:: 10/2011

Energieverbrauch 2009 im Zeichen der Wirtschaftskrise

Der Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch zeigte sich im Jahr 2009 in einer ungewöhnlich drastischen Weise. So ging mit dem kräftigen Einbruch der Wirtschaftsleistung auch der Primärenergieverbrauch im Land deutlich zurück. Weniger zum Einsatz kamen fossile Energieträger wie Steinkohle und Erdgas, während die Kernenergie und erneuerbare Energieträger sogar Zuwächse verzeichneten. Eher robust gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung erwies sich der Kraftstoffverbrauch im Straßenverkehr.

Als die ersten Schätzungen zum deutschen Energieverbrauch 2009 veröffentlicht wurden, kürte die Frankfurter Allgemeine Zeitung das Klima zum »Krisengewinner«1 und die Süddeutsche Zeitung titelte »Krise macht Deutschland klimafreundlicher«2. Auslöser für diese Meldungen war der drastische Rückgang des Primärenergieverbrauchs, der Deutschland zum niedrigsten Verbrauchsniveau seit Anfang der 70er-Jahre verholfen hatte.3 Hauptursache für den ungewöhnlich geringen Energieverbrauch waren allerdings nicht die Bemühungen um mehr Energieeinsparungen und -effizienz, sondern der starke Einbruch der Wirtschaftsleistung.

Weniger Verbrauch fossiler Energieträger

In Baden-Württemberg sank der Primärenergieverbrauch 2009 infolge der Wirtschaftskrise um 5 % und die energieverbrauchsbedingten Kohlendioxid (CO2)-Emissionen gingen um fast 9 % gegenüber dem Vorjahr zurück. Während der Energieverbrauch im Land mit 1 546 Petajoule ein Niveau erreichte, das eher typisch für die 90er-Jahre ist, wurde für die CO2-Emissionen mit 66,2 Mill. Tonnen (t) die niedrigste Emissionsfracht seit Beginn vergleichbarer Berechnungen durch das Statistische Landesamt (erstmals für das Jahr 1975) ermittelt.4 Zumindest kurzfristig konnte das Klima also tatsächlich profitieren. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass 2009 insbesondere der Verbrauch der fossilen Energieträger abgenommen hat. So ist nach den Ergebnissen der Energiebilanz Baden-Württembergs der Primärenergieverbrauch von Steinkohle um beträchtliche 16 % eingebrochen. Auch der Erdgas- und Mineralölverbrauch ging gegenüber dem Vorjahr um 9 bzw. 7 % zurück. Der Primärenergieverbrauch der als klimaneutral geltenden Energieträger Solarenergie und Biomasse ist 2009 entgegen der allgemeinen Entwicklung aber gestiegen. Auch der Verbrauch von Kernenergie nahm gegenüber 2008 um 3 % zu.

Energieproduktivität zurückgegangen

Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt nahm 2009 in Baden-Württemberg um 7 % gegenüber dem Vorjahr ab. Die Wirtschaftsleistung ging in Baden-Württemberg damit stärker zurück als der Primärenergieverbrauch. Die Energieproduktivität sank daher gegenüber 2008 – und zwar um 2,3 %. Die Energieproduktivität gilt als Maßstab für die Effizienz einer Volkswirtschaft im Umgang mit den Energieressourcen. Sie gibt an, wie viele Einheiten des Bruttoinlandsproduktes jeweils mit einer Einheit Primärenergie erwirtschaftet werden. Je höher die volkswirtschaftliche Gesamtleistung je Einheit eingesetzter Primärenergie, umso effizienter nutzt die Volkswirtschaft die Primärenergie. Zwischen 1991 und 2008 konnte die Energieproduktivität in Baden-Württemberg um 20 % gesteigert werden. Dabei stieg das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt mit etwa 28 % wesentlich stärker als der Primärenergieverbrauch (+ 7 %). Der deutliche Rückgang der Energieproduktivität im Krisenjahr 2009 ist wohl als Ausnahme zu werten. Sie wird in den Folgejahren voraussichtlich wieder das Ausgangsniveau erreichen. Um bis 2020 das Ziel der Verdoppelung der Energieproduktivität gegenüber 1991 – wie in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2002 beschlossen – auch in Baden-Württemberg zu realisieren, sind jedoch erhebliche produktivitätssteigernde Maßnahmen notwendig.

