:: 11/2011

Viehhaltungsverfahren – modern und tiergerecht?

Die Haltung von Vieh in landwirtschaftlichen Betrieben ist immer an das Vorhandensein der entsprechenden Stall- bzw. Haltungsplätze geknüpft. Ohne ein passendes Dach über dem Kopf ist die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Nutztiere nicht zu gewährleisten. Neben dem Wohl des Viehs ist bei der Planung von Stallungen zudem die betriebs- und arbeitswirtschaftliche Komponente der Tierhaltung zu beachten. Die aus Sicht des Tieres optimalen Haltungsbedingungen müssen für den Landwirt nicht zwangsläufig diejenigen mit der größten ökonomischen Effizienz sein. Mit verschiedenen Haltungssystemen für die in den landwirtschaftlichen Betrieben gehaltenen Nutztiere wird versucht, den Ansprüchen von Tier und Mensch in unterschiedlichster Art und Weise gerecht zu werden. Dabei sind gewisse Mindeststandards zum Beispiel hinsichtlich Platzbedarf, Beleuchtung oder Futter- und Wasserversorgung der Tiere durch Gesetze und Verordnungen vorgegeben.1

Aktueller Datenbedarf mit Blick auf Tier- und Klimaschutz

Die Europäische Union misst den Formen der Tierhaltung in landwirtschaftlichen Betrieben unter dem Aspekt Tierschutz eine gesellschafts-politische Bedeutung zu. Die möglichen umweltrelevanten Auswirkungen der Viehhaltung werden unter dem Gesichtspunkt Klimaschutz betrachtet und analysiert. Vor diesem Hintergrund fanden im Rahmen der Landwirtschaftszählung 2010 erstmals Fragen zur Haltungsform landwirtschaftlicher Nutztiere Eingang in eine agrarstrukturelle Großerhebung. Bei dieser insgesamt sehr umfangreichen Erhebung war jedoch eine detaillierte Erfassung aller Haltungsbedingungen nicht möglich. Daher wurde nur eine grobe Einteilung der Aufstallungsformen für bestimmte Tierkategorien vorgenommen. Die im Rahmen der Landwirtschaftszählung bei einem repräsentativen Teil der Betriebe stellvertretend für alle landwirtschaftlichen Betriebe erfragten Kategorien umfassen die momentan in der Praxis gängigsten Haltungsverfahren und Aufstallungsformen für landwirtschaftliche Nutztiere.

Genügend Plätze für alle vorhanden

Im Allgemeinen gibt es in den tierhaltenden Betrieben in Baden-Württemberg offensichtlich keine Engpässe hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Haltungsplätze. Bei allen erfragten Tierkategorien ist die im Rahmen der Landwirtschaftszählung zum Stichtag 1. März 2010 ermittelte Summe der Haltungsplätze größer als der jeweilige Tierbestand.

Den größten relativen Überschuss gibt es bei Zuchtschweinen (einschließlich Eber), wo einem Bestand von rund 232 000 Zuchtsauen knapp 310 000 Haltungsplätze gegenüberstehen. Damit übersteigen die zur Verfügung stehenden Plätze den aktuellen Bedarf um über ein Drittel (rund 34 %). Das Überangebot an vorhandenen Plätzen im Vergleich zum Bestand im Jahr 2010 ist sicher auch eine Folge der in den letzten Jahren stetig rückläufigen Zuchtsauenzahl. Die geringste Stallplatzreserve von 11 % ist für die Kategorie »andere Schweine« zu verzeichnen. Hierzu zählen Ferkel und Mastschweine aller Gewichts- und Altersstufen. Umgerechnet entspricht das aber mehr als 200 000 Haltungsplätzen, die zusätzlich zur Verfügung stehen. Bei Rindern und Hühnern sind die Verhältnisse etwas ausgeglichener.

Grundsätzliche Frage im Rinderstall: Fixiert oder frei?

