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Rückbau Süd-West?

Teil I: Erklärungsfaktoren der Bevölkerungsentwicklung

Nach der Wiedervereinigung erlebten die Ostdeutschen Bundesländer einen erheblichen Rückgang ihrer Bevölkerung. Um die Attraktivität der Gemeinden zu sichern und den Wohnungsmarkt zu stabilisieren, wurden umfangreiche Rückbauprogramme realisiert. Erstmals in seiner Geschichte wird nun auch für das Bundesland Baden-Württemberg ein anhaltender, wenn auch zunächst moderater Bevölkerungsrückgang erwartet. Es stellt sich daher die Frage, wie sich dies auf die regionale Wohnungsnachfrage auswirken wird. Über Jahrzehnte konnten Stadtplaner und politische Entscheidungsträger relativ sicher sein, die Bevölkerungsentwicklung auch über die Ausweisung attraktiver Baugebiete steuern zu können. Entsprechend eng war die Bevölkerungsentwicklung einer Gemeinde mit der dort anzutreffenden Bautätigkeit verknüpft. Im ersten Teil dieses Aufsatzes werden die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Bevölkerungsentwicklung im Zeitverlauf analysiert. Es zeigt sich, dass der Zusammenhang zwischen Bautätigkeit und Bevölkerungsentwicklung tendenziell rückläufig ist. Im zweiten Teil wird die regionale Entwicklung genauer untersucht.

Deutlicher Bevölkerungsrückgang erwartet

Deutschland verliert bereits seit 2003 regelmäßig an Bevölkerung. Als letzte Flächenländer wurden 2007 Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein von dem Trend rückläufiger Bevölkerungszahlen erfasst. Die aktuelle Bevölkerungsvorausrechung für Baden-Württemberg1 rechnete für die Jahre 2009 und 2010 einen Rückgang um insgesamt rund 4 700 Einwohner voraus.2 Dieser wurde jedoch bereits im Jahr 2009 mit 4 585 Personen nahezu erreicht. Auch wenn der Bevölkerungsrückgang durch die Wirtschaftskrise 2009 – von der Baden-Württemberg im Bundesländervergleich besonders stark betroffen war3 – forciert wurde, so verfestigt sich hiermit der Trend abnehmender Bevölkerungszahlen. In den nächsten Jahrzehnten wird er sich, vor allem aufgrund der Abnahme der Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter und sich daraus ergebenden rückläufigen Geburtenzahlen, weiter verstärken. Für 2060 wird nur noch eine Einwohnerzahl von rund 9 Mill. Einwohnern erwartet.4

Blickt man zurück, so ist die Geschichte Baden-Württembergs von einer ausgesprochen dynamischen Bevölkerungsentwicklung gekennzeichnet. Seit 1950 ist die Bevölkerung von 6,4 Mill. auf 10,7 Mill. Einwohner angewachsen. Entsprechend war die Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum lange eines der zentralen Probleme im Land.5 Mit politischen Fördermaßnahmen gelang es, den Neubau von Wohnungen erheblich anzuregen. Langsam konnte so die Wohnungsnot abgeschwächt werden. Wirkliche Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ergab sich jedoch erst Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre, als die Zahl der Einwohner auf rund 9,2 Mill. stagnierte, die Zahl der Wohnungen jedoch um über 600 000 auf 3,9 Mill. zunahm. Die Belegungsdichte – die rechnerische Zahl der Einwohner pro Wohnung – ging in dieser Zeit auf 2,4 zurück, 1950 lag sie noch bei 4,5.

Jedem Haushalt eine Wohnung?