Die Entwicklung des Energieverbrauchs unterliegt auch dem Einfluss von Witterungsunterschieden. Die Bereinigung von diesen Temperatureffekten führt zu einem Primärenergieverbrauch, der sich ergeben hätte, wenn die jährlichen Durchschnittstemperaturen konstant dem langjährigen Mittel entsprochen hätten. Vergleicht man die um Temperatureffekte bereinigten Mengen von 2008 und 2009, ergibt sich für 2009 ein etwas abgeschwächter Rückgang des Primärenergieverbrauchs von 4 % gegenüber dem Vorjahr. Die um Temperatureffekte bereinigte Energieproduktivität sank demnach um 3,5 %

Solarenergie mit hoher Zuwachsrate

Gewichtigster Energieträger im Energiemix blieb auch 2009 das Mineralöl mit einem Anteil von 34,5 % am Primärenergieverbrauch. Die Kernenergie deckte 24,3 % des Bedarfs. Seit 1990 hat sich die Struktur des Primärenergieverbrauchs zugunsten der erneuerbaren Energieträger verändert. Ihr Beitrag zum Primärenergieverbrauch stieg allein in den letzten 5 Jahren um 79 % und erreichte 2009 rund 144 Petajoule. Hohe Zuwächse zeigten sich vor allem bei der Solarenergie und der Biomasse. 2009 erhöhte sich der Primärenergieverbrauch von Solarenergie um rund 2,5 Petajoule. Dies entspricht einer Zuwachsrate von 43 % gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt erreichten die erneuerbaren Energieträger einen Anteil von 9,3 % am Primärenergieverbrauch, 2004 waren es erst 5 %. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen betrug dieser Anteil 2009 in Deutschland 8,9 %. Im Bundesländervergleich lag Baden-Württemberg 2008 an siebter Stelle.5 Am höchsten ist der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch bundesweit in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Während in Mecklenburg-Vorpommern vor allem die Nutzung von Windenergie einen hohen Beitrag zum Primärenergieverbrauch leistet, spielt in Thüringen – wie auch in Baden-Württemberg – der Verbrauch von Biomasse die größte Rolle.

Der Bruttostromverbrauch 2009 betrug in Baden-Württemberg 79,7 Terawattstunden (TWh). Dies sind 2 % weniger als im Jahr 2008. Etwa 82,5 % werden im Land selbst erzeugt. Die übrigen 17,5 % werden per Saldo aus anderen Bundesländern und dem Ausland nach Baden-Württemberg eingeführt. Das Austauschvolumen mit dem Ausland betrug hinsichtlich der Einfuhr 10,2 TWh, hinsichtlich der Ausfuhr 18,2 TWh. Somit wurde von Baden-Württemberg mehr Strom direkt ins Ausland abgegeben als direkt eingeführt. Zu den Liefer- und Abnehmerländer gehören die Schweiz, Frankreich und Österreich.

Endenergieverbrauch in der Industrie um 13 % eingebrochen

Der Endenergieverbrauch Baden-Württembergs betrug 2009 rund 1 038 Petajoule. Die Hälfte der Endenergie wurde von Haushalten und sonstigen Kleinverbrauchern, zum Beispiel aus Handel und Gewerbe, genutzt. Auf den Sektor Verkehr entfielen 29 %, auf das Verarbeitende Gewerbe, einschließlich Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden (kurz Industrie) die übrigen 20,6 %. Große Energieverbraucher in der Industrie sind Betriebe aus den Wirtschaftsabteilungen »Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus« und »Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden«. Obwohl in Baden-Württemberg auf diese zwei Industriebranchen nur etwa 6,1 % der Industriebetriebe entfallen und diese 4,8 % des Gesamtumsatzes erwirtschafteten, verbrauchten sie zusammen 28,3 % der Endenergie im Industriesektor. Weitere Branchen mit absolut betrachtet hohem Energieverbrauch sind die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« (11,7 %) und der »Maschinenbau« (9,1 %).

Gegenüber dem Vorjahr ging der Endenergieverbrauch im Jahr 2009 um knapp 6 % zurück. Bedingt durch einen Produktionsrückgang von 21 % benötigten die Betriebe in der Industrie 2009 etwa 13 % weniger Energie als 2008. In den von Produktionseinbußen besonders betroffenen und zum Teil auch energieintensiven Branchen ging der Verbrauch überdurchschnittlich zurück. So wurde beispielsweise im »Maschinenbau« 20 % und in der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« sowie in der »Papierindustrie« jeweils 17 % weniger Energie verbraucht als 2008. Auch die Haushalte und sonstigen Kleinverbraucher benötigten witterungsbedingt weniger Energie (−5 %).

