen von Nutzungsarten kann auf Berichtigungen und Aktualisierungen beruhen. Das heißt die Änderungen in der Flächennutzung haben schon vor längerer Zeit stattgefunden, werden aber erst jetzt im Kataster dokumentiert. Insbesondere beim Bau von Verkehrswegen (Schnellbahn, Fernstraßen) und den nachgeschalteten Flurbereinigungen kann es zu Verzögerungen in der Größenordnung von mehreren Jahren kommen. Daher basiert nicht jede innerhalb eines Jahres rechnerisch festgestellte Flächenänderung auf einer aktuellen Nutzungsänderung. Dahinter können vielfältige Ursachen stehen. Es gilt deshalb grundsätzlich folgende Regel:

  • Je kleinräumiger eine untersuchte Gebietskulisse,
  • je kürzer die Zeitspanne, auf die sich die Betrachtung beschränkt, und
  • je enger die Fassung der beobachteten Merkmale,

desto intensiver sollte das Zahlenmaterial auf seine Hintergründe untersucht werden, um der Gefahr falscher Schlussfolgerungen nach Möglichkeit vorzubeugen.

Siedlungs- und Verkehrsfläche mit einem Anteil von 14,1 % an der gesamten Bodenfläche

Das ALB weist zum Stand 31. Dezember 2009 im Land zwar mit 84 % der Bodenfläche nach wie vor den weitaus größten Teil den Nutzungsarten Landwirtschafts- (45,8 %) und Waldfläche (38,3 %) zu. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche (502 947 ha) kommt aber zwischenzeitlich auf einen Anteil von 14,1 % (1996: 12,7 %). Das ist immerhin eine Fläche vergleichbar der ganzen Region Heilbronn-Franken plus der Städte Stuttgart und Pforzheim (Schaubild 1).

Mit 269 953 ha nimmt die Gebäude- und Freifläche mehr als die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche ein, gefolgt von der Verkehrsfläche3 mit 195 089 ha (38,8 %) und der Erholungsfläche4 mit 30 068 ha (6 %). In Relation hierzu sind die Anteile der Betriebsfläche ohne Abbauland (4 345 ha; 0,9 %) und der Friedhöfe (3 493 ha; 0,7 %) eher klein.

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat in Baden‑Württemberg im Zeitraum von 1996 bis 2009 um über ein Zehntel zugenommen. Der Zuwachs von 48 660 ha entspricht annähernd der Gesamtfläche des Landkreises Tübingen. Dabei waren die durchschnittlichen täglichen Zuwachsraten der Siedlungs- und Verkehrsfläche seit Ende der 90er-Jahre rückläufig. Die positive Konjunkturentwicklung in den Jahren 2006 und 2007 zeigte allerdings deutlich stimulierende Effekte auf den Flächenverbrauch. Vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise kommt deshalb der erneute, wenn auch deutliche Rückgang des Flächenverbrauchs in den Jahren 2008 und 2009 nicht überraschend. Die Zahlen stehen für die Fortsetzung des langfristigen Trends. Inwieweit sich mit der deutlichen Konjunkturerholung in 2010 wieder ein stärkerer Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche einstellt, bleibt abzuwarten (Schaubild 2).

Mit zwei Dritteln des Zuwachses lag der Schwerpunkt der Baumaßnahmen bei der Gebäude- und Freifläche (+32 533 ha; +13,7 %), gefolgt von der Verkehrsfläche (+7 946ha; +4,2 %). Die dynamischste Entwicklung verzeichnete die Erholungsfläche (+7 305 ha; +32,1 %), die sich hälftig aus Sportflächen und Grünanlagen zusammensetzt. Die Betriebsfläche ohne Abbauland nahm in den 14 Jahren um 570 ha oder 15,1 % zu, die Friedhöfe um 307 ha oder 9,6 %. Seit dem Jahrtausendwechsel gehen die Zuwachsraten bei der Gebäude- und Freifläche tendenziell zurück. Bei der Erholungsfläche, der »grünen« Komponente des Flächenverbrauchs, sind zunächst steigende, in 2008 und 2009 dann aber ebenfalls sinkende Zuwachsraten zu beobachten. Der Flächenverbrauch für Verkehrszwecke ist in seiner Entwicklung schwankend. Hier dürfte die Lage der öffentlichen Haushalte eine wesentliche Bestimmungsgröße sein.

