:: 4/2011

Über 10 Jahre neue Insolvenzordnung

10 Jahre bundeseinheitliche Insolvenzstatistik

Im Laufe des Krisenjahres 2009 kam es wiederholt zur Insolvenzanmeldung namhafter Unternehmen, so dass das Insolvenzgeschehen verstärkt in der Öffentlichkeit zur Diskussion stand. Das Insolvenzrecht ist für die Funktion einer Marktwirtschaft von grundlegender Bedeutung. Als zentraler Bestandteil des Wirtschaftsrechts beinhaltet es die rechtliche Ordnung des Marktaustritts bzw. die finanzielle Neustrukturierung zahlungsunfähiger Wirtschaftseinheiten. Mit nur nahezu 7 von 1 000 Unternehmen im Durchschnitt der letzten 10 Jahre wird zwar eine verhältnismäßig geringe Zahl der bestehenden Unternehmen insolvent. Die Verflechtung mit vielen Marktpartnern verlangt aber klare Normen für alle. Für den Zeitraum 1999 bis 2009 kumulierte sich die Zahl der insolventen Firmen zu einem Anteil von 7 % gemessen an der durchschnittlichen Zahl der Umsatzsteuerpflichtigen. Neben den Unternehmensinsolvenzen wird in der Insolvenzordnung auch die Abwicklung der Insolvenzen privater Schuldner geregelt. Zahlungsunfähig wurden im Jahr 2009 rund 14 000 Privatschuldner, seit 1999 waren es rund 90 000 Personen. Die Insolvenzordnung trat am 1. Januar 1999 in Kraft, die entsprechende Insolvenzstatistik liegt bundesweit seit dem Jahr 2000 vor, für das Jahr 1999 gibt es nur eingeschränkte Daten.

Insolvenzordnung von 1999 mit einer Reihe von Neuerungen

Die Insolvenzordnung ist ein wichtiger Teil unserer Wirtschaftsordnung. Sie wurde an klaren rechts-, wirtschafts- und sozialpolitischen Zielen ausgerichtet1. Mit der Einführung der neuen Insolvenzordnung im Jahr 1999 waren einige Neuerungen verbunden wie zum Beispiel die Anwendung eines Insolvenzplans, die Möglichkeit der Eigenverwaltung sowie das sogenannte Verbraucherinsolvenzverfahren mit der Möglichkeit der Restschuldbefreiung. Zugleich wurde mit diesem Gesetz auch die rechtliche Handhabung der Zahlungsunfähigkeit von Privatpersonen auf eine gesetzliche Basis gestellt, und zwar unter Beachtung sozialer Gesichtspunkte (siehe i-Punkt). Ende 2001 wurde die Möglichkeit der Restschuldbefreiung auch auf die ehemals selbstständig Tätigen und sonstige natürliche Personen ausgedehnt. Dazu kam die Möglichkeit die Verfahrenskosten zu stunden.

Diese Rechtsgrundlagen bilden die Basis für die vorliegenden statistischen Ergebnisse. Das Insolvenzgeschehen im Gefolge der Finanzkrise ebenso wie der internationale Bezug insolventer Unternehmen ließen weitere Gesetzesvorlagen bzw. Gesetze entstehen. Statistische Ergebnisse auf dieser (zusätzlichen) Basis sind jedoch erst gegen Mitte des Jahrzehnts zu erwarten2. Knapp 120 000 Insolvenzverfahren mit Forderungen von über 42 Mrd. Euro und 191 000 betroffenen Arbeitsplätzen seit 1999

Im Zeitraum 1999 bis 2009 wurden von den Amtsgerichten in Baden-Württemberg rund 118 700 Insolvenzverfahren entschieden: 29 342 Unternehmensinsolvenzen und 89 341 Insolvenzen der übrigen Schuldner (zahlungsunfähige Privatpersonen). Insgesamt wurden 92 300 Verfahren eröffnet (78 %) und über 22 140 Verfahren mangels Masse abgewiesen (19 %) sowie 4 230 Verfahren (4 %) über einen Schuldenbereinigungsplan geregelt. Der Anteil der mangels Masse abgewiesenen Verfahren nahm von 66 % im Jahr 1999 auf 10 % im Jahr 2009 ab, während der Anteil der eröffneten Verfahren entsprechend zunahm. Obwohl die neue Insolvenzordnung die Möglichkeit bot, bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit ein Verfahren anzumelden, war im vergangenen Jahrzehnt nahezu ausschließlich die (bereits eingetretene) Zahlungsunfähigkeit oder seltener die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Grund für eine Insolvenzanmeldung (zusammen 98 %).

