:: 6/2011

Erneuerbare Energien: Chancen für die Landwirtschaft

In Baden-Württemberg werden derzeit rund 15 % des Stromes aus regenerativen Energien gewonnen (Stand 2009). Damit verdoppelte sich innerhalb von 10 Jahren der Anteil regenerativer Energien an der Bruttostromerzeugung. Diese Steigerung wurde in erster Linie durch die intensive Nutzung von Biogas und dem Ausbau von Anlagen zur Nutzung von Sonnenenergie möglich. Dabei steht vor allem die Landwirtschaft bei den regenerativen Energien im Fokus: Als Produzent von »Rohstoffen« in Form von Energiepflanzen und durch Bereitstellung großer Flächen für Solaranlagen. Ungefähr ein Viertel der landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg nutzt mittlerweile die verschiedenen Möglichkeiten zur Erzeugung erneuerbarer Energien und ergreift damit die Chance, neue Einnahmequellen zu erschließen.

Der Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt in Baden-Württemberg zu rund 2,1 % aus Photovoltaikanlagen, 4,9 % werden durch Biomasse erzeugt, 6,8 % durch Wasserkraft und aus Windkraftanlagen werden 0,8 % erzielt.1 Die aus erneuerbaren Energien kommende Strommenge soll in den nächsten Jahren deutlich gesteigert werden. Bundesweit wird nach dem derzeitigen Stand bis 2020 eine Mindestmarke von 30 %2 angepeilt. Um den Ausbau regenerativer Energien zu unterstützen, wird der Bau von Anlagen mit zinsgünstigen Darlehen und einer Vergütung auf die Einspeisung von Strom aus regenerativen Energien staatlich gefördert.3 Im landwirtschaftlichen Bereich werden in Baden-Württemberg derzeit 10 674 Anlagen zur regenerativen Energiegewinnung betrieben. Damit können die meisten Betriebe ein Zusatzeinkommen im energetischen Bereich erwirtschaften, was angesichts der schwankenden Einkünfte aus der Erzeugung von Lebensmitteln auch ein Stück Existenzsicherung bedeutet.

Solarenergie: die Nr. 1

Von der Sonne profitieren die Landwirte nicht erst, seit es Solaranlagen gibt. Jede Pflanze betreibt in Form der Photosynthese mit Hilfe der Sonnenenergie ihr eigenes kleines »Kraftwerk«, ohne die auch keine Getreide- oder Obsternten möglich wären. Ungeachtet dieser unzähligen »pflanzlichen Solaranlagen« stehen jedoch die Anlagen zur Nutzung von Solarenergie zahlenmäßig unangefochten an vorderster Stelle. Neben der Solarthermie zur Erzeugung von Warmwasser oder zur Heizungsunterstützung sind vor allem Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung weit verbreitet. Hier bieten die großen Dachflächen der Scheunen und Ställe – bei richtiger Sonnenausrichtung – ideale Voraussetzungen zur Installation von Anlagen. Dabei dürfte das Potential an geeigneten Gebäuden noch lange nicht ausgeschöpft sein. Zudem haben die Solaranlagen gegenüber Biogas- oder Windkraftanlagen den Vorteil, dass die Investitionskosten vergleichsweise niedrig sind und die Montage relativ einfach zu bewerkstelligen ist. Der Aufbau von großen Photovoltaikparks auf Freiflächen, auf Äckern oder Grünland spielt dagegen momentan keine bedeutende Rolle.

Die staatlich garantierten Einspeisevergütungen4 für Strom aus Photovoltaikanlagen unterliegen einer jährlichen Degression, das heißt die Vergütung für neue Anlagen wird von Jahr zu Jahr niedriger. Trotzdem bleiben Investitionen in Photovoltaikanlagen nach wie vor attraktiv, da im Gegenzug in den letzten Jahren die Preise für Solarmodule stark zurückgingen. Fast ein Viertel aller landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg und damit über 10 000 Betriebsinhaber setzt inzwischen auf die Nutzung von Sonnenenergie und erzeugt damit entweder Strom oder das eigene Warmwasser. Bei diesen Voraussetzungen ist es fast nicht verwunderlich, dass Landwirte die größte Käufergruppe für Photovoltaikanlagen5 bilden. In Baden-Württemberg befinden sich die Regionen mit der höchsten Intensität der Sonnenstrahlung und damit den besten Voraussetzungen zur Nutzung der Sonnenenergie in Südbaden und im südöstlichen Landesteil. Vor allem die Landwirte der letztgenannten Region scheinen diese auch zu nutzen. Die größte Zahl an Solarmodulen auf landwirtschaftlichen Betrieben ist im Kreis Ravensburg mit 950 Anlagen zu finden, gefolgt von Schwäbisch Hall mit 733 Anlagen.

