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Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg

Bundesländervergleich auf Sektorenebene

Bereits im Jahr 1995 betrugen die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der privaten Wirtschaft und öffentlicher Stellen bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in Baden-Württemberg beachtliche 3,6 %. Sie lagen damit deutlich über der Marke von 3 %, die sich die Europäische Union zuerst im Rahmen der Lissabon-Strategie zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung für 2010 zum Ziel gesetzt und inzwischen bis zum Jahr 2020 fortgeschrieben hat. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung sind in Baden-Württemberg seither stets weiter gestiegen, und dieser Indikator erreichte nun im Jahr 2009 einen neuen Rekordwert von 4,8 %. Statistisch wird die Forschungslandschaft in die drei Sektoren Wirtschaft, Staat und Hochschulen gegliedert. Wird die sehr positive Entwicklung in Baden-Württemberg von allen Sektoren gleichermaßen getragen? Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, mit welcher Intensität in den drei Sektoren in Baden-Württemberg generell und im Vergleich zu den anderen Bundesländern geforscht wird und wie sich die Forschungsintensität in den letzten Jahren entwickelt hat.

Im Jahr 2009 stiegen in Baden-Württemberg die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in den Forschungsstätten der Wirtschaft, an den Hochschulen und in den öffentlich geförderten FuE-Einrichtungen außerhalb der Hochschulen (Staatssektor) trotz der Wirtschaftskrise auf ein neues Rekordniveau von insgesamt 16,4 Mrd. Euro (siehe i-Punkt »Ausgaben für Forschung und Entwicklung«). Dies entspricht gegenüber 2007 einem nominalen Zuwachs von rund 675 Mill. Euro oder gut 4 %.1 Das Forschungs- und Entwicklungspersonal, gemessen in Vollzeitäquivalenten (VZÄ), wurde im Betrachtungszeitraum um gut 4 400 auf 120 700 VZÄ ausgebaut (rund 4 %).

Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2009 rund 67,0 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung aufgewendet. Baden-Württemberg leistete hier mit gut 24 % den größten Anteil. Zusammen mit den Bundesländern Bayern und Hessen erbrachten die drei FuE-Schwergewichte knapp 54 % der FuE-Investitionen in Deutschland. Den Löwenanteil der FuE-Ausgaben in Deutschland, nämlich knapp 68 %, stellte der Wirtschaftssektor. In Baden-Württemberg ist dieser Anteil noch deutlich höher und betrug im Jahr 2009 gut 79 %. Die restlichen 20 % entfielen im Land zu etwa gleichen Teilen auf die beiden öffentlichen Sektoren, den Staats- und Hochschulsektor.

Ist der Wirtschaftssektor generell der bedeutendste Forschungsträger?

In Deutschland insgesamt, in Baden-Württemberg, Hessen (79 %) und Bayern (77 %) investiert der Wirtschaftssektor mit weitem Abstand am meisten in Forschung und Entwicklung. Das Engagement der Wirtschaft in diesen Bundesländern liegt dabei deutlich über dem Bundesdurchschnitt. In Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen liegt das Engagement des Wirtschaftssektors über 60 %. In Schleswig-Holstein und im Saarland sowie in allen ostdeutschen Bundesländern, mit dem Schlusslicht Brandenburg (25 %), fällt der Anteil der in der privaten Wirtschaft durchgeführten FuE-Aktivitäten aufgrund der immer noch bestehenden Strukturprobleme deutlich niedriger aus. Hier dominiert bei den FuE-Aktivitäten mit dem Staats- und Hochschulsektor der öffentliche Bereich. Im langfristigen Vergleich zeigt sich für Deutschland insgesamt eine Strukturverlagerung der FuE-Aktivitäten hin zum Wirtschaftssektor, die sich in Baden-Württemberg hauptsächlich zu Lasten des Staatssektors vollzieht. 1995 betrug der Anteil der FuE-Ausgaben des Staatssektors an den gesamten FuE-Ausgaben in Baden-Württemberg noch knapp 13 %. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren stets gefallen und im Jahr 2009 bis auf 9 % zurückgegangen.

