:: 10/2011

Lebenssituation von älteren Menschen in Baden-Württemberg

Die Zahl der älteren Menschen ist in Baden-Württemberg in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angewachsen. Zu Beginn der 1960er-Jahre war jeder zehnte Baden-Württemberger 65 Jahre und älter, 1980 betrug der Seniorenanteil 14 %, und 2010 gehörte bereits jeder fünfte Einwohner Baden-Württembergs zur älteren Generation. Diese Veränderung der Altersstruktur hat ihre Ursachen in den anhaltend niedrigen Geburtenzahlen und der steigenden Lebenserwartung. Der Prozess der demografischen Alterung wird sich in den nächsten Jahrzehnten noch fortsetzen. So kommt die aktuelle Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamts für Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass bereits im Jahr 2020 der Seniorenanteil auf über ein Fünftel (22 %) der Bevölkerung angewachsen sein wird, und dass im Jahr 2040 annähernd jeder dritte Baden-Württemberger (29 %) 65 Jahre und älter sein könnte.1

Die Gruppe der älteren Menschen in Baden-Württemberg wird quantitativ immer bedeutsamer. Im folgenden Beitrag sollen deshalb einige ausgewählte Aspekte der Lebenssituation der Seniorengeneration beleuchtet werden: Wie setzt sich die Gruppe der älteren Menschen zusammen, wie leben sie und wie ist ihre finanzielle und gesundheitliche Situation? Auch als Wähler rückt die Gruppe der Senioren immer mehr in den Vordergrund. Abschließend wird deshalb dargestellt, wie sich durch die demografische Entwicklung das politische Einflusspotenzial älterer Menschen verändert hat.

Unter den Senioren sind Frauen überrepräsentiert

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus (siehe i-Punkt) lebten im Jahr 2010 in Baden-Württemberg rund 2,1 Mill. Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren. Damit war jeder fünfte Baden-Württemberger im Seniorenalter. Migranten sind unter den Senioren vergleichsweise schwach vertreten. Während der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an allen Baden-Württembergern bei gut 26 % lag, hatten unter den 65-Jährigen und Älteren lediglich knapp 15 % einen Migrationshintergrund.

Bei der älteren Bevölkerung handelt es sich mehrheitlich um Frauen (knapp 56 %), wobei die zahlenmäßige Dominanz der Frauen mit zunehmendem Alter immer ausgeprägter wird. So sind unter den 65- bis unter 75-jährigen Baden-Württembergern die Geschlechterproportionen mit rund 48 % Männern und gut 52 % Frauen noch nahezu ausgeglichen. Unter den 75-Jährigen und Älteren hingegen sind die Frauen deutlich stärker überrepräsentiert. In dieser Altersgruppe beträgt das Verhältnis Frauen zu Männern 60 zu 40 %. Unter den 85- bis unter 90-jährigen Baden-Württembergern ist nur noch knapp jeder Dritte ein Mann und von den 90-Jährigen und Älteren sogar nur noch jeder Vierte. Dieses Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern resultiert zum Einen aus der höheren Lebenserwartung von Frauen. Es zeigen sich jedoch auch in diesen Zahlen noch immer die Folgen des Zweiten Weltkriegs, in dem wesentlich mehr Männer als Frauen frühzeitig ums Leben kamen.

Da die Lebenserwartung von Frauen nach wie vor höher ist als die der Männer – ein neugeborener Junge kann heute auf eine durchschnittliche Lebenserwartung von 78,8 Jahren hoffen, ein neugeborenes Mädchen sogar auf 83,4 Jahre2 – wird auch die ältere Generation von morgen und übermorgen aller Voraussicht nach aus mehr Frauen als Männern bestehen.

Die Baden-Württemberger leben auch im Alter überwiegend im eigenen Haushalt

Die vieldiskutierte Heimunterbringung älterer, oft pflegebedürftiger Menschen stellt in Baden-Württemberg noch immer eine Ausnahme dar. Von den insgesamt rund 2,1 Mill. Männern und Frauen im Alter von 65 und mehr Jahren lebt der allergrößte Teil, nämlich gut 97 % im eigenen Zuhause. Lediglich knapp 3 % wohnen in einer sogenannten »Gemeinschaftsunterkunft«, wobei es sich hier vorwiegend um Altersheime, Altenpflegeheime und ähnliche spezielle Einrichtungen für die ältere Generation handeln dürfte. Allerdings steigt mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit der Heimunterbringung sprunghaft an. So lebten 2010 von den 65- bis unter 75-jährigen lediglich knapp 1 % in einem Heim, von den 75- bis unter 85-jährigen Baden-Württembergern gut 3 % und von den 85-Jährigen und Älteren bereits mehr als jeder Zehnte (knapp 12 %).

