:: 4/2011

Strukturwandel in der Landwirtschaft geht weiter

Weniger, aber größere Betriebe in Baden-Württemberg

Im Jahr 2010 wurde mit der Landwirtschaftszählung eine umfassende Agrarstrukturerhebung durchgeführt. Zu den ersten und wichtigsten Ergebnissen zählen die Angaben zur Betriebsgrößenstruktur, die eine Einschätzung von Intensität und Richtung des Strukturwandels erlauben. So ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Vergleich zu 1999 um rund ein Viertel gesunken. Zugleich werden heute je Betrieb deutlich größere Flächen bewirtschaftet. Auch regionale Unterschiede haben sich verändert.

Besonders große Betriebe im Osten, kleine Betriebe im Süden Deutschlands

Im Jahr 2010 gab es in Baden-Württemberg 44 512 landwirtschaftliche Betriebe. Dies ergibt sich aus der Landwirtschaftszählung 2010, deren erste Ergebnisse für Baden-Württemberg und das Bundesgebiet1 jetzt vorliegen. Die Landwirtschaftszählung ist die nationale Variante einer umfassenden Agrarstrukturerhebung, die in allen Mitgliedsstaaten der EU im Zeitraum 2009 bis 2011 durchzuführen war. Danach gibt es in Deutschland insgesamt rund 300 700 landwirtschaftliche Betriebe, von denen ein knappes Sechstel in Baden-Württemberg zu finden ist. Die meisten Betriebe (mit 98 100 nahezu ein Drittel) befinden sich in Bayern. Annähernd genauso so viele Betriebe wie in Baden-Württemberg gibt es in Nordrhein-Westfalen (36 200) und in Niedersachsen (41 900), wobei beide Länder jedoch eine größere landwirtschaftlich genutzte Fläche als Baden-Württemberg aufweisen.

Relativ wenige Betriebe gibt es in den neuen Ländern. Die meisten hat es dort in Sachsen mit 6 300 Betrieben. Genau umgekehrt verhält es sich mit der durchschnittlichen Betriebsgröße. Die mit Abstand größten Betriebe sind in den neuen Ländern zu finden, wo mit Ausnahme von Sachsen (145 ha) im Durchschnitt Werte von über 200 ha je Betrieb erreicht werden. Auch im Vergleich der alten Länder gibt es ein Gefälle in der Betriebsgröße. Die Betriebe im Norden Deutschlands, zum Beispiel in Schleswig-Holstein mit 71 ha, sind deutlich größer als die im Süden. Die durchschnittlich kleinsten Betriebe in einem Flächenland finden sich mit knapp 32 ha in Baden-Württemberg.

Anhebung der Erfassungsgrenze im Jahr 2010

Wie schon bei früheren Landwirtschaftszählungen wurden auch diesmal die Erfassungsgrenzen für die Betriebe deutlich angehoben. Vergleiche mit früheren Erhebungen sind daher teilweise nur mit Einschränkungen möglich. Dies betrifft insbesondere den Nachweis kleinerer Betriebe, da die wichtigste Veränderung der Erfassungsgrenze die landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) betraf. Im Jahr 2010 waren nur noch Betriebe in der Erhebung zu erfassen, die mindestens 5 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche bewirtschafteten. Von 1999 bis 2007 lag diese Grenze bei 2 ha, davor sogar bei nur einem Hektar. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche ist jedoch nicht das alleinige Abgrenzungskriterium. Betriebe mit weniger als 5 ha LF sind auch dann zu erfassen, wenn sie bestimmte Grenzwerte bei Sonderkulturen oder Viehbeständen überschreiten (zum Beispiel ab 50 Ar Rebland).

Veränderte Erfassungsgrenze erschwert Vergleich

Als Fazit der Landwirtschaftszählung 2010 lässt sich festhalten: Der Strukturwandel setzt sich weiter fort. Die Zahl der Betriebe in Baden-Württemberg geht weiter zurück und die verbleibenden Betriebe werden immer größer. Die Einschätzung der Intensität des Strukturwandels ist allerdings durch die Anhebung der Erfassungsgrenzen erschwert. Lediglich für den Bereich der Betriebe ab 5 ha LF ist eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit gegeben. Um auch den darunterliegenden Größenbereich vergleichbar zu machen, wurden – soweit möglich – nachträgliche Aufbereitungen der Erhebungen von 1999 bis 2007 vorgenommen. Für das Jahr 1999, dem Jahr der letzten Landwirtschaftszählung, sind die Betriebszahlen nach der alten und der neuen Erfassungsgrenze direkt gegenüber gestellt. Dabei zeigt sich ein »Verlust« von rund 15 000 landwirtschaftlichen Betrieben, immerhin ein Fünftel des damaligen Bestands von 75 850 Betrieben.

