:: 8/2011

Das baden-württembergische Bauhauptgewerbe zu Beginn des neuen Jahrhunderts

Die Rahmenbedingungen für die Betriebe des baden-württembergischen Bauhauptgewerbes haben sich deutlich verändert. Stichwörter sind EU-Osterweiterung, Klimaschutz, Abschaffung der Eigenheimzulage, Wohn-Riester, Förderungen von energieeffizientem Sanieren und Bauen, demografischer Wandel, Konjunkturprogramme, Schuldenbremse, Hochkonjunktur und Weltwirtschaftskrise. Doch wie haben die Betriebe auf diese raschen Veränderungen reagiert? Das neue Jahrhundert begann zunächst wie das alte endete. Die Zahl der Betriebe ging zurück und mit ihnen die Zahl der Beschäftigten. Es wurden weniger Stunden auf Baustellen und Bauhöfen geleistet und der Umsatz sank. Jedoch gab es zur Mitte des letzten Jahrzehnts einen erkennbaren Wandel. Die Lage stabilisierte sich und wies trotz Weltwirtschaftskrise leicht positive Tendenzen auf.

Das Bauhauptgewerbe, das mit dem Ausbaugewerbe das Baugewerbe bildet, gehört in Baden-Württemberg zu den mittelgroßen Wirtschaftszweigen und Arbeitgebern. Den Höhepunkt seiner Beschäftigtenzahlen hat das baden-württembergische Bauhauptgewerbe jedoch schon seit geraumer Zeit überschritten. Im Jahr 1952, für das zum ersten Mal Zahlen für das Land Baden-Württemberg vorliegen, arbeiteten fast 160 000 Menschen in ca. 12 700 Betrieben im baden-württembergischen Bauhauptgewerbe. 1960 waren es schon 211 000 Menschen in etwa 12 000 Betrieben. Die Zahl der Beschäftigten stieg weiter und erreichte ihren Höhepunkt mit über 270 000 tätigen Personen im Jahr 1965. Nach einem kurzen Rückgang während der ersten bundesdeutschen Wirtschaftskrise Ende der 60er-Jahre stieg die Zahl der im Bauhauptgewerbe tätigen Personen 1970 auf über 240 000 Personen und erreichte in 1972 erneut einen Höhepunkt.

Danach begann das Bauhauptgewerbe massiv zu schrumpfen. 1980 betrug die Zahl der tätigen Personen nur noch knapp über 200 000 und die Zahl der Betrieb sank auf unter 11 000 Betriebe. Diese rückläufige Tendenz blieb dem Bauhauptgewerbe auch in den kommenden Jahren erhalten. 1990 hatte es nur noch 170 000 Beschäftigte in etwa 10 000 Betrieben. Bis zum Jahr 2000 sank die Zahl weiter auf etwa 145 000 Personen, die in etwas mehr als 8 000 Betrieben in Baden-Württemberg arbeiteten1 (siehe i-Punkt).

Wie sich das baden-württembergische Bauhauptgewerbe mit dieser im Grundsatz schwierigen Situation in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends mit den neuen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen und Umständen entwickelte, sollen die nachfolgenden Abschnitte aufzeigen.

Wie entwickelte sich die Zahl der Betriebe?

Das baden-württembergische Bauhauptgewerbe wird von Kleinbetrieben dominiert. Dies hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt. Im Jahr 2000 hatten rund 62 % der Betriebe weniger als zehn tätige Personen, während die Großbetriebe mit über 100 tätigen Personen nur 1,6 % aller Betriebe ausmachten. Bis zum Jahr 2010 erhöhte sich der Anteil der Kleinbetriebe auf fast 68 % und der der Großbetriebe sank auf 1,2 %. Insgesamt nahm die Zahl der Betriebe in Baden-Württemberg von über 8 000 im Jahr 2000 auf unter 7 000 im Jahr 2010 ab. Das entspricht einem Rückgang von 15,6 %.

Diese Entwicklungen verliefen aber nicht gleichmäßig. Der Großteil des Abgangs von Betrieben fand bis zum Jahr 2005 statt. Ab 2006 stabilisierte sich die Zahl der Betriebe bei knapp 7 000 und stieg zum Ende des Jahrzehnts sogar leicht wieder an.

Eine Aufgliederung in verschiedene Größenklassen zeigt, dass die Zahl der mittleren und großen Betriebe überdurchschnittlich stark schrumpfte. Zwischen den Jahren 2000 und 2010 nahm die Anzahl der Betriebe mit über 100 tätigen Personen um 37 %, die der Betriebe mit zwischen 20 und 99 tätigen Personen um 32,2 % und die der Betriebe mit 10 bis 19 tätigen Personen um 24,3 % ab. Demgegenüber ging die Zahl der Kleinbetriebe mit weniger als zehn tätigen Personen verhältnismäßig wenig zurück. Diese Größenklasse verlor im erwähnten Zeitraum nur 8,2 % der Betriebe. Durch diesen unterdurchschnittlichen Rückgang von Kleinbetrieben lässt sich der anfangs erwähnte Anstieg ihres Anteils erklären.