Im Bereich Rinderhaltung wurden im Rahmen der Landwirtschaftszählung 2010 in Baden-Württemberg 18 800 landwirtschaftliche Betriebe ermittelt, die zusammen über 1 165 000 Haltungsplätze für Rinder verfügen. Insgesamt wurden im Südwesten 1 015 000 Rinder gehalten. Somit steht rein rechnerisch jedem Rind etwas mehr als ein Haltungsplatz (knapp 1,2 Plätze je Tier) zur Verfügung. Platzprobleme sind in der Rinderhaltung im Südwesten daher im Allgemeinen nicht zu erwarten, wobei einzelbetrieblich oder auch saisonal durchaus Unterschiede bei der Verfügbarkeit von Stallplätzen auftreten können.

Bei den Rindern wird die Haltung im Anbindestall, im Laufstall sowie andere Haltungsverfahren unterschieden. Bei der Anbindehaltung sind die Tiere an ihrem Stand- bzw. Liegeplatz fixiert und können sich nicht frei bewegen. Die Anbindehaltung ist eine traditionelle Form der Rinderhaltung und findet sich daher meist in älteren Ställen. In Laufställen können sich die Rinder innerhalb des kompletten Stalls oder zumindest im ihnen zugewiesenen Stallteil frei bewegen und damit ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachkommen. Da Laufställe vielfach neueren Baujahres sind, ergeben sich dort meist bessere Voraussetzungen für den Komfort des Stalles, zum Beispiel in Bezug auf Belüftung und Belichtung. Die »anderen Haltungsverfahren«, darunter fällt beispielsweise die ganzjährige Freilandhaltung, spielen in der Rinderhaltung in Baden-Württemberg nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Viele Rinder haben Bewegungsfreiheit

Die Mehrheit der Rinder in Baden-Württemberg wird in Laufställen gehalten. Von den insgesamt 1 165 000 Haltungsplätzen für Rinder sind rund 70 % (819 200 Plätze) in einem Laufstall zu finden. Dabei zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Betriebsgröße (eigentlich Herdengröße) und der bevorzugten Haltungsform: Je größer der Betrieb, desto dominierender ist die Laufstallhaltung. In dieser Abhängigkeit kommen nicht nur die Vorteile der Laufstallhaltung im Hinblick auf die Artgerechtigkeit, sondern auch die arbeitswirtschaftlichen Vorteile zum Tragen.

Die Anbindehaltung hat insbesondere im Bereich der Milchkuhhaltung noch eine gewisse Bedeutung. Für 151 300 Milchkühe waren 2010 im Südwesten Stallplätze in diesem Haltungssystem vorhanden. Das sind rund 37 % der Milchkuhplätze insgesamt. Anbindehaltung bedeutet im Übrigen jedoch nicht zwangläufig, dass die Tiere ihren natürlichen Bewegungsdrang gar nicht ausleben können. So ist in einem Drittel der baden-württembergischen Betriebe mit Anbindehaltung für Milchkühe zugleich auch der Weidegang für Milchkühe in den Betriebsablauf integriert. Die Mehrheit der Milchkühe wird dennoch in Laufställen gehalten. Immerhin knapp zwei Drittel (rund 260 300 Plätze) aller Haltungsplätze für Milchkühe in Baden-Württemberg waren 2010 in einem Laufstall zu finden. Andere Haltungsformen als die genannten, zum Beispiel die ganzjährige Freilandhaltung, sind in der Milchviehhaltung im Südwesten unüblich.

Die Tiere der Kategorie »übrige Rinder« – hierzu zählen neben Kälbern und Jungrindern auch Mutterkühe und männliche Tiere zur Mast – werden zum überwiegenden Teil in Laufställen gehalten. Annähernd drei Viertel aller Haltungsplätze (558 900 Plätze) für übrige Rinder in Baden-Württemberg waren 2010 in dieser bewegungsfreundlichen Aufstallungsform zu finden. Nur knapp ein Viertel der Haltungsplätze für übrige Rinder fallen in die Kategorie Anbindehaltung, die restlichen Plätze sind den »anderen Haltungsverfahren« zuzuordnen.

