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Arbeitskosten in Baden-Württemberg im europäischen Vergleich

Eine Arbeitsstunde im Verarbeitenden Gewerbe kostete in Baden-Württemberg im Jahr 2008 gut 36 Euro. Damit wies Baden-Württemberg im europäischen Vergleich die zweithöchsten Arbeitskosten je geleisteter Stunde im Verarbeitenden Gewerbe auf. Unter den Nachbarregionen Baden-Württembergs nahm das Land diesbezüglich sogar eine Spitzenstellung ein.

Alle 4 Jahre findet in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Arbeitskostenerhebung statt. Die Erhebung der Daten erfolgt dabei in allen Ländern nach den internationalen Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Europäischen Union, sodass ein Vergleich der Ergebnisse zwischen den Mitgliedsstaaten möglich ist. Die Arbeitskostenerhebung sammelt Informationen über die Höhe und Struktur der Arbeitskosten (siehe i-Punkt). Allgemein werden zu den Arbeitskosten alle Kosten gezählt, die für den Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Arbeitnehmern anfallen. Die Arbeitskosten sind jedoch nicht mit den Kosten eines Arbeitsplatzes gleichzusetzen, wozu zum Beispiel auch Kosten für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie sanitäre Einrichtungen gehören. Die letzte Erhebung zu den Arbeitskosten wurde für das Berichtsjahr 2008 durchgeführt.

Nutzen der Arbeitskostenerhebung

Die im Rahmen der Arbeitskostenerhebung gewonnenen Daten bilden eine wichtige Grundlage für das Handeln von Unternehmen sowie der Wirtschaft allgemein:

Die Höhe der Arbeitskosten beeinflusst zum Beispiel in hohem Maße Standortentscheidungen von Unternehmen. In Baden-Württemberg lagen 2008 die Kosten für eine Arbeitsstunde in der Privatwirtschaft1 mit durchschnittlich 31 Euro um gut 9 % höher als in Deutschland insgesamt. Diese höheren Arbeitskosten im Südwesten Deutschlands sind zwar bezüglich der Standortfrage für die Unternehmen nachteilig, verdeutlichen aber auch die Attraktivität der Arbeitsplätze für die Arbeitnehmer in dieser Region. Hohe Arbeitskosten bedeuten nämlich auch hohe Entgelte für die geleistete Arbeit, sowie umfassende Leistungen der Arbeitgeber im Bereich der betrieblichen Altersversorgung und Sonderzahlungen.

Gerade für exportorientierte Volkswirtschaften ist es von zentraler Bedeutung, ihre eigenen Arbeitskosten mit denen anderer Mitgliedsstaaten der EU vergleichen zu können, um so Auskunft über ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Baden-Württemberg kann sich als Hochlohnland nur mit innovativen Produkten im internationalen Wettbewerb behaupten.2

Außerdem stellen die Ergebnisse der Arbeitskostenerhebung eine zentrale Grundlage bei Tarifverhandlungen dar. Die Arbeitskostenerhebung liefert detaillierte Angaben zu Bruttoverdiensten und Sozialbeiträgen der Arbeitgeber. Sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften können diese Daten nutzen, um dann ihre jeweiligen Verhandlungsziele zu formulieren.

Anteil der Personalnebenkosten in Baden-Württemberg bei 42 %

Die Arbeitskosten setzen sich aus dem Entgelt für die geleistete Arbeitszeit und den Personalnebenkosten zusammen. 2008 kostete in Baden-Württemberg ein Vollzeitbeschäftigter den Arbeitgeber im Schnitt rund 52 000 Euro. Dabei entfielen auf das Entgelt für die geleistete Arbeitszeit rund 30 000 Euro. Das waren knapp 58 % der gesamten Arbeitskosten je vollzeitbeschäftigtem Arbeitnehmer. Dementsprechend betrug der Anteil der Personalnebenkosten an den gesamten Arbeitskosten gut 42 %.

Unter den Personalnebenkosten dominierten die gesetzlichen Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, deren Anteil an den Arbeitskosten bei 13,4 % lag. Die Vergütung für nicht gearbeitete Tage machte 10,5 % der gesamten Arbeitskosten aus und bildete somit die zweitstärkste Position unter den Personalnebenkosten. Des Weiteren schlagen Sonderzahlungen, die Unternehmen neben der regelmäßigen Lohn- und Gehaltsabrechnung an ihre Beschäftigten leisten, mit 7,3 % zu Buche. Gut 2,5 % der gesamten Kosten des Produktionsfaktors Arbeit entfielen auf die gesetzliche und freiwillige Lohn- und Gehaltsfortzahlung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall. Die Aufwendungen der Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung nahmen weitere 2,3 % der Arbeitskosten ein.