Rund ein Viertel weniger Betriebe seit 1999

Im Vergleich der Landwirtschaftszählungen von 1999 und 2010 wird deutlich, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg (bei vergleichbarer Anwendung der Erfassungsgrenzen von 2010) innerhalb von 11 Jahren um rund ein Viertel (– 27,1%) zurück gegangen ist. Damit setzt sich der jahrzehntelange Strukturwandel in der Landwirtschaft mit erheblicher Intensität fort. Im Gegenzug zur rückläufigen Betriebszahl hat die durchschnittliche Größe eines Betriebes von 24 ha LF im Jahr 1999 auf knapp 32 ha LF im Jahr 2010 zugenommen. Aus Sicht des Jahres 1999 entspricht dies einer Vergrößerung um immerhin ein Drittel.

Die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe ging allerdings nicht gleichmäßig in allen Kreisen des Landes zurück. In drei Kreisen (Bodenseekreis, Enzkreis und Stadtkreis Heidelberg) sind mit weniger als – 20 % die niedrigsten Abnahmeraten zwischen 1999 und 2010 zu verzeichnen. Insgesamt ergibt sich jedoch kein einheitliches regionales Bild. So grenzt an den Stadtkreis Heidelberg der Stadtkreis Mannheim, der mit rund – 35 % die landesweit höchste Abnahmerate aufweist. Und an den Enzkreis schließt im Süden der Landkreis Calw an, einer der Kreise mit den höchsten Abnahmeraten. Diese großen Unterschiede bei vergleichsweise geringer räumlicher Entfernung deuten darauf hin, dass neben dem allgemeinen strukturellen Anpassungsdruck in der Landwirtschaft auch andere Faktoren wirksam werden, die diese regional differenzierten Entwicklungen zur Folge haben. Diese Faktoren müssen nicht zwangsläufig in der Landwirtschaft selbst oder den unveränderbaren natürlichen Standortbedingungen zu suchen sein, sondern können auch außerhalb der Landwirtschaft, zum Beispiel in attraktiven Möglichkeiten einer anderweitigen Erwerbstätigkeit – oder auch im Mangel daran – liegen.

Wachstumsschwelle jetzt bei über 100 ha

Die Wachstumsschwelle definiert jenen Betriebsgrößenbereich, in dem im Zeitvergleich eine zahlenmäßige Zunahme der Betriebe festzustellen ist. Vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Betriebe verschob sich in der Vergangenheit auch die Wachstumsschwelle immer weiter nach oben. Bis 1991 lag sie im Größenbereich der Betriebe zwischen 30 und 50 ha LF. Danach wanderte die Wachstumsschwelle in den Größenbereich der Betriebe zwischen 50 und 75 ha LF und verblieb dort bis zum Jahr 2001. Anschließend verschob sich die Wachstumsschwelle in den Bereich zwischen 75 und 100 ha LF, das heißt nur noch die Zahl der Betriebe mit 75 ha LF und mehr nahm zu, während in den darunter liegenden Größenklassen die Zahl der Betriebe abnahm. Im Jahr 2010 ist im Vergleich zur Agrarstrukturerhebung 2007, der letzten Feststellung der betrieblichen Einheiten, nur noch für die Betriebe mit 100 ha LF und mehr eine Zunahme zu verzeichnen. In allen darunter liegenden Größenklassen, auch für die Betriebe zwischen 75 und 100 ha LF, hat die Betriebszahl abgenommen.

Die Betriebsgröße allein – und auch die Wachstumsschwelle – besitzt allerdings in einem naturräumlich so heterogenen Land wie Baden-Württemberg, das ganz unterschiedliche Betriebsformen hervorbringt, nur beschränkte Aussagekraft. Für intensiv wirtschaftende Betriebe mit Sonderkulturen wie Obst oder Wein gelten andere Maßstäbe als für einfacher zu organisierende Ackerbaubetriebe, die mit der heutzutage technisch möglichen Schlagkraft eine große Fläche effizient bewirtschaften können. Auch für Betriebe mit Vieh gelten andere Maßstäbe, die zudem noch zwischen flächengebundener haltung von Rauhfutterfressern und flächenunabhängiger Veredlungswirtschaft unterscheiden sollten.

