:: 9/2011

Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern in Baden-Württemberg

Die Berufstätigkeit von Frauen ist mittlerweile eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen stark erhöht und es gibt immer mehr gut ausgebildete Frauen. Dennoch zeigen sich in den Erwerbsmustern von Männern und Frauen noch immer beträchtliche Unterschiede: Frauen arbeiten weitaus häufiger als Männer in Teilzeit, sie haben wesentlich seltener eine Führungsposition inne und auch hinsichtlich der Berufe zeigen sich noch immer Strukturen, die »typische Frauen- bzw. Männerberufe« erkennen lassen. So sind Frauen in den als besonders zukunftsträchtig geltenden MINT-Berufen noch immer unterrepräsentiert. Auch beim Einkommen haben Frauen nach wie vor das Nachsehen. Bei gleicher Qualifikation haben vollzeitbeschäftigte Frauen ein geringeres Einkommen als Männer.

Überdurchschnittlich hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen im Land

Im Jahr 2010 waren nach den Ergebnissen des Mikrozensus rund 5,4 Mill. Baden-Württemberger erwerbstätig1, davon nahezu 2,5 Mill. Frauen und knapp 2,9 Mill. Männer. Im Zeitraum von 1990 bis 2010 ist somit die Zahl der berufstätigen Frauen um gut 500 000 angestiegen, was einem stattlichen Zuwachs von rund 26 % entspricht. Die Zahl der erwerbstätigen Männer erhöhte sich im gleichen Zeitraum dagegen lediglich um gut 84 000, das heißt um 3 %. Aufgrund der steigenden Zahl berufstätiger Frauen hat sich seit Anfang der 90er-Jahre der Frauenanteil an allen Erwerbstätigen von annähernd 41 % auf nunmehr knapp 46 % erhöht.

Die angewachsene Erwerbsbeteiligung der baden-württembergischen Frauen spiegelt sich auch im Anstieg der Erwerbstätigenquote2, dem Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung, deutlich wider. So erhöhte sich der Anteil der erwerbstätigen Frauen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren an allen Frauen dieser Altersgruppe seit Anfang der 90er-Jahre deutlich von rund 59 % auf gut 68 % im Jahr 2010. Der Trend bei den Männern verlief gegenläufig. Hier sank die Erwerbstätigenquote von annähernd 82 % auf jetzt knapp 80 %. In Sachen Erwerbsbeteiligung von Frauen liegt Baden-Württemberg über dem Bundesdurchschnitt von rund 66 %. Auch im EU-Vergleich (der Vergleichswert in der EU-27 liegt bei gut 58 %) weist Baden-Württemberg eine überdurchschnittliche Frauenerwerbstätigenquote auf (Schaubild 1).

Berufliche Qualifikation von Frauen und Männern gleicht sich zunehmend an

Die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen geht mit einem deutlichen Anstieg der beruflichen Qualifikation von Frauen einher. So hat sich der Anteil der berufstätigen Frauen ohne Berufsausbildung seit Anfang der 90-Jahre von rund 32 % auf 21 % merklich reduziert. Der Anteil der Akademikerinnen wiederum hat sich in dieser Zeit von knapp 8 auf rund 15 % nahezu verdoppelt.

Noch immer weisen in der Betrachtung aller Berufstätigen die Männer einen deutlichen Vorsprung vor den Frauen auf, was die berufliche Qualifikation betrifft. So sind unter den berufstätigen Männern mit rund 17 % weniger Ungelernte als unter den Frauen (21 %) und nach wie vor haben deutlich mehr Männer (20 %) als Frauen (rund 15 %) einen akademischen Abschluss.

Unter den jüngeren Berufstätigen hingegen sind die Frauen ihren männlichen Altersgenossen dicht auf den Fersen. Einen akademischen Ausbildungsabschluss haben – in der Altersgruppe der 30- bis unter 35-Jährigen – mittlerweile ebenso viele junge Frauen wie junge Männer. So besitzen jeweils rund 26 % der jungen Männer und Frauen einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss. Einen Meister- bzw. Technikerabschluss können rund 12 % der jungen Männer und knapp 9 % der Frauen vorweisen. Eine Lehrausbildung haben mehr junge Frauen (nahezu 55 %) als Männer (rund 50 %) abgeschlossen. Der Anteil der Berufstätigen ohne berufliche Ausbildung ist bei den jungen Männern sogar etwas höher als bei den Frauen. Gut 12 % der erwerbstätigen Männer bzw. knapp 11 % der Frauen in Baden-Württemberg im Alter von 30 bis unter 35 Jahren haben (noch) keinen Beruf erlernt (Schaubild 2).

