:: 10/2011

Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg

Deutschland hat bereits in den Jahren 2008 und 2009 seine Treibhausgasemissionen so stark verringert, dass die für den Verpflichtungszeitraum von 2008 bis 2012 im Kyoto-Protokoll festgelegte Emissionsreduktion um mindestens 21 % gegenüber dem Basisjahr 1990 deutlich übertroffen wurde. Baden-Württemberg hat dazu durch eine zuletzt stark beschleunigte Minderung seiner Treibhausgas-emissionen einen wichtigen Beitrag erbracht. Bezogen auf den Zeitraum seit 1995 lag die Abnahme der Emissionen im Land fast genau beim Bundesdurchschnitt, gemessen an der Einwohnerzahl sogar etwas höher. Im vorliegenden Beitrag wird die Entwicklung der Emissionen im Land nach den einzelnen Treib-hausgasen und differenziert nach Sektoren dargestellt.

15,7 % weniger Emissionen gegenüber 1990

Die Emissionen an Treibhausgasen in Baden-Württemberg summierten sich 2009 auf 75,2 Mill. Tonnen (t) CO2-Äquivalente. Das waren rund 14 Mill. t oder 15,6 % weniger als 1990, dem Referenzjahr für internationale und nationale Klimaschutzziele. Der Anteil Baden-Württembergs an den bundesweiten Treibhausgasemissionen lag 2009 bei 8,2 %. Zum Vergleich: Der Anteil des Landes an der Einwohnerzahl Deutschlands liegt aktuell bei gut 13 %, der an der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung – gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – sogar bei 14,2 %.

Deutschlandweit konnten die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990, dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls, um immerhin über 26 % verringert werden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Zeitraum von 1990 bis 1995 in Baden-Württemberg wie auch in einer Reihe weiterer westdeutscher Länder ein gegenläufiger Trend zur gesamtdeutschen Abnahme zu beobachten war. Ausschlaggebend für die bis 1995 stark rückläufige Entwicklung in Deutschland war in erster Linie der überaus starke Rückgang der energieverbrauchsbedingten Treibhausgas-Emissionen in den ostdeutschen Ländern infolge der umfangreichen Produktionsstilllegungen nach der Wende.

Gegenüber 1995 erreicht die Minderung der Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg mit 17,8 % fast exakt den gleichen Wert wie bundesweit (−17,9 %). Insgesamt hat Baden-Württemberg damit einen spürbaren Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland bereits in den beiden Jahren 2008 und 2009 die für den Verpflichtungszeitraum von 2008 bis 2012 des Kyoto-Protokolls angestrebte Emissionsreduktion erfüllt hat.

Pro-Kopf-Emissionen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt

Die Treibhausgas-Emissionen je Einwohner sind in Baden-Württemberg stärker zurückgegangen als die absolute Emissionsfracht, da die Einwohnerzahl im Betrachtungszeitraum weiter angestiegen ist. Mit 7,0 t je Einwohner lagen die Pro-Kopf-Emissionen um fast 24 % niedriger als 1990. Zum Vergleich: bundesweit wurden 2009 bei einem Rückgang um 23 % noch rund 11 t an Treibhausgasen je Einwohner an die Atmosphäre abgegeben. Ein Bundesländervergleich ist derzeit aktuell nur bezogen auf den Zeitraum von 1995 bis 2008 möglich. Danach wies Baden-Württemberg mit 7,6 t je Einwohner im Jahr 2008 unter den Flächenländern nach Thüringen die geringsten Treibhausgas-Emissionen je Einwohner auf. Beim Vergleich der Entwicklung seit 1995 rangiert Baden-Württemberg wie auch Bayern mit −15 % relativer Minderung der Treibhausgas-Emissionen je Einwohner auf einem mittleren Rang unter allen Bundesländern.

CO2 stellt über 90 % der Treibhausgasemissionen im Land

Der mit Abstand größte Anteil an den gesamten Treibhausgasemissionen entfällt auf CO2, das im Jahr 2009 mit insgesamt 68,7 Mill. t über 90 % der Emissionen in Baden-Württemberg ausmachte. Sie sind zum weitaus überwiegenden Teil an die energetische Nutzung fossiler Energieträger geknüpft. Diese energiebedingten CO2-Emissionen lagen 2009 im Land bei 66,2 Mill. t. Weitere 2,5 Mill. t CO2 entstanden 2009 bei industriellen Prozessen, wie zum Beispiel bei der Herstellung von Zement und Kalk oder der Glasherstellung.

