:: 10/2011

Entsorgung häuslicher Abfälle

Perspektiven des Umwelt- und Ressourcenschutzes

Die Aufkommensentwicklung von Abfällen aus privaten Haushalten und deren Verwertungspotenzial stellen ein zentrales thema in der umweltpolitischen Debatte um Ressourcenschonung und Klimaschutz dar. Gesetzliche Richtlinien im Umgang mit Abfällen hat bereits das 1996 in Kraft getretene Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz geschaffen. Mit dem im Jahr 2011 beschlossenen Entwurf zur Novelle wird das bestehende Abfallrecht umfassend modernisiert. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf einer weiteren Steigerung der Ressourceneffizienz der Kreislaufwirtschaft durch eine festgelegte Rangfolge verschiedener Verwertungsalternativen, im Speziellen der stofflichen und thermischen Verwertung. Mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz soll so ein wichtiger Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz geleistet werden.

Bemühungen zur Vermeidung von Abfällen seit 1990 erfolglos?

2010 sind in Baden-Württemberg 3,7 Mill. Tonnen (t) häusliche Abfälle zur Entsorgung angefallen. Gegenüber dem Vorjahr nahm die Menge trotz der konjunkturellen Aufwärtsentwicklung um 20 000 t (rund 1 %) ab. Häusliche Abfälle setzen sich aus dem auch als Restabfall bezeichneten Haus- und Sperrmüll (1,6 Mill. t), den davon getrennt erfassten Wertstoffen (1,8 Mill. t) sowie den Bioabfällen (0,4 Mill. t) zusammen.

Das Aufkommen häuslicher Abfälle im Land korreliert stark mit der Bevölkerungszahl. Um eine vergleichende Analyse des Abfallaufkommens zwischen den einzelnen Jahren zu ermöglichen, ist es notwendig, das Pro-Kopf-Aufkommen (kg/Ea) zu ermitteln. Rechnet man die Gesamtmenge auf die Bevölkerungszahl um, so verursachte jeder Baden-Württemberger im Jahr 2010 rund 349 kg häusliche Abfälle. Das sind rund 2 kg weniger als 2009 und 3 kg weniger als 1990.

Es ist also nur eine geringfügige Veränderung des Gesamtaufkommens häuslicher Abfälle in den letzten 20 Jahren zu erkennen. Der niedrigste Wert liegt bei durchschnittlich 335 kg/Ea im Jahr 1995, der höchste bei 362 kg/Ea im Jahr 2000. Zieht man die Entwicklung des Aufkommens häuslicher Abfälle als Maßstab für den Erfolg bei den Bemühungen um eine weitgehende Abfallvermeidung heran, so wird auf den ersten Blick der Eindruck erweckt, dass die Maßnahmen zur Erreichung umweltpolitischer Zielsetzungen erfolglos waren. Diese Aussage lässt sich so jedoch nicht bestätigen. Denn im Hinblick auf die stetig wachsenden Konsumausgaben1 innerhalb der letzten zwei Dekaden ist es sehr bemerkenswert, dass die Aufkommenshöhe häuslicher Abfälle im gleichen Zeitraum fast unverändert blieb. Dies führt zu der Annahme, dass Maßnahmen zur Abfallvermeidung seitens der Kommunen wirksam waren.

Abnahme der Haus- und Sperrmüllmengen seit 1990 um 46 %

Für die Entsorgung häuslicher Abfälle werden unterschiedliche Behandlungsvarianten genutzt. Grundsätzlich ist zwischen Verwertungs- und Beseitigungsverfahren zu unterscheiden. Erfolgt eine Verwertung, kann diese stofflich oder thermisch umgesetzt werden. Im Falle ihrer Beseitigung werden häusliche Abfälle derzeit ausnahmslos thermisch behandelt, da ihre Deponierung seit dem 1. Juni 2005 vollständig eingestellt wurde. Abhängig von der Art der Anlage, an die Abfälle zur Entsorgung2 angeliefert werden, kann näherungsweise eine Differenzierung der einzelnen Abfallfraktionen nach Beseitigung und Verwertung vorgenommen werden. Im Wesentlichen werden Haus- und Sperrmüll der Beseitigung zugeordnet, die davon separat erfassten Wertstoffe und Bioabfälle hingegen der Verwertung. Auf der Grundlage dieser Zuordnungssystematik können Stand und Entwicklung der kommunalen Abfallwirtschaft hinsichtlich einer Steigerung der Ressourceneffizienz durch Maßnahmen zur Förderung der stofflichen Verwertung beleuchtet werden. Als Indikatoren werden zum einen die mengenmäßige Entwicklung des Haus- und Sperrmülls und zum anderen die des Wertstoff- und Biomülls herangezogen und vergleichend analysiert.

