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Bildungsbeteiligung in Baden-Württemberg 2010

Die Schulpflicht sorgt bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 15 Jahren für eine 100-prozentige Bildungsbeteiligung. Bis zum Alter von 21 Jahren führt der Besuch weiterführender allgemeinbildender und beruflicher Schulen sowie von Hochschulen dazu, dass mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs eine formale Bildungseinrichtung besucht. Im Alter von 25 Jahren trifft dies noch auf ein Viertel der Bevölkerung zu. Der Besuch einzelner Bildungsgänge ist je nach Geschlecht unterschiedlich. So ist die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien weiblich, an den Hochschulen sind die Studentinnen aber immer noch in der Minderheit. Nach dem Abschluss der formalen Ausbildung spielt die Weiterbildung im Rahmen des lebenslangen Lernens eine wesentliche Rolle.

»Bildung im Lebenslauf« ist mehr als nur ein Schlagwort. Spätestens die Diskussionen im Anschluss an die Veröffentlichung der ersten PISA-Studie haben in der Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür geschaffen, dass Bildung eine wesentliche Voraussetzung sowohl für die gesellschaftliche Teilhabe des Einzelnen als auch für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Gesellschaft ist. Lebenslanges Lernen ist ein Schlüssel für mehr individuelle Chancengerechtigkeit und die Basis für den Erhalt der Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Bildung in diesem Sinne beginnt nicht erst mit der Einschulung und endet nicht mit dem ersten Abschluss einer Berufs- oder Hochschulausbildung.

Mehr als 360 000 Kinder in vorschulischen Einrichtungen

Der Mensch fängt nicht erst in der Schule an zu lernen. Bereits in den ersten Lebensjahren erwirbt er elementare Kenntnisse wie die Bewegungsfähigkeit oder die Sprache. Daher ist mittlerweile unstrittig, dass auch Kindertageseinrichtungen einen Bildungsauftrag haben. Dieser findet zum Beispiel im »Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen« seinen Niederschlag.1 Im Jahr 2010 besuchten annähernd 383 800 Kinder im Alter bis 13 Jahren eine Tageseinrichtung. Von diesen waren gut 355 500 »Nichtschulkinder«. Die anderen gingen zur Schule, wurden also nur in ihrer »schulfreien« Zeit in einer Kindertageseinrichtung (beispielsweise in einem Hort) betreut. In den letzten Jahren hat in Baden-Württemberg vor allem ein Ausbau der Plätze für Kinder im Alter von unter 3 Jahren stattgefunden, die Zahl der älteren Kinder entwickelte sich dagegen rückläufig. 2

Die Grundschulförderklassen und die Schulkindergärten gehören ebenfalls zum vorschulischen Bereich. Grundschulförderklassen haben das Ziel, vom Schulbesuch zurückgestellte Kinder so zu fördern, dass sie in die Grundschule aufgenommen werden können. Schulkindergärten sind Einrichtungen zur Förderung von Kindern im Vorschulalter und der vom Schulbesuch zurückgestellten Kinder, die aufgrund ihrer Behinderung einer besonderen Förderung bedürfen. Fast 4 100 Kinder besuchten 2010 eine Grundschulförderklasse, gut 4 600 einen Schulkindergarten.

Rückläufige Schülerzahlen an allgemeinbildenden Schulen

Nahezu 1,22 Mill. Schülerinnen und Schüler wurden im Schuljahr 2010/11 an einer allgemeinbildenden Schule unterrichtet. Damit setzte sich der aus demografischen Gründen seit 2003/04 anhaltende Trend rückläufiger Schülerzahlen fort. Damals wurden noch gut 94 000 Schülerinnen und Schüler mehr gezählt.

Mit rund 388 600 Schülerinnen und Schülern stellten die Grundschulen den größten Anteil an der Schülerschaft der allgemeinbildenden Schulen. Unter den weiterführenden Schularten hatten die Gymnasien mit 346 000 die meisten Schülerinnen und Schüler, gefolgt von den Realschulen mit knapp 245 400 und den Werkreal- und Hauptschulen mit etwa 151 700 Schülerinnen und Schülern. An den Gymnasien besaßen die Schülerinnen mit einem Anteil von gut 52 % die Mehrheit. An den Realschulen war das Geschlechterverhältnis nahezu ausgeglichen, während an den Werkreal- und Hauptschulen nur knapp 45 % der Kinder und Jugendlichen weiblich waren.