Der Löwenanteil des Zuwachses an Gebäude- und Freifläche geht im Zeitraum von 1996 bis 2009 auf die Zweckbestimmung Wohnen zurück. Auf die Gebäude- und Freifläche- Wohnen (+25 268 ha; +21,5 %) entfällt mehr als die Hälfte der zusätzlichen Siedlungs- und Verkehrsfläche. Durch die verkehrsmäßige Erschließung der neuen Wohngebiete ist zudem ein Teil des Zuwachses an Verkehrsflächen in der Wohnbautätigkeit begründet. Wesentlich kleiner ist der Zuwachs an Gebäude −und Freifläche für Gewerbe und Industrie (+7 729 ha) bzw. für Handel und Wirtschaft (+4 099 ha).

Eigentlich unplausibel: Gebäude- und Freifläche Land- und Forstwirtschaft nimmt zu

Bemerkenswert ist der Anstieg der Gebäude- und Freifläche- Land- und Forstwirtschaft, auch wenn er im Zeitraum von 1996 bis 2009 mit 2 987 ha vergleichsweise gering ausfällt. Denn in der gleichen Zeit halbierte sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von 94 000 auf 45 000 Einheiten. Die Gretchenfrage in der Landwirtschaft heißt seit Jahrzehnten: »Wachsen oder weichen?« Und das gilt nicht nur für die Anbauflächen, sondern auch für die Stall- und Wirtschaftsgebäude. Häufig wird infolge beengter Hofstellen in der Ortslage der Betrieb oder Teile davon ausgesiedelt. Daraus resultiert ein echter Zuwachs an Gebäude- und Freifläche, Land- und Forstwirtschaft. Betriebsaufgaben werden dagegen zunächst im Kataster kaum registriert, weil Änderungen grundsätzlich nur auf Antrag erfolgen und zudem gebührenpflichtig sind. Im Regelfall wird erst eine mit Baumaßnahmen verbundene Umnutzung zu einer Änderung im Kataster führen.

Rückläufige Entwicklung bei Bahnanlagen und Flächen für den Luftverkehr

Während die dem Straßenverkehr vorbehaltenen Flächen wegen des wachsenden Verkehrsaufkommens stetig zunehmen, stehen die Zeichen der Zeit bei den Bahnanlagen und den Flächen für den Luftverkehr auf Rückbau und Umnutzung. Der Strukturwandel der Bahn äußert sich in Streckenstilllegungen, wobei die Trassen oftmals zu Radwegen mutieren, und der Reduzierung der Dienstleistungsangebote. Stichworte sind hier die Einstellung des Stückgutverkehrs oder die Rückstufung von Bahnhöfen zu reinen Haltestellen. Hierbei werden Flächen – nicht selten innerörtliche Premiumlagen – freigesetzt. Aus ehemaligen Güterbahnhöfen werden Flächen für Gewerbe oder den Dienstleistungsbereich. In einstigen Bahnhofsgebäuden finden sich heute vielerorts Wohnungen und Restaurants. Auf der anderen Seite werden von der Bahn aber auch neue Flächen erstmals in Anspruch genommen, sei es für ICE-Neubaustrecken oder für Containerbahnhöfe wie in Dornstadt bei Ulm.

Als Konsequenz des Truppenabbaus wurden in Baden‑Württemberg verschiedene Militärflugplätze aufgegeben und die Flächen einer zivilen Nutzung zugeführt. In der Regel werden Teile als Sonderlandeplätze von Sportfliegern weiter genutzt. Der Baden Airport in Lahr, vormals Standort kanadischer Einheiten, wurde zum Frachtflughafen umgebaut. Die Gebäude, die für den Flugbetrieb nicht mehr benötigt werden, fanden eine neue Zweckbestimmung. Grünflächen werden als Golfplatz genutzt. Demgegenüber wurde der Landesflughafen Stuttgart ausgebaut. Das aber bedeutet zusätzliche Flächen für den Luftverkehr.