Biogas: eine besondere Form der »Veredlung«

Die Gewinnung von Biogas und Wärme durch Vergärung von Gülle und Energiepflanzen wie Silomais und grün geerntetem Getreide hat in den letzten Jahren in Baden-Württemberg sprunghaft zugenommen. Die Einführung des Güllebonus im Jahr 2009 löste einen weiteren Investitionsschub aus. Durch den zusätzlichen Bonus für Strom aus Anlagen bis 150 Kilowatt (kW) stieg auch für kleinere »Hof-Biogasanlagen« auf Betrieben mit Viehhaltung die Rentabilität.6 Voraussetzung für den Erhalt des Güllebonus ist ein Einsatz von mindestens 30 % Gülle in der Biogasanlage. Im Südwesten sind 507 Biogasanlagen Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes (siehe i-Punkt). Insgesamt wurden Mitte letzten Jahres 683 Anlagen in Baden-Württemberg betrieben.7 In fast allen landwirtschaftlichen Anlagen wird Gülle als Gärsubstrat – allein oder als Komponente – eingesetzt. In 85 % der Einrichtungen beträgt der Anteil von Gülle an der vergärbaren Masse über 30 %. Lediglich in 7 % der Anlagen wird darauf verzichtet. Während ungefähr ein Drittel der Anlagen zu den Kleineren mit unter 150 kW zu zählen sind, kann über die Hälfte der Anlagen eine Nennleistung zwischen 150 und 500 kW erreichen. Die mittlere installierte Nennleistung liegt bei 234 kW.

Für die Nutzung von pflanzlichen Rohstoffen zur Gewinnung von Wärme oder Strom gibt es aber auch noch andere Möglichkeiten. In 146 Anlagen wird Energie aus Miscanthus, biogenen Abfallstoffen oder ölreichen Pflanzen in Biomasseheizkraftwerken produziert. Für die einzelbetriebliche Gewinnung von Wärme zur Heizung von Gewächshäusern oder Betriebs- und Wohnräumen sind Heizanlagen geeignet, die mit Holzhackschnitzel oder Pellets bestückt werden. So können Betriebe mit Waldflächen diese zur eigenen Energieversorgung heranziehen, wobei momentan 162 Anlagen im Einsatz sind.

Wind und Wasser: die Urformen der Energiegewinnung

Die Nutzung von Wind und Wasser zur Energiegewinnung hat eine lange Tradition. Früher war ohne Wasser- oder Windkraft der Betrieb von Säge- und Getreidemühlen undenkbar. Heute stellt die Stromgewinnung aus Wasserkraft in großen Laufwasser- und Speicheranlagen in vielen Ländern einen wichtigen Bestandteil der Grundlastversorgung dar. Die 87 Wasserkraftwerke auf landwirtschaftlichen Betrieben dürften dagegen vornehmlich den Kleinwasserkraftwerken zuzurechnen sein. Oftmals werden hier auch vorhandene Anlagen reaktiviert. Wasserkraft zur Stromerzeugung wird vorwiegend in den wasserreichen Gegenden des südlichen Landesteils genutzt. Hier sind besonders die Kreise Breisgau-Hochschwarzwald und Ortenaukreis, aber auch Ravensburg, Biberach und der Alb-Donau-Kreis zu nennen.

Der Bau von den insgesamt mit hohen Investitionen verbundenen Windkraftanlagen ist nur in Gegenden mit genügend Windstärke rentabel. Günstige Standorte stellen nach der Windkarte8 Baden-Württembergs vor allem die hohen Lagen des Schwarzwaldes, die Schwäbische Alb und Teile des östlichen Baden-Württembergs dar. Insgesamt drehen etwa 370 Windkraftanlagen ihre Räder im Land. An 72 Anlagen sind landwirtschaftliche Betriebe beteiligt, von denen ungefähr ein Drittel zwischen dem Main-Tauber-Kreis und dem Ostalbkreis steht.

Erneuerbare Energien als Einkommensquelle

Je größer ein landwirtschaftlicher Betrieb ist, desto häufiger wird in Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien investiert. So sind bei Betriebsgrößen von weniger als 5 Hektar (ha) lediglich auf 8 % der Höfe Anlagen zur erneuerbaren Energie zu finden. Ganz anders verhält es sich bei großen Betrieben, die eine Fläche von über 100 ha bewirtschaften. Hier verfügt fast jeder zweite Betrieb über ein Zusatzeinkommen durch eine Biogas-, eine Solaranlage oder eine andere Form der Energiegewinnung. Allerdings bewegen sich die insgesamt 2 783 Betriebe in dieser Größenklasse in einer überschaubaren Größenordnung. Wesentlich mehr Betriebe bewirtschaften in Baden-Württemberg zwischen 20 bis 50 ha. In der am stärksten besetzten Größenklasse mit 10 353 landwirtschaftlichen Betrieben setzt ungefähr jeder Dritte auf erneuerbare Energien. Je kleiner die Betriebe werden, umso weniger besteht offenbar die Neigung, in regenerierbare Energien zu investieren. Bereits im Bereich von 10 bis 20 ha ist es nur noch jeder fünfte Betrieb, der über diesen Betriebszweig ein Zusatzeinkommen bezieht. Die Bewirtschafter größerer Flächen setzen demnach stärker als kleinere Betriebe zur Absicherung ihrer Existenz auch auf ein Zusatzeinkommen, das nicht aus der Produktion von Lebensmitteln stammt. Allerdings finden sich unter den Betrieben aus den kleineren Größenklassen auch verstärkt Nebenerwerbslandwirte, die ihr Einkommen im Wesentlichen aus nicht landwirtschaftlicher Tätigkeit erhalten. Für einen neuen Betriebszweig, der durch die Installation einer Anlage zur Gewinnung regenerativer Energie entstehen würde, besteht hier vielleicht nicht die wirtschaftliche Notwendigkeit.