Bei der Volkszählung von 1987 wurde die Zahl der Wohnungen neu ermittelt. Diese Zahl lag um rund 200 000 niedriger als die Zahl aus der Wohnungsfortschreibung.6 So erklärt sich der Knick im Wohnungsbestand in Schaubild 1. Die Zahl der Haushalte, die bei der Volkszählung 1987 ermittelt wurde, war fast identisch mit der Zahl der Wohnungen, so dass rechnerisch jedem Haushalt eine Wohnung zur Verfügung stand. Dies war bei der Volkszählung 1970 noch nicht der Fall, damals gab es noch 200 000 Haushalte mehr als Wohnungen. Der nachlassende Druck auf dem Wohnungsmarkt äußerte sich schließlich im Rückgang der Zahl der Baufertigstellungen. In Folge der Ende der 80er-Jahre wieder anziehenden Zuwanderung entstanden neue Wohnungsengpässe. Da der Wohnungsmarkt eher träge reagiert, stieg die Zahl der Fertigstellungen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung wieder an. Diese zeitliche Lücke ließ die Belegungsdichte der Wohnungen zwischenzeitlich wieder leicht ansteigen. Bereits 1994 wurde aber der Wert von 1987 wieder unterschritten. Seitdem ging die Belegungsdichte kontinuierlich weiter zurück und erreichte 2009 den Wert von 2,16 Einwohner pro Wohnung.

Da die Größe der Haushalte, nach Ergebnissen des Mikrozensus, ebenfalls abnahm, dauerte es einige Jahre länger, bis rechnerisch für jeden Haushalt wieder eine Wohnung zur Verfügung stand. Dies ist in landesweiter Betrachtung seit 1999 der Fall. Seither kann in quantitativer Hinsicht nicht mehr von einer gravierenden Wohnungsunterversorgung im Landesdurchschnitt ausgegangen werden. Für 2002 wurde ein Leerstand von 6,3 % festgestellt, der bis 2006 auf 7 % oder 348 000 Wohnungen anwuchs. 7 Die höchsten regionalen Leerstandsquoten wurden in der Mikrozensus Zusatzerhebung 2006 in den beiden Regionen im Schwarzwald (Nordschwarzwald und Schwarzwald-Baar-Heuberg) erfasst. Hier stand 2006 fast jede zehnte Wohnung leer. Ebenfalls hoher Leerstand wurde für den baden-württembergischen Teil der Region Donau-Iller und für die Landeshauptstadt Stuttgart ermittelt.

Leerstand heißt in vielen Fällen nicht, dass auf dem Wohnungsmarkt keine Nachfrage besteht. Oft sind Lage, Größe oder Zustand einer Wohnung nicht mit der Nachfrage kompatibel oder Wohnungen werden – aus welchem Grund auch immer – gar nicht am Markt angeboten. Wenn höherer Leerstand regional mit einer positiven Bevölkerungsentwicklung einhergeht, sollte besonderes Augenmerk auf den vorhandenen Wohnungsbestand und darin enthaltene nachfragekonforme Entwicklungsmöglichkeiten gelegt werden.

Erhebungs- und bedarfsverursachte Abweichungen von der Norm »Jedem Haushalt eine Wohnung«

Über 348 000 leerstehende Wohnungen – bei eigentlich übereinstimmenden Zahlen von Haushalten und Wohnungen – macht deutlich, dass die Rechnung je Haushalt eine Wohnung zu vereinfacht ist. Dies ist zum Teil durch erhebungstechnische Unschärfen bedingt, die eine Ermittlung der tatsächlichen Wohnungsversorgung erschweren. Zum Teil gibt es auch abweichende Bedarfe.

Zum Beispiel wird der Wohnungsbestand nur ohne Einbeziehung der Wohnungen und Wohnmöglichkeiten in Wohnheimen fortgeschrieben.8 Das heißt, die Fortschreibung des Wohnungsbestandes umfasst nicht alle tatsächlich vorhandenen Wohnungen. Außerdem gibt es auch Haushalte die keinen Bedarf an einer eigenen Wohnung haben. Davon ist zum Beispiel bei einem Teil der Untermieterhaushalte (2006 nach Mikrozensus rund 78 000), sowie bei einem Teil der Wohngemeinschaften auszugehen. In beiden Fällen teilen sich mehrere Haushalte eine Wohnung.

Es gibt also mehr Wohnungen als in der Wohnungsfortschreibung erfasst und weniger Haushalte mit Wohnungsbedarf als es insgesamt Haushalte gibt. Beides lässt sich jedoch nicht exakt quantifizieren und erst recht nicht für einzelne Gemeinden, daher können die Berechnungen nicht entsprechend korrigiert werden. Auch die Zahl der Haushalte steht nicht zweifelsfrei fest. Sie wird in den Jahren zwischen den Volkszählungen aus der Mikrozensusstichprobe geschätzt. Die tatsächlich im Land vorhandene Zahl der Haushalte, kann von dieser Schätzung abweichen.

