:: 6/2011

Wahlverhalten der Baden-Württemberger bei der Landtagswahl 2011

Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik

Neben den endgültigen Wahlergebnissen (siehe Beitrag Frie, Britta/Muno, Katharina/Speich, Wolf-Dietmar: »Gesundheitswirtschaft und Wertschöpfungsansatz nach WZ 2008«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2011«) ist auch das Wahlverhalten der Wählerinnen und Wähler von großem Interesse. Wie unterscheiden sich Jung und Alt in Sachen Wahlbeteiligung, wen haben Männer und Frauen gewählt, und wie setzt sich die Wählerschaft der Parteien demografisch zusammen? Daten über die Wahlberechtigten, die Wahlbeteiligung, die Stimmabgabe sowie über die Zusammensetzung der Wählerschaft nach Geschlecht und Altersgruppen liefert die Repräsentative Wahlstatistik, die – im Unterschied zu den Befragungen der Wahlforschungsinstitute – nicht das erfragte, sondern das tatsächliche Wahlverhalten widerspiegelt.

Weniger jungen Wahlberechtigten steht eine zunehmende Zahl älterer gegenüber

Durch die demografische Alterung hat sich die Altersstruktur der Wahlberechtigten1 in Baden-Württemberg seit 1980 erheblich verschoben. Bei der Landtagswahl 1980 war noch knapp jeder dritte Wahlberechtigte unter 35 Jahre alt (30,0 %) und jeder vierte Wahlberechtigte 60 Jahre oder älter (25,5 %). Zur Landtagswahl 2011 befand sich bereits fast jeder dritte Wahlberechtigte im Seniorenalter (31,8 %), nicht einmal mehr jeder Vierte war jünger als 35 Jahre (23,1 %). Das politische Einflusspotenzial der älteren Wahlberechtigten hat sich demnach gegenüber 1980 rein quantitativ betrachtet spürbar erhöht, das der jungen Generation entsprechend reduziert.

Die jungen Baden-Württemberger »verschenken« durch geringere Wahlbeteiligung politisches Einflusspotenzial

Die Möglichkeiten der jüngeren Baden-Württemberger, durch Teilnahme an Wahlen Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen, sind nicht nur durch die abnehmende Zahl der jüngeren Wahlberechtigten reduziert, sondern auch durch die vergleichsweise niedrige Wahlbeteiligung der jungen Generation. So blieb die Wahlbeteiligung2 der jüngeren Wahlberechtigten bei der Landtagswahl 2011 deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt von 66,3 % (hier: Wahlbeteiligung aller Wahlberechtigten). Lediglich 49,1 % der unter 35-jährigen Wahlberechtigten machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch, von den 60-Jährigen und älteren gingen dagegen 69,9 % zur Wahl. Somit war bei der Landtagswahl 2011 ein gutes Drittel der Wählerschaft (35,6 %) 60 Jahre oder älter, nur 18,1 % waren unter 35 Jahre alt.

Je älter die Baden-Württemberger, desto höher die Wahlbeteiligung

Wie bei vorangegangenen Parlamentswahlen auch kann für die Wahl zum 15. Landtag von Baden-Württemberg eine mit zunehmendem Alter steigende Wahlbeteiligung festgestellt werden. Die niedrigste Wahlbeteiligung war bei der Landtagswahl 2011 bei den 25- bis 29-Jährigen zu beobachten. Von dieser Altersgruppe beteiligten sich nur 46,5 % am Urnengang, womit die Wahlbeteiligung dieser Gruppe um nahezu 20 Prozentpunkte unter dem Landesschnitt lag. Demgegenüber fiel die Wahlbeteiligung der Jungwähler von 18 bis 20 Jahren mit 56,4 % fast 10 Prozentpunkte höher aus. Von den Wahlberechtigten zwischen 30 und 34 Jahren ging jeder Zweite zur Wahl (50 %), bei den 50- bis 59-Jährigen lag die Teilnahmequote mit 67,3 % bereits über dem Landeswert. Die höchste Wahlbeteiligung hatten – wie auch bei früheren Wahlen – die 60- bis 69-Jährigen mit 74,1 %. Bei den 70-jährigen und älteren Wahlberechtigten ging der Wahleifer wieder deutlich zurück (67,3 %).