Größte Betriebe im Neckar-Odenwald-Kreis, kleinste Betriebe in Stuttgart

Die 44 512 landwirtschaftliche Betriebe im Land haben 2010 insgesamt 1 409 988 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche bewirtschaftet. Entsprechend der Vielfalt naturräumlicher und wirtschaftlicher Standortbedingungen variiert dabei die durchschnittliche Betriebsgröße im Land erheblich. Die Spanne reicht von eher kleinflächigen Sonderkulturbetrieben mit Schwerpunkt im Wein- und Obstbau bis zu großflächigen Ackerbau- und Grünlandbetrieben.

Die größten landwirtschaftlichen Betriebe des Landes finden sich im Neckar-Odenwald-Kreis (52,8 ha LF) und im Landkreis Tuttlingen (52,2 ha LF). Beide Kreise überschreiten damit als einzige im Land die Schwelle von durchschnittlich 50 ha LF, liegen aber immer noch unter dem gesamtdeutschen Durchschnittswert von etwa 56 ha LF. Knapp unter der Schwelle von 50 ha LF liegen die Landkreise Karlsruhe (49,0 ha LF) und Tübingen (48,0 ha LF).

In den Verdichtungsräumen und Stadtkreisen sind die Betriebe in der Regel kleiner als im ländlichen Raum. Die kleinsten Betriebe des Landes finden sich daher in den beiden Stadtkreisen Stuttgart (12,6 ha LF) und Baden-Baden (13,3 ha LF). Nahezu gleichauf folgen Landkreise, in denen Sonderkulturen eine große Bedeutung haben: der Ortenaukreis mit 15,5 ha LF und der Landkreis Emmendingen mit 15,7 ha LF.

Die eher kleinteiligen Strukturen im Ortenaukreis führen dazu, dass sich in dem relativ großen Landkreis insgesamt die meisten Betriebe im Land befinden (3 572 Betriebe). Auf Platz zwei folgt der Kreis Breisgau-Hochschwarzwald (2 885 Betriebe), der sich ebenfalls durch vergleichsweise kleine Betriebe (16,9 ha LF) auszeichnet. Eher größere Betriebe (33,7 ha LF) finden sich im Kreis Ravensburg, der mit 2 560 Betrieben die drittgrößte Zahl an Betrieben in einem Stadt- oder Landkreis im Land aufweist. Der Kreis Ravensburg ist daher auch der Kreis mit der größten landwirtschaftlich genutzten Fläche (86 216 ha LF) im Land.

Sind Strukturvorteile von Dauer?

Ungeachtet aller Einschränkungen, die hinsichtlich der Aussagekraft der Betriebsgröße als Indikator für die strukturelle Entwicklung vorgebracht werden können, ist es doch ein leichtverständlicher und nachvollziehbarer Maßstab. Es gilt die Regel, dass – unter sonst gleichen Bedingungen – mit zusätzlicher Fläche zusätzliches Einkommenspotenzial vorhanden ist. Darüber hinaus haben größere Betriebe auch eher die Möglichkeit, wirtschaftliche Vorteile durch Kostendegression oder durch Nutzung technischer Innovationen zu erlangen. Die Überlebens- und Entwicklungschancen größerer Betriebe sind – unter sonst gleichen Bedingungen – besser als die kleinerer Betriebe.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage interessant, ob Stadt- und Landkreise, die sich in der Vergangenheit durch überdurchschnittliche Strukturen (hier: Betriebsgröße) ausgezeichnet haben, von diesem Vorteil profitieren und ihren strukturellen Vorteil über die Zeit halten oder sogar ausbauen können, oder ob diese Strukturvorteile im Verlauf der Zeit verloren gehen (können). Ein struktureller Vorteil kann in sehr unterschiedlicher Art und Weise umgesetzt werden. Zum Beispiel als Startvorteil im Wettbewerb mit anderen, aber auch als dämpfender Puffer gegen den strukturellen Anpassungsdruck. Im letzteren Fall geht der Wettbewerbsvorteil im Zeitablauf verloren.

