:: 12/2011

Konsum und Sparen in Baden-Württemberg

Nicht von ungefähr heißt es im Volksmund: »Der Kunde ist König«. Laut den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) der Länder haben die privaten Haushalte in Baden-Württemberg im Jahr 2009 nominal, also nicht preisbereinigt, knapp 197,4 Mrd. Euro für Konsumzwecke ausgegeben. Das war mehr als die Hälfte der insgesamt erzeugten Waren und Dienstleistungen. Fast 27,9 Mrd. Euro wurden gespart, um spätere Anschaffungen zu tätigen oder Vorsorge für das Alter oder für Notfälle zu treffen. Auch der Staat tritt in der Logik der VGR als Konsument auf, indem er die Gesellschaft mit individualisierbaren und kollektiven Gütern versorgt. Zusammengenommen beliefen sich die privaten und staatlichen Konsumausgaben zuletzt auf 71 % des Bruttoinlandsprodukts1, sodass im Hinblick auf die Güterverwendung dem Konsum – weit vor den Investitionen und dem Außenhandelssaldo – die größte Bedeutung zukommt.

Motive der Einkommensverwendung

Ausgangsgröße für das Konsumieren und Sparen der privaten Haushalte ist deren Verfügbares Einkommen. Die Individuen einer Volkswirtschaft verwenden Teile ihres Einkommens für den Konsum, um die Bedürfnisse des täglichen Bedarfs zu decken oder um langlebige Gebrauchsgüter zu beschaffen. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, dass die Kaufentscheidungen stets rational, das heißt nur unter bestmöglicher Berücksichtigung der Preise und des Einkommens, getroffen werden. Vielmehr kommen in der Realität oft auch Impulshandlungen der Konsumenten zum Tragen, wie es gerade bei Bagatellkäufen zu beobachten ist. Auch das Gewohnheitsverhalten spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Hinzu kommen soziale Aspekte. So verhalten sich Konsumenten gerne als Mitläufer. Das heißt, dass ein Konsument nur deshalb ein bestimmtes Produkt wie Modeartikel kauft, weil auch andere private Haushalte dieses Produkt erwerben. Anders gelagert ist das Kaufverhalten, das nach Exklusivität strebt und sich von der großen Masse abheben möchte. Manchmal werden Güter aus reinen Prestigegründen konsumiert. Hierbei geht es vor allem darum, allein mit dem hohen Preis für ein Gut die soziale Vorrangstellung und den persönlichen Reichtum zu demonstrieren.

Nicht weniger vielfältig sind die Motive des Sparens. Gespart wird mit dem Ziel, Rücklagen für das Alter, unvorhersehbare Notfälle wie Krankheit und Arbeitslosigkeit oder für die Ausbildungsphase der Kinder zu bilden. Genauso kann das Zwecksparen für die Anschaffung langlebiger Konsumgüter im Vordergrund stehen. Ein weiteres Sparmotiv besteht darin, einen Vermögensstock aufzubauen, um mit Kapitalerträgen, also Zinsen und Mieteinnahmen, langfristig den Lebensstandard zu sichern oder zu erhöhen. Unter Umständen ermöglicht das Sparen einen späteren Schritt in die Selbstständigkeit. Wird Sparen als Selbstzweck betrieben, werden Assoziationen, dass letztendlich aus Geiz gespart wird, geweckt.

Private Konsumausgaben und Sparen in den VGR

In den VGR wird mit dem Konsum und dem Sparen der privaten Haushalte die Vielzahl individueller Entscheidungen der Einkommensverwendung jeweils in einer Summe zusammengefasst. Zunächst soll sich die Betrachtung des Konsums und damit auch des Verfügbaren Einkommens auf das Ausgabenkonzept richten. Demnach umfassen die Konsumausgaben alle Ausgaben der gebietsansässigen privaten Haushalte für Waren und Dienstleistungen, die unmittelbar zur Befriedigung individueller Bedürfnisse dienen. Nach den Abgrenzungen der VGR gehören zu den Konsumausgaben zum Beispiel auch der Mietwert eigen genutzter Wohnungen, der Eigenverbrauch von Nahrungsmitteln in landwirtschaftlichen Betrieben, die Dienste bezahlter Hausangestellter und die Gebühren für Finanzdienstleistungen. Das Sparen ist als Restgröße zum Einkommen der Teil des Verfügbaren Einkommens, der nicht konsumiert wird, wobei das Sparen und das Verfügbare Einkommen jeweils um die Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche zu erhöhen sind.2