Im Zusammenhang mit dem Truppenabbau kam es in den meisten Garnisonsstandorten zu einem Rückgang der Gebäude- und Freifläche−Öffentliche Zwecke. Die ehemaligen Kasernen werden nicht mehr von den Streitkräften, sondern als Wohn- und Gewerbeflächen genutzt. In Tübingen haben unter anderem Teile der Universität in ehemaligen Kasernengebäuden eine neue Bleibe gefunden.

Die Raumkategorien des Landesentwicklungsplanes

Die räumlichen Verhältnisse im Land sind nicht homogen, sondern von deutlichen Unterschieden geprägt. Dafür sorgen schon natürliche Faktoren wie die Topografie oder die unterschiedliche natürliche Ertragsfähigkeit von Böden einschließlich der davon stark beeinflussten Siedlungsgeschichte. Umso mehr lohnt es sich, das Land nicht insgesamt, sondern als »Ensemble« kleinerer Gebietseinheiten zu betrachten. Ein wichtiger Ansatzpunkt sind die Raumkategorien des Landesentwicklungsplans von 2002. Der Landesentwicklungsplan legt das raumordnerische Leitbild und die allgemeinen Grundsätze zur Gestaltung der räumlichen Entwicklung in Baden −Württemberg fest. Raumkategorien sind Gebiete ähnlicher siedlungsstruktureller Verhältnisse, für die spezifische Zielsetzungen zur räumlichen Ordnung und Entwicklung gelten. Die Raumkategorien wurden im Landesentwicklungsplan 2002 auf Grundlage siedlungsstruktureller und funktionaler Merkmale unter besonderer Gewichtung der Kriterien Siedlungsdichte5 und Siedlungsflächenanteil sowie unter Berücksichtigung entwicklungsplanerischer Zielsetzungen neu abgegrenzt6 (Schaubild 3).

Intensive Flächennutzung in verdichteten Gebieten

Der absolute Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche war im Zeitraum 1996 bis 2009 im Ländlichen Raum im engeren Sinn (i. e. S.) mit +23 560 ha (+12,2 %) etwa doppelt so hoch wie in den Verdichtungsräumen mit +12 157 ha (+8,7 %). Der Ländliche Raum trägt damit knapp die Hälfte der Gesamtentwicklung im Land. Auf den ersten Blick mag dies plausibel erscheinen, rechnet doch über 60 % der Landesfläche zum Ländlichen Raum. Andererseits wohnt dort aber nur ein Viertel der baden‑württembergischen Bevölkerung. Und so erklärt es sich, dass 2009 – ohne Berücksichtigung der Unterschiede innerhalb der einzelnen Raumkategorien – in den Gemeinden der Verdichtungsräume und der Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum mit 700 bis 790 ha je Gemeinde durchschnittlich doppelt soviel Fläche für Siedlung und Verkehr genutzt wird, wie im Ländlichen Raum i. e. S. (360) oder den Randzonen um die Verdichtungsräume (370).

Während allerdings rein rechnerisch jede Person im Ländlichen Raum i. e. S. 800 m² an Siedlungs- und Verkehrsfläche für sich beanspruchen kann, stehen die Verdichtungsräume mit durchschnittlich 300 m² für das andere Extrem. Verdichtete und mehrstöckige Bauweise in den Verdichtungsräumen, Streusiedlungen und deutlich großzügigere Flurstückszuschnitte für Gebäude- und Freiflächen im Ländlichen Raum erklären die stark differierenden Dichtewerte. Die Werte in den Randzonen und den Verdichtungsbereichen mit jeweils rund 500 m² Siedlungs- und Verkehrsfläche je Einwohner deuten auf vergleichbare Verhältnisse hin (Tabelle).

