:: 11/2011

Im Blickpunkt: Die Gemeinde Sinsheim

Für jede der 1 101 Gemeinden in Baden-Württemberg lassen sich aus der Struktur- und Regionaldatenbank (SRDB) des Landesinformationssystems (LIS) Baden-Württemberg statistische Daten abrufen und damit interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung der verschiedenen Lebensbereiche in den Kommunen gewinnen. Viele dieser sachlich und räumlich tief gegliederten Ergebnisse stehen auch im Internet unter www.statistik-bw.de (Regionaldaten) zur Verfügung. Auch vor dem sportlichen Hintergrund ihrer Gastgeberrolle im Rahmen der zurückliegenden Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2011 steht dieses Mal in der Serie »Im Blickpunkt« eine Gemeinde aus dem Nordwesten von Baden-Württemberg im Zentrum der Betrachtungen, die Stadt Sinsheim. Deren Bevölkerung als auch die Wohnungsversorgung hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Die Chancen auf eine Beschäftigung vor Ort nahmen ebenfalls zu.

Die Stadt Sinsheim liegt rund 23 Kilometer (km) süd-östlich von Heidelberg und gut 30 km nordwestlich von Heilbronn entfernt inmitten einer Hügellandschaft mit ihren zahlreichen Wäldern, Wiesen, Seen und Weinbergen, die aufgrund ihres relativ milden Klimas auch »Badische Toskana« genannt wird – dem Kraichgau. Dieses Gebiet zwischen Rhein und Neckar galt wohl schon in Urzeiten der Menschheit als günstiger Lebensraum. Ein Zeugnis für eine frühe Besiedelung dieses Naturraums, einem der ältesten Kulturräume Europas, ist der ca. 600 000 Jahre alte Unterkiefer des »Homo heidelbergensis«, der am 21. Oktober 1907 in einer Sandgrube in der Gemeinde Mauer gefunden wurde, rund 11 km von Sinsheim entfernt.1

Heute flächenmäßig die größte Gemeinde des Rhein-Neckar-Kreises

Erstmals im Jahr 770 im Lorscher Codex urkundlich erwähnt, kann der Ort auf eine mehr als 1 200-jährige Geschichte zurückblicken. Dieser erhielt im Jahre 1192 durch Kaiser Heinrich VI. städtische Rechte. Der heutige Verwaltungsraum der Großen Kreisstadt entstand im Zuge der Kreis- und Kommunalreformen in Baden-Württemberg zu Beginn der 1970er-Jahre durch Zusammenschluss der Kernstadt mit den bis dahin selbstständigen Kommunen Dühren, Hilsbach, Weiler, Adersbach, Ehrstädt, Hasselbach, Rohrbach, Eschelbach, Hoffenheim, Reihen, Waldangelloch und Steinsfurt. Seit dem 1. Juli 1971 gehört ein beliebtes Ausflugsziel, die Burg Steinsberg im Ortsteil Weiler zum Stadtgebiet – eine Stauferburg, die auf einem Basaltkegel 333 Meter über NN steht, mit einem achteckigen Bergfried, der auch als »Kompass des Kraichgaus« bezeichnet wird. Sie befindet sich seit 1973 im Eigentum der Stadt und gilt zugleich als ihr Wahrzeichen. Politisch bildet Sinsheim heute eine Verwaltungsgemeinschaft mit den Gemeinden Zuzenhausen und Angelbachtal. Die Stadt Sinsheim gehört zum badischen Regierungsbezirk Karlsruhe, ist eine von 54 Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises und somit Teil der Metropolregion Rhein-Neckar. Sie ist flächenmäßig die größte Gemeinde des Landkreises und umfasste 2010 insgesamt 12 701 Hektar. Knapp 18 % des Gemeindegebietes sind besiedelt bzw. als Verkehrsfläche genutzt, rund ein Viertel ist bewaldet, und mehr als die Hälfte der Gemarkungsfläche von Sinsheim wird landwirtschaftlich genutzt.

