:: 10/2011

Baustatistiken im Wandel

Erweiterung des Hochbaustatistikgesetzes

Mit dem Jahr 2012 wird der Erhebungsbogen für Baugenehmigungen um neue Merkmale im energetischen Bereich erweitert. Nach Jahren der Reduzierung der Berichtspflichten in der amtlichen Statistik wird damit die Informationsgewinnung wieder ausgeweitet.

Die Gründe liegen auf der Hand. Der Berichtsweg der amtlichen Statistik bietet sich als effiziente und sachgerechte Lösung an, um Nachweispflichten gegenüber der EU im Umweltbereich zu erfüllen.

Die Statistik unterliegt einem ständigen Wandel

Die amtliche Statistik befindet sich in einem ständigen Prozess, der das Ziel hat, die Datengewinnung effizienter zu gestalten, dabei gleichzeitig die Berichtspflichtigen zu entlasten und das Informationsangebot zu verbessern. Unter dem allgemeinen Stichwort der »Entbürokratisierung« hat sich viel getan. Das Mittelstandsentlastungsgesetz, die Nutzung von Verwaltungsdaten, die Bereitstellung von elektronischen Meldewegen und das Verkleinern des Umfangs der Fragebögen gehören zu den getroffenen Maßnahmen.1

Doch die Statistik ist genauso lebendig wie die Gesellschaft, die sie abbilden soll. Neue Fragestellungen tauchen auf, andere werden irrelevant. Im Laufe der Jahre verändern sich so die Anforderungen an die Statistik und damit auch an die auskunftgebenden Bürger, Betriebe, Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Institutionen. Demgegenüber steht ein Informationsangebot, das für die Beantwortung aktueller Fragestellungen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und auch jedem Bürger zur Verfügung steht.

Die Statistiken der Bautätigkeit

Die Statistiken der Bautätigkeit liefern unentbehrliche Informationen zu den Entwicklungen des Baumarktes. Aber auch sie müssen dem veränderten Informationsbedarf angepasst werden.

Erhoben werden die Baugenehmigungen, Baufertigstellungen, der Bauüberhang und die Bauabgänge. Die jährliche Auswertung dieser Erhebungen ergibt die Fortschreibung des Gebäude- und Wohnungsbestandes in Baden-Württemberg.2 Die monatlichen Daten zu Zahl, Art und Volumen der Bauvorhaben ergeben ein Bild der Aktivitäten im Wohnungsbau und bei der Erstellung von Nichtwohngebäuden.3 Anhand der dabei ebenfalls erhobenen Merkmale zur verwendeten Heizenergie und zum eingesetzten Baustoff wird die Beobachtung von Trends in diesen Bereichen ermöglicht. Berichtspflichtig sind im weitesten Sinne alle Bauherren.

In den letzten 2 Jahrzehnten gab es bereits einige Veränderungen dieser Erhebungen. So wurde zum Beispiel Mitte der 90er-Jahre der Merkmalskatalog für die Statistik der Baugenehmigungen zusammengestrichen.4 Es wird seither darauf verzichtet, private Bauherren detaillierter zu spezifizieren, den Abwasserlauf und Angaben zum Status des Baugebiets abzufragen.5 Das war auch deutlich sichtbar für den Kreis der Auskunftgebenden, denn der Erhebungsbogen bestand nur noch aus einem DIN A 4-Blatt und nicht mehr aus zwei. Mit Anfang des vergangenen Jahrzehnts wurde ein moderner, elektronischer Meldeweg eröffnet und der Erhebungsbogen für die Baugenehmigung zum Ausfüllen im Internet zur Verfügung gestellt. Seither werden auch alle anderen Erhebungsbögen der Bautätigkeit als Formulare zum Download im Internet angeboten. Damit wurde das Erfüllen der Meldepflicht für die Berichtspflichtigen erleichtert.

Doch der Informationsbedarf vonseiten der Politik und der Wirtschaft wächst. Mit den Anforderungen an das nachhaltige Bauen, mit steigenden Energiepreisen und gesetzlichen Vorgaben für energetische Merkmale von neuen Gebäuden kam die erste vorsichtige Erweiterung des Genehmigungsbogens zu Beginn des Jahres 2010. Sie konnte noch in engen Grenzen gehalten werden, um die Berichtspflichtigen nicht spürbar zu belasten. Neben der Erfassung der vorwiegend genutzten Energiequelle zum Heizen wurde auch nach einer eventuell zusätzlich genutzten Energiequelle gefragt. Entsprechend aktueller Entwicklungen wurden ab 2010 die bisher unter »Sonstige« und »Wärmepumpe« zusammengefassten Heizsysteme nach Umweltthermie, Geothermie, Biogas, Biomasse und Holz unterschieden. Die Abfrage nach der Kohleheizung dagegen wurde unter dem Sammelposten der »Sonstigen« integriert, da ihre Bedeutung seit Jahren immer geringer geworden war. Statt bisher die Baustoffe nur nach Stahl, Stahlbeton, Holz, Ziegel, und »Sonstigem Mauerstein« zu erfassen, erfolgte eine zusätzliche Differenzierung auch nach Kalksandstein, Porenbeton und Leichtbeton/Bims, also nach Baustoffen, die besonders gute Dämmeigenschaften haben. All das ließ sich noch in den gewohnten Fragebogen integrieren.