Verbrauch im Straßenverkehr zeigt sich krisenfest

Im Bereich Verkehr fiel der Verbrauchsrückgang mit knapp 2 % recht moderat aus. In diesem Sektor nimmt der Straßenverkehr mit rund 94 % den größten Anteil am Energieverbrauch ein (entspricht 27 % am gesamten Endenergieverbrauch). Der Rest verteilt sich auf den Schienen- und Luftverkehr sowie die Binnenschifffahrt. Vom Verbrauchsrückgang war der Luftverkehr im Krisenjahr 2009 besonders betroffen (−22 %), während der Verbrauch im Straßenverkehr – wie bereits in den Vorjahren – nur leicht zurückging (− 1 %). Die zunehmende Verbreitung und Nutzung des Automobils hat zwar zwischen 1965 und 2009 zu einer Verdreifachung des Energieverbrauchs im Straßenverkehr geführt, seit der Jahrtausendwende geht er jedoch stetig zurück. Der Kraftstoffverbrauch je Kraftfahrzeug hat sich seit 1965 sowohl bei den Kraftfahrzeugen mit Ottomotor als auch bei den Dieselfahrzeugen fast halbiert.

Im Straßenverkehr kommen überwiegend Otto- und Dieselkraftstoffe zum Einsatz. Seit Mitte der 90er-Jahre verschob sich dabei das Verhältnis immer mehr zu Gunsten des Dieselkraftstoffs. 2004 wurde erstmals mehr Diesel als Ottokraftstoff verbraucht. Eine feste Größe sind inzwischen auch die Biokraftstoffe. Ihr Verbrauch im Straßenverkehr erreichte seinen Höchstwert 2007 mit einem Anteil von 7 %, im Jahr 2009 waren es noch etwas über 5 %. Ein leichter Zuwachs – wenn auch auf sehr niedrigem Niveau – zeigt sich beim Flüssiggas, auch Autogas genannt. Seit 2004 stieg der Verbrauch um das 23-fache. Sein Anteil am Energieverbrauch im Straßenverkehr betrug 2009 jedoch nur knapp 1 %.

Resümee

Der Energieverbrauch unterlag im Jahr 2009 ungewöhnlich starken verbrauchssenkenden Einflüssen infolge der wirtschaftlichen Krise. Auch die vergleichsweise milde Witterung trug zum Rückgang des Primärenergieverbrauchs bei. Im Energieträgermix konnten die erneuerbaren Energieträger durch hohe Zuwächse bei der Solarenergie gewinnen, während fossile Energieträger deutlich weniger zum Einsatz kamen. Während in Deutschland insgesamt der Primärenergieverbrauch in der Krise stärker zurückging als das Wirtschaftswachstum, war es in Baden-Württemberg umgekehrt. Eine Ursache hierfür dürfte die vergleichsweise geringe Bedeutung von energieintensiven Industrien – wie zum Beispiel die Baustoff-, Stahl- oder Chemieindustrie – sein. Da das Wirtschaftswachstum stärker zurückging als der Primärenergieverbrauch, sank auch die Energieproduktivität Baden-Württembergs ab. In Bereichen, die durch die wirtschaftliche Entwicklung stärker beeinträchtigt waren – wie beispielsweise das Verarbeitende Gewerbe und der Flugverkehr – ergaben sich überdurchschnittlich hohe Verbrauchsrückgänge. Eher robust zeigte sich hingegen der Endenergieverbrauch im Straßenverkehr, der sich entsprechend dem Trend der letzten Jahre erneut leicht verringerte.

Die baden-württembergische Wirtschaft erfuhr 2010 wieder einen kräftigen Aufschwung, der auch in den ersten Monaten 2011 weiter anhielt. Es ist daher damit zu rechnen, dass das Verbrauchsniveau aus der Zeit vor dem konjunkturellen Einbruch bald wieder erreicht werden wird. Die Energiebilanz 2010, deren Veröffentlichung im Jahr 2012 vorgesehen ist, wird Aufschluss über die weitere Entwicklung des Energieverbrauchs in Baden-Württemberg geben.

1 Mihm, Andreas: Klimagewinner, in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Dezember 2009, Nr. 297, S. 11

2 Bauchmüller, M./Bilger, O.: Krise macht Deutschland klimafreundlicher, in Süddeutsche Zeitung vom 23. Dezember 2009, www.sueddeutsche.de/wissen/energieverbrauch-krise-macht-deutschland-klimafreundlicher-1.53061, Stand 24. Juni 2011.

3 Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V., Stand 30. Juni 2011.

4 Weitere Informationen zu den energiebedingten CO2-Emissionen in der Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes Nr. 169/2011 vom 17. Mai 2011

5 Für 2009 liegen noch keine Vergleichsdaten aus den Energiebilanzen anderer Bundesländer vor (www.lak-energiebilanzen.de, Stand 10. Juni 2011).