Die Aufkommenshöhe des Haus- und Sperrmülls hängt stark von der Zusammensetzung aller Abfälle aus privaten Haushalten bzw. von der gesonderten Erfassung der verwertbaren Abfälle als getrennte Fraktionen ab. Die Menge wurde seit 1990 (2,6 Mill. t) im Land um gut 1,0 Mill. t auf heute rund 1,6 Mill. t reduziert. Während der Anteil des Haus- und Sperrmüllaufkommens an den häuslichen Abfällen 1990 noch 76 % betrug, liegt dieser 2010 nur noch bei 42 %. Bezogen auf das Aufkommen je Einwohner hat sich die Menge von rund 269 kg im Jahr 1990 auf aktuell knapp 145 kg fast halbiert (−46 %). Die Entwicklungsreihe in Schaubild 1 zeigt, dass der größte teil der im Land erreichten Reduzierung bereits bis 1996 – dem Jahr des Inkrafttretens des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes – erfolgte, da aufgrund knapper Deponiekapazitäten einige Maßnahmen zum Ausbau der Abfallverwertung bereits während der Beratungen des Gesetzes ergriffen wurden. So ging die Haus- und Sperrmüllmenge von 1990 bis 1996 von rund 2,6 Mill. t um rund ein Drittel auf 1,7 Mill. t zurück. Die Abnahme in den darauffolgenden Jahren fiel auch deshalb vergleichsweise niedrig aus (−170 000 t).

Wertstoffmengen im Land seit 1990 um 47 % gestiegen

Parallel zur Abnahme des Haus- und Sperrmüllaufkommens ist eine Zunahme der Wertstoffmengen zu beobachten. Die von den Haushalten getrennt bereitgestellten Wertstoffe gelten als recycelbare Abfälle und setzen sich aus Altpapier, Glas, Kunststoffen, Metallen sowie anderen Stoffen zusammen. Das Aufkommen lag 2010 wie im Vorjahr bei durchschnittlich 163 kg/Ea (knapp 1,8 Mill. t). Während der Anteil der Wertstoffe am Gesamtaufkommen häuslicher Abfälle 1990 bei 23 % lag, hat sich dieser bis zum Jahr 2010 (über 46 %) mehr als verdoppelt. Seit den letzten Jahren stagniert die Wertstoffmenge im Land bei rund 160 kg/Ea.

Die im Entwurf zum novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetz geplante erweiterte Wertstofferfassung verfolgt das Ziel, das Aufkommen getrennt gesammelter Wertstoffe weiter zu steigern. Neben der separaten Erfassung von Papier und Leichtverpackungen sowie dem Bioabfall wird eine Getrenntsammlung weiterer Stoffe wie stoffgleiche Nichtverpackungen vorgesehen. Studien3 zufolge kann dadurch eine deutliche Steigerung erfasster Wertstoffmengen bis 2020 prognostiziert werden. Als eine mögliche Maßnahme hierfür steht aktuell die Einführung der gemischten Wertstofftonne in den Stadt- und Landkreisen zur Diskussion. In diese könnte auch die Erfassung von Elektro-Kleingeräten integriert werden.

Die von Haushalten gesondert erfassten Elektro- und Elektronikaltgeräte werden aus methodisch-statistischen Gründen nicht den oben definierten häuslichen Abfällen im engeren Sinne zugerechnet, sind jedoch teil dieses Bereiches. Mit Blick auf eine geplante Steigerung der Wertstoffmengen zur Schonung natürlicher Ressourcen sollte aufgrund des hohen Anteils verwertbarer Materialien auf diese Fraktion künftig ein erhöhtes Augenmerk gerichtet werden. Die Menge der Elektro- und Elektronikaltgeräte hat sich seit 1996 von rund 2,9 kg/Ea auf aktuell 7,4 kg/Ea mehr als verdoppelt. Mit dem Inkrafttreten des Elektrogesetzes im Jahr 2005 erfuhr das Aufkommen seine stärkste Zunahme um 1,3 kg/Ea (2005: 5,2 kg/Ea; 20064: 6,5 kg/Ea). Aktuell liegt das absolute Aufkommen bei rund 80 000 t.

