:: 1/2012

Haushaltsorientierte Dienstleistungen – ein Merkmal der modernen Gesellschaft

Ergebnisse aus der Umsatzsteuerstatistik

In Deutschland ist der strukturelle Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft angekommen. Der Anteil der Dienstleistungen an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ist höher als der aller anderen Wirtschaftssektoren zusammen. Unter dem Blickwinkel der Umsatzsteuerstatistik bedeutet das für Baden-Württemberg, dass im Jahr 2009 über die Hälfte des steuerbaren Umsatzes von Dienstleistungsunternehmen erwirtschaftet wurde. Dabei spielen Dienstleistungen, die von Privathaushalten nachgefragt werden, eine immer größere Rolle. Zwar ist ihr Anteil am Gesamtumsatz des Dienstleistungssektors mit etwa 4 % noch recht gering, doch verzeichnen die Branchen mit Dienstleistungsangeboten für Privathaushalte in den letzten Jahren hohe Wachstumsraten.

Trend zu Dienstleistungen für Privathaushalte

2009 wurden in der Umsatzsteuerstatistik in Baden-Württemberg insgesamt rund 433 700 Unternehmen erfasst. Im Vergleich zu 2001 nahm die Zahl der Unternehmen, die zur Umsatzsteuervoranmeldung verpflichtet waren, um 5,9 % zu. Besonders positiv verlief dabei die Entwicklung im Bereich der sogenannten haushaltsorientierten Dienstleistungen. Darunter sind solche Dienstleistungen zu verstehen, die überwiegend von Privathaushalten nachgefragt werden (siehe i-Punkt). Die Zahl der Unternehmen, die Dienstleistungen für Privathaushalte anboten, erhöhte sich um rund 40 % auf rund 55 800, womit sich der Zuwachs in diesem Bereich beachtlich von der Entwicklung der Unternehmen insgesamt abhob.

Die Gründe für eine wachsende Nachfrage nach haushaltsorientierten Dienstleistungen sind überwiegend in folgenden gesellschaftlichen Veränderungen zu sehen1:

Der demografische Wandel führt dazu, dass der Anteil älterer und pflegebedürftiger Menschen in der Gesellschaft zunimmt. Dies hat zur Konsequenz, dass Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens vermehrt nachgefragt werden. Im Bereich des Sozialwesens kommt zum Beispiel den Alten- und Pflegeheimen eine zentrale Bedeutung zu. Aber auch ambulante Pflege- und Besuchsdienste spielen eine wichtige Rolle, denn viele ältere Menschen, die nicht in Heimen leben, sind ebenfalls oft auf Hilfe »von außen« angewiesen.

Eine weitere Ursache für den Aufschwung bei haushaltsorientierten Dienstleistungen ist in der steigenden Erwerbstätigkeit von Frauen zu sehen. Diese führt dazu, dass die Nachfrage nach Leistungen in Bezug auf Haushaltsführung und Kinderbetreuung zunimmt.

Schließlich bewirkt die Zunahme des Anteils höher qualifizierter Arbeitskräfte einen Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens. In Verbindung mit einer Verkürzung der durchschnittlichen Arbeitszeit kann ein wachsender Teil der Bevölkerung unter anderem vermehrt kulturelle, sportive und unterhaltende Angebote wahrnehmen.

Der steuerbare Umsatz mit haushaltsorientierten Dienstleistungen hat sich zwischen 2001 und 2009 verdoppelt. Ebenfalls erhöhte sich in diesem Zeitraum der steuerbare Umsatz, der im Schnitt von einem einzelnen Unternehmen dieser Branche erwirtschaftet wurde. Mit einem Zuwachs von 30 % gegenüber dem Jahr 2001 lag dieser 2009 bei 336 000 Euro, befand sich damit allerdings immer noch weit unter dem durchschnittlichen steuerbaren Umsatz für alle Unternehmen (2 016 000 Euro).

Haushaltsorientierte Dienstleister überwiegend kleinbetrieblich organisiert

Beim Vergleich der Umsatzsteuerpflichtigen nach Umsatzgrößenklassen fällt auf, dass rund zwei Drittel der Unternehmen, die 2009 Service-Leistungen für Privathaushalte anboten, der niedrigsten Umsatzgrößenklasse (17 500 bis 100 000 Euro) angehörten. Der entsprechende Anteil für alle umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Baden-Württemberg lag dagegen unter 50 % . Großunternehmen waren auch 2009 unter den haushaltsorientierten Dienstleistern kaum vertreten. Nur 1,4 % aller Unternehmen in diesem Bereich erwirtschafteten einen Umsatz von 2 Mill. Euro oder mehr.

Unterschiede gibt es auch bei den Rechtsformen der haushaltsorientierten Dienstleistungsunternehmen in Baden-Württemberg. Zwar ist die Einzelunternehmung sowohl gesamtwirtschaftlich als auch im Bereich der haushaltsorientierten Dienstleistungen die mit Abstand häufigste Rechtsform. Jedoch lag der Anteil der Steuerpflichtigen, die unter dieser Rechtsform tätig waren, im haushaltsorientierten Dienstleistungsbereich mit 78 % noch höher als bei den Umsatzsteuerpflichtigen in Baden-Württemberg insgesamt (70 %).