Es gibt jedoch auch Faktoren, die den Bedarf nach Wohnungen erhöhen. Erstens dürfen für die Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes nicht alle Wohnungen belegt sein. Es ist eine Fluktuationsreserve für die Bewältigung von Umzügen und Renovierungen erforderlich.9 Hinzu kommt zweitens, dass – vor allem in touristisch attraktiven Gebieten – viele Wohnungen nicht als Hauptwohnsitz eines Haushaltes genutzt, sondern als Ferienwohnung vermietet oder als Pension genutzt werden und so dem Wohnungsmarkt entzogen sind.10 Drittens gibt es auch Haushalte, die Bedarf nach mehr als einer Wohnung haben, so zum Beispiel wenn beruflich bedingt oder als Freizeitwohnung ein Zweitwohnsitz existiert, der ausschließlich selbst genutzt wird.

Jedoch ist auch nicht für alle Haushalte, die mit Zweitwohnsitz in einer Gemeinde gemeldet sind, davon auszugehen, dass sie dort tatsächlich den Bedarf nach einer eigenen ausschließlich von ihnen genutzten Wohnung haben. Zum Beispiel haben häufig Studierende entweder am Studienwohnort oder bei der Wohnung der Eltern einen Zweitwohnsitz angemeldet – hier ist trotz Zweitwohnsitz nur von dem Bedarf einer Wohnung auszugehen.

Zur Bedeutung der Zweitwohnsitzsteuer

Bei den Zweitwohnsitzen gab es in den letzten Jahren erhebliche Ummeldetendenzen vor allem in Universitätsstädten. Diese haben zum Teil eine Zweitwohnsitzsteuer eingeführt, um Studierende dazu zu bewegen, ihren Hauptwohnsitz an der Universitätsstadt anzumelden. Dies hat erhebliche positive Auswirkungen auf die Finanzzuweisungen der Gemeinden. Für Stuttgart sind die daraus erwachsenen Veränderungen annähernd quantifiziert. Während die Zahl der Nebenwohnsitze um knapp 16 000 zurück ging, wuchs die Zahl der Hauptwohnsitze um rund 4 000 an. Wie groß der Anteil an Ummeldungen ist und bei welchem Anteil es sich um tatsächlichen Weg- bzw. Zuzug und damit auch geringeren oder zusätzlichem Wohnungsbedarf handelt, ist nicht ersichtlich.11

Dies sind nur einige Beispiele, die zu Unschärfen bei der Ermittlung der Wohnungsversorgung führen. Leider sind nicht alle senkenden und erhöhenden Faktoren des Wohnungsbedarfs quantifizierbar. Daher ist es bei der derzeitigen Datenlage letztlich nicht möglich, Aussagen darüber zu treffen, ob je Haushalt im Landesdurchschnitt mehr oder weniger als eine Wohnung benötigt wird. 12

Eine weitere Schwierigkeit kommt bei kleinräumigerer Analyse noch hinzu. Da die Zahl der Haushalte aus dem Mikrozensus ermittelt wird, liegt sie für Gemeinden nicht vor. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist, nicht mit den Haushalten sondern mit Einwohnerzahlen und nicht mit den Absolutzahlen, sondern mit Veränderungswerten zu arbeiten. So ist bei einer Gemeinde mit 20 000 Einwohnern bei einer Haushaltsgröße von 2,0 von einem theoretischen Bedarf von 10 000 Wohnungen auszugehen, bei einer Haushaltsgröße von 2,5 jedoch nur von 8 000. Ohne verlässliche Daten zur Zahl der Haushalte, kann in dieser Gemeinde bei einem Wohnungsbestand von beispielsweise 9 000 Wohnungen eine Über- oder Unterversorgung von über 10 % bestehen. Diese Zahlen sind also nur bedingt aussagekräftig. Anders sieht es aus, wenn die Veränderungsraten betrachtet werden. Nimmt die Bevölkerung prozentual stärker zu als die Zahl der Wohnungen, so zeigt dies ziemlich eindeutig an, dass die Nachfrage nach neuem Wohnraum größer ist als das Angebot an neuen Wohnungen und vermutlich ein weiterer Wohnungsneubaubedarf besteht. Auf wahrscheinlich steigende Leerstände weißt hingegen hin, wenn trotz Wohnungszunahme13 über einen längeren Zeitraum ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen ist. Aufgrund kleiner werdender Haushalte ist es in den meisten Fällen noch unproblematisch, wenn die Bevölkerungsentwicklung nur unwesentlich hinter der Entwicklung der Zahl der Wohnungen zurückbleibt.

