:: 2/2011

Soziale Mindestsicherung in Baden-Württemberg

Die Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme sind finanzielle Hilfen des Staates, die zur Sicherung des grundlegenden Lebensunterhalts an leistungsberechtigte Personen ausbezahlt werden. Diese sozialen Sicherungssysteme haben die Aufgabe, vorübergehend oder dauerhaft in Not geratenen Menschen eine menschenwürdige Lebensführung zu ermöglichen. Die Zahl der Leistungsempfänger kann auch als Maß interpretiert werden, wie viele Personen ohne diese Unterstützungsleistungen von Armut betroffen wären. Im Jahr 2009 erhielten in Baden-Württemberg insgesamt 581 344 Personen Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme. Damit sind 5 % der im Land lebenden Menschen – das heißt jeder zwanzigste – auf diese finanziellen Hilfen des Staates angewiesen.

Mindestsicherungsquote im Land vergleichsweise sehr gering

Obwohl Deutschland als eine insgesamt wohlhabende Gesellschaft gilt, gibt es Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben und als arm gelten. Im Gegensatz zu den Entwicklungsländern, in denen der Grad an absoluter Armut (unmittelbare oder mittelbare Bedrohung der physischen Existenz) im zentralen Blickpunkt steht, wird in den Industrienationen die relative Armut (das Leben ist gesichert, das soziokulturelle Existenzminimum dagegen nicht) zur entscheidenden Größe. Laut EU-Definition lebt in den Industrienationen in (relativer) Armut, wer weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens verdient.

Die Zahlen der sozialen Mindestsicherung zeigen, wie viele Menschen kein oder kein ausreichendes Einkommen zur grundlegenden Existenzsicherung durch eigene Erwerbsarbeit erzielen. Dabei beinhalten die Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld (Hartz IV), die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, aber auch die Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie die Leistungen der Kriegsopferfürsorge (siehe Übersicht). Sie stellen die Hilfen des Staates dar, die vorwiegend materielle Sicherheit und Unterstützung bieten sollen, um finanzielle Notlagen zu vermeiden und zu lindern. Zum Jahresende 2009 erhielten in Baden-Württemberg 581 344 Menschen Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme, um ihren grundlegenden Lebensunterhalt zu sichern – rund 7 % mehr als im Vorjahr.

Ein Vergleich der Bundesländer zeigt, dass vor allem die Menschen in den Stadtstaaten und in Ostdeutschland auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen sind. So bezog 2009 fast jeder fünfte Berliner Transferleistungen zur Mindestsicherung. Baden-Württemberg hingegen nahm im Ländervergleich einen hervorragenden Platz ein. Das Land wies mit 5,4 % die zweitniedrigste Mindestsicherungsquote nach Bayern mit 4,9 % auf (Schaubild 1). Damit war jeder zwanzigste in Baden-Württemberg lebende Mensch auf Existenz sichernde finanzielle Hilfen des Staates angewiesen.

Zahl der Hartz IV- Bezieher im Jahr 2009 gestiegen

Das Arbeitslosengeld (ALG) II stellt eine Grundsicherung für Erwerbsfähige, Arbeitsuchende und Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen dar. Anspruchsberechtigt sind damit erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 15. Lebensjahr vollendet bzw. das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden nicht erwerbsfähigen Angehörigen besteht hingegen ein Anspruch auf Sozialgeld. Diese beiden nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs (SGB) II Gruppen Hilfebedürftiger, die sogenannten Hartz IV-Empfänger, stellen den mit Abstand größten Teil der Bezieher von Mindestsicherungsleistungen. In Baden-Württemberg belief sich die Zahl der insgesamt Berechtigten zum Jahresende 2009 auf 489 652 Personen. Darunter befanden sich 346 711 ALG-II-Bezieher (erwerbsfähige Hilfebedürftige) sowie 142 941 Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft, die laut SGB II Anspruch auf Sozialgeld hatten (nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige). Im Vergleich zum Vorjahr ist die Gesamtzahl dieser sogenannten Hartz IV-Empfänger um 40 569 oder 9 % angestiegen. Für die Zahl der ALG II-Bezieher bedeutete dies einen Zuwachs um 32 023 Personen, für die Zahl der Sozialgeldempfänger um 8 546 Personen.