Integrierte Schulformen3 besuchten im Schuljahr 2010/11 rund 28 000 Schülerinnen und Schüler. Fast 53 200 Schülerinnen und Schüler erhielten an einer Sonderschule eine ihrer Behinderung entsprechende sonderpädagogische Förderung. Dort waren männliche Kinder und Jugendliche mit einem Anteil von knapp 64 % deutlich überrepräsentiert. Gut 6 100 junge Erwachsene strebten auf allgemeinbildenden Schulen des Zweiten Bildungswegs den Realschulabschluss oder die Hochschulreife an.

Trendwende an beruflichen Schulen

An den beruflichen Schulen durchliefen im Schuljahr 2010/11 rund 431 700 Schülerinnen und Schüler eine berufliche Grund-, Aus- oder Weiterbildung. Dies stellte eine Trendwende in der Schülerzahl dar. Zuvor waren jahrelang steigende Schülerzahlen zu verzeichnen, bis auf nahezu 437 000 im Schuljahr 2009/10. Neben der demografischen war hierfür auch die wirtschaftliche Entwicklung ausschlaggebend. Die Teilzeit-Berufsschulen des dualen Systems verzeichneten 2010/11 bedingt durch die geringere Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge einen Rückgang um über 7 000 Schülerinnen und Schüler.

Eine deutlich steigende Schülerzahl wiesen dagegen die beruflichen Gymnasien auf. Mit knapp 54 200 lag sie um 2 400 höher als im vorangegangenen Schuljahr. Vor 5 Jahren wollten dort knapp 44 500 Jugendliche die Hochschulreife erwerben. Dieser Anstieg resultiert aus dem Ausbau des Angebots an beruflichen Gymnasien in den letzten Jahren. 4

Absoluter Höchststand der Studierendenzahl an den Hochschulen im Land

Knapp 287 500 Studierende im Wintersemester 2010/11 markierten den Höchststand der Studierendenzahl an den Hochschulen im Land. Im Wintersemester 2005/06 lag die Zahl noch bei knapp 242 600 und vor 10 Jahren, im Wintersemester 2000/01, waren genau 194 000 Studierende an den Hochschulen eingeschrieben. Der in den letzten Jahren zu verzeichnende deutliche Anstieg der Schulabsolventen mit Hochschulzugangsberechtigung machte diesen Ausbau des Studienplatzangebots erforderlich, der auch im Hinblick auf den »doppelten« baden-württembergischen Abiturientenjahrgang im Jahr 2012 erfolgte.

Mit rund 147 800 studierte mehr als die Hälfte an einer der 14 staatlichen Universitäten und privaten wissenschaftlichen Hochschulen. Mehr als 87 300 Studierende strebten an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (früher: Fachhochschule) einen akademischen Abschluss an. Der Frauenanteil war hier mit knapp 38 % vergleichsweise niedrig. Dies dürfte auf den relativ hohen Anteil ingenieur- und naturwissenschaftlicher Studiengänge einerseits und die geringe Zahl sprach- und kulturwissenschaftlicher Studiengänge andererseits zurückzuführen sein.

Knapp hinter der Universität Heidelberg ist die Duale Hochschule Baden-Württemberg die zweitgrößte Hochschule im Land: Dort waren im Wintersemester 2010/11 insgesamt rund 26 100 Studierende eingeschrieben. Knapp 21 900 Studierende – die überwiegende Mehrzahl angehende Lehrkräfte – verzeichneten die sechs Pädagogischen Hochschulen. Deutlich mehr als 3 Viertel ihrer Studierenden waren Frauen. Die acht Kunsthochschulen meldeten zusammen fast 4 400 Studierende aus den Bereichen Musik, bildende und darstellende Kunst. Auch hier war der Frauenanteil mit 58 % überdurchschnittlich.

Schulpflicht prägt die Bildungsbeteiligung

In den einzelnen Altersjahren ist der Besuch formaler Bildungseinrichtungen sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Baden-Württemberg waren 2010 rund 16 % der unter 3-jährigen Kinder in einer Kindertageseinrichtung untergebracht, wobei dies nur für wenige Kinder im Alter von unter 1 Jahr zutraf, aber immerhin für mehr als ein Drittel der 2-Jährigen. Ab dem Alter von 3 Jahren ist der Besuch einer Kindertageseinrichtung die Regel. Rund neun von zehn 3-Jährigen besuchten eine solche Einrichtung, für die 4- und 5-Jährigen lag die Besuchsquote bei über 95 %.