Männer nach wie vor mit höherer Wahlbeteiligung als Frauen

Die Wahlbeteiligung der Frauen lag – wie bei allen bisherigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg – auch bei der Landtagswahl 2011 unter der der Männer. Dies resultiert daraus, dass die unter 30-jährigen und die 50-jährigen und älteren Frauen seltener wählen gehen als die Männer dieser Altersgruppen. Ein besonders großer Vorsprung der Männer war bei den 70-Jährigen und Älteren zu beobachten, von denen 74,4 % der Wähler, aber nur 62,3 % der Wählerinnen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten. Als Gründe hierfür nennt die Wahlforschung zunehmende Gebrechlichkeit hochbetagter Frauen und das damit einhergehende zurückgehende Interesse an Politik. Da es deutlich mehr hochbetagte Frauen als Männer gibt, schlägt sich dies bei den Frauen zahlenmäßig entsprechend stärker nieder.

Bemerkenswert bei der Landtagswahl 2011 ist jedoch, dass Frauen ihre männlichen Altersgenossen in Sachen Wahlbeteiligung in sämtlichen Altersgruppen zwischen 30 und 49 Jahren mittlerweile überholt haben, wenn auch der Abstand teilweise gering ist. Noch bei der Landtagswahl 2006 lagen die Frauen lediglich in der Gruppe der 35- bis 39-Jährigen knapp vorne. Am 27. März 2011 gingen von den Wählerinnen zwischen 30 und 49 Jahren 60,1 % zur Wahl, bei den Männern waren es nur 59,3 %.

Insgesamt lag die Wahlbeteiligung der Frauen bei 61,4 %, die der Männer bei 63,7 %. Damit hat sich der geschlechterspezifische Unterschied in der Wahlbeteiligung bereits zum vierten Mal in Folge bei Landtagswahlen in Baden-Württemberg auf nun 2,3 Prozentpunkte verringert. Bei der Landtagswahl 1992 fiel die Wahlbeteiligung der Wähler um gut 4 Prozentpunkte höher aus als die der Wählerinnen, bei der Landtagswahl 2006 waren es noch knapp 3 Prozentpunkte.

Steigende Wahlbeteiligung in allen Bevölkerungsgruppen

Der starke Anstieg der Wahlbeteiligung von 53,4 % bei der Landtagswahl 2006 auf 66,3 % bei der Landtagswahl 2011 ist bei Männern und Frauen zu beobachten und spiegelt sich in allen Altersklassen wider. Bei den unter 25-Jährigen war allerdings ein besonders hoher Anstieg von 15,4 Prozentpunkten zu verzeichnen. Bei den 45- bis 59-Jährigen lag die Zunahme mit 13,6 Prozentpunkten ebenfalls spürbar über dem landesweiten Plus von 12,9 Prozentpunkten. Am geringsten (9,6 Prozentpunkte) fiel der Anstieg bei den 60 Jahre und älteren Wählern aus – allerdings zeichnet sich diese Gruppe traditionell auch durch die mit Abstand höchste Wahlbeteiligung aus. Am stärksten zugelegt haben die Jungwählerinnen zwischen 18 und 20 Jahren. Ihre Teilnahmequote an der Landtagswahl 2011 fiel um 16,3 Prozentpunkte höher aus als noch vor 5 Jahren.

CDU mit Stimmenverlusten in allen Altersgruppen

Die Stimmenverluste der CDU bei der Landtagswahl 2011 beruhen ganz besonders auf der Wahlentscheidung der 18- bis 24-jährigen sowie der 45- bis 59-jährigen Wähler.3 In diesen beiden Altersgruppen hatten die Christdemokraten prozentual betrachtet überdurchschnittlich hohe Stimmenrückgänge (– 5,8 bzw. – 6,6 Prozentpunkte) zu verkraften. Am wenigsten verloren haben die Christdemokraten bei den 35- bis 44-jährigen Wählern (– 3,3 Prozentpunkte). Wie bereits bei der Landtagswahl 2006 war die CDU auch am 27. März 2011 bei den Senioren besonders erfolgreich. Knapp die Hälfte (49,8 %) der 60-Jährigen und Älteren machten ihr Kreuz bei den Christdemokraten, die 70 Jahre und Älteren sogar zu 54,6 %. In allen anderen Altersgruppen, also bei den Wählern unter 60 Jahren, blieb die CDU bisweilen deutlich unter ihrem Landesdurchschnitt. Der geringste Rückhalt für die Union konnte mit nur 30,5 % bei den 18- bis 24-jährigen Jungwählern festgestellt werden. Wie bereits bei der Landtagswahl 2006 wurde die CDU etwas häufiger von Frauen (39,3 %) als von Männern (38,7 %) gewählt, wenngleich die Union ihre stärksten Verluste bei Frauen zwischen 45 und 59 Jahren hinzunehmen hatte (– 7,5 Prozentpunkte).