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger summierten sich im gesamten Zeitraum auf rund 42 Mrd. Euro, darunter 28,5 Mrd. Euro gegenüber insolventen Unternehmen. Zudem waren rund 191 000 Beschäftigte unmittelbar von den Unternehmensinsolvenzen betroffen.

Im Jahr 2009 wurde mit rund 16 750 Insolvenzen ein Siebtel des gesamten Zeitraums ermittelt. Das waren rund 1 300 Fälle mehr als 2008. Der Anstieg betraf Unternehmensinsolvenzen und Insolvenzen der übrigen Schuldner gleichermaßen.

Bundesvergleich: Relativ wenige Insolvenzfälle in Baden-Württemberg, aber höherer Anteil über Schuldenbereinigungspläne abgewickelt

2009 wurden damit von den baden-württembergischen Amtsgerichten 10,3 % der Insolvenzen des gesamten Bundesgebiets entschieden. Der prozentuale Anteil Baden-Württembergs am Bundesgebiet liegt damit deutlich unter dem Bevölkerungsanteil des Landes (13 %). Entsprechendes errechnete sich für Bayern.

Für Niedersachsen trifft dies dagegen für die Privatinsolvenzen nicht zu, für Nordrhein-Westfallen nicht für die Unternehmensinsolvenzen. In den weiteren Bundesländern lag der Anteil an Deutschland deutlich unter 10 %.

Im Land wurde auch ein Zehntel der Verbraucherinsolvenzen Deutschlands entschieden. Während der Anteil für die mangels Masse abgewiesenen Verbraucherverfahren des Landes mit knapp 6 % relativ gering ist, hatte Baden-Württemberg bei den Schuldenbereinigungsplänen einen Anteil von 24 %.

Das Hauptziel eines Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Diese kann entweder durch Verwertung und Verteilung des Schuldnervermögens erreicht werden oder durch die einvernehmliche Regelung zwischen Schuldnern und Gläubigern, dem Insolvenzplan/Schuldenbereinigungsplan. Wenn ein Schuldner seine Verbindlichkeiten nicht freiwillig erfüllt, können die betreffenden Gläubiger ihre Ansprüche zwangsweise durchsetzen, üblicherweise im Wege der Einzelvollstreckung. Im Insolvenzfall reicht das Vermögen nicht zur Befriedigung aller Gläubiger aus. Einzelvollstreckungen würden dazu führen, dass ein Teil der Gläubiger volle Befriedigung finden würden, andere gänzlich leer ausgingen. Um eine gerechte Verteilung sicher zu stellen, ist es in solchen Fällen sinnvoll, das gesamte Vermögen des Schuldners (soweit es pfändbar ist) unter gerichtlicher Aufsicht durch einen neutralen Verwalter zugunsten aller Gläubiger zu verwerten und alle Gläubiger zu gleichen Anteilen zu befriedigen.

Insolvenzrisiken: Konjunkturentwicklung und (niedrige) Eigenkapitalausstattung

Der Verlauf der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist ein konjunktureller Spätindikator. Die Verfahrenszahlen der Jahre 1999 bis 2009 zeigen, dass selbst in konjunkturellen Hochphasen eine beachtliche Zahl insolventer Unternehmen gezählt wurde. Die niedrigsten Verfahrenszahlen wurden für die Jahre 1999, 2007 und 2008 mit (immer noch) gut 2 000 Verfahren festgestellt. Die Zu- und Abnahmen der Verfahrenszahl lassen sich durch die Konjunkturschwankungen erklären. So wurden für das Jahr 2002 über 3 300 Unternehmensinsolvenzen gezählt, gefolgt von nahezu 3 300 Verfahren im Jahr 2003 und rund 3 200 im Jahr 2004. Aber auch im Jahr 2009 ergab sich eine relativ hohe Verfahrenszahl.