Ein möglicher Grund für den stärkeren Rückgang der größeren Betriebe könnte der in dieser Größenklasse höhere internationale Konkurrenzdruck sein, der mit der zunehmenden europäischen Integration einherging. Der kleine handwerklich geprägte Baubetrieb hingegen muss bislang noch für seine lokalen und regionalen Aufträge eher keine europäische Konkurrenz fürchten. Rückgang ist aber nicht unbedingt mit Insolvenzen gleichzusetzen. Auch Fusionen und Unternehmensübernahmen können Folge zunehmender Konkurrenz sein.

Wer und wie viele waren im Bauhauptgewerbe beschäftigt?

Mit der Zahl der Betriebe nahm auch die Zahl der dort tätigen Personen ab. Im Jahr 2000 arbeiteten in Baden-Württemberg fast 117 000 Menschen im Bauhauptgewerbe, während es im Jahr 2010 nur noch knapp 87 000 waren. Das ist ein Verlust von etwa einem Viertel. Aber wie auch bei der Zahl der Betriebe verlief hier die Entwicklung keineswegs konstant und gleichförmig. Der überwiegende Teil des Stellenabbaus erfolgte in den Jahren 2000 bis 2005. Ab 2005 blieb die Zahl der Beschäftigten gleich und stieg 2010 sogar leicht an.

Auch innerhalb der Tätigkeitsstrukturen gab es leichte Veränderungen. Eine Aufteilung der tätigen Personen nach der Stellung im Betrieb zeigt Umstrukturierungen, die unter anderem belegen, wie sich Betriebe personell an neue Gegebenheiten anpassen. So wurden in den beobachteten Jahren vermehrt Stellen von un- bzw. angelernten Fachwerker abgebaut. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der tätigen Personen nahm zwischen 2000 und 2010 von 20,3 % auf 18,3 % ab. Aber auch die Zahl der deutlich besser qualifizierten Meister und Poliere ging im ersten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends verhältnismäßig stark zurück. Ihr Anteil sank von 11,2 % auf 10,2 %. Im Gegensatz dazu verringerte sich die Zahl der tätigen Inhaber und Mitinhaber sowie die der Auszubildenden unterdurchschnittlich. Damit nahmen deren Anteile an allen im Bauhauptgewerbe tätigen Personen zu. Der Anteil der Inhaber und Mitinhaber stieg von 5,3 % im Jahr 2000 auf 5,9 % im Jahr 2010 und der der gewerblich Auszubildenden von 5,0 % auf 5,4 % im Jahr 2010. Der Anstieg des Anteils der Inhaber und Mitinhaber lässt sich mit dem Umstand erklären, dass Kleinbetriebe, deren Anteil, wie erwähnt, auch zugenommen hat, tendenziell eher inhabergeführt sind. Die leichte Steigerung des Anteils der Auszubildenden an allen Beschäftigten kann dadurch aber nicht erklärt werden.

Die durchschnittliche Größe eines Betriebs sank von 14,3 tätigen Personen 2000 auf 12,6 im Jahr 2010. Der geringste Wert wurde mit 12 im Jahr 2005 erreicht.

Für wen oder wofür wurde wie viel gearbeitet?

Wenn sowohl die Zahl der Betriebe als auch die Zahl der im Bauhauptgewerbe tätigen Personen deutlich zurück geht, so verwundert es nicht, dass es sich mit den geleisteten Arbeitsstunden in gleicher Weise verhält. Im Jahr 2000 wurden noch 140 Mill. Stunden auf Baustellen und Bauhöfen in Baden-Württemberg abgearbeitet. Diese Zahl sank bis zum Jahr 2005 rapide auf 96 Mill. und stieg dann mit einem kleinen Zwischenhoch auf 99 Mill. im Jahr 2010. Insgesamt bedeutet diese Entwicklung eine Verringerung um 29,7 %.

Eine Aufgliederung der geleisteten Arbeitsstunden nach Art der Bauten bzw. Auftraggeber zeigt die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Bauarten und legt auch deren ungleiche zeitliche Entwicklung offen. Die zeitintensivsten Arbeiten fanden über das gesamte Jahrzehnt hinweg im Wohnungsbau statt. Es wurden zum Teil deutlich über 40 % aller Stunden in dieser Bauart geleistet. Jedoch nahm der Anteil des Wohnungsbaus über die Jahre ab. Der prozentuale Anteil der auf Baustellen des Wohnungsbaus geleisteten Stunden zu der Gesamtzahl der geleisteten Stunden lag im Jahr 2000 noch bei 47,5 %, sank bis zum Jahr 2008 auf 40,8 % und stieg dann bis zum Jahr 2010 auf 43,2 %. Insgesamt wurden 2010 im Wohnungsbau 36,1 % weniger Stunden gearbeitet als noch im Jahr 2000. Damit ergibt sich in diesem Bereich der höchste Rückgang. Auch im sonstigen öffentlichen Tiefbau (ohne Straßenbau) und im industriellen und gewerblichen Hochbau nahm die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden der letzten Dekade mit einem Minus von 34,5 bzw. 32 % überdurchschnittlich ab.

