:: 11/2011

Phase der Hochkonjunktur in Baden-Württemberg geht zu Ende

Reales Wirtschaftswachstum im 2. Halbjahr 2011 deutlich abgeschwächt

Die verschiedenen konjunkturrelevanten Einzelindikatoren senden zur Zeit unterschiedliche Signale: Betrachtet man die Indikatoren Produktion, Auftragseingänge oder Umsatzentwicklung, wiesen die Zeichen bis zum August auf einen fortgesetzten, wenn auch abgeschwächten Aufschwung hin, wobei es um die Auslandsnachfrage noch etwas besser bestellt sein dürfte als um die Binnennachfrage. Dennoch ist die Rede vom Abschwung in aller Munde. Es sind vor allem die Stimmungsindikatoren, die das Gesamtbild trüben. Hier spiegeln sich die Unsicherheiten wider, in welcher Form mit der Staatsschuldenkrise (nicht nur) im Euroraum umzugehen ist.

Die konjunkturelle Großwetterlage für Baden-Württemberg zeigt der Gesamtkonjunkturindikator des Statistischen Landesamts an, der in Richtung Abschwung weist. Im 3. Quartal dürfte noch der Rückenwind des starken 1. Halbjahres wirksam sein, so dass wir mit einem Vorjahreswachstum des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2 ½ % rechnen. Im 4. Quartal könnte der Schwung deutlicher nachlassen, so dass das Plus nur noch bei ¾ % liegen könnte.

Tendenziell belastend für die Konjunktur ist auch die Preissteigerung. Der Anstieg der Verbraucherpreise lag in den ersten 3 Quartalen stets über der Zweiprozentmarke, was in erster Linie der deutlichen Verteuerung von Heizöl und Kraftstoffen geschuldet war. Was die künftige Preisentwicklung dieser Energieträ­ger angeht, ist jedoch mit einer Entspannung zu rechnen.

Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsdaten reagieren mit einer gewissen Verzögerung auf die konjunkturelle Lage. So ist es kein Wunder, dass der Arbeitsmarkt im Sommer noch ganz im Zeichen der Hochkonjunktur stand. So lag die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse rund 96 000 über ihrem Vorjahreswert. Die Arbeitslosigkeit ging im 3. Quartal gegenüber dem Vorjahr weiter zurück, zugleich stieg die Zahl der offenen Stellen.

Unsicherheiten belasten die Konjunktur

Für Baden-Württemberg lässt sich das Gesamtbild der konjunkturrelevanten Einzelindikatoren vielleicht folgendermaßen auf den Punkt bringen: Noch ist die Lage besser als die Stimmung. Ähnlich verhält es sich mit Deutschland insgesamt, Europa und den USA. Was die Industrieländer insgesamt angeht, bezeichnet der Internationale Währungsfonds (IWF) das für 2011 und 2012 zu erwartende Wirtschaftswachstum mit 1,6 % bzw. 1,9 % als »blutleer« (2010 lag das Wachstum noch bei rund 3 %), und auch diese Raten sieht der IWF nur als erreichbar an, wenn es gelinge, die Krise in den Euro-Peripherieländern einzudämmen und die US-Politik einen »vernünftigen Ausgleich« von mittelfristiger Haushaltskonsolidierung und Stützung der Nachfrage finde und die Volatilität auf den globalen Finanzmärkten nicht zunehme. Die Entwicklungs- und Schwellenländern dürfte mit erwarteten Wachstumsraten von 6,4 % in diesem und 6,1 % im nächsten Jahr starke Wachstumspole bleiben. Für die Weltwirtschaft wird 2011 und 2012 jeweils ein reales Wachstum von 4 % prognostiziert. Damit wird lediglich eine leichte Abschwä­chung gegenüber 2010 erwartet, als rund 5 % erreicht wurden. Gleichwohl werden die Konjunkturrisiken und die ungleichen Wachstumsbeiträge der einzelnen Ländergruppen hervorgehoben.

Die Unsicherheiten bezüglich der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung – nicht nur in Europa – sind bekanntermaßen vielschichtig. Für die Wirtschaftspolitik (Fiskal- und Geldpolitik) ergeben sich dabei verschiedene Zwickmühlen. Entsprechend sind die Auffassungen bezüglich der angemessenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zuweilen recht unterschiedlich. So lautet die jüngst veröffentlichte Empfehlung der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose was die Fiskalpolitik angeht, dass Deutschland den eingeschlagenen Konsolidierungskurs beibehalten solle, und zwar aus verschiedenen Gründen: Zum einen, um finanziellen Spielraum zu schaffen, um in einer möglichen Rezession automatische Stabilisatoren wirken lassen zu können. Zum anderen wird als weiterer Grund die Signalwirkung für die Stärkung der Haushaltsdisziplin im Euroraum genannt. Ein Abweichen von diesem Kurs – das Gutachten nimmt hier explizit Bezug auf Forderungen des IWF und Stimmen aus den USA – sei »fahrlässig«.

Die dergestalt charakterisierte Haltung des IWF sieht Fiskalpolitik vor der Wahl zwischen zwei Gefahren: einerseits dem Verlust an Glaubwürdigkeit bei zu starker Expansion, andererseits der Gefahr, die Konjunktur abzuwürgen bei zu starker Restriktion (diese Pole erforderten den vom IWF angemahnten »vernünftigen Ausgleich«). Der IWF hebt dabei die bedeutenden Fortschritte hervor, die hinsichtlich des (mittelfristigen) Ziels der Haushaltskonsolidierung vielerorts schon erreicht seien und betont, dass bessere kurzfristige Aussichten für die Realwirtschaft die Glaubwürdigkeit des mittelfristigen Ziels unterstützen würden. Welche der oben genannten Gefahren der IWF als größer einschätzt, wird damit deutlich.