Positive Entwicklung sowohl bei der Bevölkerung …

Mit 35 392 Einwohnern (EW) zum Jahresende 2010 ist die Kraichgau-Gemeinde nach Weinheim (43 682 EW) die zweitgrößte Kommune des Rhein-Neckar-Kreises (537 625 EW) und hat damit ebenfalls deutlich mehr Einwohner als die anderen Großen Kreisstädte des Landkreises – das sind Leimen (27 225 EW), Wiesloch (26 034 EW), Schwetzingen (21 789 EW) und Hockenheim (21 118 EW). Im Vergleich der dem einwohnerstärksten Landkreis Baden-Württembergs angehörenden Gemeinden lag Sinsheim mit einer Bevölkerungsdichte von 279 Einwohnern je Quadratkilometer (EW/km²) im unteren Drittel. Die Bevölkerungsdichte blieb damit auch unter dem Landesergebnis (301 EW/km2) und weit unter dem Kreisergebnis (506 EW/km²). Die Stadt konnte –neben 35 weiteren Kommunen des Landkreises – im Mittel der Jahre 2000 bis 2010 eine zunehmende Bevölkerung aufweisen. 15 dieser Gemeinden verzeichneten hierbei einen niedrigeren, 20 Kommunen einen im Vergleich zu Sinsheim stärkeren Bevölkerungsanstieg. Mit einem Zuwachs von 3,6 % lag die Kommune damit über dem Ergebnis für den Landkreis (+2,6 %) und deutlich über der in diesem Zeitraum landesweit ebenfalls noch positiven Entwicklung (+2,2 %).

Für die ansteigende Bevölkerungsentwicklung in Sinsheim sorgten sowohl positive Geburten- als auch Wanderungsbilanzen. So wurde ein Geburtenüberschuss (mehr Geburten als Sterbefälle) von 0,5  je 1 000 Einwohner im Mittel der Jahre 2000 bis 2010 festgestellt. Dagegen konnte für diesen Zeitraum für das Land weder ein Geburtenüberschuss noch ein -defizit festgestellt werden, während der Rhein-Neckar-Kreis sogar ein Geburtendefizit verzeichnete (−0,6 je 1 000 EW). In Sinsheim zogen für den vorgenannten Zeitraum im Mittel 3,2 Personen je 1 000 Einwohner mehr zu als fort. Damit lag die Stadt nahezu gleich mit dem Wert für den Landkreis (3,3 Personen je 1 000 EW). Deutlich niedriger als in der Gemeinde und im Kreis fiel der Wanderungsgewinn im Land aus (2,2 Personen je 1 000 EW). Mit im Durchschnitt 41,9 Jahren war die Bevölkerung Sinsheims zum Jahresende 2010 etwas jünger als die Menschen im Südwesten (42,8 Jahre) und im Rhein-Neckar-Kreis (43,5 Jahre). Im Vergleich mit den kreisangehörigen Kommunen lag der Altersdurchschnitt der Einwohner in neun Kommunen niedriger als in Sinsheim. Rund 11 % der Bevölkerung der Stadt hatten 2010 einen ausländischen Pass. Mit diesem Wert lag die Gemeinde einen Prozentpunkt niedriger gegenüber dem Ausländeranteil im Land.