Über die Hälfte der Frauen arbeitet in Teilzeit

Obwohl immer mehr gut ausgebildete Frauen einer Berufstätigkeit nachgehen, zeigen sich in den Erwerbsmustern von Frauen und Männern nach wie vor erhebliche Unterschiede. Ein eklatanter Unterschied zeigt sich im zeitlichen Umfang der Erwerbstätigkeit. So gingen von den rund 5,4 Mill. Berufstätigen in Baden-Württemberg im Jahr 2010 knapp 72 % einer Vollzeittätigkeit nach, rund 28 % hatten eine Teilzeitstelle3. Während von den erwerbstätigen Männern nicht einmal jeder zehnte teilzeitbeschäftigt war, hatte von den Frauen mehr als jede zweite eine Teilzeitstelle inne. Teilzeit zu arbeiten ist damit auch heute noch eine weibliche Domäne, denn 2010 waren immerhin nahezu 82 % der gut 1,5 Mill. Teilzeiterwerbstätigen in Baden-Württemberg Frauen (Schaubild 3). Männer sind unter den Teilzeitkräften, mit einem Anteil von gut 18 %, nach wie vor in der Minderzahl.

Frauen dominieren dabei nicht nur unter den Teilzeitbeschäftigten, sondern sie haben auch den Großteil der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse4 in Baden-Württemberg inne.

Frauen unter Führungskräften auch heute noch unterrepräsentiert

Unterschiede in der Berufstätigkeit von Männern und Frauen zeigen sich jedoch auch im Hinblick auf die Stellung im Beruf und die Aufstiegschancen. In Baden-Württemberg arbeiten rund 552 000 Frauen und Männer (also gut 10 % aller Erwerbstätigen) als Selbstständige. Zu den Selbstständigen zählen einerseits die Personen, die ein Unternehmen oder einen Betrieb als Eigentümer oder Pächter leiten. Andererseits gehören aber auch die selbstständigen Handwerker und die freiberuflich Tätigen wie Rechtsanwälte, Architekten oder Ärzte zu dieser Gruppe. Deutlich mehr als zwei Drittel aller Selbstständigen waren Männer (gut 69 %), das heißt Frauen sind mit einem Anteil von nur rund 31 % unter den Selbstständigen deutlich in der Minderheit. Unter den Selbstständigen, die Mitarbeiter beschäftigen, ist sogar nur jede Vierte eine Frau.

Auch unter den Führungskräften im Land sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. So übten in Baden-Württemberg im Jahr 20075 rund 189 000 Männer und knapp 52 000 Frauen eine Führungsposition aus. Damit waren nur rund 22 % der Führungskräfte »Chefinnen«, während der Frauenanteil an allen Erwerbstätigen in Baden-Württemberg 2007 bei gut 45 % lag.

MINT-Berufe nach wie vor klassische Männer-Domäne

Obwohl mittlerweile alle Berufe und Ausbildungen Frauen und Männern gleichermaßen offenstehen, ergeben sich bei der Berufsausübung noch immer unterschiedliche Schwerpunkte. Bei Frauen zeigt sich nach wie vor eine Konzentration auf einige wenige Berufsgruppen. So arbeiten rund 44 % der berufstätigen Baden-Württembergerinnen in nur vier Berufsgruppen, nämlich in den Büroberufen, den Gesundheitsberufen, den Berufen im Verkauf und in den sozialen Berufen. Bei den männlichen Erwerbstätigen zeigt sich hingegen eine viel stärkere Verteilung auf die unterschiedlichen Berufsgruppen. Zudem rangieren hier andere Berufe auf den vorderen Plätzen, unter anderem Berufe in der Unternehmensleitung und -beratung sowie technische Berufe wie Ingenieure, Architekten und Techniker.

Zu den Berufen, für die heute gute Arbeitsmarktchancen bestehen und für die die Wirtschafts- und Arbeitsmarktforschung auch für die Zukunft einen hohen Bedarf an Fachkräften prognostiziert, gehören die sogenannten MINT-Berufe. Als MINT-Berufe werden Berufsfelder bezeichnet, deren Tätigkeits- und Qualifikationsprofil naturwissenschaftlich-technisch geprägt ist. Zu den MINT-Berufen gehört der gesamte Bereich der technischen Berufe, also unter anderem Ingenieure, Chemiker, Physiker, Mathematiker, Techniker und Technische Sonderfachkräfte, aber auch IT-Berufe und Naturwissenschaftler.