Für die Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 Jahren prägt die Schulpflicht die Bildungsbeteiligung. Diese wird in den §§ 72 bis 87 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchG) geregelt und ist gegliedert in die Pflicht zum Besuch einer Grundschule und einer auf ihr aufbauenden Schule, die Berufsschulpflicht und die Pflicht zum Besuch einer Sonderschule.55 Alle Kinder, die bis zum 30. September des laufenden Jahres das 6. Lebensjahr vollendet haben, sind zum Besuch der Grundschule verpflichtet. Wenn ein jüngeres Kind eingeschult wird, gilt für es die Schulpflicht ab der Aufnahme in die Schule. Anschließend müssen die Kinder mindestens 9 Jahre lang eine allgemeinbildende Schule besuchen, bevor sich die Berufsschulpflicht anschließt, die grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs gilt. In manchen Fällen ruht die Berufsschulpflicht, zum Beispiel solange eine allgemeinbildende Schule besucht oder ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert wird. Für volljährige Jugendliche, die ihre Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen haben, verlängert sich die Berufsschulpflicht bis zum Ende der Ausbildung. Die Pflicht zum Besuch einer Sonderschule gilt für behinderte Schüler mit entsprechendem sonderpädagogischem Förderbedarf.

Die Schulpflicht führt dazu, dass im Alter von 6 bis 15 Jahren die Bildungsbeteiligung bei 100 % liegt. Auch bei den 16-Jährigen liegt die Zahl der Schülerinnen und Schüler nur knapp unter der Bevölkerungszahl. Dass von den 17-Jährigen fast 6 % nicht mehr in einer Schule sind, liegt daran, dass die Berufsschulpflicht vorzeitig beendet werden kann, beispielsweise nach Abschluss eines Berufsvorbereitungsjahres.

Die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die weiterführenden Schularten spiegelt im Wesentlichen die Übergangsquoten nach der Grundschule wider. In allen betroffenen Altersjahrgängen hat die Hauptschule den geringsten Schüleranteil. Unter den 9- bis 12-Jährigen überwiegt der Besuch des Gymnasiums die Teilnahme an Realschulen. Bei den 13- bis 15-Jährigen liegt die Zahl der Realschüler dagegen knapp über derjenigen der Gymnasiasten. Dies dürfte eine Folge von Schulartwechseln sein. Unter den Jahrgängen bis zum Alter von 20 Jahren stellen die Gymnasiasten die weit überwiegende Mehrheit der Bildungsteilnehmer an allgemeinbildenden Schulen. Ältere Schülerinnen und Schüler sind fast nur an Schulen des Zweiten Bildungswegs anzutreffen.

Duale Berufsausbildung überwiegend im Alter von 17 bis 21 Jahren

Die Ausbildung an beruflichen Schulen schließt sich an den Besuch einer allgemeinbildenden Schule an. Daher sind die jüngsten Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen 15 Jahre alt. Der größte Teil dieses jüngsten Altersjahrgangs besucht eine 2-jährige Berufsfachschule zum Erwerb der Fachschulreife. Es sind also Hauptschulabsolventen, die einen mittleren Abschluss anstreben. Auch unter den 16-Jährigen sind sie stark vertreten. Allerdings sind unter den 16-Jährigen Schülerinnen und Schüler von Vollzeit-Berufsfachschulen, die vor allem in handwerklichen Berufen häufig das erste Ausbildungsjahr der dualen Berufsausbildung ersetzen, sowie Jugendliche im Berufseinstiegsjahr für Hauptschulabsolventen ohne Ausbildungsplatz ebenfalls häufig anzutreffen.

Ab dem Alter von 17 Jahren dominieren die Schülerinnen und Schüler der Teilzeit-Berufsschulen die Schülerschaft der beruflichen Schulen. Insgesamt besuchten gut 206 300 Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2010/11 eine Teilzeit-Berufsschule. Damit umfasste dieser schulische Teil der dualen Berufsausbildung knapp 48 % aller Schülerinnen und Schüler der beruflichen Schulen. 3 Viertel der Auszubildenden im dualen System gehörten der Altersgruppe der 17- bis 21-Jährigen an.