Die absolute Höhe oder der Anteil der FuE-Ausgaben bezogen auf die Gesamtausgaben ist für einen Vergleich von Ländern und Regionen unterschiedlicher Größe oder Wirtschaftskraft nur bedingt geeignet. Aus diesem Grund werden für einen nationalen und internationalen Vergleich die FuE-Ausgaben in Bezug zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt (FuE-Intensität)2 und so eine international anerkannte Kennzahl ermittelt.3

FuE-Intensität in Baden-Württemberg auf Rekordniveau

Die FuE-Intensität stieg in Baden-Württemberg gegenüber 2007 um 0,4 Prozentpunkte – gegenüber 1995 um beachtliche 1,2 Prozentpunkte – und kletterte damit im Jahr 2009 auf einen neuen Rekordwert von 4,8 % .4 Im Bundesländerranking baute Baden-Württemberg dadurch seine Spitzenposition weiter aus. Ebenfalls zur Spitzengruppe gehören, jedoch mit einer FuE-Intensität unter 4 %, die Länder Berlin, Bayern und Hessen. Innerhalb Deutschlands sind dies auch die einzigen Bundesländer, die das im Jahr 2000 für 2010 in Lissabon anvisierte Ziel einer FuE-Intensität von 3 % erreicht haben (siehe i-Punkt »Lissabon Strategie 2010 und EU 2020 Strategie«). In Schleswig-Holstein, im Saarland, in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg wurden jeweils nur unter 1,4 % des Bruttoinlandsproduktes und somit am wenigsten für Forschung und Entwicklung ausgegeben.

Baden-Württemberg: FuE-Intensität der Wirtschaft mit weitem Abstand an der Spitze

Die baden-württembergische Wirtschaft gab 2009 rund 13,0 Mrd. Euro (2007: 12,8 Mrd. Euro) für Forschung und Entwicklung im Land aus und beschäftigte 88 600 Personen gemessen in Vollzeitäquivalenten (2007: 87 600 VZÄ). In keinem anderen deutschen Bundesland waren die FuE-Kapazitäten der Wirtschaft größer als in Baden-Württemberg. Der Anteil der FuE-Ausgaben im Wirtschaftssektor belief sich auf 29 % bezogen auf die gesamten FuE-Ausgaben der Wirtschaft in Deutschland. Bayern folgt mit einem Anteil von 22 % auf Rang zwei (10,1 Mrd. Euro und 75 500 VZÄ). Auf diese zwei süddeutschen Bundesländer entfallen im Wirtschaftssektor somit mehr als die Hälfte der gesamtdeutschen FuE-Aktivitäten.

Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt beliefen sich in Baden-Württemberg die FuE-Ausgaben der Wirtschaft auf 3,8 %. Dies ist mit weitem Abstand (1,4 Prozentpunkte) die höchste FuE-Intensität aller Bundesländer. Der Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg investiert somit mehr in Forschung und Entwicklung als jedes andere Bundesland in allen Sektoren zusammen. Eine FuE-Intensität über 2 % wiesen nur noch die Bundesländer Hessen und Bayern auf (gut 2,4 % und knapp 2,4 %). Die geringste FuE-Intensität lag in Brandenburg, in Sachsen-Anhalt, im Saarland und in Mecklenburg-Vorpommern vor. Als forschungsintensivstes »neues« Bundesland erwies sich Sachsen, in dem der Wirtschaftssektor 1,2 % des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2009 in FuE investierte.

Gegenüber 1995 ist diese Kenngröße in Baden-Württemberg trotz eines hohen Ausgangsniveaus von 2,7 % um weitere 1,1 Prozentpunkte gestiegen. Kein anderes Bundesland weist eine derart positive Entwicklung auf. In Hessen und Niedersachsen stieg die FuE-Intensität um 0,7 Prozentpunkte. Dagegen ist diese Kennzahl im Betrachtungszeitraum in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und besonders in Bremen sogar zurückgegangen (je 0,1 bzw. 1,0 Prozentpunkte).

Baden-Württemberg im Staatssektor im Mittelfeld

In den über 100 außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Staatssektors in Baden-Württemberg wurden im Jahr 2009 rund 1,5 Mrd. Euro (2007: 1,4 Mrd. Euro) für Forschung und Entwicklung ausgegeben. In diesen Einrichtungen, zu denen unter anderem die Institute der Helmholz-Gemeinschaft, der Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft zählen, waren etwa 13 600 VZÄ (2007: 12 600 VZÄ) mit Forschungsaufgaben betraut. Mit einem Anteil von 15 % an den gesamten absoluten FuE-Ausgaben des Staatssektors in Deutschland wurde die FuE-Kapazität des Landes in diesem Sektor nur von Nordrhein-Westfalen übertroffen (rund 17 %). Einen zweistelligen Anteil wiesen auch noch die Länder Bayern und Berlin auf (Tabelle).

Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt beliefen sich die FuE-Ausgaben des Staatssektors in Baden-Württemberg auf rund 0,4 %. Im Vergleich mit den Bundesländern belegte Baden-Württemberg hier einen Platz im Mittelfeld. Vor Baden-Württemberg befinden sich neben den Stadtstaaten5 alle neuen Bundesländer. Von den Flächenländern nahm das Bundesland Sachsen den Spitzenplatz vor Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein. Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind dabei auch die Flächenländer mit der größten positiven Veränderung. Gegenüber 1995 ist diese Kenngröße in beiden Ländern um 0,4 Prozentpunkte auf nun 0,8 bzw. 0,7 % gestiegen. In Baden-Württemberg blieb die FuE-Intensität im betrachteten Zeitraum nahezu unverändert.

FuE-Intensität in Baden-Württemberg im Hochschulsektor auf Platz 5

Im Hochschulsektor von Baden-Württemberg, der vier von insgesamt neun Eliteuniversitä­ten in Deutschland stellt, waren im Jahr 2009 knapp 18 500 VZÄ mit FuE beschäftigt – rund 2 500 VZÄ mehr als noch im Jahr 2007. In diesem Zeitraum entfallen somit vom Zuwachs in allen Sektoren allein weit über die Hälfte auf den Hochschulsektor, dessen personelle FuE-Ressourcen sich hierdurch um gut 15 % erhöht haben. Die Ausgaben der Hochschulen für Forschung und Entwicklung beliefen sich auf gut 1,8 Mrd. Euro (2007: 1,5 Mrd. Euro). Gemessen an den FuE-Ausgaben liegt Baden-Württemberg mit einem Anteil von knapp 16 % (2007: gut 15 %) an den gesamten Ausgaben des Hochschulsektors in Deutschland nur hinter Nordrhein-Westfalen (fast 22 %).

Die FuE-Ausgaben im Hochschulsektor in Baden-Württemberg bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt beliefen sich auf gut 0,5 %. Im Rangvergleich der Bundesländer belegt Baden-Württemberg hier den fünften Platz. Vor Baden-Württemberg befinden sich die beiden Stadtstaaten Berlin und Bremen sowie die neuen Bundesländer Sachsen und Thüringen.6 Gegenüber 1995 ist diese Kenngröße in Baden-Württemberg um nur 0,1 Prozentpunkte gestiegen. Dies spiegelt auch die Veränderung in den anderen Bundesländern wider. Insgesamt ist im Hochschulsektor in allen Bundesländern im Sektorenvergleich die geringste Dynamik bei dieser Kenngröße festzustellen.

FuE-Intensität: Beitrag der öffentlichen Sektoren

Im Jahr 1995 betrugen die Forschungs- und Entwicklungsausgaben bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt im öffentlichen Bereich (Staats- und Hochschulsektor) in Sachsen 1,0 %. Dies entsprach dem höchsten Wert aller Flächenländer.7 Dieser Wert stieg bis 2009 auf 1,5 % an. Mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt erreichen bzw. übertreffen inzwischen alle ostdeutschen Bundesländer und die Stadtstaaten eine FuE-Intensität von 1,0 %. Baden-Württemberg hat diese Marke als einziges Flächenland der alten Länder im Jahr 2009 ebenfalls erstmals knapp erreicht.

Worin liegt die Bedeutung staatlicher Investitionen in FuE?

FuE-Aktivitäten sind im Allgemeinen mit hohen Kosten verbunden und risikoreich. Da die Rentabilität besonders bei langen Entwicklungszeiten ungewiss ist, konzentrieren sich Unternehmen vorzugsweise auf FuE-Projekte, die kurz- oder mittelfristig zu Markteinführungen und den angestrebten Markterfolgen führen. Anreiz, dieses Risiko einzugehen, bietet auch der Patenschutz, der einen zeitlich begrenzten alleinigen Absatz eines neuen Produktes absichern kann.