Schweinehaltungsverfahren: Abgrenzung über Bauform des Stalls

Zum Stichtag 1. März 2010 wurden in 9 400 landwirtschaftlichen Betrieben insgesamt 2 412 000 Haltungsplätze für Schweine gezählt. Der Schweinebestand dieser Betriebe belief sich auf rund 2 132 800 Tiere. Das bedeutet, dass ebenso wie bei den Rindern jedem Tier rein theoretisch etwas mehr als ein Platz zur Verfügung stehen würde (rund 1,1 Haltungsplätze je Schwein).

Eine Unterscheidung zwischen Anbinde- und Laufstallhaltung analog zur Rinderhaltung ist bei Schweinen obsolet, da die Anbindehaltung von Schweinen bereits seit Mitte der 1990er-Jahre laut Schweinehaltungsverordnung2 verboten ist. Die Haltungsplätze werden daher nach anderen Merkmalen unterschieden, die sich mehr oder weniger an der Bauform der Stallungen orientieren. Kategorien sind hierbei die Haltung der Tiere in Ställen mit Voll- oder Teilspaltenboden, auf planbefestigtem Boden mit Einstreu, die Haltung im Freiland oder sonstige Verfahren.

Bei Haltungsplätzen mit Vollspaltenboden ist die gesamte Stallbodenfläche perforiert. Kot und Urin der Tiere werden von den Tieren durch die Aussparungen im Boden hindurchgetreten und fallen in die darunterliegende Güllegrube. Haltungsplätze mit Teilspaltenboden hingegen weisen nur in Teilflächen einen perforierten Boden auf, im Liegebereich der Tiere befinden sich keine Spalten. Diese Bauformen bieten dem Landwirt einige Vorteile. Vor allem ist hier der Zeitbedarf für die Entmistung in der Regel gering. In Ställen mit planbefestigtem Boden oder auch bei den anderen Haltungsverfahren (Tiefmiststall, Tretmiststall) werden hingegen die Stallplätze eingestreut. Die Einstreu dient nicht nur als Untergrund zum Liegen, sondern auch als Beschäftigungsmaterial. Dies ist förderlich für das Wohlbefinden der Schweine, da sie ihrem natürlichen Wühlbedürfnis nachgehen können. Aus Sicht des Landwirts sind diese Aufstallungsformen zeit- und arbeitsaufwändiger als einstreulose Verfahren. Die Freilandhaltung von Schweinen mit eingestreuten Hütten, die als Witterungsschutz dienen, ist in Baden-Württemberg nicht weit verbreitet.

Ein Schwein durchläuft in seinem vergleichsweise kurzen Leben mehrere Stadien mit unterschiedlichen Ansprüchen und Möglichkeiten der Haltung. So kann allein eine Zuchtsau von der Belegung über die Trächtigkeit, das Abferkeln bis hin zum Säugen der Ferkel mehrere Produktionsstufen bei unterschiedlichen Haltungsbedingungen durchleben. Bei Schweinen ist es daher mit den vorliegenden Daten vergleichsweise schwierig, einen eindeutigen Bezug zwischen Haltungsplätzen und Bestand herzustellen.

Einstreu bei Schweinen eher selten

In der Schweinehaltung zeigen sich Unterschiede hinsichtlich der Aufstallungsform bei Tieren zu Zuchtzwecken oder Tieren für die Mast. Die häufigste Haltungsform für Sauen und Eber zur Zucht ist der Teilspaltenboden (124 000 von insgesamt 310 000 Plätzen, also 40 % der Haltungsplätze). Rund ein Drittel aller Haltungsplätze für Zuchtsauen sind mit Vollspaltenboden ausgestattet. Ein weiteres Viertel der Plätze für Zuchttiere zählt zur Kategorie »planbefestigter Boden mit Einstreu«.