Alleinleben im Alter ist »Frauensache«

Die Senioren, die in ihren »eigenen vier Wänden«, sprich in einem Privathaushalt wohnen, leben überdurchschnittlich oft allein. Während ihr Anteil an der baden-württembergischen Bevölkerung bei etwa 20 % liegt, beträgt der Anteil der Älteren an den Alleinlebenden rund 35 %. Allerdings bestehen bei den Lebensformen im Alter starke Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Es sind vor allem die Frauen, die im Alter häufig allein leben (müssen), während Männer sehr viel seltener betroffen sind. So wohnen von den männlichen Senioren lediglich rund 19 % in einem Einpersonenhaushalt, von den Frauen dieser Altersgruppe führen wesentlich mehr, nämlich gut 42 % ein »Singledasein«. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der alleinlebenden Senioren erwartungsgemäß deutlich an. So leben in Baden-Württemberg von den 75 Jahre und älteren Männern gut 22 %, von den Frauen sogar nahezu 57 % allein in einem Haushalt.

Was steht hinter diesem Phänomen, dass Frauen im Alter sehr viel häufiger allein leben als Männer? Ursächlich ist zum einen die höhere Lebenserwartung von Frauen und die Tatsache, dass bei Ehepaaren die Frauen in der Regel jünger sind als die Männer. Damit haben verheiratete Frauen im Durchschnitt ein weitaus höheres Risiko als Männer, verwitwet zu werden.

Die hohe Zahl weiblicher Singles unter den Seniorinnen ist jedoch wiederum auch eine Spätfolge des Zweiten Weltkriegs, was zu einer hohen Zahl früh verwitweter Frauen geführt hat bzw. dazu, dass viele Frauen aufgrund des damaligen »Männermangels« keinen (Ehe-)Partner gefunden haben.

Insgesamt rund 1,4 Mill. Baden-Württemberger im Alter von 65 und mehr Jahren – das entspricht einem Anteil von 68,4 % – leben in einem Mehrpersonenhaushalt mit zwei oder mehr Personen. Rund 90 % dieser Senioren leben mit ihrem Ehepartner zusammen.

Erwerbsbeteiligung älterer Menschen erheblich angestiegen

Der demografische Wandel hat Folgen für den Arbeitsmarkt und für die Systeme sozialer Sicherung. Um die Rentenversicherungen zu entlasten, wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für frühzeitige Verrentungen erschwert. Die folgenden Zahlen zeigen, dass diese Maßnahmen offenbar greifen. Zu beobachten ist nämlich, dass die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen in Baden-Württemberg im Alter von 55 bis unter 65 Jahren in den letzten 10 Jahren enorm zugenommen hat. Im Jahr 2000 waren in Baden-Württemberg rund 44 % der 55- bis unter 65-Jährigen berufstätig, und zwar knapp 55 % der Männer und nur 33 % der Frauen. Bis zum Jahr 2010 ist die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen erheblich angestiegen. Nun waren bereits knapp 64 % der Personen dieser Altersgruppe erwerbstätig. Die Erwerbstätigenquoten der Männer belief sich 2010 auf 72 %, die der Frauen auf gut 55 %.

Jenseits der gesetzlichen Ruhestandsgrenze von derzeit 65 Jahren sinkt die Erwerbsbeteiligung zwar stark ab. Dennoch gingen 2010 immerhin noch rund 5 % der Senioren in Baden-Württemberg (gut 7 % der Männer und knapp 4 % der Frauen) einer Berufstätigkeit nach. Auch in dieser Altersgruppe ist ein – wenn auch nur geringfügiger – Anstieg der Erwerbstätigenquote zu beobachten. Im Jahr 2000 lag die Erwerbsbeteiligung der 65-Jährigen und Älteren noch bei 4 %, wobei gut 6 % der Männer und rund 2 % der Frauen dieser Altersgruppe noch einen Job hatten.

Finanzielle Situation älterer Männer und Frauen

Die Haushaltsnettoeinkommen der baden-württembergischen Senioren3 sind im Durchschnitt niedriger als die der Gesamtbevölkerung, was darin begründet sein dürfte, dass in den Seniorenhaushalten in der Regel weniger Einkommensbezieher leben als in baden-württembergischen Durchschnittshaushalten und dass Senioren in der Regel Rentenempfänger sind. So hatten rund 46 % der Haushalte in Baden-Württemberg ein Nettoeinkommen von monatlich unter 2 000 Euro, von den Seniorenhaushalten jedoch gut 65 %. In den oberen Einkommensklassen waren hingegen die Haushalte der 65-Jährigen und Älteren unterrepräsentiert. Hier verzeichneten rund 26 % aller Haushalte in Baden-Württemberg, aber nur knapp 11 % der Älteren ein Haushaltsnettoeinkommen von mindestens 3 200 Euro pro Monat. Immerhin jeder zehnte Haushalt im Land gegenüber nur 4 % der Seniorenhaushalte gab an, über ein Haushaltsnettoeinkommen von 4 500 Euro oder mehr zu verfügen.