Forschung und Entwicklung umfasst jedoch das gesamte Spektrum von Grundlagenforschung, angewandter Forschung und experimenteller Entwicklung. Die Grundlagenforschung, die im Wesentlichen im öffentlichen Bereich erfolgt, ist auf einen langfristigen Zeitraum ausgerichtet und orientiert sich dabei nicht an einer besonderen Anwendung oder Verwendung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist ein solches Engagement in diesem Forschungsbereich wenig zielorientiert und sehr risikoreich. Die Grundlagenforschung dient jedoch der Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und ist die Keimzelle für Schlüsseltechnologien der nächsten Generationen.8 Die FuE-Aktivitäten der beiden öffentlichen Sektoren bilden somit das Fundament unseres Forschungssystems. Vor diesem Hintergrund wird der Staat aktiv und greift fördernd ein.

Fazit und Ausblick

Die Investitionen der Wirtschaft und des öffentlichen Bereiches in Forschung und Entwicklung erreichten im Jahr 2009 in Baden-Württemberg einen neuen Rekordwert. Neben der Führungsrolle im Wirtschaftssektor nimmt Baden-Württemberg im Bundesländervergleich bei den absoluten FuE-Ausgaben auch in den öffentlichen Sektoren einen Spitzenplatz ein.

Für einen Vergleich von Ländern und Regionen unterschiedlicher Größe und Wirtschaftskraft werden die FuE-Ausgaben in Bezug zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt. Bei der so ermittelten international anerkannten Kennzahl (FuE-Intensität) liegt Baden-Württemberg im Bundesländervergleich mit weitem Abstand an der Spitze. Allein der Wirtschaftssektor investiert mehr in Forschung und Entwicklung als jedes andere Bundesland in allen Sektoren zusammen. Im öffentlichen Bereich befindet sich die FuE-Intensität von Baden-Württemberg im Bundesländervergleich allerdings nur im Mittelfeld, obwohl die beiden öffentlichen Sektoren mit der Grundlagenforschung und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses das Fundament des Forschungssystems bilden und die Industrie auch auf die langfristigen Forschungsergebnisse der öffentlichen Forschung angewiesen ist. Die Stärkung des Hochschulsektors und die Ansiedlung von neuen innovativen öffentlichen Forschungseinrichtungen sowie der Ausbau der bestehenden außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollte in Baden-Württemberg zukünftig noch intensiver vorangetrieben werden. Dies erfordert auch ein größeres Engagement des Bundes, da die Institute des Landes in hohem Maße auch über den Bund finanziert werden.

1 Die Daten des Staats- und Hochschulsektors werden jährlich vom Statistischen Bundesamt bzw. von den Statistischen Landesämtern erhoben, die des Wirtschaftsektors im 2-jährigen Turnus von der Wissenschaftsstatistik GmbH im Stifterverband. Aus diesem Grund wurden bei der kurzfristigen Analyse Daten aus dem Jahr 2009 mit Daten aus dem Jahr 2007 verglichen. Für die langfristige Analyse wurden die Daten des Jahres 1995 herangezogen.

2 Die FuE-Personalintensität ist eine weitere wichtige Kenngröße zur Beurteilung der FuE-Aktivitäten. Da auf Länderebene zwischen dieser und der betrachteten FuE-Ausgabenintensität (kurz: FuE-Intensität) jedoch eine sehr hohe Korrelation besteht, wurde die Analyse in diesem Kurzbeitrag auf die FuE-Ausgabenintensität begrenzt.

3 Zu Beachten ist, dass auch bei konstanten Forschung- und Entwicklungsausgaben sich in Abhängigkeit vom Bruttoinlandsprodukt die Kennzahl ändert.

4 Der starke Anstieg der Kennzahl im Jahr 2009 gegenüber 2007 resultiert aus der Zunahme der FuE-Ausgaben und aus der rezessionsbedingten Abnahme des nominalen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2009.

5 Aufgrund der häufigen Ansiedlung dieser Einrichtungen in Ballungsräumen sind die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg bei diesem Indikator mit den Flächenländern nicht vergleichbar.

6 Aufgrund der allgemeinen Ansiedlung von Hochschulen in Ballungsräumen sind die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg bei diesem Indikator mit den Flächenländern nicht vergleichbar.

7 In den Stadtstaaten Berlin und Bremen lag die FuE-Intensität im Jahr 1995 bei 1,8 bzw. 1,0 %.

8 Ferner erlangt der Wissens- und Technologietransfer in Form von Kooperationen zwischen öffentlicher und privater Forschung eine immer höhere Bedeutung.