:: 4/2011

Die Umweltbranche in Baden-Württemberg im Krisenjahr 2009

Die Umweltwirtschaft erstreckt sich als Querschnittsbranche über die gesamte Wirtschaft mit deutlichen Schwerpunkten in einigen Wirtschaftszweigen der Industrie, aber auch zunehmend in Teilen des Bau- und Dienstleistungsgewerbes. Eine Schwierigkeit bei der statistischen Abbildung der Umweltschutzwirtschaft besteht in ihrer exakten und im Zeitablauf vergleichbaren Abgrenzung. Die amtliche Statistik legt bei der Erhebung der Umsätze mit Umweltschutzgütern und der zugehörigen Beschäftigtenzahl eher eine restriktive oder konservative Abgrenzung der Umweltbranche zugrunde. Diese beschränkt sich im Wesentlichen auf Produkte im Rahmen des Umweltverschmutzungsmanagements und solcher zur Nutzung Erneuerbarer Energien sowie für Energieeffizienz steigernde und Energiespar-Maßnahmen. Einbezogen werden Waren, Bau- und Dienstleistungen, die in ihrem Hauptzweck dem Umweltschutz dienen. Der folgende Beitrag befasst sich mit der aktuellen Entwicklung der Umweltwirtschaft in Baden-Württemberg auch in der Differenzierung nach Stadt- und Landkreisen.

Anstieg der Umsätze mit Umweltschutzgütern auf 6,6 Mrd. Euro

Die baden-württembergische Umweltwirtschaft hat im Jahr 2009 Umsätze in Höhe von insgesamt über 6,6 Mrd. Euro erzielt. In den knapp 1 200 Betrieben, die nach eigenen Angaben im Jahr 2009 Umweltschutz bezogene Umsätze erzielt haben, waren insgesamt über 25 000 Personen mit der Herstellung von Umweltschutzgütern beschäftigt. Entgegen dem allgemeinen wirtschaftlichen Trend lagen die von Betrieben im Land gemeldeten Umsätze mit Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Umweltschutz im Krisenjahr 2009 um 12 % oder knapp 0,7 Mrd. Euro höher als im Vorjahr. Diese Entwicklung ist zwar teilweise darauf zurückzuführen, dass 2009 eine Reihe von Betrieben erstmals in die Befragung einbezogen werden konnten. Dennoch bleibt festzustellen, dass die Umweltbranche von der massiven Wirtschaftskrise deutlich schwächer getroffen wurde als die Wirtschaft insgesamt.

Hauptgrund dafür war die deutliche Steigerung der Umsätze mit Produkten zur Nutzung Erneuerbarer Energien und solcher zur Verbesserung der Energieeffizienz. Steigerungen der Umsätze mit Umweltschutzgütern wurden im Baugewerbe sowie im Dienstleistungsbereich erreicht. Im Verarbeitenden Gewerbe, auf das mit 4,7 Mrd. Euro mehr als 70 % der gesamten Umweltschutz bezogenen Umsätze entfallen, errechnet sich hingegen ein leichter Rückgang (knapp 5 %). Dieser fiel aber erheblich schwächer aus, als bei den Gesamtumsätzen (– 31 %) dieser Betriebe mit gemeldeten Umweltschutzgütern. Auch bei den gesamten Umsätzen des Verarbeitenden Gewerbes im Land war in 2009 ein deutlich höheres Minus von 20 % zu verzeichnen.

Wachstumsbereich: Klimaschutz und Energieeffizienz

Die jährlich erhobenen Umsätze mit Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Umweltschutz werden nach insgesamt sieben Umweltbereichen gegliedert. Neben dem Klimaschutz, einschließlich Gütern zur Nutzung Erneuerbarer Energien und zur Verbesserung der Energieeffizienz, sind dies die Bereiche Abfallwirtschaft, Gewässerschutz, Luftreinhaltung, Lärmschutz, Bodensanierung sowie Naturschutz und Landschaftspflege. Mit fast 3,3 Mrd. Euro machen die Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Klimaschutz fast 50 % der 2009 im Land produzierten Umweltschutzgüter aus. Insgesamt lagen die klimaschutzbezogenen Umsätze um gut 1,3 Mrd. Euro höher (+ 68 %) als im Jahr davor. Insbesondere bei den hier subsumierten Produkten zur Nutzung Erneuerbarer Energien sowie zur Verbesserung der Energieeffizienz waren deutliche Umsatzsteigerungen zu verzeichnen.