42 kg Bioabfälle je Einwohner getrennt erfasst

Der Anteil der getrennt erfassten Bioabfälle am Gesamtaufkommen häuslicher Abfälle hat sich von nur 1 % (2 kg/Ea) im Jahr 1990 auf heute 12 % (41 kg/Ea) erhöht. Die Biotonne wurde in Baden-Württemberg ab 1990 schrittweise in den einzelnen Kreisen zur separaten Sammlung von Bioabfällen eingeführt. Dennoch ist bis heute keine flächendeckende Erfassung eingetreten. Derzeit wird in 33 der 44 Landkreise Biomüll getrennt eingesammelt. Demzufolge sind die Erfassungsmengen von 1990 (2 kg/Ea) bis 1996 (34 kg/Ea) entsprechend stark angestiegen und stagnieren seit 2000 bei rund 40 kg/Ea.

Durch die im Kreislaufwirtschaftsgesetz vorgesehene flächendeckende separate Bioabfallerfassung ab 2015 besteht die Möglichkeit, diese Stagnation aufzubrechen und den trend hin zu einer Steigerung der Bioabfallmengen wieder ins Rollen zu bringen. Auch ohne eine Einführung des Anschluss- und Benutzungszwangs der Biotonne, wie er aktuell im Zuge der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes diskutiert wird, wäre dadurch im Land eine Steigerung der getrennt erfassten Bioabfälle um über 20 % erreichbar5.

Große Erfolge bei der Verwertung zu verzeichnen

Anhand der hier dargestellten Zahlen lässt sich ein gegenläufiger trend der Haus- und Sperrmüllmengen auf der einen Seite und der davon separat erfassten Wertstoff- inklusive Bioabfallmengen auf der anderen Seite erkennen. Das Haus- und Sperrmüllaufkommen überstieg bis einschließlich 1995 das Wertstoff- inklusive Bioabfallaufkommen. Danach kehrte sich das Verhältnis um und das Aufkommen verwertbarer Materialien nimmt seither einen höheren Anteil der häuslichen Abfälle ein. Folglich können die eingesetzten Maßnahmen zur Erreichung der politisch formulierten Ziele einer Ausweitung der Abfallverwertung durchaus als Erfolg verbucht werden. Die in den letzten Jahren eingesetzte Stagnation aller drei Fraktionen kann möglicherweise mit den oben aufgeführten Maßnahmen aufgebrochen werden, wodurch die Entwicklung hin zur Kreislaufwirtschaft weiter forciert würde.

Disparitäten zwischen den Stadt- und Landkreisen

In den einzelnen Stadt- und Landkreisen streut das Aufkommen häuslicher Abfälle stark um den Landeswert (349 kg/Ea) zwischen 247 kg/Ea im Landkreis Ravensburg und 496 kg/Ea im Stadtkreis Baden-Baden. Bezüglich des Aufkommens der einzelnen Abfallfraktionen Haus- und Sperrmüll, Wertstoffe und Bioabfälle sind ebenfalls erhebliche regionale Unterschiede festzustellen. Für 2010 liegt das Maximum der von privaten Haushalten erzeugten Haus- und Sperrmüllmenge bei 253 kg/Ea im Stadtkreis Mannheim, das Minimum hingegen bei 63 kg/Ea im Landkreis Freudenstadt. Die beiden Landkreise Calw und Freudenstadt weisen mit einem Anteil von rund 80 % am Gesamtaufkommen häuslicher Abfälle die größten Mengen getrennt gesammelter Wertstoffe inklusive Bioabfälle auf, die Stadtkreise Mannheim und Stuttgart hingegen mit nur rund 39 % die geringsten. In nur acht Landkreisen liegt der Anteil der Haus- und Sperrmüllmengen über dem der Wertstoffe inklusive Bioabfälle.