Die restlichen Personalnebenkosten (ca. 6 % der Arbeitskosten) betreffen unter anderem folgende Kostenarten:

  • Sachleistungen der Arbeitgeber an ihre Beschäftigten in Form von Dienstwagen, Firmenwohnungen usw.
  • Entlassungsentschädigungen
  • Aufwendungen für vom Arbeitgeber gestellte Berufskleidung sowie Kosten, die dem Arbeitgeber in Verbindung mit der Anwerbung neuer Arbeitskräfte entstehen;
  • Kosten für die berufliche Aus- und Weiterbildung.

Der Anteil der Personalnebenkosten an den Arbeitskosten insgesamt fiel in Baden-Württemberg 2008 im Produzierenden Gewerbe mit 42,3 % nur geringfügig höher aus als im Dienstleistungsbereich. Hier lag der Anteil der Personalnebenkosten bei 42,1 %. Zum Teil beträchtliche Unterschiede zwischen diesen beiden Bereichen lassen sich jedoch beim Vergleich der Anteile der einzelnen Personalnebenkosten an den gesamten Arbeitskosten verzeichnen. So lag zum Beispiel der Anteil der gesetzlichen Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung im Produzierenden Gewerbe mit knapp 15 % deutlich höher als im Dienstleistungsbereich mit 12 %. Außerdem fielen im Produzierenden Gewerbe die Sonderzahlungen mit über 8 % höher aus als im Dienstleistungsbereich. Hier waren es nur 6,5 %. Die Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung fielen dagegen im Dienstleistungsbereich mit 2,4 % etwas höher aus als im Produzierenden Gewerbe (2,1 %). Zudem nahmen im Bereich der Dienstleistungen die sonstigen Personalnebenkosten mit gut 8 % einen deutlich höheren Anteil ein als im Produzierenden Gewerbe, wo dieser Kostenanteil gerade einmal bei 3,7 % lag.

Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe im Südwesten mit am höchsten in Europa

Bei einem Vergleich der Arbeitskosten Baden-Württembergs mit den Ländern der Europäischen Union werden die Arbeitskosten je Stunde im Verarbeitenden Gewerbe herangezogen. Die Exporte Baden-Württembergs beziehen sich überwiegend auf Waren und weniger auf Dienstleistungen, sodass die Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Baden-Württembergs von Bedeutung sind.

In Baden-Württemberg kostete 2008 eine Arbeitsstunde im Verarbeitenden Gewerbe 36,31 Euro3. Im Vergleich mit den Ländern der EU wurde dieser Wert nur von Belgien übertroffen. In Deutschland kostete den Arbeitgebern eine Arbeitskraft im Verarbeitenden Gewerbe im Schnitt rund 8 % weniger als in Baden-Württemberg. Innerhalb Deutschlands nahm Baden-Württemberg bezüglich der Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe unter den Bundesländern den dritten Platz ein. Den Spitzenbereich bildeten hier die Stadtstaaten Bremen und Hamburg, wobei Bremen mit 38,61 Euro je Arbeitsstunde den Spitzenplatz in Anspruch nahm. In Österreich kostete ein Vollbeschäftigter im Verarbeitenden Gewerbe pro Stunde gut 6 Euro weniger als in Baden-Württemberg. In den Ländern Osteuropas4 betrugen die Kosten für eine Arbeitsstunde im Schnitt nur 6,60 Euro.5 Damit war in Baden-Württemberg eine Arbeitskraft durchschnittlich über fünf Mal so teuer wie in den osteuropäischen Ländern. Auch in Südeuropa6 waren deutlich geringere Arbeitskosten als in Baden-Württemberg zu verzeichnen. Hier betrugen die Arbeitskosten je Stunde im Schnitt lediglich ca. 43 % des baden-württembergischen Niveaus.

Obwohl Baden-Württemberg bezüglich der Arbeitskosten innerhalb der EU im Spitzenbereich liegt, zählt es dennoch zu den Top-Wirtschaftsstandorten in Europa.

So weist Baden-Württemberg bezüglich anderer wichtiger Standortfaktoren sehr gute Bedingungen für Investoren auf:

  • Baden-Württemberg verfügt über eine hervorragende Verkehrsinfrastruktur, welche zur Verwirklichung einer arbeitsteiligen Wirtschaft unabdingbar ist.
  • Die Wirtschaft Baden-Württembergs ist für ihre hohe Innovationsbereitschaft sowie Innovationsfähigkeit bekannt.7
  • Baden-Württemberg kann eine hervorragende Forschungslandschaft mit zahlreichen Universitäten und weiteren Forschungseinrichtungen vorweisen. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wird die Innovationskraft der Unternehmen Baden-Württembergs zusätzlich gestärkt.
  • In Baden-Württemberg sind Top-Branchen angesiedelt.8 Hierzu zählen unter anderem die Automobilindustrie mit ihren zahlreichen Herstellern sowie Zulieferbetrieben, die Luft- und Raumfahrt, der Maschinen- und Anlagenbau, die Elektronik und Elektrotechnik, Unternehmen der Automationsbranche, aber auch Unternehmen in den Bereichen Medizintechnik, Chemie und Pharmazie.
  • Baden-Württemberg weist eine hohe Lebensqualität auf.9 So machen beispielsweise vielfältige Bildungseinrichtungen, ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr sowie zahlreiche Freizeitmöglichkeiten, Naherholungsgebiete und kulturelle Angebote das Land attraktiv für Arbeitnehmer, was ebenfalls die Standortentscheidung von Unternehmen positiv beeinflusst.

Baden-Württemberg mit Höchstwert im Arbeitskostenvergleich mit Nachbarregionen

Den Spitzenplatz bezüglich der Kosten je Arbeitsstunde im Verarbeitenden Gewerbe nahm Baden-Württemberg bei einem Vergleich mit seinen Nachbarregionen ein.10 Den zweiten Platz belegte Hessen, das mit 36,10 Euro nur geringfügig niedrigere Arbeitskosten als Baden-Württemberg (36,31 Euro) aufwies. In Ostfrankreich11, das auch die an Deutschland angrenzenden Gebiete Elsass und Lothringen umfasst, lagen die Kosten für eine Arbeitsstunde im Verarbeitenden Gewerbe um knapp 17 % unter dem baden-württembergischen Niveau. Dagegen betrugen die Arbeitskosten pro Stunde im Großraum Paris rund das 1,8-fache der Arbeitskosten in den eher ländlichen Gebieten Ostfrankreichs. Das zwar an Baden-Württemberg nicht unmittelbar angrenzende, jedoch in naher Nachbarschaft liegende Westösterreich12 verzeichnete unter den Nachbarregionen Baden-Württembergs mit knapp 30 Euro je geleisteter Stunde die niedrigsten Arbeitskosten. Ein Blick über die deutsch-schweizerische Grenze zeigt, dass die durchschnittlichen Arbeitskosten in der Schweiz zwar um rund 2 Euro niedriger sind als in Baden-Württemberg. Mit 34,19 Euro pro Stunde befand sich die Schweiz bei diesem Vergleich jedoch ebenfalls im oberen Bereich der Arbeitskosten.13

Fazit

In Baden-Württemberg lagen 2008 die Arbeitskosten je Stunde im Verarbeitenden Gewerbe bei gut 36 Euro. Damit befand sich Baden-Württemberg im europäischen Vergleich an zweiter Stelle. Unter seinen Nachbarregionen verzeichnete das Land sogar die höchsten Arbeitskosten. Dennoch gilt der Südwesten Deutschlands als attraktiver Wirtschaftsstandort in Europa, da er nämlich bezüglich einer Vielzahl anderer Faktoren sehr gute Bedingungen aufweist. Die Nachteile, die sich aus der Höhe der Arbeitskosten für Baden-Württembergs internationale Wettbewerbsfähigkeit ergeben, kann das Land offensichtlich mit qualitativ hochwertigen und innovativen Produkten kompensieren.

1 Die Privatwirtschaft umfasst das Produzierende Gewerbe sowie die marktbestimmten Dienstleistungsbereiche (WZ 2008 B-N).

2 Vgl.Innovation und Technologietransfer

3 Bei den in diesem Abschnitt verwendeten Zahlen handelt es sich um Daten von Eurostat.

4 Osteuropa: Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei, Slowenien, Bulgarien, Rumänien, Estland, Lettland, Litauen.

5 Ungewichtetes arithmetisches Mittel aus den Arbeitskosten je Stunde der einzelnen Länder.

6 Südeuropa: Spanien, Portugal, Griechenland, Zypern, Malta, Italien.

7 Einwiller, Ruth: »Innovationsindex 2010 Baden-Württemberg: Die Erfolgsgeschichte geht weiter«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 12/2010«

8 Das Business-Portal Baden-Württemberg (www.bw-invest.de/deu/index_deu_90.aspx).

9 www.baden-wuerttemberg.de/

10 Die Zahlenangaben dieses Abschnitts beruhen auf Berechnungen von Eurostat, mit Ausnahme der Schweiz.

11 Bei Eurostat werden zu Ostfrankreich die Gebiete Lorraine, Alsace sowie Franche-Comté gezählt.

12 Westösterreich umfasst laut Eurostat die Bundesländer Oberösterreich, Salzburg, Tirol sowie Vorarlberg.

13 Daten für die Schweiz: Bundesamt für Statistik Schweiz.