Die gesetzliche Grundlage

Das Gesetz über die Statistik der Bautätigkeit im Hochbau und die Fortschreibung des Wohnungsbestandes (Hochbaustatistikgesetz – HBauStatG) bildet die rechtliche Grundlage für diese Erhebungen.6 Erfasst werden alle genehmigungs- oder zustimmungsbedürftigen sowie den landesrechtlichen Verfahrensvorschriften unterliegende Baumaßnahmen7, bei denen Wohnraum oder sonstiger Nutzraum geschaffen oder verändert wird. Hinzu kommen Hochbauten, deren Genehmigungsverfahren durch besondere Bundes- oder Landesgesetze geregelt sind.

Das Hochbaustatistikgesetz wurde im April dieses Jahres erweitert. Das erfolgte mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien – EAG EE) am 12. April 2011 durch den Bundestag.8 In Artikel 5a des EAG EE ist die Erweiterung des HBauStatG beschrieben. Es handelt sich um neue Merkmale zur »Art der Warmwasserbereitung und hierfür vorgesehene Energie; Anlagen zur Lüftung, Anlagen zur Kühlung sowie Art der Erfüllung des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes«. Erste Daten sollen 2012 erhoben werden. Damit bringt das Jahr 2012 eine deutliche Erweiterung des Erhebungsbogens. Zugleich wurde damit für die Daten, die zum Nachweis der Erfüllung der Klimaschutzziele gegenüber der EU notwendig sind, ein Meldeweg etabliert.

Zunächst waren auch andere Modelle der Datenerhebung in der Diskussion. Eine Idee war zum Beispiel der Aufbau einer eigenständigen Statistik, die über die Umweltministerien der Länder erhoben wird. In der Begründung des Gesetzes heißt es aber schließlich: »Die vorgeschlagenen Änderungen des Hochbaustatistikgesetzes stellen die sinnvolle Lösung dar, die erforderlichen Daten in einem vertretbaren Umfang und in einem effizienten Verfahren zu erfassen.«9

Die neuen Merkmale

Was ist unter den »erforderlichen Daten« zu verstehen? Die Änderung des HBauStatG ist im Wortlaut ganz pauschal gehalten. Die Erarbeitung der Fragen, die letztendlich auf dem Erhebungsbogen erscheinen, erfolgte im Verbund der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium.

Im Ergebnis neu hinzu kommen Fragen nach dem Einsatz von Lüftungs- und Kühlanlagen, nach der gewählten Energieart für die Warmwasserbereitung (vorwiegend und zusätzlich10) und nach der Art der Erfüllung des Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz – EEWärmeG11). Die Möglichkeiten der Bauherren, die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen, sind vielfältig und auch miteinander kombinierbar. Auf der Hand liegt die Nutzung erneuerbarer Energien für die Erzeugung von Wärme und Kälte. Als erneuerbare Energien gelten nach EEWärmeG (§2): Geothermie, Umweltwärme, Solarstrahlung, feste, flüssige und gasförmige Biomasse und Abwärme aus technischen Prozessen. Möglich ist aber auch die Nutzung von Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung oder zur Wärmerückgewinnung. Die Pflicht gilt ebenfalls als erfüllt, wenn Ersatzmaßnahmen ergriffen wurden, wie die Nutzung von Abwärme oder die Energieeinsparung durch Übererfüllung der Energieeinsparverordnung (EnEV). Fernwärme oder Fernkälte sowie die Nutzung gemeinschaftlicher Wärmeversorgung können ebenfalls die Erfüllung des EEWärmeG bedeuten. Für besondere Fälle gibt es aber auch Ausnahmeregelungen oder die Befreiung von der Erfüllungspflicht. Das kann zum Beispiel der Denkmalschutz des Gebäudes sein oder eine unbillige finanzielle Belastung, die auf einen Hausbesitzer zukommen würde.

