:: 2/2012

Konjunkturelle Abkühlung zu Jahresbeginn

Reales Bruttoinlandsprodukt dürfte im 1. Quartal 2012 nur noch um 1 ¼ % gegenüber dem Vorjahr wachsen

Die Konjunktur verläuft zu Jahresbeginn in ruhigeren Bahnen. Nach aktuellem Berechnungsstand dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 4. Quartal um 1 ¾ % gestiegen sein, so dass sich für das Gesamtjahr 2011 in Baden-Württemberg ein prognostiziertes reales Wirtschaftswachstum von rund 4 % ergibt. Im 1. Quartal 2012 ist zu erwarten, dass sich die Konjunktur weiter abschwächen wird: gegenüber dem Vorjahr erwarten wir einen Anstieg des realen BIP von rund 1 ¼ %. Damit läge die Wirtschaftsleistung immer noch über dem langfristigen Trend, nähert sich diesem allerdings an. Abschwächung ja, Krise nein – so kann man die konjunkturelle Lage des Landes zum Jahreswechsel zusammenfassen. Auch für den weiteren Jahresverlauf sind die Aussichten nicht schlecht: Der Gesamtkonjunkturindikator des Statistischen Landesamts zeigt für die 2. Jahreshälfte eine Bodenbildung an.

Inlands- wie Auslandsnachfrage wiesen in den Herbstmonaten September bis November in Richtung zyklische Abschwächung. Die realen Inlandsumsätze des Verarbeitenden Gewerbes lagen in diesem Zeitraum rund 4 % über ihrem Vorjahreswert. Im Sommer lag die Steigerung noch bei knapp 9 %. Rückläufige Wachstumsraten auch bei den Auslandsumsätzen: 6 % Wachstum im Herbst gegenüber gut 10 % im Sommer. Bei den in- wie ausländischen Auftragseingängen ist das Bild ähnlich. Auch eine nach Güterhauptgruppen differenzierte Betrachtung zeigt, dass die konjunkturelle Abkühlung zunächst noch anhalten dürfte.

Gute Nachrichten kommen weiterhin vom Arbeitsmarkt: Die Beschäftigung wächst kräftig und die Arbeitslosigkeit sinkt weiter. Im 3. Quartal 2011 stieg die Zahl der Erwerbstätigen um 1,4 %, die Arbeitslosenquote belief sich im Dezember auf 3,7 %. Bei der Preisentwicklung könnte sich eine Entspannung andeuten: Der Preisdruck auf den Vorstufen lässt nach, und der Anstieg der Verbraucherpreise war im Dezember mit einem Vorjahresplus von 2,2 % der niedrigste des 2. Halbjahres.

Weiterhin gute Aussichten auf außereuropäischen Märkten

Von der europäischen Konjunktur ist zu Jahresbeginn wie auch für das Gesamtjahr 2012 kaum Rückenwind für die baden-württembergische Wirtschaft zu erwarten. In der Europäischen Union, diesem für die baden-württembergische Exportwirtschaft so wichtigen Markt, dürfte die reale Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr nur um 1,6 % gestiegen sein. Nach der von der europäischen Statistikbehörde Eurostat veröffentlichten Einschätzung ist auch für dieses Jahr nur ein schwaches Wachstum von 0,6 % zu erwarten. Für den Euroraum schätzt Eurostat die Aussichten ähnlich ein (1,5 % reales BIP-Wachstum für 2011 und 0,5 % für 2012) und bewegt sich damit noch eher im optimistischeren Bereich, da manche Beobachter sogar von einer Rezession ausgehen. Die deutsche Wirtschaft wuchs 2011 mit 3 % dagegen deutlich überdurchschnittlich, wenngleich die Prognosen für 2012 auch für Deutschland nur von einer Wachstumsrate unter 1 % ausgehen.

Das Beunruhigende an der gesamteuropäischen Wachstumsrate ist weniger ihr geringer Betrag als vielmehr die dahinterstehenden nationalen Entwicklungen, die auch im abgelaufenen Jahr zum Teil beträchtlich divergierten. So fanden sich Portugal und Griechenland 2011 am unteren Ende der Skala wieder mit realen BIP-Veränderungsraten von – 1,9 % bzw. – 5,5 %. An diesen Werten wird das Dilemma der Bemühungen um Haushaltskonsolidierung offensichtlich: Was perspektivisch geboten ist, Ausgaben und Einnahmen in ein tragfähiges Verhältnis zu bringen, führt unmittelbar zu einem Nachfrageausfall, der das Wirtschaftswachstum bremst, und zu steigender Arbeitslosigkeit. Die enormen Anstrengungen Griechenlands lassen sich am konjunkturbereinigten Primärsaldo ablesen, der sich dort 2011 auf – 0,4 % des Produktionspotenzials belief. 2009 lag dieser Wert noch bei – 13,1 %.

Auch die außereuropäischen Märkte sind wichtig für die heimische Wirtschaft, und umso erfreulicher sind gute Nachrichten aus Übersee: Nach vorläufigen Berechnungen dürften die USA auch 2011 wieder das bedeutendste Bestimmungsland für baden-württembergische Exportgüter gewesen sein (rund 9 % der Ausfuhren fanden 2011 dort Abnehmer). Das moderate Wachstum in den USA, nicht zuletzt flankiert durch expansive Geldpolitik und eine weniger stark ausgeprägte Neigung zur Haushaltskonsolidierung, dürfte sich fortsetzen. Was die Schwellen- und Entwicklungsländer angeht, sind zwar ausgehend von hohem Niveau schwächere Wachstumsraten zu erwarten, allerdings sind die Nachfrageimpulse nach wie vor kräftig. Von daher wird sich deren Bedeutung als Bestimmungsländer für baden-württembergische Produkte weiter erhöhen. Belegte beispielsweise China im Jahr 2002 hier noch den elften Platz, rückte dieser Markt 2011 auf den vierten Platz vor. Die Weltwirtschaft wird multipolarer und Baden-Württemberg hat daran teil.