Fast zwei Drittel (2,2 Mrd. Euro) der Klimaschutz bezogenen Umsätze entfallen auf Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes. Innerhalb dieses wichtigsten Bereiches der Umweltwirtschaft haben vor allem der Maschinenbau (1 Mrd. Euro) und die Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (0,7 Mrd. Euro) großen Anteil an der Herstellung von Klimaschutzprodukten. Umsätze von jeweils fast 200 Mill. Euro entfallen auf die Herstellung von Gummi- und Kunststoffprodukten sowie die Herstellung elektronischer Ausrüstungen. In allen übrigen Wirtschaftszweigen des Verarbeitenden Gewerbes stehen eher geringe Klimaschutz bezogene Umsätze zu Buche.

Auf Betriebe des Baugewerbes entfielen 2009 gut 480 Mill. Euro an Umsätzen im Bereich Klimaschutz. Dabei handelt es sich in erster Linie um Wärmedämmungs- und andere Installationsarbeiten des Ausbaugewerbes. Stark zugenommen haben 2009 auch die Klimaschutzumsätze bei Unternehmen, die ihren Schwerpunkt im Dienstleistungsbereich haben. Neben den klimaschutzbezogenen Dienstleistungen trugen hier in erheblichem Umfang auch die eigene Herstellung von Photovoltaikanlagen und diesbezüglichen Produktkomponenten zu Umsätzen in Höhe von über 300 Mill. Euro bei.

Starker Rückgang der Umsätze mit Umweltschutzgütern in der Kfz-Zulieferung

Die Umsätze mit Umweltschutzgütern in anderen gewichtigen Bereichen, in der Luftreinhaltung, der Abfallwirtschaft sowie im Gewässerschutz, gingen gegenüber dem Vorjahr teils spürbar zurück, wobei insbesondere geringere Umsätze mit Umweltschutzwaren zu verzeichnen waren. Besonders starke Einbußen waren im Bereich Luftreinhaltung (– 20 %) zu registrieren. Hier musste vor allem die Herstellung von Abgaskatalysatoren durch den außerordentlich starken Rückgang der Kfz-Herstellung ein kräftiges Minus (– 30 %) hinnehmen. Dennoch wurden die Umsätze im Bereich Luftreinhaltung (insgesamt 1,73 Mill. Euro) wie bereits in den zurückliegenden Jahren hauptsächlich (über 90 %) von Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes erwirtschaftet.

Dies gilt entsprechend auch für die Abfallwirtschaft. Die Abnahme der Umsätze um 13 % auf jetzt knapp 400 Mill. Euro ist allein auf die entsprechende Verringerung des Warenabsatzes (– 63 Mill. Euro) in diesem Bereich zurückzuführen. Ein Rückgang um den selben Betrag errechnet sich bei den Waren im Bereich Gewässerschutz. Hier wie auch bei der Abfallwirtschaft traf es schwerpunktmäßig einzelne Branchen des Verarbeitenden Gewerbes. Erhöhte Umsätze wurden 2009 mit Bau- und Dienstleistungen erwirtschaftet. Dadurch stiegen deren Anteilswerte am Umsatz mit Gütern des Gewässerschutzes (insgesamt 844 Mill. Euro) auf über 31 % bzw. 11 %. In den übrigen Umweltbereichen, die eher geringere Umsatzvolumina ausmachen, blieben die erzielten Umsätze im Wesentlichen auf dem Niveau des Vorjahres.