Siedlungsaktivitäten bestimmen die Flächennutzung in den verdichteten Gebieten. Der Charakter des Ländlichen Raumes i. e. S. wird von den Freiflächen, also hauptsächlich von Wald, der Landwirtschafts- und der Wasserfläche geprägt. Während jedoch die Landwirtschaftsfläche abnimmt (−59 249 ha) und quasi einziger Flächenlieferant für neue Straßen und Baugebiete ist, nehmen landesweit Wald- und Wasserflächen stetig zu. Schwer zu bewirtschaftende Böden wie beispielsweise in Hanglagen oder minderwertige Landwirtschaftsflächen mit ertragsarmen Böden werden aufgeforstet. Die Waldfläche stieg so zwischen 1996 und 2009 um 15 262 ha an, wobei annähernd vier Fünftel dieser Entwicklung sich im Ländlichen Raum vollzog. Die Entwicklung der Zahlenwerte innerhalb der Waldfläche dürfte weniger auf tatsächliche Umnutzungen zurückzuführen sein, als vielmehr im Zusammenhang mit Aktualisierungen stehen. Die Flächen der reinen Nadelwälder (−13 322 ha) und die der reinen Laubwälder (−6 724 ha) haben im Untersuchungszeitraum stark ab −, die der Mischwälder (+32 097 ha) und der Gehölze (+4 199 ha) stark zugenommen.

Wasserflächen nahmen im gleichen Zeitraum um 3 394 ha zu. Dahinter stehen aber kaum neue Seen oder künstliche Wasserläufe. Die Erklärung liegt vielmehr im Bestreben von Naturschutz- und Wasserwirtschaftsverwaltung, die Uferzonen der Gewässer nicht als eigenständige Flurstücke – möglicherweise noch dazu in fremdem Eigentum – zu führen, sondern diese in die eigentlichen Gewässergrundstücke zu integrieren. Damit sind einheitliche Schutz- und Pflegemaßnahmen ohne größeren bürokratischen Aufwand möglich.

Vom Rückgang der Landwirtschaftsfläche sind hauptsächlich Ackerflächen (−46 639 ha) und Grünland (−17 935 ha) betroffen. Andere Unternutzungen wie Brachland (+2 989 ha), das Gartenland (+3 410 ha), Heideflächen (+752 ha) und Weingärten (+467 ha) konnten sogar Zuwächse verzeichnen. Der landwirtschaftliche Berufsstand ist damit konfrontiert, dass 40 % der abgängigen Ackerflächen zu den ertragsreichsten Böden zählten.7 Beispielhaft wird an die Filderebene erinnert, wo sehr gute Ackerböden für die Zwecke von Flughafen, neuer Messe und zugehörigen Verkehrsanbindungen umgenutzt wurden. Diese Flächen mit hohem Ertragspotenzial fehlen damit künftig für die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln. Das kann umso schwerer wiegen, als es mittlerweile mit der energetischen Verwertung der Pflanzen weitere Konkurrenz um die Nutzung der Ackerflächen gibt.

Heterogene Einzelräume

Getragen wird die Entwicklung innerhalb der einzelnen Raumkategorien von einigen wenigen Teilräumen. So entfällt innerhalb der Verdichtungsräume etwa die Hälfte des Flächenverbrauchs 1996/2009 auf den Verdichtungsraum Stuttgart (+6 320 ha). Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Randzonen. Die meisten Flächen werden rund um Stuttgart (+4 094 ha) und in der Randzone Karlsruhe/Pforzheim (+2 715 ha) umgewidmet. Dagegen sind die Unterschiede unter den Verdichtungsbereichen vergleichsweise gering. Zwischen den Verdichtungsbereichen Aalen/Heidenheim/Ellwangen (+1 450 ha) und Albstadt/Balingen/Hechingen (+555 ha) spannt sich beim Flächenverbrauch ein Korridor von 900 ha. Kennzeichnend für den Ländlichen Raum ist die Tatsache, dass der Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche dort von der Masse der Teilräume getragen wird.

