:: 7/2011

Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Bodenseeregion

In der Bodenseeregion liegen die Zahlen der Grenzgänger deutlich über dem europäischen Durchschnitt und sind auch in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Für viele Menschen gehört es zum Alltag, zur Arbeit ins Nachbarland zu fahren. Zudem ist seit dem Schengen-Beitritt der Schweiz der tägliche Grenzübertritt noch einmal vereinfacht worden. Der stetige Anstieg der Grenzpendlerzahlen ist ein Ausdruck dessen, dass die Bodenseeregion im Alltag ihrer Bürgerinnen und Bürger in zunehmendem Maße tatsächlich zu einer transnationalen Region wird, deren Freizeit-, Konsum-, und eben auch Beschäftigungsmöglichkeiten über die Landesgrenzen hinweg genutzt werden. Das statistische Arbeitsmarktmonitoring von EURES Bodensee beobachtet regelmäßig die Grenzgängerentwicklungen rund um den Bodensee (siehe i-Punkt). Der vorliegende Beitrag beschreibt den Stand und die Entwicklung der Grenzgängerströme in der Bodenseeregion in den letzten 10 Jahren.

Im Jahr 2010 pendelten über 47 000 Personen über Staatsgrenzen hinweg zu ihrem Arbeitsplatz in der Bodenseeregion. Die Zahlen sind in den letzten Jahren beständig gestiegen, auch die Wirtschaftskrise hat nur zu einer kurzfristigen Dämpfung dieser Entwicklung geführt. Dies bedeutet, dass etwa 2,4 % aller Beschäftigten in der Region Grenzgänger sind. Dieser Anteil ist deutlich höher als der EU-Durchschnitt (1,45 %). Insbesondere das Fürstentum Liechtenstein und der schweizerische Teil der Bodenseeregion sind bevorzugte Ziele für einpendelnde Grenzgänger. Die Hauptgrenzgängerströme in der Region zeigen, dass der Bodensee, der die Region verbindet, gleichzeitig ein natürliches Mobilitätshindernis darstellt.

Die Entwicklung der Grenzgängerzahlen in den letzten 10 Jahren zeigt einen positiven Entwicklungstrend für alle Teilregionen. In der Schweizer Bodenseeregion ist die Zahl der Grenzpendelnden zwischen 2000 und 2010 um fast 38 % gestiegen, in der deutschen Bodenseeregion um 41 % und im Fürstentum Liechtenstein betrug der Zuwachs zwischen 1999 und 2009 sogar 71 %.

Besonderer Anstieg der Grenzpendlerzahlen im Kanton Zürich

In der Schweiz insgesamt beträgt der Anteil grenzüberschreitender Berufspendler an den Beschäftigten über 5 %. Weit überdurchschnittliche Grenzpendleranteile haben zum Beispiel die Kantone Genf, Basel-Stadt und Tessin. Verglichen damit ist der Beschäftigungsanteil von Grenzpendlern in der schweizerischen Bodenseeregion mit knapp 2 % deutlich niedriger. Hier zeigt sich die trennende Wirkung des Sees. Der größte Teil deutscher Einpendler in die schweizerische Bodenseeregion kommt aus den grenznahen deutschen Landkreisen Konstanz und Waldshut. Aus den Landkreisen Ravensburg und dem Bodenseekreis pendeln nur sehr wenige Beschäftigte in die Schweiz.

Die Entwicklung der Einpendlerzahlen in die schweizerische Bodenseeregion verlief in den letzten Jahren nicht ganz kontinuierlich. Zwischen 2003 und 2005 kam es zu einem kurzzeitigen Rückgang der Grenzgängerzahlen, seit 2006 steigt die Zahl der Grenzpendler jedoch wieder deutlich. Die Entwicklung der Pendlerzahlen im Kanton Zürich unterscheidet sich deutlich von der Entwicklung in den anderen ostschweizerischen Kantonen des Beobachtungsgebietes. Der Rückgang der Grenzpendlerzahlen zwischen 2003 und 2005 trifft alle hier betrachteten ostschweizerischen Kantone – besonders stark die Kantone St. Gallen, Graubünden und Thurgau. Im Kanton Zürich dagegen ist ein fast durchgängiger Anstieg der Zahlen zu beobachten, der im besagten Zeitraum nur stagnierte.