Die Anteilswerte von Methan und Lachgas an den gesamten Treibhausgas-Emissionen im Land lagen 2009 bei jeweils gut 4 %. Die Emissionen dieser beiden Gase entstehen nur zu vergleichsweise geringem Anteil beim Verbrauch fossiler Energieträger. Der überwiegende Teil entfällt auf die landwirtschaftliche Viehhaltung beziehungsweise auf die landwirtschaftliche Bodennutzung sowie den dortigen Einsatz von Mineral- und Wirtschaftsdünger. Weitere Emittenten sind die Abfallwirtschaft, insbesondere Abfalldeponien, sowie die Verteilung von Brennstoffen, vorwiegend von Erdgas.

Überdurchschnittlicher Rückgang bei Methan und Lachgas

Die bis 2009 gegenüber 1990 erreichte Minderung der Treibhausgas-Emissionen im Land (−14 Mill. t CO2-Äquivalente) ist größtenteils auf die in den letzten Jahren nach 2006 stark beschleunigte Abnahme der energiebedingten CO2-Emissionen zurückzuführen. Ihr Wert lag 2009 um 8,2 Mill. t (−11 %) niedriger als 1990. Die Ursachen dafür lagen vor allem in der Veränderung der Struktur des Energieverbrauchs hin zu CO2-ärmeren Energieträgern. Ausführlicher wird darauf im weiteren Verlauf dieses Beitrags noch eingegangen.

Ein zweiter gewichtiger Anteil (−4,6 Mill. t CO2-Äquivalente) geht auf die überaus deutliche Minderung der Methanemissionen zurück. Gegenüber 1990 konnten die Methan-Emissionen im Land um 58 % gesenkt werden. Ausschlaggebend dafür war die durchgreifende Minderung der Emissionen aus Abfalldeponien. Die fortschreitende Reduzierung und schließlich das vollständige Verbot der Ablagerung organischer Abfälle und nicht hinreichend mineralisierter Siedlungsabfälle auf Deponien haben einen Rückgang der Methan-Emissionen aus den Deponien im Land um mehr als 85 % bewirkt. Aber auch die Methan-Emissionen aus der landwirtschaftlichen Viehhaltung nahmen infolge verringerter Viehbestände spürbar ab (−24 %). Gegenläufig waren die Methan-Emissionen aus Feuerungen, hauptsächlich infolge der vermehrten Verbrennung von Holz, sowie die Emissionen aus der Verteilung von Erdgas im Zuge der Ausweitung der Gasnetze.

Auch die Lachgas-Emissionen konnten gegenüber 1990 um 17 % (0,7 Mill. t CO2-Äquivalente) verringert werden. Der mit Abstand wichtigste Emittent ist hier die Landwirtschaft mit ihren verschiedenen Aktivitäten der Düngung und Bearbeitung von Böden. Die N2O-Emissionen in diesem Bereich sind um rund 15 % zurückgegangen, machen jedoch nach wie vor etwa drei Viertel der gesamten N2O-Emissionen im Land aus. Stark verringert werden konnten die N2O-Emissionen aus Feuerungen infolge reduzierter N2O-Bildung bei der Entstickung von Feuerungsabgasen sowie die Emissionen aus Prozessen und Produktanwendungen. Teilweise kompensiert wurde der Rückgang der N2O-Emissionen im Land durch gegenläufige Entwicklungen (+ 14 %) der Emissionen aus der Abwasserbeseitigung und der Kompostierung infolge der vermehrten biologischen Behandlung von Abfällen.

Beschleunigte Entkoppelung der energiebedingten Emissionen von der wirtschaftlichen Entwicklung

Die Abnahme der Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg hat sich in den letzten 3 Jahren nach 2006 deutlich beschleunigt. Ausschlaggebend dafür war in erster Linie die relativ starke Abnahme der energieverbrauchsbedingten Emissionen ab 2007. Insbesondere der durch die Verbrennung fossiler Energieträger bedingte Ausstoß an CO2 war durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren überdurchschnittlich stark rückläufig. Bis 2006 hatten die energiebedingten CO2-Emissionen, abgesehen von gewissen Schwankungen, kaum abgenommen und lagen mit 78,3 Mill. t noch deutlich über dem Referenzwert (74,4 Mill. t) von 1990. Verstärkt durch die tiefgreifende Wirtschafts- und Finanzkrise gingen die CO2-Emissionen 2009 auf 66,2 Mill. t zurück, die niedrigste Emissionsfracht seit Beginn vergleichbarer Berechnungen im Jahr 1975. Gegenüber 1990 beträgt die Abnahme 11 %, gegenüber 1995 sogar 15,3 %. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt errechnet sich für 2009 gegenüber 1995 eine Minderung um 14,9 %. Die im Land deutlich unterdurchschnittliche Abnahme gegenüber dem Referenzjahr 1990 ist, wie bereits erwähnt, auf die zwischen 1990 und 1995 besonders starke Abnahme in den ostdeutschen Ländern (−40 %) zurückzuführen.