Diese Situation spiegelt sich auch in den Armutsgefährdungsquoten wider: Im Jahr 2010 lag in Baden-Württemberg die Armutsgefährdungsquote4 bei 11 %. Der Anteil armutsgefährdeter Senioren liegt mit 11,3 % knapp über dem Durchschnittswert. Die Armutsgefährdungsquote ist gemäß der EU-Definition der Anteil der Personen, die mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Bevölkerung auskommen müssen. Allerdings sind ältere Frauen weitaus häufiger armutsgefährdet als Männer: So liegt die Armutsgefährdungsquote der Frauen im Alter von 65 und mehr Jahren bei rund 13 %, die der Männer mit gut 9 % sogar unter dem Durchschnitt.

In diesen Zahlen kommen auch ganz deutlich die Folgen der niedrigen Erwerbsbeteiligung dieser Frauengeneration zum Ausdruck. Für die heutigen Seniorinnen war es noch weitgehend üblich, bei der Heirat oder spätestens bei der Geburt des ersten Kindes – für längere Zeit oder auch endgültig – aus dem Berufsleben auszuscheiden. Die Folge ist, dass diese Frauen, im Vergleich zu den Männern, die jahrzehntelang im Erwerbsleben standen, nur geringe eigene Rentenansprüche haben bzw. von einer Witwenrente leben müssen. Aber auch viele Seniorinnen, die lange Zeit berufstätig waren, müssen aufgrund ihrer im Durchschnitt schlechteren bzw. fehlenden beruflichen Qualifikation mit einer geringeren Rente auskommen als ihre männlichen Altersgenossen.

Jede achte Seniorin pflegebedürftig

Ein wesentlicher Faktor für Lebensqualität im Alter ist die gesundheitliche Situation bzw. die Möglichkeit, den Alltag selbstständig meistern zu können. Wichtige Informationen hierzu liefert die Pflegestatistik. Aus den Daten der Pflegestatistik geht hervor, dass im Dezember 2009 in Baden-Württemberg knapp 12 % der Frauen und rund 7 % der Männer im Alter von 65 und mehr Jahren Leistungen aus der Pflegeversicherung bezogen.

Mit zunehmendem Alter steigt sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen der Anteil derjenigen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhielten, sprunghaft an. Leistungen aus einer Pflegeversicherung empfingen knapp 3 % der Baden-Württembergerinnen im Alter von 65 bis unter 75 Jahren, jedoch bereits mehr als jede fünfte Frau im Alter von über 75 Jahren (rund 22 %). Von den 65- bis unter 75-jährigen Männern waren 3 % pflegebedürftig, von den 75-jährigen und älteren Männern lediglich knapp 13 %.

Die Zahlen belegen, dass in Baden-Württemberg der größte Teil der Seniorinnen und Senioren unabhängig von Hilfe und Pflege lebt. Altsein ist damit nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit Gebrechlichkeit und Hilfebedürftigkeit, denn die große Mehrheit – auch der Hochbetagten – ist offensichtlich zu einer weitgehend selbstständigen Lebensführung in der Lage. Es zeigt sich jedoch auch, dass Frauen ein deutlich höheres Risiko haben, pflegebedürftig zu werden als Männer. Die Ursachen dürften die gleichen sein wie die, die dazu führen, dass mehr Frauen als Männer im Alter allein leben. Nach dem Tod des im Durchschnitt älteren Partners leben Frauen häufig allein und sind im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit auf professionelle Hilfe und damit auch auf die Pflegeversicherung angewiesen. Männer werden in dieser Situation sehr häufig von ihren Ehefrauen versorgt, so dass ein Antrag auf Leistungen aus einer Pflegeversicherung vermutlich oftmals nicht gestellt wird.

Seniorengeneration nimmt ihr Einflusspotenzial auf die Politik stärker wahr als junge Menschen

In der Diskussion über den demografischen Wandel und seine Folgen für Politik und Gesellschaft wird oft übersehen, dass das politische Einflusspotenzial der älteren Generation allein durch die Alterung der Gesellschaft stark gestiegen ist. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der älteren Wahlberechtigten beträchtlich erhöht, die der jüngeren ist rückläufig. So war beispielsweise bei der Landtagswahl 1980 die Gruppe der älteren (60 Jahre und älteren) Wahlberechtigten mit einem Anteil von gut 25 % noch kleiner als die der jüngeren (unter 35-Jährigen), die damals 30 % der Wahlberechtigen stellte. Mittelweile ist es umgekehrt. Bei der Landtagswahl 2011 war bereits annähernd jeder dritte Wahlberechtigte 60 Jahre oder älter (knapp 32 %), nur noch rund 23 % waren jünger als 35 Jahre.

Da jedoch auch die Wahlbeteiligung der älteren Generation erheblich höher ist als die der jüngeren – bei der Landtagswahl 2011 lag die Wahlbeteiligung der Senioren bei knapp 70 %, die der unter 35-Jährigen jedoch nur bei rund 49 % – nehmen die Senioren auch tatsächlich mehr Einfluss auf die Politik. Mit rund 36 % war der Anteil der 60-Jährigen und Älteren an den Wählern doppelt so hoch wie der der unter 35-Jährigen von lediglich gut 18 %.