Reagiert der Wohnungsmarkt auf die Bevölkerungsentwicklung?

Dass die Wohnungs- und die Bevölkerungsentwicklung meist eng miteinander verknüpft sind, wird in Schaubild 3 sichtbar. Sie zeigt die Zusammenhänge seit der letzten Volkszählung 1987 genauer auf. Im Jahr nach der Volkszählung wuchs die Zahl der Einwohner um 1,1 % die Zahl der Wohnungen um 1,0 %. Im Folgejahr stieg das Bevölkerungswachstum aufgrund der Umwälzungen in Osteuropa spürbar an. Zunehmende Bautätigkeit und – mit einigen Jahren Verzögerung – ein ansteigender Wohnungsbestand waren die Folgen. 1990 erreichte die Bevölkerungszunahme dieser Phase mit 2,1 % ihren Höhepunkt, die Wohnungsentwicklung erst 1994 mit 2,3 %. Die Bautätigkeit nahm in den Folgejahren langsamer ab als die Bevölkerungszunahme. So kam es zu einer Entkoppelung von der Entwicklung der Zahl der Wohnungen und der Entwicklung der Einwohnerzahl auf Gemeindeebene. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Entwicklungen ist im unteren Bereich des Schaubildes 3 durch die rote Linie beschrieben. Dies trug in den Jahren nach 1990 im Landesdurchschnitt zur Entzerrung in der Wohnsituation bei. Zum Beispiel könnten zunächst bei Verwandten oder in Untermietverhältnissen untergekommene Zuwanderer aus Ostdeutschland und Osteuropa eigene Wohnungen bezogen haben.

Erst 2002 erreichte der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Zahl der Wohnungen und der Zahl der Einwohner wieder den eigentlich erwartbaren hohen Wert. Die Werte für die Stärke des statistischen Zusammenhangs zu Beginn des Beobachtungszeitraums und in den Jahren 2001 und 2002 liegen über 0,8 und sind als sehr starker Zusammenhang zu interpretieren. 14 Seit 2002 ist der Zusammenhang zwischen Wohnungsentwicklung und Bevölkerungsentwicklung tendenziell rückläufig.

Der Zusammenhang zwischen Arbeitsmarktentwicklung und Bevölkerung ist weniger eng

Schwankungen in der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sind sehr viel dynamischer als die Schwankungen der Einwohnerzahlen. Über 3 % Beschäftigungszuwachs pro Jahr von 1989 bis 1991 wurden 1992 bis 1997 von Jahren des Beschäftigungsrückgangs abgelöst, der 1993 auch fast die 3 % Marke erreichte. Die Bevölkerungsentwicklung im Land reagierte in der Vergangenheit vor allem auf starke Einbrüche am Arbeitsmarkt auch mit rückläufigen Wachstumsraten aufgrund eines schrumpfenden Wanderungssaldos.15 Bis 2005 wuchs die Bevölkerung aus dem Bestand, da mehr Kinder geboren wurden als Menschen starben. Diese natürliche Bevölkerungsentwicklung ist seit 2006 negativ. Die Einwohnerzahl Baden-Württembergs nimmt also nur noch zu, wenn die Differenz zwischen Zu- und Abwanderung größer ist als der Sterbefallüberschuss. Daher ist damit zu rechnen, dass künftig Wirtschaftskrisen nicht mehr das Bevölkerungswachstum reduzieren, sondern den Bevölkerungsverlust verstärken werden. Erstmals wurde dies bei der Krise 2009 sichtbar.