… als auch bei der Wohnungsversorgung

Der angrenzende Ballungsraum Heidelberg/Mannheim sowie die Nähe zur Großstadt Heilbronn machen Sinsheim möglicherweise auch als Wohnort für Pendler interessant. So haben sich die Wohnverhältnisse in der Stadt an der Elsenz – einem Nebenfluss des Neckars – in den letzten Jahren insgesamt positiv entwickelt. Der Bestand an Wohnungen nahm hierbei zwischen 2000 und 2010 um 6,6 % auf knapp 15 300 Wohnungen zu. In dieser Zeit stieg die Zahl der Wohnungen sowohl im Kreis als auch im Land um jeweils 6,4 % etwas geringer an. 2010 waren rund 64 % der Wohngebäude in der Kommune Einfamilienhäuser, ein Wert, der merklich über dem Ergebnis für den Landkreis (57,2 %) und dem Landeswert (58,4 %) lag. Für den hohen Einfamilienhausanteil an Wohngebäuden in Sinsheim dürften auch die unterdurchschnittlichen Baulandpreise sprechen. Im Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2009 kostete 1 Quadratmeter (m²) baureifes Land im Schnitt 161 Euro. Mit diesem Wert gehört Sinsheim zu dem Drittel der kreisangehörigen Kommunen mit »günstigen Baulandpreisen«. In Baden-Württemberg waren es 174 Euro, im Rhein-Neckar-Kreis allerdings 267 Euro. Mit im Schnitt 45 Quadratmetern je Einwohner (m²/EW) entsprach die Wohnfläche in der Gemeinde dem Kreisergebnis und fiel damit gegenüber dem Landeswert (43 m²/EW) etwas größer aus.

… sowie auf dem Arbeitsmarkt

Die Chance auf eine Beschäftigung vor Ort hat in den vergangenen 10 Jahren merklich zugenommen. So stieg die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt Sinsheim – gemessen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – zwischen 2000 und 2010 von knapp 11 100 auf gut 11 800 Personen und somit um rund 6,6 % an. Bei der langfristigen Betrachtung nahm die Beschäftigtenzahl seit 1974 bis zum Jahr 2010 um mehr als 4 400 Arbeitsplätze zu. Beim Vergleich mit den kreisangehörigen Gemeinden wiesen für die vorgenannte Dekade weitere 16 Kommunen einen sogar noch stärkeren Beschäftigtenzuwachs auf. Im Landkreis wuchs die Zahl der Beschäftigten etwas geringer um rund 5,1 % an und in Baden-Württemberg nahm für den gleichen Zeitraum die Beschäftigtenentwicklung einen noch weitaus weniger dynamischen Aufwärtsverlauf (2,2 %).

Der wirtschaftliche Schwerpunkt der Gemeinde liegt in den sonstigen Dienstleistungsbereichen, zu denen unter anderem das Gesundheits- und Sozialwesen, der Bereich Information und Kommunikation, Kreditinstitute und das Versicherungsgewerbe, Dienstleistungen für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung gerechnet werden. Gut 42 % der 2010 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort waren dort tätig. Gegenüber den anderen Gemeinden im Rhein-Neckar-Kreis bedeutet dieser Wert einen Platz im mittleren Drittel. Nach den weiteren Wirtschaftsbereichen differenziert arbeiteten gut ein Drittel (34,4 %) der Beschäftigten Sinsheims im Produzierenden Gewerbe, während auf den Bereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr rund 23 % entfielen. 2010 kamen auf 1 000 Einwohner von Sinsheim 333 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort, was zugleich den achthöchsten Wert unter allen kreisangehörigen Gemeinden bedeutete. Der Beschäftigtenbesatz der Stadt fiel gegenüber dem Kreis (267 Beschäftigte je 1 000 EW) überdurchschnittlich aus, blieb allerdings unter dem landesweiten Ergebnis (362 Beschäftigte je 1 000 EW).

