:: 4/2011

Personalbelastung in den Krankenhäusern Baden-Württembergs seit 1991

Am Beispiel des ärztlichen Dienstes und des Pflegedienstes

Seit Jahren sind die Krankenhäuser gezwungen, den steten Anstieg der anfallenden Kosten möglichst gering zu halten. Politische Vorgaben führten in erster Linie dazu, die Behandlungsdauern im vollstationären Bereich zu reduzieren. So sank die durchschnittliche Verweildauer seit 1991 um 5 Tage auf 8,1 Tage im Jahr 2009. In der Folge gingen trotz eines Anstiegs der Behandlungsfallzahlen um knapp 372 000 auf rund 2 Mill. die Zahl der vollstationären Behandlungstage von 21,6 auf 16,1 Mill. zurück. Gleichzeitig werden 10 820 Betten weniger angeboten als 1991, als die Krankenhäuser des Landes noch 69 280 Betten vorhielten. Größter Kostenfaktor ist auch in den Krankenhäusern das Personal. Die Personalausstattung lässt sich grob in die zwei Gruppen »ärztlich« und »nichtärztlich« unterteilen. Während das ärztliche Personal um knapp 5 260 auf 16 550 zunahm, ging die Zahl der nichtärztlichen Vollkräfte um rund 2 500 auf knapp 90 140 zurück. Allein im Pflegedienst arbeiten mit 36 120 gut 1 990 Vollkräfte weniger als noch 1991. Wie wirkt sich diese Entwicklung auf diejenigen Berufsgruppen aus, die ihren Dienst unmittelbar am Bett, bzw. unmittelbar am Patienten versehen? Mit Hilfe sogenannter Belastungsziffern lässt sich – zumindest pauschal – für den ärztlichen Dienst und für den Pflegedienst abbilden, inwieweit Mehr- oder Minderbeanspruchungen aufgetreten sind.

Als Berechnungsgrundlage dient die Vollkraft

Nach Köpfen gerechnet, arbeiteten im Jahr 2009 in den Krankenhäusern Baden-Württembergs 18 860 hauptamtlich tätige Ärztinnen und Ärzte. Darunter waren rund 3 380 in einem Teilzeitmodell beschäftigt. Der Pflegedienst zählte 50 890 Kräfte, wovon mit 25 900 über die Hälfte weniger als die tarifliche Arbeitszeit von rund 8 Stunden am Tag ihrer Arbeit nachgehen.

Diese bei beiden Funktionsgruppen doch große – in ihrem tatsächlichen Anteil an der Regelarbeitszeit unbestimmten Zeitmaß beschäftigte – Zahl von Teilzeitkräften lassen belastbare Rückschlüsse auf ihre Beanspruchung unter den sich wandelnden Bedingungen in den Krankenhäusern nicht zu.

Vergleichbarkeit entsteht erst, wenn alle Arbeitsverhältnisse einer Funktionsgruppe auf volle tarifliche Arbeitszeiten umgerechnet werden. Vollkräfte im Jahresdurchschnitt heißen aus diesem Grunde auch Vollzeitäquivalente.

Das Merkmal Vollkräfte wird im Rahmen des Personalteils der Krankenhausstatistik erhoben. Es kann nur von den Krankenhäusern selbst errechnet und gemeldet werden.

Weniger Betten, weniger Krankenhaustage = weniger Belastung?

Mit der rückläufigen Bettenzahl geht eine zeitweise deutlich sinkende Zahl von Vollkräften im Pflegedienst einher. Dagegen nimmt die Zahl der ärztlichen Vollkräfte zu. Dieser in der jeweiligen Höhe unterschiedliche Anstieg, ist mit Ausnahme des Jahres 1997 durchgängig. Er begann also schon lange vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2003, der den ärztlichen Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit definierte, was eine weitere Aufstockung der Zahl der Krankenhausärzte unabdingbar machte1.

Hinsichtlich einer Entlastung des ärztlichen Dienstes birgt das Ergebnis keine Überraschung. Wenn die Bettenzahl sinkt und die Zahl der Vollkräfte steigt, kann kaum ein anderes Ergebnis als das vorliegende erwartet werden. Seit 1991 hat sich die Belastung der Ärzte gemessen an der Zahl der aufgestellten Betten von durchschnittlich 25,9 auf 13,3 fast halbiert.

Anders stellt sich die Situation im Pflegedienst dar. Hier sank die Belastung von 7,7 Betten je Vollkraft auf 6,1 Betten im Jahresdurchschnitt, wobei seit 2003 keine Veränderung mehr festzustellen ist.