Eine Bauart konnte sich dem Trend widersetzen und verzeichnete in der betrachteten Zeitspanne eine leichte Zunahme an Stunden. Dies gelang dem öffentlichen Hochbau (Gebietskörperschaften, Sozialversicherungen, Organisationen ohne Erwerbszweck), in dem allerdings nur weniger als jede zehnte Arbeitsstunde geleistet wird. Im Jahr 2010 wurden dort 1,2 % mehr Stunden geleistet als noch im Jahr 2000. Damit erhöhte sich der Anteil von 4,9 % auf 7,1 %.

Mit knapp 30 % verringerte sich die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden stärker als die Zahl der Beschäftigten. Daher sank in den Jahren 2000 bis 2010 auch die durchschnittliche Zahl der Arbeitsstunden, die jede tätige Person im Bauhauptgewerbe leistete. Im Jahr 2000 arbeitete jede Person im Durchschnitt noch 1 205 Stunden pro Jahr auf Baustellen, 2010 waren es nur noch 1 139 Stunden. Werden nur die tätigen Personen zugrunde gelegt, die sehr wahrscheinlich tatsächlich auf Baustellen arbeiten – also ohne kaufmännische/technische Arbeitnehmer und Personen, die in anderen Bereichen tätig sind – so verbrachte ein Beschäftigter im Jahr 2000 durchschnittlich 1 487 Stunden auf Baustellen und Bauhöfen und 1 428 Stunden 2010.

Wie entwickelte sich der Umsatz?

Der Umsatz gilt als einer der meist gebräuchlichsten Indikatoren für die Entwicklung einer Branche. Der baugewerbliche Umsatz, den die baden-württembergischen Betriebe zu Beginn des dritten Jahrtausends erwirtschafteten, verhielt sich nicht anders als die vorangegangenen Indikatoren es vermuten lassen. Der Wertindex, in dem die Umsatzzahlen zu jeweiligen Preisen einfließen, sank bis zum Jahr 2005 um über 20 %, um dann bis 2010 wieder zu steigen. Daraus ergab sich im Vergleich zum Jahr 2000 insgesamt ein Rückgang von unter 10 %. Der Volumenindex, der die realen Umsätze widerspiegelt, verhielt sich bis zum Jahr 2005 ähnlich dem Wertindex. Nach einem sprunghaften Preisanstieg in den Jahren 2007 und 2008, wohl infolge erhöhter Rohstoffpreise, sank der Volumenindex bis 2010 um insgesamt 10 Prozentpunkte auf das Niveau von 2005.

Zur besseren Einordnung der baden-württembergischen Umsatzentwicklung werden die gesamtdeutschen2 Indizes zu einem Vergleich herangezogen. Diese Gegenüberstellung lässt bis 2005 sowohl beim Wert- als auch beim Volumenindex einen nahezu parallelen Verlauf erkennen. Ab 2005 zeigt sich dann ein differenziertes Bild. Die Umsatzzahlen für Deutschland bleiben hinter denen von Baden-Württemberg zurück. Der nominale baugewerbliche Umsatz fiel in Deutschland im Zeitraum 2000 bis 2010 um 13,9 %. In Baden-Württemberg sank er hingegen nur um 8,5 %. Auch beim Volumenindex verhält es sich ähnlich, da die Preise für Bauleistungen im Bauhauptgewerbe für Baden-Württemberg und Deutschland einen ähnlichen Verlauf haben. Der gesamtdeutsche Volumenindex verlor von 2000 bis 2010 fast 25 % seines Wertes, während in Baden-Württemberg die realen Umsätze nur um 21 % zurückgingen.

Fazit

Zu Beginn des neuen Jahrhunderts setzte sich die negative Entwicklung, die in den 70er-Jahren ihren Anfang nahm, zunächst weiter fort. Trotzdem lässt sich die erste Dekade des 21. Jahrhunderts in zwei unterschiedliche Phasen aufteilen. Die erste Hälfte des Jahrzehnts ist geprägt durch eine starke Verkleinerung der Branche in all ihren Bereichen. Die zweite Hälfte zeichnet sich dadurch aus, dass es zu einer Stabilisierung der Lage kam und in einigen Bereichen sogar zu leichtem Wachstum. Dabei ist insbesondere der für das Bauhauptgewerbe wichtige Wohnungsbau hervorzuheben, der, wie auch die aktuellsten Genehmigungs- und Fertigstellungszahlen zeigen3, zuletzt wieder an Bedeutung gewonnen hat. Ob sich diese leicht positive Entwicklung langfristig durchsetzten wird oder ob sie von eher kurzfristiger Natur sein wird, wie zum Beispiel der »Einheitsboom« Anfang der 90er-Jahre, werden erst die kommenden Jahre zeigen.

1 Im Jahr 1995 fand ein Systematikwechsel statt. Die Zahl der Beschäftigten verringerte sich aufgrund dessen um 15,6 % und die Zahl der Betriebe um 23,1 %.

2 Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnung.

3 Siehe Statistischer Bericht F II 1 Bautätigkeit in Baden-Württemberg.