Insgesamt haben sich die Grenzpendlerzahlen nach Zürich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt, während der Anstieg in St. Gallen nur bei etwa 10 % lag. Nach wie vor machen Grenzpendler in Zürich jedoch nur etwa 0,8 % der Beschäftigten aus. Der Anstieg der Grenzpendler wurde zum allergrößten Teil durch die Zunahme von Einpendler aus Deutschland verursacht. Die Zahl der Einpendler aus Österreich ist in den letzten Jahren weitgehend konstant geblieben, während in Graubünden die Zahl italienischer Einpendler zugenommen hat.

Dienstleistungssektor gewinnt zunehmend an Bedeutung

Bis zum Jahr 2002 überwogen in der schweizerischen Bodenseeregion die Einpendler in den industriellen Sektor. Seit 2003 pendeln mehr Beschäftigte aus dem Ausland in den Dienstleistungssektor. Der Dienstleistungssektor hat seitdem die stärksten Beschäftigungszuwächse von Grenzpendlern. Auch hier unterscheidet sich die Situation in den einzelnen Kantonen. Während im Kanton Zürich der Anteil der Einpendler in den Dienstleistungssektor mit knapp 70 % besonders hoch ist, überwiegt in den Kantonen Schaffhausen und St. Gallen nach wie vor der industrielle Sektor.

Insgesamt sind die meisten Grenzpendler in der Branche Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen beschäftigt. Das Baugewerbe beschäftigt insbesondere im Kanton Graubünden viele Grenzpendler. Besonders gestiegen sind seit 2007 die Zahlen der Grenzpendler, die in den Branchen Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sowie Verkehr und Lagerei tätig sind. Bei der Erstellung von Metallerzeugnissen sind demgegenüber seit 2007 rückläufige Einpendlerzahlen zu verzeichnen. Nur moderat haben im Vergleich zu den anderen Branchen die Einpendlerzahlen im Gastgewerbe mit 2 % und im Maschinenbau mit 6 % zugenommen.

Jeder zweite Beschäftigte in Liechtenstein ist Grenzgänger

Im Fürstentum Liechtenstein waren im Jahr 2009 von 32 800 Beschäftigten 16 700 Einpendler aus dem Ausland. Der überwiegende Teil der Einpendler kam aus der Schweiz (8 600), ein großer Teil aus dem benachbarten Vorarlberg (7 470), während aus Deutschland lediglich 550 Einpendler stammten. Liechtenstein hat den höchsten Grenzpendleranteil an den Beschäftigten und auch den höchsten Zuwachs an Grenzpendlern in den letzten 10 Jahren. Im Jahr 1999 waren insgesamt nur 9 740 Einpendler in Liechtenstein beschäftigt. Besonders zugenommen hat die Zahl der Einpendler aus der Schweiz. Die Entwicklung verlief sehr kontinuierlich. Lediglich im Vergleich zum Jahr 2008 ist die Zahl der Grenzpendler in Folge der Wirtschaftskrise etwas gesunken: Ein Rückgang, der jedoch fast ausschließlich die Einpendlerzahl aus Österreich betrifft. Wie auch in der Schweizer Bodenseeregion wuchs die Zahl der Einpendler in den letzten 10 Jahren stärker im Dienstleistungssektor als im industriellen Sektor. Nach wie vor sind jedoch im industriellen Sektor geringfügig mehr Grenzpendler beschäftigt. Anders als in der schweizerischen Bodenseeregion sind in Liechtenstein die meisten Grenzpendler im Maschinenbau tätigt gefolgt von den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie der Herstellung von Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakerzeugnissen. Auch die Branche Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.

Mit 1 267 Beschäftigten pendelte 2010 auch eine relativ hohe Zahl der Liechtensteiner Einwohner zum Arbeiten über die Grenze ins Ausland. Der überwiegende Teil pendelte in die Schweiz, insbesondere in den benachbarten Kanton St. Gallen.

Vorarlberg: 3 000 Einpendler und 15 500 Auspendler

Nach Vorarlberg pendeln etwa 3 000 Grenzpendler, die fast ausschließlich aus Deutschland kommen. Einpendler aus Liechtenstein und der Schweiz machen nur einen sehr geringen Teil aus. Die Zahl der Einpendler aus Deutschland hat sich in den letzten 10 Jahren deutlich erhöht. Im Jahr 2001 wurde diese Zahl noch auf etwa 800 Einpendler geschätzt. Heute liegt der Anteil der Einpendler an den Beschäftigten auch in Vorarlberg mit 2,4 % im europäischen Vergleich hoch. Seit 2007 ist die Zahl der deutschen Einpendler jedoch leicht zurückgegangen.