Die regionalen Quoten der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen stehen dabei in einem engen Zusammenhang zur Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die jüngsten Daten vom Juni 2010 zeigen zwar einen Anstieg der ALG-II-Empfänger auf 354 426 Personen im Land. Baden-Württemberg verzeichnete jedoch mit der bundesweit zweitniedrigsten Arbeitslosenquote (4,7 %) einen Anteil der ALG-II-Bezieher an der erwerbsfähigen Bevölkerung (15 bis unter 65 Jahre) von 5,1 %. In Deutschland insgesamt lag dieser Anteil zur Jahresmitte 2010 bei 9,3 %. Das heißt: War im Bundesdurchschnitt jeder elfte erwerbsfähige Einwohner auf Hilfeleistung in Form von ALG II angewiesen, war es in Bayern nur jeder 23. und in Baden-Württemberg jeder 20. Dagegen bezog in Mecklenburg-Vorpommern fast jeder siebte, in Sachsen-Anhalt sowie in Bremen jeder sechste und in Berlin sogar jeder fünfte Erwerbsfähige diese Leistung.

Werden die unter 18-jährigen Sozialgeldempfänger, das heißt die Kinder und Jugendlichen, die zur Jahresmitte 2010 in einer Hartz-IV- Bedarfsgemeinschaft (SGB II) lebten, betrachtet, so belief sich deren Anteil an der gleichaltrigen Bevölkerung auf 8,4%. Damit war in Baden-Württemberg jeder zwölfte Minderjährige auf staatliche Fürsorgemittel angewiesen. In Berlin hingegen war zur Jahresmitte 2010 jeder dritte Minderjährige nach SGB II hilfebedürftig, im Bundesdurchschnitt fast jeder siebte.

Keine Veränderung bei der Sozialhilfe im engeren Sinn

Nach der Erhebung über die Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, die die Sozialhilfe im engeren Sinn gemäß Kapitel 3 SGB XII darstellt und zuletzt zum 31. Dezember 2009 durchgeführt wurde, gab es in Baden-Württemberg 5 416 Sozialhilfeempfänger außerhalb von Einrichtungen. Das waren fast exakt gleich viele Leistungsempfänger wie zum Jahresende 2008. Damit kommen auf 10 000 Einwohner des Landes jeweils fünf Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Bei diesen Personen handelt es sich zum Beispiel um Erwerbsunfähige auf Zeit, Vorruheständler mit niedriger Rente oder längerfristig Erkrankte.

Von diesen Sozialhilfeempfängern waren 17,3 % jünger als 18 Jahre. Der Großteil der Unterstützten (79,5 %) war jedoch im Alter von 18 bis unter 65 Jahren. Das Durchschnittsalter betrug 41 Jahre. Die Hälfte der Hilfeempfänger war weiblich. Knapp zwei Drittel (64,1 %) lebten allein in einem Haushalt. Der Anteil der ausländischen Leistungsempfängerinnen und -empfänger belief sich auf 16,7 %. Für fast die Hälfte der Hilfeempfänger (48,2 %) lag die bisherige Dauer der Leistungsgewährung bei maximal 1 Jahr. Der durchschnittliche monatlich ausbezahlte Nettobedarf belief sich auf 430 Euro. Für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt wurden im Jahr 2009 netto insgesamt 39,2 Mill. Euro im Land ausgegeben.

Mehr Frauen als Männer auf Grundsicherungsleistungen angewiesen

Ein weiterer Baustein, der den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherstellt, ist die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Sie wird 18- bis 64-jährigen Personen bei Bedürftigkeit gewährt, sofern diese dauerhaft voll erwerbsgemindert sind. Eine volle Erwerbsminderung ist dann gegeben, wenn die Betroffenen auf Dauer nicht in der Lage sind, mindestens 3 Stunden pro Tag einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Darüber hinaus kann sie – als zweite Leistungskategorie – von Personen ab 65 Jahren in Anspruch genommen werden (Grundsicherung im Alter). Von den landesweit 71 402 Personen, die zum Jahresende 2009 diese Sicherungsleistungen empfangen haben, war mit 37 722 Leistungsbeziehern der größere Teil (53 %) bereits im Rentenalter. Die Anzahl der Empfänger im erwerbsfähigen Alter, die wegen ihrer dauerhaft vollen Erwerbsminderung voraussichtlich auch künftig dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen werden, belief sich auf 33 680 Personen. Umgerechnet auf die Bevölkerung ab 18 Jahren bezogen damit 0,8 % oder 8 Personen je 1 000 Einwohner ab 18 Jahren zum Jahresende 2009 Grundsicherungsleistungen in Baden-Württemberg. Dabei wurden die Leistungen der Grundsicherung zu 55 % von Frauen und zu 45 % von Männern in Anspruch genommen.