Welche Besonderheiten gibt es in den einzelnen Teilräumen des Landes hinsichtlich der Flächenumwidmungen und deren Bestimmungsgründe? Ganz generell gilt, dass der Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche von der Nutzungsart Gebäude- und Freifläche- Wohnen bestimmt wird. Einzig im Verdichtungsraum Bodenseeraum mit besonderer struktureller Prägung kommt der Anteil der Straßen dem der Gebäude- und Freifläche- Wohnen nahe. Die Gebäude- und Freifläche- Handel und Wirtschaft hat ihren Schwerpunkt im Verdichtungsraum, die Gebäude- und Freifläche-Gewerbe und Industrie dagegen im Ländlichen Raum. Bei den Erholungsflächen im Verdichtungsraum handelt es sich oftmals um Grünanlagen, im Ländlichen Raum dominieren die Sportflächen (Schaubild 4).

Fast die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsflächen wird im Ländlichen Raum für Straßen und Bahngelände genutzt, da hier wegen der Weitläufigkeit mehr Fläche für den Überland- und Durchgangsverkehr benötigt wird, als in anderen Raumkategorien. In den Verdichtungsräumen liegt der entsprechende Vergleichswert bei 32 % und in den Verdichtungsbereichen bei 37 %. Dabei handelt es sich hier meistens um Straßen, Plätze, Bahnanlagen. Der relativ hohe Zuwachs an Wegefläche in den Ländlichen Räumen Mittlerer Oberrhein und Neckar-Alb dürfte im Zusammenhang mit abgeschlossenen Flurbereinigungsmaßnahmen stehen. Im Ländlichen Raum in Ostwürttemberg und im Nordschwarzwald sind die Wegeflächen dagegen rückläufig. Hier wurden Waldwege katastertechnisch den umliegenden Waldflächen zugeschlagen. Das heißt, die Wege an sich existieren noch, bilden aber keine eigenständigen Flurstücke mehr.

Ausblick

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass es partiell zu Abnahmen der Siedlungs- und Verkehrsfläche kommen kann und einzelne Flächen auch renaturiert werden. Mit dem vorliegenden Datenmaterial, das heißt jährliche Summensätze auf Gemarkungsebene für alle Merkmale, können solche Phänomene aber nicht erfasst und im Sinne einer Verlaufsanalyse dargestellt werden, da es für diese Zwecke nicht differenziert genug ist. Möglicherweise eröffnen sich hier mit den anstehenden Neuerungen im Liegenschaftskataster (Stichwort: ALKIS) neue Auswertungsansätze.

1 Zur Frage, welche Konsequenzen die Eigenheiten des Liegenschaftskatasters auf die Ergebnisse der Flächenerhebung haben (können), siehe Betzholz, Thomas/Wöllper, Frank: »Das Liegenschaftskataster – Datenquelle der Flächenerhebung«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2010«

2 Das Nutzungsartenverzeichnis der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder (AdV) soll eine bundeseinheitliche Gliederung und Bezeichnung der Nutzungsarten im Liegenschaftskataster sicherstellen. Das Verzeichnis ist hierarchisch gegliedert. Die acht Nutzungsartengruppen werden durch die Hunderterstelle repräsentiert. Jede Gruppe ist wiederum in Nutzungsarten untergliedert, die durch Zehnerstellen gekennzeichnet werden. Für erforderliche Untergliederungen innerhalb der Nutzungsarten dienen die Einerstellen.

3 Zur Entwicklung der Verkehrsflächen siehe Betzholz, Thomas/Wöllper, Frank: »Verkehrsflächen: Segen oder Fluch?«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2010«

4 Zur Entwicklung der Erholungsflächen siehe Wöllper, Frank: »Erholungsflächen auf Wachstumskurs«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2009«

5 Siedlungs- und Verkehrsfläche je Einwohner

6 Vgl. Betzholz, Thomas und Wöllper, Frank: Flächennutzung nach neuer Gebietskulisse des Landesentwicklungsplans 2002, in: Statistisches Monatsheft Baden‑Württemberg 9/2003, S. 47 ff.

7 Vgl. Nachhaltigkeitsbeirat Baden‑Württemberg (NBBW, 2010): Nachhaltiges Flächenmanagement in Baden‑Württemberg: vom Wachstum- zum Bestandsmanagement, Stuttgart.