70 % der Einpendler in Vorarlberg sind im Dienstleistungssektor beschäftigt – anders als in den anderen Teilregionen ist der Trend hier jedoch rückläufig. Die wichtigsten Branchen für Grenzpendler sind Verkehr und Lagerei sowie die Überlassung und Vermittlung von Arbeitskräften. Gerade in diesen Branchen gehen die Zahlen jedoch deutlich zurück. Ähnlich hoch ist im tourismusstarken Vorarlberg auch der Anteil von Grenzpendlern im Beherbergungs- und Gaststättenwesen. Im industriellen Sektor sind die meisten Grenzpendler in der Metallbe- und verarbeitung tätig. In Vorarlberg fällt der Anteil einpendelnder Frauen mit 24 % im Vergleich zu den anderen Regionen besonders niedrig aus.

Bedeutend ist für Vorarlberg die Zahl der Auspendler in die benachbarten Staaten. Im Jahr 2010 waren das etwa 15 500 Beschäftigte. Diese Zahl ist jedoch mit einem Zuwachs von knapp 3 % seit 2001 in den letzten Jahren nur sehr moderat gestiegen.

Im Landkreis Konstanz steigt die Zahl der Einpendler aus der Schweiz

Auch für die deutsche Bodenseeregion sind die wegpendelnden Grenzgänger von weitaus größerer Bedeutung als die Einpendler. Einpendler machen in den deutschen Landkreisen rund um den See durchschnittlich nur 0,5 % der Beschäftigten aus. Im Jahr 2010 pendelten 1 700 Beschäftigte aus dem Ausland in die deutschen Landkreise der Bodenseeregion. Die meisten Grenzgänger pendelten in die Landkreise Konstanz und Lindau. Während die Zahl der mehrheitlich in der Schweiz wohnenden Einpendler nach Konstanz zugenommen hat, ist die Zahl der hauptsächlich aus Österreich einpendelnden Grenzgänger nach Lindau rückläufig.

Die aus der Schweiz einpendelnden Grenzgänger nach Konstanz sind allerdings zu einem großen Teil deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in der Schweiz wohnen, aber ihren Arbeitsplatz in Deutschland haben. Auffällig ist, dass – anders als in den anderen Regionen in die deutsche Bodenseeregion – mit 51 % mehrheitlich Frauen einpendeln. Dies geht insbesondere auf die hohe Zahl von Frauen zurück, die aus der Schweiz in den Landkreis Konstanz pendeln. Knapp zwei Drittel der Einpendelnden in die deutschen Landkreise sind im Dienstleistungssektor tätig. Auch hier gewinnt der Dienstleistungssektor gegenüber dem industriellen Sektor zunehmend an Bedeutung. Die bedeutendsten Branchen für Einpendler sind neben dem Verarbeitenden Gewerbe insbesondere die Branche Handel, Instandhaltung und Reparatur von Fahrzeugen sowie das Gesundheits- und Sozialwesen.

Die Zahl der Wegpendler aus der deutschen Bodenseeregion ist bedeutend höher als die Zahl der Einpendler. Auch hier wird vorwiegend aus den jeweils grenznahen Landkreisen ausgependelt. So pendelten 2010 allein aus dem Landkreis Konstanz 2 400 Beschäftigte in den Kanton Schaffhausen und 2 800 Beschäftigte in den Kanton Thurgau. Weitere 1 650 Beschäftigte pendelten in den Kanton Zürich.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass 47 000 Einpendler in die Region über Staatsgrenzen hinweg einen bedeutenden Faktor auf den regionalen Arbeitsmärkten darstellen: als Einpendler wie in Liechtenstein und den Schweizer Kantonen, als Auspendler insbesondere für die deutschen grenznahen Landkreise und für Vorarlberg. Dabei gewinnt der Dienstleistungssektor für die Beschäftigung von Grenzgängern zunehmend an Bedeutung, während der Beschäftigungsanteil im industriellen Sektor zurück geht. Auffallend, wenn auch nicht überraschend, ist die trennende Kraft des Bodensees für die Grenzpendlerbewegungen. Das größte Pendleraufkommen bewegt sich in den unmittelbaren Grenzregionen.