Berufliche Gymnasien werden häufig direkt im Anschluss an den Erwerb des Realschulabschlusses an einer allgemeinbildenden Schule besucht. Daher ist die überwiegende Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler 16 bis 19 Jahre alt. Allerdings ist hier auch eine weit größere Zahl an »älteren« Schülerinnen und Schülern anzutreffen als an allgemeinbildenden Gymnasien. Immerhin waren 2010/11 gut 3 % der knapp 54 200 beruflichen Gymnasiasten bereits älter als 20 Jahre.

Fast 8 % der Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen waren im Schuljahr 2010/11 25 Jahre alt oder älter. Die größten Anteile hiervon hatten mit jeweils rund 11 000 Schülerinnen und Schülern die Teilzeit-Berufsschulen und die Fachschulen. Letztere richten sich als Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung an Menschen mit bereits vorhandener Berufserfahrung. Bei den älteren Teilzeit-Berufsschülern kann man wohl in vielen Fällen davon ausgehen, dass dies nicht die erste Berufsausbildung ist.

In den höheren Altersjahrgängen gibt es mehr Studenten als Studentinnen

Minderjährige Studierende waren im Wintersemester 2010/11 an den Hochschulen im Land noch selten. Es wurden lediglich rund 100 gemeldet. Dies dürfte sich ab 2012 ändern, wenn die Absolventen des 8-jährigen Gymnasialzugs an die Hochschulen kommen. Unter den Studierenden im Alter von bis zu 21 Jahren waren im Wintersemester 2010/11 in jedem Altersjahrgang mehr weibliche als männliche Studierende immatrikuliert, ab dem Alter von 22 Jahren dagegen in jedem Altersjahrgang mehr männliche als weibliche.

Der am stärksten besetzte Altersjahrgang unter den Studentinnen waren die 21-Jährigen mit einer Zahl von gut 18 800. Dagegen war der mit knapp 19 800 Studierenden am stärksten besetzte Jahrgang ihrer männlichen Kommilitonen 22 Jahre alt. Nimmt man den Median als Mittelwert, betrug das Durchschnittsalter der Studentinnen 23 Jahre, das der Studenten 24 Jahre. 6

Unter den Studierenden ist eine größere Zahl von (relativ) älteren Jahrgängen zu finden. Etwa 26 800 Studierende waren 30 Jahre alt oder älter. Von den Studentinnen gehörten im Wintersemester 2010/11 knapp 9 % und von den Studenten 10 % zu dieser Altersgruppe.

Von den 25-Jährigen besucht noch ein Viertel eine Bildungseinrichtung

Aus methodischen Gründen lässt sich die genaue Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Bildungseinrichtungen nicht exakt bestimmen (siehe i-Punkt). Grob gerechnet kann man davon ausgehen, dass 2010 rund 2,3 Mill. Menschen die formalen Bildungseinrichtungen in Baden-Württemberg besucht haben. Wobei unter »formalen Bildungseinrichtungen« Institutionen verstanden werden, die in der Regel zu einem anerkannten Abschluss führen. Dies umfasst vor allem Schulen und Hochschulen. Da mittlerweile anerkannt ist, dass der vorschulische Bereich einen wichtigen Beitrag zur frühkindlichen Bildung liefert, sind an dieser Stelle auch Kindertageseinrichtungen mit eingeschlossen.

Nach Vollendung der Schulpflicht geht der Besuch formaler Bildungseinrichtungen relativ rasch zurück. Im Alter von 18 Jahren besuchten 2010 noch 90 % der Jugendlichen eine Bildungseinrichtung. Im Alter von 21 Jahren waren es mit 55 % etwas mehr als die Hälfte aller Jugendlichen.

Bis zum Alter von 22 Jahren unterscheidet sich die Bildungsteilnahme von Frauen in der Summe nur wenig von der der Männer. Danach liegt dann jedoch bis zum Alter von 32 Jahren die Bildungsteilnahme von Männern deutlich über der von Frauen. Allerdings ist das Niveau der Bildungsteilnahme in diesen Altersjahrgängen bereits deutlich abgesunken. Rund ein Viertel der 25-Jährigen besuchte 2010 eine formale Bildungseinrichtung, 29 % der Männer und 22 % der Frauen. Etwas mehr als 3 Viertel von ihnen waren an einer Hochschule eingeschrieben, die anderen bildeten sich an einer beruflichen Schule.