Pro-Kopf-Konsum im Südwesten fast 18 400 Euro

Den privaten Haushalten3 in Baden-Württemberg stand im Jahr 2009 nominal ein Einkommen in Höhe von fast 220,4 Mrd. Euro für Konsum- und Sparzwecke zur Verfügung. Davon wurden rund 197,4 Mrd. Euro konsumiert. Das waren 57,8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Damit lag der Südwesten fast gleichauf mit dem entsprechenden Durchschnittswert für Westdeutschland (57,9 %). Erheblicher größer war der Konsumanteil in Ostdeutschland, wo zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts für Konsumzwecke verwendet wurden.

Tendenziell sind die privaten Konsumausgaben bezogen auf die Wirtschaftleistung in Baden-Württemberg eine recht stabile Größe. In den letzten beiden Dekaden schwankte ihr Anteil an der Wirtschaftsleistung je nach der konjunkturellen Entwicklung leicht um die 55-Prozentmarke. Der deutliche Anstieg der Konsumquote von 2008 (55,2 %) auf 2009 (57,8%) ist auf die extreme Rezession im Jahr 2009 zurückzuführen, in der das nominale Minus des Bruttoinlandsprodukts (−5,7 %) weit unter dem des privaten Konsums (−1,2 %) lag. Stabilisierend auf den privaten Konsum in dieser Phase wirkten sich die Konjunkturprogramme (unter anderem die »Abwrackprämie«) und die erhöhten Leistungen der Sozialversicherung (Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld) aus. Entsprechend moderat war der Rückgang des Verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte (−2,0 %).

In Baden-Württemberg wurden 2009 je Einwohner nahezu 18 400 Euro für Konsumzwecke ausgegeben. Das war der höchste Wert unter den Flächenländern in Westdeutschland, dessen Durchschnittswert knapp 17 800 Euro betrug. Weit dahinter lagen die in Ostdeutschland pro Kopf getätigten privaten Konsumausgaben von rund 14 300 Euro. Selbst wenn man die in Ostdeutschland partiell vorhandenen Kaufkraftvorteile und damit niedrigeren Preise für vergleichbare Konsumgüter berücksichtigt, verdeutlicht diese Kennziffer das beachtliche Wohlstandsgefälle zwischen West und Ost. Gleichwohl konnte der Osten seit der Wiedervereinigung kräftig aufholen und den Rückstand gegenüber dem Westen auf rund 20 % halbieren.

Wohnen und Mobilität wichtigste Konsumzwecke

Die VGR informieren auch über die Verwendungszwecke der Konsumausgaben der privaten Haushalte. Allerdings liegen diese Daten aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten in den regionalen VGR nur auf nationaler Ebene vor. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Verwendungsstruktur in Baden-Württemberg nicht all zu sehr vom Bundesdurchschnitt unterscheidet.

Der größte Block der Konsumausgaben der privaten Haushalte entfiel in Deutschland 2009 mit gut 24 % auf den Bereich »Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe«.4 An zweiter Stelle stand der Bereich »Verkehr« mit fast 15 %, zu dem der Kauf und Unterhalt von Fahrzeugen wie auch die Inanspruchnahme von Verkehrsdienstleistungen gehören. Jeweils rund ein Zehntel der Konsumausgaben waren für die Bereiche »Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke«, »Andere Waren und Dienstleistungen« wie Körperpflege, Versicherungs- und Finanzdienstleistungen sowie den Bereich »Freizeit, Unterhaltung und Kultur« bestimmt. Die Bereiche »Gesundheitspflege« und »Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen« machten jeweils rund 5 % aus. Ganz am Ende der Präferenzskala lag der Bereich »Bildung«, für den nur rund 1 % ausgegeben wurde.

Baden-Württemberger bundesweit eifrigste Sparer

Die Baden-Württemberger haben 2009 fast 27,9 Mrd. Euro gespart.5 Dies entsprach einer Pro-Kopf- Ersparnis von rund 2 600 Euro, ein Wert, der deutlich über dem westdeutschen Durchschnitt von rund 2 300 Euro lag. In Ostdeutschland konnten je Einwohner nur knapp 1 600 Euro gespart werden, was sich schließlich auch mit dem erheblich niedrigeren Verfügbaren Einkommen pro Kopf erklärt (Westdeutschland: 19 600 Euro, Ostdeutschland: 15 800 Euro).