Für Mastschweine stehen knapp 60 % der insgesamt 2 101 500 Haltungsplätze mit Vollspaltenboden zur Verfügung. Bei 27 % der Plätze stehen die Mastschweine auf Teilspaltenboden. Die in der Regel arbeitswirtschaftlich aufwändigere eingestreute Variante mit planbefestigtem Boden ist in der Schweinemast weniger häufig vertreten. Den Schweinehaltern im Südwesten stehen nur 11 % aller Haltungsplätze in dieser Bauweise zur Verfügung. Andere Haltungsverfahren wie zum Beispiel die Aufstallung in Tiefmiststall oder auch die Freilandhaltung von Schweinen spielen sowohl bei der Zuchtschweinehaltung als auch bei der Mast eine untergeordnete Rolle.

EU-Vermarktungsnorm regelt Hühnerhaltung

Im Rahmen der Landwirtschaftszählung 2010 wurden in Baden-Württemberg in 10 000 landwirtschaftlichen Betrieben insgesamt 4 310 000 Haltungsplätze für Hühner gezählt. Bei einem Hühnerbestand von rund 3 558 600 Tieren ist auch hier ein Überangebot an Plätzen zu verzeichnen. Rein rechnerisch stünden so für jedes Huhn rund 1,2 Stallplätze zur Verfügung.

In der Hühnerhaltung wird zwischen Legehennen, das heißt, Hennen, die zur Produktion von Eiern gehalten werden, und Hühnern zur Mast, also zur Fleischproduktion, unterschieden. Die Einteilung der Haltungsplätze erfolgt für diese beiden Kategorien separat. Anhand der Vorgaben in der EU-Vermarktungsnorm für Eier (EU-Verordnung Nr. 2295/2003) werden bei den Legehennen drei Haltungsformen unterschieden: Bodenhaltung, Käfighaltung und Freilandhaltung. Die Kennzeichnung der jeweiligen Produktionsform findet sich im Stempel-Code auf jedem Ei wieder. Für Masthühner kommen nur Bodenhaltung und Freilandhaltung als Aufstallungsform in Frage. Die Zuordnung erfolgt anhand der EU-Vermarktungsnorm für Geflügelfleisch (EU-Verordnung Nr. 1538/91).

Bodenhaltung bei Hühnern vorherrschend

Die große Mehrheit der Haltungsplätze für Legehennen (70 % der Plätze) steht in der Bodenhaltung zur Verfügung. Dieses Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass die Tiere sich im Stall auf der ihnen zugewiesenen Bodenfläche in der Gruppe frei bewegen können und zum Beispiel im Einstreumaterial scharren können. Dies kommt im Vergleich zur Käfighaltung den natürlichen Verhaltensweisen der Hühner wesentlich näher. Wird den Legehennen zusätzlich zu ihrem Platz im Stall ein Auslauf im Freien gewährt, so spricht man von »Freilandhaltung«. Rund 20 % aller Hennenplätze in Baden-Württemberg sind in dieser besonders tierfreundlichen Haltungsform zu finden. Haltungsplätze für Hennen zur Eiererzeugung in Käfigen – dazu zählen auch die weiterhin zulässigen ausgestalteten Kleingruppenkäfige – sind im Südwesten aufgrund der aktuell geltenden gesetzlichen Regelungen3 nur noch vergleichsweise selten anzutreffen.

Für die »übrigen Hühner« – dies sind Masthühner und Masthähne für die Hühnerfleischproduktion sowie Junghennen und Küken – stehen in Baden-Württemberg in rund 1 000 Betrieben etwa 1 681 000 Haltungsplätze zur Verfügung. Die Bodenhaltung ist hierbei das weitaus gängigere System, nur ein sehr kleiner Teil der Plätze für übrige Hühner sind in Freilandhaltung zu finden.

1 Vgl. Tierschutzgesetz (TSchG) oder Tierhaltungsverordnung.

2 Vgl. § 7a der Verordnung zum Schutz von Schweinen bei Stallhaltung (Schweinehaltungsverordnung).

3 Vgl. Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.