Fast jeder Dritte in Baden-Württemberg zwischen 35 und 59 Jahren wählte die GRÜNEN

Die GRÜNEN verzeichneten bei der Landtagswahl 2011 als einzige im Landtag vertretene Partei prozentuale Stimmengewinne. Sie konnten – mit Ausnahme der 60 Jahre und älteren Wähler – in allen Altersgruppen im zweistelligen Bereich zulegen. Die höchsten Stimmengewinne verbuchten die GRÜNEN bei den 45- bis 59-jährigen Wählern mit einem Plus von 18,5 Prozentpunkten. In allen Altersgruppen unter 60 Jahren erzielten sie überdurchschnittliche Ergebnisse. Besonders stark war der Rückhalt bei den 35- bis 59-Jährigen. Von allen Wählern dieser Altersgruppe entschieden sich 31,9 % für die GRÜNEN. Unter den Wählerinnen waren es noch mehr. Gut jede dritte Baden-Württembergerin zwischen 35 und 59 Jahren (34,5 %) hat die GRÜNEN gewählt. Am wenigsten Erfolg war ihnen hingegen bei den 70-jährigen und älteren Baden-Württembergern beschieden. Von den Männern dieses Alters wählten nur 9,0 % die GRÜNEN. Wie bereits bei der Landtagswahl 2006 schnitten die GRÜNEN auch bei der Landtagswahl 2011 bei Frauen (26,1 %) besser ab als bei Männern (22,2 %).

SPD erlebt stärkste Einbußen bei den 35- bis 44-jährigen Wählerinnen

Die Sozialdemokraten mussten bei allen Wählern unter 60 Jahren überdurchschnittliche Stimmenrückgänge hinnehmen. Nur bei den Seniorinnen und Senioren im Alter von 60 und mehr Jahren konnte die SPD leichte Stimmengewinne von 0,6 Prozentpunkten verbuchen. Bei den Frauen verzeichnete die SPD stärkere Einbußen in der Wählergunst als bei den Männern, und hier am stärksten bei den 35- bis 44-jährigen Wählerinnen. In dieser Wählergruppe wurde mit einem Minus von 10,2 Prozentpunkten der höchste Stimmenrückgang für die Sozialdemokraten gemessen. Bei den Wählerinnen im Alter von 35 bis 44 Jahren hatte die SPD mit lediglich 18,2 % auch insgesamt den geringsten Rückhalt. Die größte Unterstützung für die Sozialdemokraten kam mit einem Stimmenanteil von 26,8 % aus dem Lager der 70-Jährigen und älteren männlichen Baden-Württemberger. Insgesamt wurden die SPD etwas häufiger von Männern (23,4 %) als von Frauen (22,9 %) gewählt.

FDP verliert besonders stark bei 25- bis 34-jährigen Männern

Die Stimmenverluste der FDP bei der Landtagswahl 2011 sind auf die Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler aller Altersklassen zurückzuführen. Besonders hoch fallen die Verluste bei den 25- bis 34-jährigen Wählern aus (– 7,0 Prozentpunkte). Betrachtet man nur die Männer dieser Gruppe, so liegt der Rückgang in der Wählergunst sogar bei 7,9 Prozentpunkten. Dies ist gleichzeitig die Wählergruppe, in der die FDP bei der Wahl vor 5 Jahren mit einem Plus von 5 Prozentpunkten am stärksten hatte zulegen können. Insgesamt schnitt die FDP bei Frauen (4,8 %) schlechter ab als bei Männern (5,8 %). So ist es auch eine weibliche Wählergruppe, in der die Liberalen ihren geringsten Rückhalt fanden. Nur 3,8 % der Wählerinnen unter 25 Jahren gaben der FDP ihre Stimme. Am besten konnte die FDP dagegen bei den 60- bis 69-jährigen Männern punkten, von denen sich 6,9 % für die Liberalen entschieden.