Hoher Exportanteil bei den Umweltschutzwaren

Rund ein Drittel der insgesamt von Betrieben im Land im Jahr 2009 abgesetzten Umweltschutzgütern ging in den Export. Damit lag die Exportquote zwar etwas niedriger als im Vorjahr (37,9 %). Diese geringere Quote resultiert jedoch in erster Linie aus den vergleichsweise geringen Exportanteilen bei den umweltbezogenen Bau- (3 %) und Dienstleistungen (17 %), deren Anteil an den gesamten Umweltschutz bezogenen Umsätzen 2009 erheblich angestiegen ist. Bei den Umweltschutzwaren, die 2009 mit gut 5,1 Mrd. Euro rund 77 % der Umsätze mit Umweltschutzgütern ausmachen (im Vorjahr 86 %), blieb die Exportquote mit 41 % etwa auf Vorjahresniveau und damit weiter unterhalb des Exportanteils, der sich für die gesamten Umsätze des Verarbeitenden Gewerbes im Land errechnet (47 %). Überdurchschnittlich hoch liegt die Exportquote bei den Umweltschutz bezogenen Maschinenbauerzeugnissen (44 %) sowie mess- und regeltechnischen Geräten (50 %).

Herstellung von Umweltschutzwaren überwiegend in größeren mittelständischen Betrieben

Die Herstellung von Umweltschutzgütern erfolgt in Baden-Württemberg überwiegend in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Dies gilt im Grundsatz sowohl für die Waren wie auch für die Bau- und Dienstleistungen. Hier bestehen aber deutliche Strukturunterschiede vor allem zwischen den Warenherstellern und denen von Bau- bzw. Dienstleistungen. Die warenbezogenen Umsätze (5,1 Mrd. Euro) wurden von lediglich 300 Betrieben erwirtschaftet, wobei der Hauptteil (50 %) von Betrieben mit 100 bis unter 500 Beschäftigten erzielt wurde. Der Anteil der Kleinbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigte lag bei lediglich 14 %. Immerhin 30 % der Warenumsätze erzielten 28 Betriebe mit 500 und mehr Beschäftigten. Der Anteil der Umweltschutz bezogenen Umsätze an den gesamten Umsätzen lag 2009 bei den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes, auf die sich die Warenherstellung weitestgehend konzentriert, bei durchschnittlich 29 %.

Erheblich niedriger, bei lediglich 20 %, liegt der Anteil der Umweltschutzleistungen bei den Betrieben des Baugewerbes, auf die sich fast vollständig die Umsätze mit Umweltschutz bezogenen Bauleistungen verteilen. Im Gegensatz zur Warenherstellung haben bei den Bauleistungen größere Betriebe mit 500 und mehr Beschäftigten einen fast vernachlässigbaren Umsatzanteil. Nahezu die Hälfte (48 %) wird hier von Betreiben mit weniger als 50 Beschäftigten erzielt, wobei über 70 % der insgesamt 546 Betriebe mit Bauleistungen für den Umweltschutz auf diese Größenklasse entfallen. Noch größer ist der Anteil der Betriebe mit unter 50 Beschäftigten bei den Dienstleistungen. Rund 90 % aller Dienstleister mit Umweltschutzleistungen (404 von 444 Betrieben) erzielten hier zusammen 69 % der Umsätze.

Regionale Konzentration der Umweltschutzgüterproduktion

Die knapp 1 200 Betriebe im Land, die 2009 Umsätze mit Umweltschutzgütern erzielten, verteilen sich über alle Stadt- und Landkreise. Allerdings bestehen sowohl bei den erzielten Umsätzen als auch den mit Umweltschutzgüterproduktion beschäftigten Personen deutliche regionale Unterschiede. In vier Kreisen summierten sich die Umweltschutzumsätze auf 500 Mill. Euro oder mehr. Außer der Landeshauptstadt Stuttgart gilt dies für die Landkreise Esslingen, Calw und Lörrach. Im Alb-Donau-Kreis waren es knapp 500 Mill. Euro und in Freiburg im Breisgau rund 300 Mill. Euro an Umsatz. Auf diese sechs Kreise konzentrieren sich zusammen etwa 45 % der gesamten Umweltschutz bezogenen Umsätze im Land. In 20 Kreisen des Landes lagen die Umsätze mit Umweltschutzgütern deutlich unter der 100 Mill.-Euro-Marke.

Geringer als beim Umsatzvolumen ist die Streubreite bei den in der Umweltschutzbranche beschäftigten Personen. Eindeutig an der Spitze rangiert hier Stuttgart mit fast 2 300 Beschäftigten, gefolgt von fünf Kreisen (Esslingen, Hohenlohekreis, Rastatt, Calw und Mannheim) mit 1 100 bis fast 1 300 Beschäftigten in der Produktion von Umweltschutzgütern. In den anderen Kreisen bewegt sich die Zahl zwischen gut 200 und knapp 1 000 beschäftigten Personen.