Legt man zur Bewertung ausschließlich die errechneten Messwerte des »Dienstes am Bett« zu Grunde, so hat sich die Situation für die ärztlichen Vollkräfte erheblich verbessert und für die pflegerischen Vollkräfte im Wesentlichen nicht geändert. Auch wenn die Entwicklung in diesem Personalbereich wenig Dramatik aufzuweisen scheint, kann die eingangs dieses Abschnitts gestellte Frage zumindest für den Pflegedienst nicht uneingeschränkt bejaht werden.

Mehr Behandlungsfälle (Patienten) = höhere Belastung?

Allerdings sind die Belastungszahlen nach Betten nur die eine Seite der Medaille. Die Belastung durch die Anzahl der Behandlungsfälle ist die andere.

Während die zurückgehende Zahl der Pflegetage im Pflegedienst mit der rückläufigen Zahl der Vollkräfte korrespondierte und keine wirkliche Verschlechterung oder Verbesserung der Situation für diese Berufsgruppe brachte, trifft diese Entwicklung nun auf stark steigende Patientenzahlen. Im Jahr 1995 war im Pflegedienst mit 41 130 die höchste Zahl an Vollkräften beschäftigt. Seinerzeit lag die im Jahresdurchschnitt zu versorgende Anzahl an Patienten bei 41,5 je Vollkraft. Seither hat sich dieses Verhältnis zunehmend zuungunsten des Pflegedienstes verschoben und liegt aktuell bei 55,3 Fällen je Vollkraft.

Dagegen konnte durch die Höhe des Anstiegs der Anzahl an Vollkräften im ärztlichen Dienst die wachsende Zahl der Behandlungsfälle mehr als kompensiert werden. Kamen im Jahr 1991 auf eine hauptamtlich beschäftigte Vollkraft im Jahresdurchschnitt noch 144,1 zu versorgende Patienten, waren es 2009 noch 120,8.

Belastungszahlen sind nur Anhaltspunkte

Vor allem bei den Belastungszahlen nach Behandlungsfällen – und das gilt für beide Berufsgruppen – ist zudem der Aspekt der insgesamt stark zurückgegangenen Aufenthaltsdauer der Patienten im Krankenhaus zu berücksichtigen. Dieser Rückgang der sogenannten Verweildauer bedeutet ja nicht, dass die Behandlungsanlässe zunehmend leichterer Natur sind. Vielmehr findet eine zunehmende Intensivierung der Versorgung während der Behandlungsdauer statt, um die zeitlichen Vorgaben eines Abrechnungssystems nach Fallpauschalen erfüllen zu können. Die Erfüllung dieser Vorgaben entscheidet letztlich, ob eine Behandlung kostendeckend, oder ob sie gewinn- oder verlustträchtig ist. Im Vergleich mit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts muss heute zudem ein sehr viel höherer Aufwand an Dokumentation betrieben werden. Der geänderte Umfang dieser Aufwände geht nicht in die amtliche Statistik ein. Ähnliches gilt im Prinzip gleichermaßen für die Belastungszahl, auch wenn hier die Situation vielleicht nicht so augenfällig wird.

Aber auch die erhebliche Zunahme der Teilzeitbeschäftigung vor allem im Bereich des Pflegedienstes dürfte auf die tatsächliche Belastung nicht ohne Wirkung bleiben. So ist jeder Personalwechsel während eines Tages mit einer Übergabe verbunden, die letztlich Zeit kostet, die Anfang der 90er-Jahre nicht in diesem Ausmaß in Anspruch genommen werden musste.

Unter diesen Aspekten können die Messzahlen »Personalbelastung durch Betten« bzw. »Personalbelastung durch Behandlungsfälle« nicht mehr sein als Orientierungspunkte. Ihr Entwurf orientiert sich an den Bedürfnissen der 90er-Jahre. Den inzwischen zusätzlichen – mit der eigentlichen Tätigkeit der Dienste aber untrennbar verbundenen – Belastungen tragen sie nicht Rechnung. So ist es zumindest bedenkenswert, ob man diese zusätzliche Belastung noch dem »Dienst am Bett« bzw. dem Dienst am Patienten zurechnen soll. Oder ob es nicht eher Sinn macht, einen prozentualen Abschlag für diese zusätzlichen Tätigkeiten in Ansatz zu bringen.

1 Vgl. hierzu auch: Hensche, Martin: Änderungen des Arbeitszeitrechts durch das »Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt« vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3001), Berlin.