Die Sparquote, dem Anteil des Sparens am Verfügbaren Einkommen6 der privaten Haushalte, belief sich in Baden-Württemberg 2009 auf 12,4 %. In keinem anderen Bundesland wurde eine höhere Sparquote erzielt. Für Westdeutschland wurde eine Quote von 11,3 % und für Ostdeutschland von 10 % ermittelt. Baden-Württemberg belegte im Ländervergleich – zumindest in dem hier betrachteten Untersuchungszeitraum 1991 bis 2009 – fast immer den Spitzenplatz. Konsum und Sparen scheinen sich hier zu Lande nicht gegenseitig auszuschließen. Vielmehr dürften die aus einer dauerhaft hohen Sparquote resultierenden Vermögenseinkommen in einem nicht unwesentlichen Maße dazu beitragen, dass die baden-württembergische Bevölkerung langfristig an einem überdurchschnittlichen Lebensstandard teilhaben kann.

Auch europaweit liegen die Baden-Württemberger beim Sparen im Spitzenfeld. Wie das Schaubild 3 mit ausgewählten Mitgliedstaaten der EU-27 zeigt, wiesen 2009 nur Belgien und Schweden mit 13,5 und 12,9 % noch höhere Sparquoten als Baden-Württemberg auf. Vor 2009 nahm der Südwesten meistens den ersten Platz ein.

Konsumausgaben des Staates: Kollektiv- und Individualverbrauch

Die Konsumausgaben des Staates enthalten zum einen den Wert der Güter, die vom Staat (Gebietskörperschaften und Sozialversicherung) produziert werden, ohne die selbst erstellten Anlagen und die Verkäufe (zum Beispiel Einahmen aus Gebühren). Dazu gehören öffentliche Dienstleistungen in den Aufgabenbereichen Verwaltung, innere und äußere Sicherheit, Umweltschutz, Infrastruktur und Wirtschaftsförderung, die allen Mitgliedern der Bevölkerung oder allen Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe ohne aktive Beteiligung und ohne Konkurrenz bei der Inanspruchnahme gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden. Hier spricht man auch vom Kollektivverbrauch. Zum andern zählen zu den Konsumausgaben des Staates die vom Staat gekauften Güter, die ohne irgendwelche Umwandlung als sogenannte soziale Sachtransfers für den Konsum der privaten Haushalte bestimmt sind. Die sozialen Sachtransfers umfassen die sozialen Sachleistungen der Sozialversicherung (zum Beispiel ihre Ausgaben für Arztleistungen, Medikamente, Krankenhausleistungen, Kuren) und die sozialen Sachleistungen der Gebietskörperschaften (zum Beispiel Sozialhilfe). Hinzu kommen die individuell zurechenbaren Sachleistungen in Form von Waren und Dienstleistungen in den Aufgabenbereichen Unterrichtswesen, Gesundheitswesen, soziale Sicherung sowie Sport und Erholung, Kultur. Diese Transfers sind die Konsumausgaben des Staates für den Individualverbrauch, weil hier die staatlichen Institutionen und die Bürgerinnen und Bürger in eine direkte aktive Beziehung zwischen Leistungsersteller und Leistungsnutzer treten.

Konsumquote des Staates in Baden-Württemberg unterdurchschnittlich

Die Konsumausgaben des Staates beliefen sich in Baden-Württemberg 2008 auf rund 57,1 Mrd. Euro, also 15,8 % des BIP. Damit hatten die Konsumausgaben der privaten Haushalte und des Staates am BIP zusammen einen Anteil von 71 %. Seit Mitte der 90er-Jahre ist der Konsumanteil des Staates in Baden-Württemberg leicht rückläufig. Er lag im gesamten hier betrachteten Zeitraum 1991 bis 2008 unter dem Durchschnitt Westdeutschlands, für den sich zuletzt ein Wert von 17,3 % ergab. In den neuen Bundesländern konnte im Zuge der Ablösung der damaligen Planwirtschaft durch die Marktwirtschaft der Konsumanteil des Staates zwar kontinuierlich zurückgeführt werden, er übertrifft aber immer noch erheblich die westdeutsche Quote. So wurden in Ostdeutschland 2008 bezogen auf das BIP 24,5 % für Konsumzwecke des Staates ausgegeben. Unter ordnungspolitischen Gesichtpunkten wird eine niedrige staatliche Konsumquote eher mit Wettbewerbsvorteilen und damit positiven Wachstums- und Beschäftigungseffekten in Verbindung gebracht.