Die Bildungsbeteiligung der Bevölkerung in Baden-Württemberg ist im 3. Lebensjahrzehnt zwar deutlich geringer als im vorangegangenen Lebensabschnitt. Dennoch lag die Bildungsbeteiligung der 20- bis 29-Jährigen im Jahr 2009 – für das international vergleichbare Zahlen vorliegen – mit 31 % etwas über dem Bundesdurchschnitt von 30 % und deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Staaten von 26 %. Hinter Nordrhein-Westfalen (34 %) und Hessen (33 %) belegte Baden-Württemberg damit den dritten Rang unter den Flächenländern.7

Rund die Hälfte der Lebenszeit bis zum Alter von 40 Jahren wird in Bildungseinrichtungen verbracht

Eine Kenngröße, die die gesamte Bildungsbeteiligung auf einen Wert zusammenfasst, ist die sogenannte »Bildungserwartung«.8 Sie gibt an, wie viele Jahre man im zugrundeliegenden Altersspektrum unter den derzeit herrschenden Bedingungen im Bildungssystem verbringen wird. Für die hier betrachtete Zeitspanne von der Geburt bis zum Alter von 40 Jahren ergibt dies auf Basis der Werte von 2010, dass ein neugeborenes Kind unter den 2010 herrschenden Rahmenbedingungen des Bildungssystems in Baden-Württemberg 20,3 Jahre in formalen Bildungseinrichtungen verbringen würde – somit rund die Hälfte der bis zum 40. Lebensjahr verbrachten Lebenszeit.

Die Bildungserwartung ist für Männer mit 20,6 Jahren um ein halbes Jahr höher als für Frauen mit 20,1 Jahren. Betrachtet man die verschiedenen Bildungsbereiche ergibt sich, dass diese Differenz in erster Linie vom unterschiedlich ausgeprägten Besuch der beruflichen Schulen und der Hochschulen verursacht wird. Der höhere Anteil männlicher Studierender ist für ein Plus von 0,2 Jahren verantwortlich, der höhere Anteil männlicher Schüler an beruflichen Schulen ergibt ein Plus von 0,3 Jahren. Die Summe über alle allgemeinbildenden Schularten ergibt für männliche Schüler 11,0 Jahre für weibliche 11,1 Jahre. Auch die Bildungserwartung aufgrund des Besuchs vorschulischer Einrichtungen ist mit 3,7 bzw. 3,6 Jahren fast gleich.

Innerhalb der weiterführenden allgemeinbildenden Schularten ergeben sich jedoch Unterschiede in der geschlechtsspezifischen Betrachtung. Jungen besuchen häufiger eine Hauptschule als Mädchen. Daraus ergibt sich eine Bildungserwartung von 1,4 Jahren für Jungen und 1,2 Jahren für Mädchen. Umgekehrt werden deutlich mehr Schülerinnen als Schüler an Gymnasien unterrichtet. Hieraus folgt eine Bildungserwartung von 3,2 Jahren für Mädchen und 2,8 Jahren für Jungen. Diese Aufgliederung nach Schularten verdeutlicht, dass die Kenngröße »Bildungserwartung« keinen idealtypischen Bildungsverlauf widerspiegelt. Sie ist vielmehr eine synthetische Größe, die eine Momentaufnahme der gesamten Bildungsbeteiligung zu einem Wert verdichtet.

Beteiligung an Weiterbildung schwer quantifizierbar

Bildung findet nicht nur in Schulen oder Hochschulen statt. Es gibt viele nicht formalisierte Arten des Lernens wie zum Beispiel die Teilnahme an Sprachkursen, der Besuch einer Musikschule, Lernen am Arbeitsplatz, Fortbildungskurse im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten oder das Lesen von Fachliteratur. Die Bildungsprozesse, die an solchen non-formalen Lernorten erfolgen, leisten zur persönlichen Entwicklung einen wichtigen Beitrag, der statistisch allerdings nur schwer greifbar ist, wie die Bildungsberichterstattung auf nationaler und Landesebene zeigt.9

Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die Weiterbildungsaktivitäten. Die fortschreitende technische Entwicklung erfordert an vielen Arbeitsplätzen – aber auch im Privatleben – die Bereitschaft, sich immer wieder auf neue Gegebenheiten einzustellen. In der Diskussion wird hierbei oft zwischen beruflicher und allgemeiner Weiterbildung unterschieden, wobei eine scharfe Trennung allerdings in vielen Fällen nicht möglich ist. So kann beispielsweise ein Sprach- oder EDV-Kurs ebenso privat wie beruflich von Nutzen sein. Die vielen Möglichkeiten der Weiterbildung machen es nahezu unmöglich, einen vollständigen Überblick über die Weiterbildungsbeteiligung im Land zu gewinnen.10

Ein zahlenmäßig recht bedeutender Aspekt der Weiterbildungsaktivitäten ist das Kursangebot der Volkshochschulen. 2010 wurden die Kurse und Lehrgänge der 174 Volkshochschulen im Land von gut 1,24 Mill. Teilnehmern besucht. Für zwei Drittel dieser Kursbelegungen liegen entsprechende Altersangaben vor. Demnach entfiel knapp die Hälfte der Belegungen auf die Altersgruppe der 25- bis unter 50-Jährigen und gut ein Fünftel auf die 50- bis unter 65-Jährigen.

Rechnet man diese Angaben auf die Gesamtbelegung aller Kurse und Lehrgänge hoch und bezieht das Ergebnis auf die Bevölkerung, ergibt sich mit einem Wert von 16,5 die höchste Belegungszahl je 100 Einwohner für die Gruppe der 25- bis unter 35-Jährigen. Die 35- bis unter 50-Jährigen liegen mit 15,6 Belegungen je 100 Einwohner auf vergleichbarem Niveau. Die 50- bis unter 65-Jährigen weisen mit 12,8 ebenfalls einen relativ hohen Wert auf. Das Kurs- und Lehrgangsangebot der Volkshochschulen wird demnach besonders von den Altersgruppen häufiger genutzt, für die der Besuch formaler Bildungseinrichtungen nur noch eine geringere Bedeutung hat. Die unter 25-Jährigen nutzen das VHS-Angebot zwar auch, jedoch in deutlich geringerem Maß.

Dass mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben der Bildungshunger nicht gestillt ist, zeigt die Beteiligung der 65-Jährigen und älteren. Hier ergeben sich 7,1 Belegungen je 100 Einwohner. Einen weiteren Beleg für das lebenslange Lernen in fortgeschrittenen Jahren liefert die Gasthörerstatistik der Hochschulen. Fast 1 100 der über 3 800 Gasthörer im Wintersemester 2010/11 waren bereits über 70 Jahre alt.

1 Fassung vom 15. März 2011: Information zum Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen(Stand: 11. Oktober 2011).

2 Vgl.Pflugmann-Hohlstein, Barbara: »Aktuelle Entwicklungen in der Kinderbetreuung«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 6/2010«

3 Schule besonderer Art, integrierte Orientierungsstufe, Freie Waldorfschule.

4 Vgl. Landesinstitut für Schulentwicklung und Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.): Bildung in Baden-Württemberg. Bildungsberichterstattung 2011, Stuttgart 2011, S. 141 (Zitierweise: Bildung in Baden-Württemberg 2011).

5 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG) in der Fassung vom 1. August 1983 (GBL. S. 397; K.u.U. S. 584), zuletzt geändert am 20. Dezember 2010 (GBl. S. 1059; K.u.U. 2011 S. 40).

6 Der Median teilt eine entsprechend der betrachteten Merkmalsausprägung geordnete Gesamtheit genau in der Mitte. In diesem Fall ist also jeweils genau die Hälfte der Studierenden jünger oder älter als der Medianwert.

7 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg.): Internationale Bildungsindikatoren im Ländervergleich, Ausgabe 2011, S. 76 f.

8 Rechnerisch ergibt sich die Bildungserwartung durch die Aufsummierung der Bildungsbeteiligungsquoten je Altersjahrgang über alle betrachteten Altersjahrgänge.

9 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland 2010, Bielefeld 2010, S. 80 ff und Bildung in Baden Württemberg 2011, S. 333 ff.

10 Eine Zusammenstellung der verschiedenen Datenquellen zur Weiterbildung ist zu finden in Bildung in Baden-Württemberg 2011, S. 211 ff.