Wer hat die LINKE und die PIRATEN gewählt?

Von den sonstigen Parteien konnten sowohl die LINKE als auch die PIRATEN Ergebnisse von über 2 % für sich verbuchen. Dabei war die LINKE bei Männern (3,4 %) erfolgreicher als bei Frauen (2,3 %). Die größte Unterstützung kam aus der Gruppe der Männer im Alter von 60 bis 69 Jahren (4,5 %), während die Frauen im Alter über 70 Jahren am seltensten ihr Kreuz bei der LINKEN machten (1,2 %). In keiner Wählergruppe kam die LINKE auf 5 % oder darüber hinaus. Wären am Wahlsonntag nur die Baden-Württemberger im Alter von 18 bis 34 Jahren wahlberechtigt gewesen, wäre den PIRATEN der Einzug ins Landesparlament gelungen. Mit 6,2 % bei den 18- bis 24-jährigen und 5,0 % bei den 25- bis 34-jährigen Wählern konnten die PIRATEN jeweils Ergebnisse über der 5 %-Hürde erzielen. Bei den Männern dieser Altersgruppen lagen sie sogar bei 7,9 bzw. 6,9 %. Auch insgesamt hatten die PIRATEN einen spürbar stärkeren Rückhalt bei den Wählern (2,5 %) als bei den Wählerinnen (1,4 %).

Nahezu jeder zweite CDU-Wähler ist 60 Jahre oder älter

Abschließend wird der Frage nachgegangen, wie die demografische Zusammensetzung der Wählerschaft der Parteien bei der Landtagswahl 2011 aussah.

Demnach hat die CDU von allen im Landtag vertretenen Parteien den höchsten Anteil an älteren Wählern. Bei der Landtagswahl 2011 waren gut 37 % der Wähler im Land 60 Jahre oder älter. Unter den CDU-Wählern war sogar nahezu jeder zweite im Seniorenalter (47,5 %). Beinahe ein Drittel der Unions-Wählerschaft war sogar 70 Jahre oder älter (31,0 %). Die unter 60-Jährigen waren innerhalb der Wählerschaft der CDU hingegen in sämtlichen Altersgruppen unterrepräsentiert. Auch unter den SPD- und FDP-Wählern lag der Seniorenanteil mit 41,7 bzw. 41,5 % spürbar über dem Durchschnitt aller Wählerinnen und Wähler im Land, womit die Senioren jeweils die mit Abstand größte Wählergruppe der Sozialdemokraten und der Liberalen stellten. Bei der Landtagswahl 2006 waren die Seniorinnen und Senioren innerhalb der Wählerschaft der beiden Parteien noch leicht unterrepräsentiert gewesen.

Anders als bei CDU, SPD und FDP waren die Senioren in der Wählerschaft der GRÜNEN stark unterrepräsentiert, während alle Altersgruppen unter 60 Jahren überproportional vertreten waren. So waren – wie bereits erwähnt – bei der Landtagswahl 2011 gut 37 % der Wählerinnen und Wähler 60 Jahre oder älter. Von den Wählern der GRÜNEN gehörte nur etwa jeder fünfte zur Altersgruppe der 60-Jährigen und älteren (20,7 %). Auch insgesamt betrachtet weisen die GRÜNEN weiterhin die jüngste Wählerschaft auf: 40,3 % der GRÜNEN-Wähler waren unter 45 Jahre alt. Bei der Landtagswahl 2006 waren es allerdings noch weit über 50 %, sodass auch innerhalb der Wählerschaft der GRÜNEN ein deutlicher Alterungsprozess festzustellen ist.

1 Wahlberechtigte ohne Wahlschein.

2 Hier und im Folgenden: Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten ohne Wahlschein.

3 Für die Erhebung und Darstellung der Stimmabgabe nach Geschlecht und Altersgruppen sind zur Landtagswahl 2011 methodische Änderungen eingeführt worden (siehe i-Punkt).