Im Allgemeinen wird das Insolvenzrisiko auch bei schwacher Konjunktur als geringer erachtet, wenn die Eigenkapitalquote eines Unternehmens relativ hoch ist. Sie garantiert eine größere Kreditsicherungsmöglichkeit und damit auch eine geringere Abhängigkeit von Fremdkapitalgebern. Umgekehrt nimmt das Liquiditätsrisiko mit Zunahme der Fremdkapitalquote zu. Da die Eigenkapitalquoten – zumindest im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft – in den vergangenen Jahren bedingt durch die verschärften Eigenkapitalunterlegungsrichtlinien3 eher zunahmen, dürfte in der jüngeren Vergangenheit die konjunkturelle Entwicklung für das Insolvenzgeschehen maßgebend gewesen sein. Die weiteren Ursachen für das Scheitern eines Unternehmens sind sehr individuell. Im Rahmen der sogenannten Krisenforschung (zum Beispiel Auswertung von Kreditprotokollen) wurden unter anderem genannt: Ausfall wichtiger Abnehmer oder Lieferanten, falsche Produktpolitik, unzureichende Materialwirtschaft, Mängel bei der Kalkulation, falsche Markteinschätzung, zu hohe Entnahmen, Krankheit oder Nachfolgeprobleme und die Kostenentwicklung (Lohnentwicklung, Energiepreise, Kreditkosten usw.).

Die Abhängigkeit der Insolvenzanmeldungen von der Wirtschaftsentwicklung zeigt Schaubild 1. Beschleunigt sich das Wachstum, folgt ein deutlicher Rückgang der Insolvenzzahl und umgekehrt. So wurde vor allem auch für das Jahr 2009 ein starker Einbruch der Wirtschaftskonjunktur festgestellt, während sich für das Jahr 2010 ein merklicher Anstieg des Wachstums gegenüber dem Vorjahr zeigt. Der im Jahr 2009 stark angestiegenen Verfahrenzahl für Unternehmensinsolvenzen, folgt nach bisherigen Ergebnissen ein merklicher Rückgang im Jahr 20104.

Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe besonders konjunkturabhängig

Die relativ meisten Insolvenzen ereigneten sich zwischen 2007 und 2009 im Wirtschaftsbereich Handel mit jeweils über einem Fünftel der Unternehmensinsolvenzen. Es folgen das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe mit deutlich über einem Zehntel. Der Bereich »freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen« stellt nahezu ein Zehntel der Unternehmensinsolvenzen. Dahinter rangieren die Bereiche Verkehr und Lagerei, das Gastgewerbe, die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen und die sonstigen (auch persönlichen) Dienstleistungen.

Aus Tabelle 2 wird über den Beitrag der einzelnen Bereiche zum gesamtwirtschaftlichen Ergebnis hinaus auch deren Konjunkturabhängigkeit deutlich5. So war 2009 die Zahl der Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe mehr als doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor.

Im Durchschnitt je Unternehmensinsolvenz rund 1 Mill. Euro Verbindlichkeiten und sieben Arbeitsplätze bedroht

Die Beurteilung des Insolvenzgeschehens darf sich jedoch nicht nur an der Entwicklung der Zahl der Verfahren orientieren, sondern hat auch den zu erwartenden volkswirtschaftlichen Schaden zu beachten. Anhaltspunkte dafür liefern die von den Gerichten ermittelten Forderungen der Gläubiger sowie die unmittelbar von einer Insolvenz betroffenen Beschäftigten. Die Meldungen an die Statistischen Landesämter erfolgen in zwei Phasen. Mit der Entscheidung über Eröffnung oder der Abweisung des Insolvenzverfahrens werden die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger und die Zahl der Beschäftigten gemeldet. Nach Verfahrenseröffnung werden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen anzumelden und zu belegen. Diese tatsächlichen Forderungen sowie das Vermögen werden später zum finanziellen Ergebnis eines Insolvenzverfahrens zusammengefasst und zur Statistik gemeldet. Für die mangels Masse abgewiesenen Verfahren sind die voraussichtlichen Forderungen die einzige Quelle zum Ausmaß des finanziellen Schadens, also der Verluste der Gläubiger.