Die Entkopplung der CO2-Emissionen von der wirtschaftlichen Entwicklung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wurde auch unter Berücksichtigung der Wirtschaftskrise deutlich beschleunigt. Die spezifischen CO2-Emissionen sind gemessen am Jahr 1990 ebenso wie im Vergleich zum Jahr 1995 um 28 % verringert worden. Allein 10 Prozentpunkte hiervon gehen auf die CO2-Minderung in den Jahren nach 2006 zurück. Die Steigerung der CO2-Produktivität, des Kehrwertes der spezifischen Emissionen je Einheit BIP, lag damit im Land Baden-Württemberg deutlich höher als im Bundesdurchschnitt und auch deutlich höher als in der Mehrzahl der anderen Bundesländer.

Weniger CO2 hauptsächlich durch emissionsärmeren Energiemix

Der wichtigste Erklärungsansatz für die Entwicklung der CO2-Emissionen im Land liegt in der Betrachtung des Primärenergieverbrauchs. Trotz des spürbaren Rückgangs in den Jahren nach 2006 lag der Primärenergieverbrauch auch 2009 noch um gut 8 % höher als im Basisjahr 1990. Auch sank er nur wenig unter den Wert des Jahres 1995. Der Rückgang der CO2-Emissionen um immerhin 11 % gegenüber dem Referenzjahr 1990 ist in erster Linie auf die Entwicklung des Energiemix zurückzuführen. Die Zusammensetzung des im Land realisierten Primärenergieverbrauchs hat sich seit 1990 stark verändert. Besonders emissionsmindernd wirkte sich der erheblich verringerte Einsatz an Kohle aus. Mit 154 000 Terajoule fiel der Verbrauch an Steinkohle 2009 unter den Wert des Jahres 1983. Grund dafür war nicht zuletzt der starke wirtschaftliche Einbruch in 2009. Der Einsatz von Braunkohle, der seit Mitte der 90er-Jahre deutlichen Schwankungen unterworfen und zuletzt wieder auf ein spürbar höheres Niveau angestiegen war, lag 2009 um gut ein Viertel (1 400 Terajoule) unter dem Wert des Bezugsjahres 1990. Die ersten für 2010 vorliegenden Zahlen lassen auf Bundesebene einen erheblichen Anstieg beim Kohleverbrauch erwarten. Auch weisen die Ergebnisse für die Kraftwerke der allgemeinen Versorgung in Baden-Württemberg beim Steinkohleeinsatz auf einen Anstieg um gut 7 % hin.

Ebenfalls wichtig und zugleich nachhaltig wirksam für den Rückgang der energiebedingten CO2-Emissionen war die massive Umschichtung weg vom Heizöl und hin zum deutlich CO2-ärmeren Erdgas. Auch der in den letzten Jahren wieder kontinuierlich angestiegene Stromimport wirkt sich mindernd auf die CO2-Bilanz im Land aus. Der per Saldo importierte Strom wird im Land CO2-neutral verbucht, ist aber gewichtet mit dem bundesdurchschnittlichen CO2-Faktor real mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden. Der Anteil der Kernenergie lag 2009 bei 24,3 % und damit fast exakt beim Wert des Jahres 1990. Im Jahr 1995 betrug der Kernenergieanteil am Primärenergieverbrauch im Land 26,4 %.

Erneuerbare Energien verbessern die CO2-Bilanz nachhaltig – großer Beitrag der Abfallwirtschaft

Nicht zuletzt macht sich der erheblich gestiegene Anteil erneuerbarer Energieträger am Primärenergieverbrauch im Land deutlich bei der Entwicklung der CO2-Intensität des Energieverbrauchs und damit der CO2-Emissionen bemerkbar. Er hat von unter 2 % im Referenzjahr 1990 auf über 9,3 % im Jahr 2009 zugenommen. Die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energieträger am Primärenergieverbrauch ist im Land hauptsächlich auf die außerordentliche Zunahme des Einsatzes von Biomasse einschließlich biogener Abfälle für die Strom- und Fernwärmeerzeugung zurückzuführen. Durch die Steigerung ihres Einsatzes auf den 7,5-fachen Wert des Jahres 1999 machte Biomasse 2009 mehr als drei Viertel (77,3 %) der im Land genutzten erneuerbaren Energien aus. Zum Vergleich: Die aus Wind und Sonne gewonnene Primärenergie hat bei einer Steigerung auf den gegenüber 1999 mehr als 11-fachen Wert in 2009 mit 14 000 Terajoule (TJ) einen Anteil von knapp 10 % erreicht.