Die Einführung des erweiterten Fragebogens

Für die Statistischen Ämter der Länder und des Bundes ist die Wahl des Gesetzgebers, neuen Informationsbedarf über die Erweiterung des Hochbaustatistikgesetzes zu decken, auf der einen Seite eine Anerkennung ihrer Arbeit als verlässlicher Informationsdienstleister. Auf der anderen Seite ergibt sich daraus ein deutlich spürbarer zusätzlicher Aufwand. Die Entwicklung eines neuen Fragebogens, der aktuellen Standards der Ergonomie, der Beleglesung und elektronischer Übertragung genügen muss, steht bereits kurz vor dem Abschluss. Er wird insgesamt wieder zweiseitig sein.

Der Statistische Verbund plant umfangreiche Informationskampagnen, um die zuständigen Baurechtsbehörden, die Bauherren und die Architekten auf den neuen Fragebogen vorzubereiten. Die vorhandenen bisher gültigen Erhebungsbögen müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Im Zuge der notwendigen Anpassung des Internet-Angebots müssen auch alle Softwareanbieter rechtzeitig informiert werden, die den Genehmigungsbogen und den Fertigstellungsbogen selbst im Rahmen ihrer Programme für Bauvorhaben anbieten. Sie müssen die erforderlichen Anpassungen ebenfalls vornehmen.

Der Erhebungsbogen erweitert sich aber nicht nur für die Berichtspflichtigen. Auch an die Erfassung, die Datenübertragung, die Plausibilisierung und Auswertung der zusätzlichen Merkmale werden erhöhte Anforderungen gestellt. Die Mitarbeiter in der amtlichen Statistik müssen zu den neuen Fragestellungen geschult werden. Immerhin werden Jahr für Jahr allein in Baden-Württemberg bis zu 30 000 Meldungen bearbeitet. Ein Problem wird auch der Umgang mit den Fällen darstellen, für die die Baugenehmigungen vor dem Beginn des Jahres 2012 gemeldet wurden, für die aber bis Ende des Jahres 2011 noch keine Fertigstellungen vorliegen.

Anfang des Jahres 2013, also nach Abschluss des Erhebungsjahres 2012, werden erste Auswertungen für die neuen Merkmale in der Statistik der Baugenehmigungen vorliegen, für die Baufertigstellungen nach Baufortschritt entsprechend später.

1 Siehe Statistisches Bundesamt Wirtschaft und Statistik 6/2011 »Konzeption und erste Ergebnisse des Belastungsbarometers für Wirtschaftsstatistiken«; Vgl. Dreher, Christoph, »Der Masterplan in der Praxis – Das Beispiel der Baugewerbestatistiken« in Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2008, S. 33 ff.

2 Ausgehend vom Vorjahresbestand wird der Wohngebäudebestand mit den Daten der Statistiken der Baufertigstellungen und des Bauabgangs neu berechnet. Die Statistik des Bauüberhangs erhebt Angaben zum Baufortschritt am Jahresende. Es wird unterschieden, ob das Bauvorhaben begonnen wurde, wie weit der Bauzustand (unter Dach oder noch nicht unter Dach) fortgeschritten ist, oder ob die Baugenehmigung erloschen ist.

3 Zum sogenannten Nichtwohnbau zählen Anstaltsgebäude, Büro- und Verwaltungsgebäude, landwirtschaftliche Betriebsgebäude, Fabrik- und Werkstattgebäude, Handels- und Lagergebäude, Hotels und Gaststätten, aber auch Gebäude privater Bauherren, die nicht überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werden sollen.

4 Eine Veränderung des Erhebungsbogens für die Baugenehmigungen zieht auch immer eine entsprechende Anpassung des Erhebungsbogens für Baufertigstellung nach sich.

5 Die privaten Bauherren wurden unterschieden nach: Selbstständige, Beamte und Angestellte, Arbeiter, Rentner und Pensionäre und Sonstige.

6 HBauStatG vom 5. Mai 1998 (BGBl. I S. 869) zuletzt geändert am 12. April 2011 (BGBl. I S. 619).

7 In Baden-Württemberg gibt es neben dem Baugenehmigungsverfahren das Kenntnisgabeverfahren und das 2010 eingeführte Vereinfachte Baugenehmigungsverfahren.

8 BGBl. 2011 Teil I Nr. 17.

9 Drucksache des Bundesrats 647/10 (Beschluss).

10 Auf dem Erhebungsbogen werden die vorwiegend und zusätzlich genutzte Energiequelle – wie bisher auch – als »Primär« und »Sekundär« bezeichnet, abweichend von der Definition der Primär- und Sekundärenergie bzgl. ihrer Erzeugung.

11 EEWärmeG vom 7. August 2008 (BGBl. I S. 1658), zuletzt geändert am 12. April 2011 (BGBl. I S. 619).