In allen Kreisen werden Umsätze sowohl mit Waren als auch mit Bau- und Dienstleistungen erzielt. Regional sehr unterschiedlich ist das Gewicht der Umsätze mit Gütern für den Klimaschutz. Hohes Gewicht hat dieser Bereich offenbar in all den Kreisen, in denen die Produktion von Waren zur Nutzung erneuerbarer Energien angesiedelt ist. Hierbei besteht ein deutlicher Schwerpunkt bei der Herstellung von Gütern der Photovoltaik und Solarthermie.

Umsätze und Beschäftigte in der Entsorgungswirtschaft

Bei der Interpretation der bis hierher betrachteten Umsätze mit Umweltschutzleistungen ist zu beachten, dass in den Bereichen Abfallwirtschaft und Gewässerschutz der durchaus gewichtige Bereich der Entsorgungswirtschaft, das heißt der Sammlung und Behandlung von Abfällen sowie von Abwasser, bei der Erhebung der Waren, Bau- und Dienstleistungen für Umweltschutz ausgeklammert ist. Dadurch wird eine Doppelbefragung der in diesen Bereichen tätigen Betriebe vermieden. Angaben über Umsätze und Beschäftigte der Unternehmen der einschlägigen Wirtschaftsbereiche gehören seit der Einführung der neuen NACE Wirtschaftszweiggliederung (WZ 2008) zum Produzierenden Gewerbe und werden seit dem Jahr 2008 im Rahmen der Kostenstrukturerhebung im Produzierenden Gewerbe jährlich erfragt.

Danach haben baden-württembergische Unternehmen der Abfall- und Abwasserentsorgung einschließlich der Beseitigung von Umweltverschmutzungen Umsätze in Höhe von über 2,5 Mrd. Euro erzielt. Die Zahl der dort beschäftigten Personen belief sich 2008 auf rund 10 700 Personen1. Die Umsatz- und Beschäftigtenanteile der Einzelbranchen der Abwasser- bzw. der Abfallwirtschaft sind entsprechend ihrer jeweils unterschiedlichen institutionellen Strukturen sehr verschieden groß. Die vielfach im Land von Regiebetrieben der Gemeinden wahrgenommene Abwasserentsorgung ist bei der genannten Strukturerhebung nicht einbezogen. Die Erfassung beschränkt sich auf die rund 200 Eigenbetriebe bzw. privaten Unternehmen mit mindestens 100 000 Kubikmetern Abwasser. Von den dort zusammen 2 700 Beschäftigten wurden insgesamt 720 Mill. Euro Umsatz erwirtschaftet. Hingegen beschäftigten die Unternehmen der im Unterschied zur Abwasserentsorgung weitgehend in Eigenbetrieben oder in privaten Unternehmen organisierten Abfallwirtschaft 2008 im Land immerhin fast 8 000 Personen und erzielten Umsätze in Höhe von über 1,8 Mrd. Euro. Einbezogen sind dabei nur die Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von mindestens 1 Mill. Euro.

Gesamte Umweltbranche mit über 9 Mrd. Euro Umsatz

Die gesamte hier betrachtete Umweltschutzbranche umfasst den nach CEPA 2000 abgegrenzten Bereich des Umweltverschmutzungsmanagements einschließlich Entsorgungswirtschaft sowie die unter dem Bereich Klimaschutz subsumierten Güter zur Nutzung erneuerbarer Energien und zur Energieeffizienzsteigerung. Hierfür errechnet sich in Baden-Württemberg die Gesamtzahl von zuletzt rund 36 000 Beschäftigten und ein jährliches Umsatzvolumen von zusammen über 9 Mrd. Euro. Dies entspricht in der Größenordnung dem Umsatz in der Chemischen Industrie oder bei der Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren im Land.

1 Verschiedentlich wird auch die Wasserversorgung der Umweltschutzwirtschaft zugerechnet. Die baden-württembergischen Unternehmen dieses Bereiches haben 2008 bei knapp 3 900 Beschäftigten Umsätze in Höhe von 850 Mill. Euro erwirtschaftet.