Moderate Steuerkraft, vergleichsweise hohe Schulden

Das Arbeitsplatzangebot einer Gemeinde spiegelt sich auch in ihrer kommunalen Steuerkraft wider. Hierbei liegt die Steuerkraftmesszahl, welche die Steuerkraft einer Kommune zur Abdeckung des Grundbedarfs aus eigenen Finanzmitteln darstellt, in Sinsheim sowohl deutlich unter dem landesweiten Ergebnis (2011: 634 Euro gegenüber 781 Euro je EW) als auch unter dem Kreisdurchschnitt (866 Euro je EW). Auch für die hinsichtlich der Bevölkerungszahl mit Sinsheim vergleichbaren Kommunen Baden-Würtembergs ist die Steuerkraftmesszahl wesentlich höher (Gemeinden der Größenklasse mit zwischen 20 000 und 50 000 Einwohnern: 824 Euro je EW). Vergleichsweise »ungünstig« fiel für die Große Kreisstadt auch die Schuldenlast (Kernhaushalt und Eigenbetriebe) aus. Mit 1 895 Euro je Einwohner (2009) wurde hierbei die dritthöchste Pro-Kopf-Verschuldung von allen dem Rhein-Neckar-Kreis angehörenden Gemeinden ermittelt. Für die größenmäßig mit Sinsheim vergleichbaren Kommunen war die Schuldenlast mit im Durchschnitt 929 Euro je Einwohner ebenfalls deutlich niedriger.

Messestadt mit interessantem Museumsangebot

einem denkmalgeschützten, altfränkischen Kleinbauerngehöft aus dem 17. Jahrhundert im Ortsteil Die Gemeinde in der Ferienlandschaft zwischen Rhein und Neckar an der Burgenstraße sowie an der Weinstraße Kraichgau-Stromberg gelegen, ist Mitglied der gleichnamigen Touristikgemeinschaft Kraichgau-Stromberg e.V. Die Stadt Sinsheim mit einem ehemaligen Benediktiner-Kloster auf dem Michaelsberg, dessen Stiftsturm ein weiteres historisches Wahrzeichen darstellt, bietet – wie auf ihren Internetseiten zu lesen – eine interessante Museumslandschaft.2 Über das ganze Jahr verteilte Vorstellungen mehrerer Amateurtheater, Straßenveranstaltungen und Feste, – wie beispielsweise der Sinsheimer Fohlenmarkt – runden hierbei das Kultur- und Freizeitangebot der Kommune ab.

So lädt beispielsweise das im historischen Rathaus untergebrachte Stadt- und Freiheitsmuseum – die Stadt war eine Hochburg der deutschen Demokratie- und Freiheitsbewegung von 1848/49 und zählt heute zu den Städten der »Straße der Demokratie«  zum Besuch ein. Im »Lerchennest«, Steinsfurt, ist das bundesweit einzige Museum untergebracht, welches sich dem Leben und Wirken des Preußenkönigs Friedrich des Großen 1712–1786) widmet. Hier scheiterte 1730 der Fluchtversuch vor seinem Vater und der Verantwortung des Preußischen Hofes. Darüber hinaus ist die Gemeinde durch Europas größtes Privatmuseum, dem Auto & Technik Museum, welches im Mai 2011 seinen »30-ten Geburtstag« feierte, sowie durch ein großes Messegelände – beide nebeneinander und direkt an der Autobahn A 6 gelegen – überregional bekannt.

Spätestens seit dem 26. uni 2011 dürfte die Kraichgau-Gemeinde auch weltweite Bekanntheit, zumindest bei den für Frauenfußball Interessierten, erlangt haben. Noch vor der offiziellen Eröffnung der 6. FIFA-Frauen-Weltmeisterschaft in Berlin wurde in der Rhein-Neckar-Arena – Heimspielstätte des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim – das erste Spiel des Turniers angepfiffen. Vier der insgesamt 32 Spielpaarungen des Turniers mit 16 Nationen, bei dem sich erstmals die Japanerinnen den Weltmeistertitel erspielten, wurden hier ausgetragen. Darunter auch das »kleine Finale«, bei dem die Schwedinnen als Siegerinnen vom Platz gingen. Von bundesweit neun Austragungsorten der Frauen-WM 2011 war Sinsheim die kleinste und zugleich einzige baden-württembergische Gastgeberstadt für die große internationale Fußballfangemeinschaft.