Einen großen Beitrag zur Steigerung der Nutzung von Biomasse leistet die Abfallwirtschaft. Durch die im Land 2009 für die Strom- und Wärmegewinnung eingesetzten biogenen Siedlungsabfälle wurden nach modellhaften Berechnungen indirekt 1,6 Mill. t CO2-Emissionen vermieden. Nach ersten Ergebnissen der Abfallstatistiken stieg dieser Vermeidungsbeitrag der thermischen Nutzung biogener Abfälle 2010 um gut 17 % auf über 1,9 Mill. t weiter an.

Abweichende Entwicklung in den verschiedenen Energieverbrauchssektoren

Die Veränderung des Energieverbrauchs im Land hin zu CO2-ärmeren Energieträgern betrifft alle Energieverbrauchssektoren, wenngleich in erheblich abweichendem Umfang. Dementsprechend verlief auch die Entwicklung der CO2-Emissionen in den Sektoren seit 1990 recht unterschiedlich. Erstmals lagen jedoch 2009 die CO2-Emissionen in allen Verbrauchssektoren – außer beim Straßenverkehr – unter dem jeweiligen Wert von 1990. Die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs übertrafen trotz einer zuletzt kontinuierlichen Abnahme auch 2009 den Wert des Jahres 1990 noch um 2,6 %.

Im Umwandlungsbereich, das heißt in erster Linie bei der Strom- und Wärmeerzeugung für die allgemeine Versorgung, ist die zuletzt sehr deutliche Minderung der CO2-Emissionen vor allem auf den starken Rückgang beim Steinkohleeinsatz sowie den beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger zurückzuführen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung im Land stieg 2009 auf fast 15 % an und konnte auch im Bereich der Fernwärmeerzeugung für die allgemeine Versorgung erheblich gesteigert werden. Hier kommt es darauf an, dass der schrittweise Wegfall der Kernenergie als Stromlieferant nicht durch wieder verstärkten Kohleeinsatz, sondern durch eine gesteigerte Nutzung erneuerbarer Energien und – soweit erforderlich – zusätzlichen Erdgaseinsatz ausgeglichen wird. Begleitend aber ist sicher auch die Reduzierung des Stromverbrauchs im Land erforderlich, um langfristig die angestrebte Reduzierung der CO2-Emissionen zu erreichen. Dies erfordert entsprechende Maßnahmen sowohl in der Wirtschaft als auch bei den privaten Haushalten. Die Industrie hat zwar ihre direkten CO2-Emissionen aufgrund der geänderten Zusammensetzung ihres Energieverbrauchs deutlich gesenkt. Jedoch ist parallel dazu der Stromverbrauch der Industrie sehr stark angestiegen und lag 2009 trotz des Einbruchs infolge der Wirtschaftskrise um 8 % höher als 1990. In 2008 lag der Stromverbrauch sogar um 26 % höher als 1990. Noch verstärkt gilt dies für den Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Auch der Stromverbrauch der privaten Haushalte lag 2009 um fast 34 % über dem Wert von 1990, wenngleich in den letzten 3 Jahren ein Rückgang erkennbar war.

Auch die direkten CO2-Emissionen der privaten Haushalte sind zuletzt nicht weiter angestiegen. Der bis 2006 noch anhaltende steigende Trend scheint seit 2007 gebrochen. Darauf deuten die Ergebnisse für die Jahre 2007 bis 2009 hin, wenngleich hier eine Reihe von Sondereinflüssen wirksam wurde. Immerhin sanken aber die CO2-Emissionen der privaten Haushalte 2007 erstmals deutlich unter den Wert von 1990 und blieben auch in den Folgejahren 2008 und 2009 unter dem damaligen Niveau. Das Anfang 2008 in Kraft getretene Erneuerbare Wärmegesetz und dessen beabsichtigte Weiterentwicklung sowie Ausweitung auch auf Nichtwohngebäude können dazu beitragen, dass abgesehen von den wetterbedingten deutlichen Schwankungen beim CO2-relevanten Energiebedarf für Heizung und Warmwasser ein anhaltend abnehmender Trend erreicht und gesichert werden kann.