Eine Erklärung für die Dominanz von kleineren Betrieben bei haushaltsorientierten Dienstleistern ist in der Natur von Dienstleistungen zu finden. Dienstleistungen zeichnen sich durch das sogenannte »uno-actu Prinzip«2 aus. Dies bedeutet, dass Anbieter und Kunde räumlich und zeitlich aufeinandertreffen müssen, damit eine bestimmte Leistung, wie zum Beispiel die eines Frisörs, erstellt werden kann. Folglich kann ein Anbieter nur Kunden in einem kleineren Umkreis bedienen, da sonst die räumliche Distanz zwischen Anbieter und Kunde zu groß wäre. Auf diese Weise teilt sich ein Markt in viele kleine Betriebe mit jeweils überschaubarer Kundenzahl.

Überaus positive Entwicklung in allen haushaltsorientierten Dienstleistungsbranchen

Es lassen sich verschiedene haushaltsorientierte Dienstleistungsbranchen unterscheiden. Die meisten Umsatzsteuerpflichtigen waren im Rahmen der Erbringung persönlicher Dienstleistungen tätig. Hierzu zählen die Leistungen von Wäschereien, Frisör- und Kosmetiksalons sowie des Bestattungswesens. Aber auch beispielsweise Partnervermittlung, Betreuung von Haustieren und der Betrieb münzbetriebener Fotoautomaten fallen unter die Dienstleistungen persönlicher Natur. Rund 31 000 von insgesamt 55 800 haushaltsorientierten Dienstleistern erbrachten Dienstleistungen dieser Art. Auf Platz zwei hinsichtlich der Zahl der Umsatzsteuerpflichtigen lag der Bereich »Kunst, Unterhaltung und Erholung« mit rund 11 000 Steuerpflichtigen, gefolgt vom Gesundheits- und Sozialwesen (rund 6 000 Steuerpflichtige).

Bei Betrachtung der Beiträge der einzelnen haushaltsorientierten Dienstleistungsbranchen zum Gesamtumsatz ergibt sich allerdings eine andere Platzierung. Der höchste Umsatz wurde vom Gesundheits- und Sozialwesen erwirtschaftet (knapp 8 Mrd. Euro). Auf dem zweiten bzw. dritten Platz lagen die Unternehmen, die persönliche bzw. Unterhaltungs- und Erholungsdienstleistungen anboten.

Bezüglich der Umsatzdynamik konnten im Zeitraum von 2001 bis 2009 jedoch alle haushaltsorientierten Dienstleistungsbranchen ein hohes Wachstum verzeichnen. Interessenvertretungen und religiöse Vereinigungen, der persönliche Dienstleistungsbereich sowie das Gesundheits- und Sozialwesen konnten ihre Umsätze sogar jeweils mehr als verdoppeln. Aber auch das Bildungswesen legte deutlich zu, der steuerbare Umsatz hat sich hier seit 2001 fast verdoppelt. So haben die in den letzten Jahren ständig gestiegenen Anforderungen an Schüler, auch in Verbindung mit der Schulreform zum achtjährigen Gymnasium, dazu geführt, dass Haushalte vermehrt Bildungsangebote in Anspruch nehmen. Hierzu gehören Nachhilfekurse, Hausaufgabenbetreuung sowie Prüfungsvorbereitungskurse, aber auch beispielsweise Computer- und Sprachkurse für Kinder. Bildung erstreckt sich heute jedoch nicht mehr nur auf Kinder und Jugendliche. Zunehmend werden Bildungsleistungen im Sinne eines lebenslangen Lernens auch von Erwachsenen in Anspruch genommen. In diesem Zusammenhang sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Bildungseinrichtungen entstanden, die Schulungen und Seminare anbieten. Dieses Angebot richtet sich jedoch schwerpunktmäßig an Firmenkunden. Für die Weiterbildung von Privathaushalten sind nach wie vor die Programme der Volkshochschulen von Bedeutung.

Fazit

Die Entwicklung des steuerbaren Umsatzes mit haushaltsorientierten Dienstleistungen zeigt, dass Privathaushalten als Nachfrager von Dienstleistungen eine wachsende Bedeutung zukommt. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Neben demografischen Entwicklungen führt die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen sowie die Verkürzung der Arbeitszeit dazu, dass Haushalte vermehrt Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren auf diese Entwicklung reagiert und ihre Angebotspalette um immer mehr Dienstleistungen erweitert. Auch ist eine Entwicklung von handwerklichen Betrieben hin zu Dienstleistungsunternehmen zu beobachten.3 Ein Beispiel hierfür sind Wäschereien. Eine Wäscherei, die früher ausschließlich die Waschleistung erbracht hat, bietet heute eine Vollversorgung im Bereich von Textilien an.

Hierzu gehören folgende Leistungen:

  • Reinigung von Textilien aller Art
  • Bereitstellung von Wäsche, wie zum Beispiel Berufsbekleidung oder Gesundheits- und Hygienewäsche
  • Logistik der Wäsche.

Da ein Ende des Nachfragewachstums im Bereich haushaltsorientierter Dienstleistungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzusehen ist, dürfte sich die positive Entwicklung dieses Marktes auch in den nächsten Jahren fortsetzen.