Einen Fingerzeig – mehr nicht, dafür sind die Abhängigkeiten zu komplex – ergibt ein Positionsvergleich2 der durchschnittlichen Betriebsgröße in den einzelnen Landkreisen in der längerfristigen Gegenüberstellung. Bei dieser Betrachtung bleiben Stadtkreise außen vor, weil diese stark von Einzelfällen beeinflusst sein können. Die absoluten Flächenwerte sind ebenfalls nur eingeschränkt miteinander vergleichbar, daher erfolgt nur ein Positionsvergleich.

Die drei Landkreise mit den durchschnittlich größten Betrieben im Jahr 1979 waren der Landkreis Heidenheim (1.), der Alb-Donau-Kreis (2.) und der Kreis Ravensburg (3.). Im Jahr 2010 findet sich der Landkreis Heidenheim auf Rang fünf (– 4) wieder, der Alb-Donau-Kreis auf Position 13 (– 11) und der Kreis Ravensburg auf Platz 23 (– 20).

Aus dem Blickwinkel des Jahres 2010 haben dagegen die drei Kreise mit den größten Betrieben deutliche Rangverbesserungen im Vergleich zu 1979 zu verzeichnen. Der Neckar-Odenwald-Kreis rückte von Position sieben auf den Spitzenplatz vor, der Kreis Tuttlingen sprang von Platz 19 auf Platz zwei und der Landkreis Karlsruhe verbesserte sich immerhin um elf Plätze von 14 auf drei. Den größten Sprung nach oben macht die aktuelle Nummer vier, der Landkreis Tübingen, der im Jahr 1979 mit Platz 28 noch im letzten Viertel zu finden war.

Nicht die Struktur, der Wandel ist beständig

Im Hinblick auf die durchschnittliche Betriebsgröße werden somit deutliche Verschiebungen im Lauf der Jahrzehnte offensichtlich. Die Landkreise, in denen vor 3 Jahrzehnten noch die (im Durchschnitt) größten Betriebe vorzufinden waren, befinden sich allesamt nicht mehr an der absoluten Spitze. Im Hinblick auf die Flächenausstattung haben die Betriebe in diesen Kreisen ihren strukturellen Vorsprung also nicht wahren können. Im Gegenzug haben sich bis 2010 Landkreise an der Spitze positionieren können, die sich vor Jahrzehnten noch durch Strukturdefizite (im Hinblick auf die Fläche) ausgezeichnet haben.

Diese Entwicklung legt die Schlussfolgerung nahe, dass dort, wo die Startbedingungen schlecht sind, der Strukturwandel mit besonderer Schärfe verläuft und dadurch im Zeitverlauf das anfänglich vorhandene (Flächen-)Defizit kompensiert werden kann. Die quasi spiegelbildliche Schlussfolgerung, dass Kreise mit Strukturvorteilen diese im Zeitablauf mangels Anpassungsdruck verlieren, ist dagegen nicht zwingend. Es könnte ja sein, dass die Vorteile nur mangels Möglichkeiten nicht durch weiteres Flächenwachstum umgesetzt werden konnten und daher Alternativen, zum Beispiel im innerbetrieblichen Wachstum, gesucht wurden. Der strukturelle Vorteil wurde dann möglicherweise nicht zum weiteren Ausbau einer bestehenden Stärke, sondern zum Aus- oder Aufbau eines anderen betrieblichen Schwerpunkts, zum Beispiel der Viehwirtschaft, genutzt. Für diese These spricht zumindest die Entwicklung in den Kreisen Ravensburg oder Alb-Donau-Kreis.

Grundsätzlich gilt: Strukturelle Vorteile bleiben im Zeitablauf nicht automatisch erhalten, sondern müssen immer wieder erneuert werden. Entweder durch weiteres Wachstum im Stammbereich oder – wenn das nicht möglich ist – durch zusätzliche Potenziale in neuen Bereichen. Die Landwirtschaft unterscheidet sich hier nicht von anderen Wirtschaftsbereichen.

1 Für das Bundesgebiet und andere Länder Angaben noch vorläufig.

2 Verglichen werden die Rangfolgen der Landkreise hinsichtlich der durchschnittlichen Größe landwirtschaftlicher Betriebe. Für das Jahr 1979 bilden die landwirtschaftlichen Betriebe ab 2 ha die Grundgesamtheit, für das Jahr 2010 gilt die aktuelle Erfassungsgrenze (ab 5 ha LF sowie kleinere Betriebe mit bestimmten Erzeugungseinheiten).