Ein anderer Aspekt betrifft den Versorgungsgrad der Bevölkerung mit öffentlichen Leistungen. Dazu sollen die Konsumausgaben des Staates auf die Zahl der Einwohner bezogen werden. In Baden-Württemberg gab der Staat im Jahr 2008 rund 5 300 Euro je Einwohner für Konsumzwecke aus, im westdeutschen Durchschnitt waren es mit knapp 5 500 Euro nur wenig mehr. Obwohl die auf das BIP bezogene staatliche Konsumquote in Ostdeutschland weit überdurchschnittlich ausfällt, ist dort die Bevölkerung mit einem Pro-Kopf-Wert von knapp 5 400 Euro nicht wesentlich umfangreicher, sondern mit ähnlich vielen öffentlichen Leistungen ausgestattet. Insofern bestehen bezüglich des Angebots an öffentlichen Leistungen zwischen Ost und West vergleichbare Lebensverhältnisse.

Vom Ausgaben- zum Verbrauchskonzept

Eigentlich wird mit dem Ausgabenkonzept der tatsächliche Konsum der privaten Haushalte unter- und der des Staates überschätzt. Die VGR sehen nach dem sogenannten Verbrauchskonzept die Möglichkeit vor, den Individualkonsum des Staates auf die privaten Haushalte umzubuchen. Allerdings liegen auch hier die entsprechenden Angaben nicht für die Bundesländer, sondern nur für Deutschland vor. Laut Angaben der nationalen VGR7 entfielen 2008 rund sechs Zehntel der gesamten Konsumausgaben des Staates auf den Individual- und vier Zehntel auf den Kollektivkonsum. Damit übertraf der nach dem Verbrauchskonzept dargestellte private Konsum die Konsumausgaben der privaten Haushalte um 20 %. In der ganzen Buchungskette der VGR wird beim Übergang vom Ausgaben- auf das Verbrauchskonzept auch das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte um die sozialen Sachtransfers erhöht, sodass der Saldo des Einkommensverwendungskontos – das Sparen – davon unberührt bleibt. Im Hinblick darauf, dass das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte ein zentraler Indikator für die Beurteilung des materiellen Wohlstandes ist, würde das Verbrauchskonzept, wenn hierzu die Voraussetzungen vorliegen, mit dem ergänzenden Nachweis der sozialen Sachtransfers die Analysemöglichkeiten insbesondere auch auf der regionalen Ebene bereichern.

1 Aufgrund der eingeschränkten Datenverfügbarkeit liegen derzeit auf der Ebene der Bundesländer Angaben zum Konsum und Sparen der privaten Haushalte nur bis 2009 und zu den Konsumausgaben des Staates nur bis 2008 vor. Alle für den vorliegenden Beitrag verwendeten VGR-Daten entstammen dem Datenbestand vor der großen VGR-Revision 2011, da diese Revision für die Bundesländer noch nicht abgeschlossen ist.

2 Zur Methodik der VGR siehe: Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1995, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 1996.

3 Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

4 Siehe Statistisches Bundesamt, Fachserie 18 Reihe 1.4, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Inlandsproduktsberechnung, Detaillierte Jahresergebnisse, Stand: Mai 2011, Tab. 3.3.3, S. 182 ff. (im Folgenden zitiert als: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18 Reihe 1.4). Aus Gründen der Konsistenz bezüglich der Verfügbarkeit regionaler VGR-Daten wurde nicht das in der Bundesrechnung aktuellste Berichtsjahr 2010, sondern 2009 verwendet.

5 Einschließlich der Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche.

6 Jeweils einschließlich der Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche.

7 Siehe Statistisches Bundesamt Fachserie 18 Reihe 1.4, Tabelle 3.3.2, S. 180. Auch hier wurde aus Gründen der Konsistenz bezüglich der Verfügbarkeit regionaler VGR-Daten nicht das in der Bundesrechnung aktuelle Berichtsjahr 2010, sondern 2008 ausgewählt.