Die Erfassung häuslicher Abfälle hat sich in fast allen Kreisen weiter in Richtung getrennter Sammlung von Wertstoffen und Bioabfällen mit nachfolgender stofflichen bzw. biologischen Verwertung verschoben. In Schaubild 4 ist die Veränderung der Zusammensetzung häuslicher Abfälle in den jeweiligen Stadt- und Landkreisen von 1996 bis 2010 dargestellt. Die Haus- und Sperrmüllmengen haben in diesem Zeitraum in 32 der 44 Stadt- und Landkreise abgenommen, in der Regel nahm im Gegenzug das Wertstoff- und Bioabfallaufkommen zu. Im Stadtkreis Freiburg im Breisgau ist die größte Abnahme des Haus- und Sperrmülls um −102 kg/Ea bei einer gleichzeitigen Zunahme der Wertstoffe inklusive Bioabfälle um 71 kg/Ea zu verzeichnen.

Die Ansätze zur Erklärung der räumlichen Unterschiede in Bezug auf die Aufkommenshöhe und Zusammensetzung häuslicher Abfälle sind sehr vielseitig. Zum einen begründen unterschiedliche Siedlungs- und Bevölkerungsstrukturen zwischen den Kreisen und damit einhergehend ein differenziertes Verbraucherverhalten die Aufkommenshöhe und die Zusammensetzung. Zum anderen erschweren Erfassungsprobleme den Kreisvergleich. So konnten in einigen Landkreisen aufgrund der zunehmenden gewerblichen Sammlung von vor allem Papier nur eingeschränkt Angaben zum Wertstoffaufkommen gemacht werden. Hinzu kommt, dass in Baden-Württemberg keine flächendeckende Erfassung biologischer Abfälle besteht und der Anteil des sogenannten Geschäftsmülls6, der in öffentlichen Müllabfuhren einbezogen ist, von Kreis zu Kreis offenbar stark variiert. Des weiteren nehmen die differenzierten strukturellen Rahmenbedingungen für die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung und damit einhergehend die unterschiedlichen Entsorgungsstrukturen in den einzelnen Kreisen Einfluss auf das Aufkommen aller drei Fraktionen häuslicher Abfälle.

Ausblick

Für einen so hoch industriell geprägten und auch vergleichsweise rohstoffarmen Standort wie Baden-Württemberg ist es überaus wichtig, Sekundärrohstoffquellen zu erschließen und sich dadurch von Rohstoffexporteuren unabhängiger zu machen. Als Lieferant der Sekundärrohstoffe fungiert die Abfallwirtschaft. Das seit 2000 weitestgehend gleichbleibende Aufkommen der drei Abfallfraktionen lässt einen Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen zur Abfallverwertung und damit zur Steigerung der Ressourceneffizienz erkennen. Für entsprechende zukünftige Planungen und deren Erfolgskontrolle ist die statistische Ermittlung der Aufkommensentwicklung sowie des Ist-Zustandes häuslicher Abfälle außerordentlich wichtig.

Durch die im Entwurf zur Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes festgelegte flächendeckende Getrenntsammlung des Bioabfalls sowie durch die Einführung der erweiterten Wertstofferfassung soll die Verwertungsquote weiter erhöht werden. Dies ginge einher mit einer gleichzeitigen Abnahme des Haus- und Sperrmüllaufkommens. Ob dadurch – nach langjähriger Stagnation – die Zunahme verwertbarer Abfallfraktionen wieder ins Rollen gebracht und somit die Abfallwirtschaft verstärkt hin zur Ressourcenwirtschaft weiter entwickelt wird, hängt letztendlich von den entsprechenden Maßnahmen und Verhaltens-weisen der unterschiedlichen Akteure ab, das heißt den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und Entsorgungsunternehmen einerseits und den Produktherstellern sowie den Konsumenten andererseits.

1 Private Konsumausgaben, preisbereinigt, verkettet.

2 Die Darstellung von Entsorgungswegen erfolgt nur auf der ersten Entsorgungsstufe, das heißt entsprechend der Klassifikation der Entsorgungsanlage, zu der die genannten Abfallfraktionen im ersten Entsorgungsschritt angeliefert werden.

3 ATZ Entwicklungszentrum: Statement zur Landespressekonferenz Abfallbilanz/ Abfallwirtschaft in Baden-Württemberg am 25. Juli 2011.

4 Hochgerechnete Werte.

5 ATZ Entwicklungszentrum: Statement zur Landespressekonferenz Abfallbilanz/ Abfallwirtschaft in Baden-Württemberg am 25. Juli 2011.

6 Hierbei handelt es sich um hausmüllähnliche Gewerbeabfälle, die in Gewerbebetrieben angefallen sind und nicht getrennt ausgewiesen werden können.