2010 arbeiteten in Baden-Württemberg insgesamt rund 547 000 Erwerbstätige in MINT-Berufen. Die große Mehrheit (knapp 85 %) waren Männer, nur gut 15 % waren Frauen. Zwar hat die Zahl der Erwerbstätigen in MINT-Berufen in den letzten Jahren überproportional zugenommen (gegenüber 2000 ist die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt um rund 9 % angestiegen, die der Erwerbstätigen in MINT-Berufen um 20 %). Von den Arbeitsmarktchancen im MINT-Bereich haben jedoch vor allem Männer profitiert. Die Zahl der männlichen Erwerbstätigen in MINT-Berufen ist gegenüber 2000 um rund 81 000 (+ 21 %) gestiegen, die der Frauen um lediglich gut 10 000, das sind + 14 % (Schaubild 4). Somit hat sich der Anteil der Frauen, die in MINT-Berufen arbeiten, gegenüber 2000 auch nicht erhöht. Sowohl im Jahr 2000 als auch 2010 arbeiteten nur gut 3 % der berufstätigen Frauen in einem MINT-Beruf.

Trotz gleicher Qualifikation: Frauen verdienen weniger

Ein wichtiger Indikator zur Messung der beruflichen Integration von Frauen ist das Einkommen. Der Vergleich der monatlichen Nettoeinkommen von vollzeitbeschäftigten Männern und Frauen zeigt, dass Frauen selbst bei gleichen beruflichen Ausbildungsabschlüssen durchweg ein niedrigeres Nettoeinkommen haben als Männer. So hatten 2010 nur gut 32 % der vollzeitbeschäftigten Akademikerinnen, aber rund 65 % ihrer männlichen Kollegen ein Nettoeinkommen von 2 600 Euro und mehr (Tabelle). Umgekehrt musste fast jede zehnte vollzeitbeschäftigte Frau mit abgeschlossener Lehre mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 900 Euro auskommen – eine Situation, von der nur gut 3 % ihrer männlichen Kollegen betroffen sind. Sogar von den Erwerbstätigen, die keine Berufsausbildung haben, verdienen Männer mehr als Frauen. So befanden sich von den männlichen Vollzeitbeschäftigten ohne berufliche Ausbildung immerhin noch knapp 6 % in der Einkommensklasse 2 600 Euro und mehr.

Die Ursachen für die Einkommensunterschiede6 zwischen Männern und Frauen dürfte unter anderem auf familiär bedingte Ausfallzeiten zurückzuführen sein. Diese können dazu führen, dass Frauen im Durchschnitt weniger Berufsjahre vorzuweisen haben als männliche Kollegen und damit auch weniger verdienen. Auch die noch immer weit verbreitete geschlechtsspezifische Berufswahl führt – bei formal gleicher beruflicher Qualifikation – zu Einkommensunterschieden. So sind viele »typisch weibliche« Berufe oftmals schlechter bezahlt als sogenannte »Männerberufe«. Darüber hinaus gibt es auch branchenspezifische Einkommensunterschiede, wobei Frauen häufiger als Männer in den weniger gut bezahlten Branchen arbeiten und seltener in Führungspositionen anzutreffen sind.

1 Erwerbstätige sind nach dem Labour-Force-Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) alle Personen im Alter von 15 und mehr Jahren, die in der jeweiligen Berichtswoche mindestens 1 Stunde gearbeitet haben, unabhängig von der Bedeutung dieser Tätigkeit für den Lebensunterhalt. Im Rahmen des Mikrozensus werden Erwerbstätige am Wohnort erfasst.

2 Erwerbstätigenquote in der Abgrenzung nach Eurostat-Definition.

3 Als Teilzeittätigkeit zählen Tätigkeiten bis einschließlich 34 normalerweise geleisteter Wochenarbeitsstunden.

4 Eine geringfügige Beschäftigung liegt dann vor, wenn der Verdienst nicht mehr als 400 Euro im Jahresdurchschnitt pro Monat beträgt (Mini-Job). Auch Beschäftigungsverhältnisse, die auf höchstens 2 Monate oder 50 Arbeitstage im Jahr begrenzt sind, gelten als geringfügige Beschäftigungen. Hier einschließlich 1-Euro-Jobs.

5 Aktuellster Datenstand 2007. Angaben zu Führungspositionen werden im Rahmen des Mikrozensus im 4-jährigen Abstand erhoben.

6 Siehe auch Finke, Claudia: Verdienstunterschiede von Männern und Frauen, in: Wirtschaft und Statistik 1/2011, S. 36–48.