Werden im oberen Teil des Schaubildes 3 nur die Zusammenhänge auf Landesebene betrachtet, so zeigen die Korrelationsanalysen den Zusammenhang der Entwicklungen in den 1 102 Gemeinden des Landes auf. Spannend ist besonders der Zeitraum ab 1991 in dem sich die Wohnungs- und Bevölkerungsentwicklung entkoppeln. Der Zusammenhang zwischen Beschäftigungs- und Bevölkerungsentwicklung ist hier zwar auch rückläufig, bleibt aber deutlich positiv. Hier war eindeutig die Beschäftigungsentwicklung für die Bevölkerungsentwicklung der Gemeinden prägender als die Entwicklung der Zahl der Wohnungen. Dies ist vermutlich der sich damals sukzessive entspannenden Situation auf dem Wohnungsmarkt geschuldet. Dies machte es den Beschäftigten einfacher, ihren Wohnort an den Beschäftigungsort anzupassen. In der Krisensituation nach 2000 verhielt es sich anders. Da hier das Bevölkerungswachstum nur minimal hinter dem Wohnungszuwachs zurück blieb, gab es nicht die Flexibilität auf dem Wohnungsmarkt, die die Anpassung des Wohnorts an den Beschäftigungsort erleichterte.

Diese erste landesweite Betrachtung zeigt auf, dass die Triebfedern der Bevölkerungsentwicklung im Zeitverlauf variieren. Außer den betrachteten Faktoren des Wohnungs- und Arbeitsplatzangebotes gibt es natürlich auch noch viele weitere Faktoren, die die Wohnortwahl mitbestimmen. So verändern sich auch die Vorstellungen vom idealen Wohnort, der für viele in den 90er-Jahren noch im grünen Umland der Ballungszentren lag. Seit der Jahrtausendwende ist jedoch ein Trend zum Wohnen in der Stadt beobachtbar.16 Auch werden Standortfaktoren wie Kinder- bzw. Seniorenbetreuungsangebote für die Wohnortwahl bedeutsamer. Daneben gibt es ganz individuelle Umzugsmotive, wie beispielsweise der Zusammenzug mit einem Partner. Aufgrund des Fehlens kleinräumiger statistischer Daten zum Beispiel zu Kinderbetreuungsangeboten oder zu individuellen Umzugsmotiven, sind diese jedoch nicht vergleichbar analysierbar.17

Fazit

In der landesweiten Betrachtung gab es seit 1987 eine angemessene Reaktion der Bautätigkeit auf die Bevölkerungsentwicklung. Nun ist bei dieser Betrachtung aber nicht gewährleistet, dass die Immobilien auch dort entstanden, wo sie auch künftig benötigt werden. Bei kleinräumiger Analyse gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass in einzelnen Gemeinden ein deutliches Überangebot an Wohnraum entstand, das sich bei rückläufigen Einwohnerzahlen weiter erhöhen würde. Vor allem auf längere Sicht – wenn sich der Bevölkerungsrückgang aller Voraussicht nach beschleunigen wird – können regionale Überangebote entstehen, die Rückbau- und Konzentrationsmaßnahmen sinnvoll erscheinen lassen. Kleinräumigen Analysen, die solche Gemeinden lokalisieren helfen, widmet sich der zweite Teil dieses Artikels, der im nächsten Heft erscheinen wird.

1 Siehe Payk, Bernhard/Schmidt, Heike/Schwarck, Cornelia: »Regionale Bevölkerungsvorausrechnung bis 2030 für Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2010«, S. 3 ff.

2 Kürzere Vorausrechnungszeiträume als im Monatsheftartikel sowie Ergebnisse für alle Gemeinden (> 5 000 Einwohner) in Baden-Württemberg sind aus der Struktur- und Regionaldatenbank abrufbar.

3 Siehe Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.): Zukunft Baden-Württemberg, Indikatoren im Vergleich 2010, S.24 ff.

4 Siehe: Bevölkerung und Familienstrukturen.

5 Vgl. Schmidt, Heike: »Aspekte des Eigenheimbaus in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 3/2008«, S. 3–8.