Im Vergleich zum Erhebungsstichtag Ende Dezember 2008, als zusammen 74 390 Empfänger in beiden Leistungskategorien verzeichnet wurden, ist binnen Jahresfrist somit die Zahl der Grundsicherungsempfänger um rund 3 000 oder 4 % zurückgegangen. Der Grund für diesen Rückgang dürfte in der Wohngeldreform zum 1. Januar 2009 liegen, durch die wieder mehr Personen eine Wohngeldberechtigung erhielten. Der durchschnittliche monatliche Bruttobedarf eines Grundsicherungsempfängers lag bei 654 Euro. Unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens wurde im Schnitt aber ein Nettobetrag von 437 Euro je Leistungsberechtigten ausgezahlt. Insgesamt wurden im Jahr 2009 in Baden-Württemberg netto rund 384 Mill. Euro für Grundsicherungsleistungen aufgewendet.

Zahl europäischer Asylbewerber stark rückläufig

Mit Regelleistungen zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wurden zum Jahresende 2009 in Baden-Württemberg 9 275 Personen unterstützt. Damit ist die Zahl der Empfänger dieser Hilfeart im Vergleich zum Vorjahr fast gleich geblieben (2008: 9 226). Der seit Beginn der Statistik zu verzeichnende Rückgang bei der Zahl der Empfänger von Asylbewerberleistungen setzte sich somit 2009 nicht weiter fort. Gegenüber der ersten Erhebung 1994 hat sich die Zahl der Empfänger jedoch von damals 64 632 auf 14,4 %, das heißt auf ein Siebtel, reduziert. Fast zwei Drittel der Hilfeempfänger waren Männer (62,7 %).

Die meisten der hier gemeldeten und unterstützten Flüchtlinge kamen dabei aus einem asiatischen Land (42,5 %), dicht gefolgt von Asylsuchenden aus europäischen Ländern (36,3 %). Gerade die Zahl der europäischen Flüchtlinge ging in den vergangenen Jahren stark zurück (Schaubild 2). Mit Blick auf die einzelnen Herkunftsländer kam die größte Gruppe von Regelleistungsempfängern jedoch aus dem ehemaligen Jugoslawien (25,2 %). Weitere größere Gruppen stammten aus dem Irak (11,9 %), der Türkei (7,7 %) und China (5,1 %). Aus der Islamischen Republik Iran kamen 3,6 % der Leistungsempfänger und aus Afghanistan 2,5 %. Einen afrikanischen Pass hatten 17 % der Personen, die Asylbewerberleistungen erhielten. Die gesamten Ausgaben für diese Leistungen sind im Land auch im Jahr 2009 weiter zurück gegangen. So beliefen sich die Nettoausgaben auf rund 48,7 Mill. Euro. Damit lagen die Ausgaben im Jahr 2009 auf dem niedrigsten Stand seit Einführung der Asylbewerberleistungsstatistik. Ihren Höchststand hatten sie 1996 mit 362,5 Mill. Euro erreicht.

Geringere Empfängerzahlen bei der Kriegsopferfürsorge

Die Kriegsopferfürsorge gewährt Leistungen zum Ausgleich von kriegsbedingten Gesundheitsschäden und ihren wirtschaftlichen Folgen. Der Kreis der Versorgungsberechtigten schließt sowohl die Kriegsbeschädigten als auch die Hinterbliebenen ein. Dabei ist es unerheblich, ob der Anspruch durch Kriegseinwirkung wie im Zweiten Weltkrieg, oder durch den Wehrdienst in der Bundeswehr eingetreten ist. Außerdem werden in dieser Statistik auch die Empfänger und Aufwendungen für die Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) erfasst. Da die Daten über die Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz nur alle 2 Jahre erhoben werden, liegen für das Berichtsjahr 2009 keine Ergebnisse vor. Erhielten im Jahr 2008 rund 5 600 Personen laufende Leistungen aus der Kriegsopferfürsorge, wird für das Jahr 2010 auch wieder mit geringeren Empfängerzahlen gerechnet. Für die Leistungen der Kriegsopferfürsorge wurden 2008 im Land netto insgesamt 41 Mill. Euro ausgegeben.