Im Zeitraum 1999 bis 2009 meldeten in Baden-Württemberg insgesamt rund 29 400 Unternehmen Insolvenz an. Ihre Schulden beliefen sich insgesamt auf 28,5 Mrd. Euro. Außerdem waren von diesen Insolvenzen 190 746 Arbeitsplätze bedroht. Es errechnen sich damit durchschnittlich sieben Beschäftigte je zahlungsunfähigem Unternehmen und Verbindlichkeiten von durchschnittlich rund 1 Mill. Euro. Im Jahr 2009 allein wurden 2 850 Unternehmensinsolvenzverfahren entschieden mit zusammen voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger in Höhe von 2,9 Mrd. Euro. In diesen Firmen waren zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung zusammen noch 24 200 Personen tätig. Darunter befanden sich 440 Unternehmen (15,4 %), deren Verbindlichkeiten jeweils über 1 Mill. Euro betrugen. In dieser Gruppe waren 63 % der insgesamt betroffenen Arbeitnehmer (15 249 Personen) beschäftigt.

Auch 2009 haben für den Arbeitsmarkt bedeutende Firmen Insolvenz angemeldet. Damit verdoppelte sich die Zahl der tangierten Arbeitsplätze gegenüber dem Vorjahr. Deutlich mehr Arbeitsplätze waren aber im Jahr 2002 bedroht, nur wenig mehr im Jahr 2004. Statistisch ermitteln lässt sich jedoch nur die Zahl der Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch im insolventen Unternehmen tätig sind und somit unmittelbar von der Unternehmensschließung oder der Sanierung betroffen sind. Diese Zahl ist nicht identisch mit der Zahl der vernichteten Arbeitsplätze, da in vielen Fällen eine Fortführung der Unternehmen unter anderem Namen oder anderem Besitzer erfolgt.

Verbraucherinsolvenz häufig durch Arbeitslosigkeit verursacht

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist ein vereinfachtes Verfahren, bei dem zuerst versucht wird, mit den Gläubigern einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zu vereinbaren (siehe i-Punkt). Bei Ablehnung folgt ein gerichtlicher Versuch. Kommt auch da keine Einigung über einen Schuldenbereinigungsplan zustande, folgt ein vereinfachtes Verfahren mit unter Umständen der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung nach 6 Jahren. Während die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in einem unmittelbaren Zusammenhang zur wirtschaftlichen Entwicklung steht, sind die Verbraucherinsolvenzen nur mittelbar über die Beschäftigungsentwicklung oder auch Arbeitslosigkeit davon beeinflusst. Schaubild 2 zeigt den Verlauf der Verbraucherinsolvenzen und der Arbeitslosenquote.

Ergänzende Informationen zu möglichen Gründen liefert die Überschuldungsstatistik6. Neben der Arbeitslosigkeit, die mit einem Anteil von 28 % am häufigsten als Ursache genannt wird, werden in der Überschuldungstatistik – hier die des Jahres 2008 – für das Bundesgebiet (häufiger) folgende Gründe genannt:

Trennung, Tod des Partners13,0 %
Erkrankung, Sucht10,4 %
unwirtschaftliche Haushaltsführung9,4 %
gescheiterte Selbstständigkeit9,3 %
gescheiterte Immobilienfinanzierung4,1 %
unzureichende Kredit- und Bürgschaftsberatung3,5 %

Als weitere Gründe – mit einem Anteil von zusammen etwa 3% – finden sich Haushalts­gründung/Geburt eines Kindes, Schadenersatz wegen unerlaubter Handlungen, Unfall und Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen.

Deutlicher Anstieg der Zahl von Privatinsolvenzen

Ab 2002 stieg die Zahl der Insolvenzen privater Schuldner stark an. Ursache dafür ist die Möglichkeit der Restschuldbefreiung für ehemals selbstständig Tätige und sonstige natürliche Personen, die seit 1. Dezember 2001 besteht. Deren Verschuldung rührt aus einer früher ausgeübten selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit her oder einer sonstigen Haftung mit dem Privatvermögen. In Schaubild 3 werden die Verfahrenszahl und die Entwicklung der Insolvenzen privater Schuldner insgesamt (Übrige Schuldner) und bezogen auf einzelne Gruppen seit 2001 dargestellt. Hierzu zählen außer den Verbrauchern und ehemals selbstständig Tätigen auch die sonstigen natürlichen Personen wie zum Beispiel ehemals mit dem Privatvermögen haftende Gesellschafter von Personengesellschaften (OHG, KG).

Spätestens im Jahr 2007 traten die Insolvenzanmeldungen zum Zwecke der nachträglichen Restschuldbefreiung stark in den Hintergrund. Darauf deutet sowohl die Entwicklung der Verfahrenszahl für die natürlichen Personen (ehemals vollhaftende Gesellschafter von Personengesellschaften) als auch die Entwicklung der Verfahrenszahl ehemals selbstständig Tätiger hin. Das Abgrenzungskriterium der Insolvenzen ehemals selbstständig Tätigen von Unternehmensinsolvenzen ist der Sachverhalt »noch aktive Unternehmen«. Damit dürfte in den aktuelleren Jahren ein beachtlicher Teil der ehemals selbstständig Tätigen erst in jüngster Vergangenheit ihr Unternehmen (Geschäft) abgemeldet haben. Sie waren aber zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung bereits nicht mehr unternehmerisch tätig.

Schulden bei Privatinsolvenzen meist unter 50 000 Euro

Im Jahr 2009 wurden bei den baden-württembergischen Amtsgerichten rund 13 900 Insolvenzen von Privatschuldnern entschieden, also von Schuldnern, die keine unternehmerische Tätigkeit ausüben bzw. sie nicht mehr ausüben. Fast drei Viertel (72 %) dieser Insolvenzverfahren (9 979 Fälle) waren Verfahren insolventer Verbraucher7, also von reinen Konsumenten, gleichgültig ob Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslose oder Auszubildende. Dazu kamen 3 252 Insolvenzfälle, die die Verpflichtungen ehemals selbstständig Tätiger zum Inhalt hatten. Dies waren 23 % aller Privatinsolvenzen des Jahres 2009. Die weiteren Verfahren betrafen sonstige natürliche Personen (168 Fälle) und Nachlässe (497 Fälle). Die voraussichtlichen Forderungen an die Übrigen Schuldner insgesamt beliefen sich auf insgesamt 1,5 Mrd. Euro. Drei Fünftel der Privatschuldner hatten Verbindlichkeiten von weniger als 50 000 Euro. Dagegen hatte nur gut 1 % Verpflichtungen von mehr als 1 Mill. Euro.

2010: Deutlicher Rückgang der Unternehmensinsolvenzen – weiterhin merkliche Zunahme der Verbraucherverfahren

Während die Wirtschaft im Jahr 2009 um rund 8 % schrumpfte, gab es 2010 ein Wirtschaftswachstum von 4 %. Damit wurde auch bei der Insolvenztätigkeit eine deutliche Beruhigung erwartet. Erste Ergebnisse zeigen Folgendes:8 2010 wurden von den Amtsgerichten in Baden-Württemberg 17 151 Insolvenzverfahren entschieden, rund 2,4 % mehr als im Vorjahr. Die Insolvenzen der Privatschuldner stiegen erneut um 6 % an, darunter stark die Verbraucherinsolvenzen mit einem Plus von 8 % oder um rund 790 Fälle. Hier dürfte sich noch die Beschäftigungsentwicklung des Vorjahres abbilden. Die Zahl der Insolvenzen der ehemals selbstständig Tätigen sank dagegen 2010 um fast 2 % auf 3 194 Fälle. Weiterhin wurden 2 490 Verfahren aktiver Unternehmen oder rund 13 % weniger als im Vorjahr ermittelt.

Deutlich niedriger als vor einem Jahr sind die durchschnittlichen Forderungen je Unternehmensinsolvenz. So wurden 2010 für die aktiven Unternehmen Verbindlichkeiten in Höhe von 795 000 Euro Schulden (im Durchschnitt je Verfahren) errechnet, gegenüber rund 1 Mill. Euro im Vorjahr. Rund 29 % der aktiven Unternehmen hatten unter 50 000 Euro Schulden, lediglich knapp 12 % Verpflichtungen von über 1 Mill. (2009 waren es 25 % mit weniger als 50 000 Euro bzw. 15 % mit mehr als 1 Mill.). Auch bei der Zahl der unmittelbar betroffenen Beschäftigten war gegenüber 2009 eine deutliche Abnahme zu verzeichnen. Im Durchschnitt je Fall stehen hier knapp fünf Beschäftigte im Jahr 2010 rund acht errechneten Personen im Jahr 2009 gegenüber. Insgesamt hat sich damit die Insolvenztätigkeit im Jahr 2010 mit der konjunkturellen Erholung wieder deutlich beruhigt. Lediglich bei den privaten Schuldnern wurden – mit Ausnahme der ehemals selbstständig Tätigen – noch Zunahmen festgestellt.

1 Siehe dazu: Deutscher Bundestag: Drucksache 14/5680 sowie 14/6468. Außerdem: Deutscher Bundestag: Drucksache 12/2443. In diesem Zusammenhang auch Änderung des § 287 zum 1. Dezember 2001; Er regelt die Dauer der »Wohlverhaltensphase«.

2 Ergebnisse zur finanziellen Abwicklung liegen zurzeit noch nicht vor. Sehr differenzierte Ergebnisse verspricht die Gesetzesvorlage für ein neues Insolvenzstatistikgesetz.

3 Umstrukturierung im Bankensystem. Anfang dieses Jahrtausends standen diese Fragen im öffentlichen Interesse. In der öffentlichen Diskussion wird zudem die restriktive Politik der Banken infolge der veränderten Eigenkapitalunterlegungsrichtlinien, die auch eine Folge von Kreditausfällen durch Insolvenzen sind, als Ursache für die zunehmende Insolvenzzahl genannt. Selbst wenn man die Notwendigkeit von Krediten bei Liquiditätsengpässen in Betracht zieht, kann jedoch noch kein unmittelbarer Zusammenhang zum Insolvenzgeschehen des Jahres 2002 hergestellt werden. Es ist jedoch vorstellbar, dass durch eine unzureichende Eigenkapitalausstattung höhere Zinsen – als Kostenkomponente – die Ertragslage belasteten, so dass Firmen zusätzliche Verluste oder Einbußen durch eine gesunkene Nachfrage nicht mehr ausgleichen konnten.

4 Für 2011 wird dagegen nur ein Wachstum von 2,5 % erwartet, also eine deutlich niedrigere Wachstumsrate, was zu einem erneuten Anstieg der Insolvenzanmeldungen auch von Unternehmen führen kann.

5 Mit Beginn des Jahres 2008 wurde die überarbeitete nationale Version der Wirtschaftszweige (WZ 2008) in der Insolvenzstatistik bundesweit eingeführt. Die Zuordnung von Unternehmen zu Wirtschaftszweigen ist die Grundlage zahlreicher Wirtschaftsdaten und ermöglicht Vergleiche auf nationaler und internationaler Ebene. Entsprechende Ergebnisse liegen ab 2007 vor.

6 Die Überschuldungstatistik ist eine freiwillige Erhebung nach § 7 BStatG. Sie wird vom Statistischen Bundesamt durchgeführt; befragt werden die Schuldnerberatungsstellen. Ergebnisse für 2008 sind veröffentlicht in der Fachserie des Statistischen Bundesamtes: Statistik zur Überschuldung privater Personen 2008, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2009.

7 Das Verbraucherinsolvenzverfahren kann angewandt werden bei einer überschaubaren Verschuldung: Die Grenze sind hier höchstens 19 Gläubiger und keine Verpflichtungen aus Arbeitsverhältnissen.

8 Redaktionsschluss war der 24. Februar 2011.