6 Diese Korrektur entstand hauptsächlich dadurch, dass Abgänge aus dem Wohnungsbestand nicht vollständig meldepflichtig sind. Dies gilt zum Beispiel für die Zusammenlegung von mehreren Wohnungen zu einer Wohnung. Mit der Gebäude- und Wohnungszählung 1987 wurde der Bestand zudem um die als Folge vorheriger Steuervergünstigungen entstandenen »unechten« Zweifamilienhäuser bereinigt. Dabei handelte es sich um Einfamilienhäuser mit für die Steuer konzipierter Einliegerwohnung, die faktisch nicht als separate Wohnungen genutzt wurden.

7 Eine Wohnung wird im Mikrozensus als leerstehend definiert, wenn der Interviewer dort mehrfach keine Bewohner angetroffen hat und die Wohnung den Eindruck vermittelt, nicht bewohnt zu sein. Es wird davon ausgegangen, dass die Leerstände im Mikrozensus etwas überschätzt werden. Da es sich beim Mikrozensus um eine Stichprobe handelt, sind keine kleinräumigeren Analysen zum Leerstand möglich.

8 Dies ist auf definitorische Abweichungen zwischen der Bestandszählung 1987 und dem zum für die Fortschreibung des Bestands nutzbaren Datenmaterial aus der Bautätigkeitsstatistik zurückzuführen. Zudem ist nicht jede Baumaßnahme meldepflichtig, sodass der erreichte Erfassungsgrad von entscheidender Bedeutung ist. Auch ist keine Aussage über die Qualität des Wohnraums, seine Bewohnbarkeit oder Bezahlbarkeit möglich. Zu den methodischen Unwegbarkeiten siehe auch Schmidt, Heike: »Jedem Haushalt eine Wohnung!«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 12/2006«, S. 35 ff.

9 Das Statistische Landesamt geht hier von einem mittleren Wert von 2,5 % des Wohnungsbestandes aus, siehe: Wohnungsbedarfsvorausrechnung.

10 Die Gesamtzahl der als Ferienwohnung vermieteten oder als Pension genutzten Wohnungen wird nicht erhoben. Die Tourismusstatistiken erfassen nur Ferienwohnungen und Pensionen, die neun und mehr Betten haben. So lässt sich der Umfang touristisch genutzten Wohnraums nicht quantifizieren.

11 Vgl. Schmitz-Veltin, Ansgar: Die Einwohnerentwicklung Stuttgarts im Jahr 2010: Zweitwohnungssteuer und Geburtenüberschuss, in: Statistisches Monatsheft der Stadt Stuttgart, 2/2011, S. 49 ff.

12 Erst die Ergebnisse des Zensus 2011, die in rund 2 Jahren vorliegen, werden hier exaktere Analysen auch kleinräumiger Natur ermöglichen.

13 Einen empirischen Fall in dem die Zahl der Wohnungen in der Wohnungsfortschreibung rückläufig ist, gibt es nicht.

14 Der abgebildete Korrelationskoeffizient wird aus den absoluten jährlichen Entwicklungen der Zahl der Wohnungen und der Einwohnerzahl in den Gemeinden des Landes errechnet. Er kann maximal den Wert 1 erreichen. Dies würde einem perfekten linearen Zusammenhang zwischen den beiden Entwicklungen entsprechen. Den Wert Null nimmt der Korrelationskoeffizient an, wenn kein Zusammenhang besteht, den Wert – 1 bei einem perfekten negativen Zusammenhang.

15 Zu beachten ist, dass die Zahlen zur Beschäftigung bereits am 30. Juni eines Jahres festgestellt werden, der Stichtag des Bevölkerungsstandes jedoch der 31. Dezember ist. Die Veränderungsraten der Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sind denen der Bevölkerung also um ein halbes Jahr vorgelagert.

16 Siehe Brachat-Schwarz, Werner: »Reurbanisierung – Gibt es eine »Renaissance der Städte« in Baden-Württemberg?«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2008«.

17 Einige interessante Aufsätze zur Umzugsmobilität auf Individualdatenbasis finden sich im Doppelheft 3-4/2008 der Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft.