:: 2/2012

Dauergrünland in Baden-Württemberg

Das Thema Grünland ist spätestens seit Juli 2011 in Baden-Württemberg in einer breiteren Öffentlichkeit angekommen, als beschlossen wurde, den Umbruch von Dauergrünland gesetzlich zu verbieten. Auch auf europäischer Ebene wird aktuell darüber diskutiert: Bei der geplanten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU stellt das Umbruchverbot für Grünlandflächen ein Standbein der geplanten Ökologisierung der Agrarpolitik dar. In Baden-Württemberg dürfte diese Entwicklung vor allem für die rund 35 000 Betriebe mit Dauergrünland besonders interessant sein. Zusammen werden von diesen Betrieben im Land knapp 532 000 Hektar (ha) Dauergrünland bewirtschaftet, und damit ungefähr 38 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) abgedeckt. Die übrigen Flächen werden ackerbaulich genutzt (59 %), einen kleineren Teil nehmen die Dauerkulturen (3 %) ein.

Als Dauergrünland werden Grundfutterflächen bezeichnet, auf denen bereits seit mindestens 5 Jahren eine relativ geschlossene Pflanzengemeinschaft aus Gräsern oder anderen Grünfutterpflanzen wie Leguminosen gebildet wird. Mit 38 % Dauergrünland gehört der Südwesten bundesweit zu den grünlandreicheren Ländern. Deutschlandweit sind 28 % der LF mit Grünland bedeckt, zwischen den Ländern variieren die Anteile von 52 % im Saarland bis zu 14 % in Sachsen-Anhalt. In einer ähnlichen Größenordnung wie Baden-Württemberg bewegen sich Bayern (34 %), Hessen (37 %) und Rheinland-Pfalz (33 %).

Grünlandnutzung: von extensiv …

Das ertragsarme Dauergrünland, zu dem extensiv genutzte Hutungen und Streuwiesen1 gehören, nimmt im Südwesten mit 31 000 ha momentan nur 6 % der Dauergrünlandfläche ein. Darunter werden Flächen verstanden, auf denen die Bewirtschaftung von Ackerland nicht möglich oder aufgrund zu geringer Ertragskapazitäten nicht rentabel ist. Neben den Bereichen mit ausschließlichem Grünland wie den Überschwemmungsflächen von Flussniederungen und steilen Hanglagen können dies auch Flächen auf schwer zugänglichem Gelände oder mit einer schlechten Bodengüte sein. Dazu zählen Magerrasen oder die Wacholderweiden der Schwäbischen Alb, die bevorzugt durch Schafe oder Ziegen beweidet werden. Das hat zusätzlich den Nebeneffekt, dass Landschaftspflege betrieben und einer Verbuschung der Landschaft vorgebeugt wird.

… bis intensiv

Wiesen und Weiden beanspruchen in Baden-Württemberg den größten Bereich des Dauergrünlandes. Auf ungefähr einem Viertel der Fläche (143 000 ha) wird eine reine Weidehaltung betrieben, ungefähr zwei Drittel des Grünlandes (358 000 ha) bestehen aus Wiesen. Darunter sind auch die Flächen mit Mähweiden enthalten, auf denen zwischen Wiesennutzung und Weide abgewechselt wird. Wiesen und Weiden bilden vor allem die Futtergrundlage in den Milchviehbetrieben. Je nach Nährstoffverfügbarkeit, Niederschlägen und Bodenqualität erfolgt hier eine mehr oder weniger intensive Nutzung. Für eine qualitativ hochwertige Futtererzeugung mit hohen Erträgen ist auch ein entsprechender Input nötig. Dazu zählen eine intensive Düngung und die regelmäßige Pflege des Grasbestandes. Im Zuge des Booms bei den Biogasanlagen, die besonders in rinderstarken Regionen ihren Schwerpunkt haben, wandert Grassilage aber auch verstärkt in Biogasanlagen.

Ein Blick zurück

Zwischen Ackerland und Grünland herrscht in Baden-Württemberg momentan ein Verhältnis von ungefähr 60 zu 40 %. An diesem Verhältnis gab es in den letzten 20 Jahren nur unwesentliche Verschiebungen. Ein Blick zurück in die Zeit um 1900 zeigt jedoch ganz andere Verhältnisse. Ackerland nahm damals mehr als doppelt so viel Fläche in Anspruch wie Grünland, was ungefähr zwei Drittel der LF entsprach. Durch das damals geringere Ertragsniveau bei Getreide wurde für denselben Ertrag wesentlich mehr Ackerfläche benötigt. Außerdem war die Viehhaltung noch weniger intensiv und damit der Futterbedarf geringer. Erst die Intensivierung der Landwirtschaft durch leistungsfähigere Sorten und der Einzug von Maschinen und Traktoren in die Landwirtschaft brachten ab den 20er- bis 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts einen Wandel. Es entstanden mehr Grünlandflächen, Ackerland wurde reduziert. Innerhalb weniger Jahre entstanden über 100 000 ha Grünlandflächen und die Ackerflächen nahmen nur noch etwas mehr als die Hälfte der LF ein.

Schwerpunkte in den Mittelgebirgen

Baden-Württemberg besitzt zwar insgesamt relativ viel Dauergrünland, das regional jedoch sehr unterschiedlich verteilt ist. In den Mittelgebirgsregionen Schwarzwald und Schwäbische Alb sind die größten zusammenhängenden Gebiete mit Dauergrünland angesiedelt. Insgesamt alles Regionen, die durch hohe Niederschläge, karge Böden oder ein schwieriges Terrain für die Grünlandbewirtschaftung prädestiniert sind. In Teilen des Schwarzwalds befinden sich fast ausschließlich Waldflächen und Wiesen. In einigen Gemeinden, wie Hinterzarten und Schonach, geht der Anteil der Wiesen und Weiden sogar auf 95 bis 100 % an der LF hoch. Auch auf der gesamten Albhochfläche von den südlichen Regionen um Tuttlingen und dem Zollernalbkreis bis hin zum Ostalbkreis überwiegt bei den landwirtschaftlich genutzten Flächen das Grünland deutlich. Allerdings sind hier die Anteile in den einzelnen Gemeinden niedriger als im Schwarzwald. Ein weiterer Grünlandschwerpunkt ist der Südwesten Baden-Württembergs. Absolut gesehen ist der Kreis Ravensburg Spitzenreiter mit 57 832 ha Dauergrünland, was 67 % der LF entspricht. Typisch für diese Region ist auch eine ausgeprägte Weidebewirtschaftung. Im Kreis Ravensburg überwiegt die beweidete Fläche sogar die Wiesenfläche.

Was macht Grünland so wertvoll?

Die abwechslungsreiche Kombination aus Acker- und Grünlandflächen machen den Reiz großer Teile unserer Kulturlandschaft im Südwesten aus. Einerseits ist dies ein wichtiger Faktor für die touristischen Ziele wie Schwarzwald, Oberschwaben und Bodensee, andererseits ein Plus bei der Lebensqualität. Neben der wichtigen ökonomischen Grundlage für die Betriebe, nimmt Grünland auch wichtige ökologische Funktionen wahr. Auf Grünlandstandorten ist eine große Artenvielfalt zu finden,2 wobei je nach Boden und Standort die Zusammensetzung der angesiedelten Pflanzengemeinschaft variiert. Auch die Intensität der Nutzung bestimmt die Artenvielfalt. Auf stark genutzten Wiesen setzen sich wenige starke Arten durch, während auf selten beweideten Magerwiesen und Hutungen auch selten vorkommende Arten überleben können.

Außerdem sind Grünlandflächen wichtige CO2-Speicher mit hohen Humusanteilen. Jede Bodenbearbeitung bedeutet dagegen Humusabbau und 2-Freisetzungen. Je nach Bodenart können 20 bis 40 % des ursprünglichen Bodenkohlenstoffs bei einem Umbruch mineralisiert werden. 3 Dagegen ist der Aufbau von kohlenstoffreichen Verbindungen ein wesentlich längerer Prozess. Zusätzlich bietet die Bodenbefestigung durch die Grasnarbe besonders in Hanglagen einen guten Schutz vor Erosion und verhindert auch damit den Humusverlust. Weiterhin wird in Grünlandgebieten der Nährstoffeintrag in Oberflächengewässern und ins Grundwasser verringert.

Wo bleiben die Flächen?

Im Verlauf der vergangenen 40 Jahre nahm die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche in Baden-Württemberg um 175 000 ha ab. Darunter hatte Dauergrünland mit 140 000 ha den deutlich größeren Rückgang zu verkraften, während die bewirtschafteten Ackerflächen lediglich um 38 000 ha zurückgingen. Diesem Trend konnten nur die Dauerkulturen trotzen. Ihre Fläche wurde um 10 000 ha vergrößert.

An der unterschiedlichen Entwicklung von Acker- und Dauergrünland waren mehrere Faktoren, wie Änderungen in der statistischen Erfassung, Flächenverbrauch und Modifikationen beim Anbau der Fruchtarten, beteiligt:

  • Seit 1971 erfolgte in der Agrarstatistik mehrmals eine Anpassung an die strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft, die auch in einer Anhebung der Mindesterfassungsgrenze bestand. Während 1971 noch alle Betriebe, die mehr als 1 ha landwirtschaftliche Fläche (siehe i-Punkt) bewirtschafteten, Bestandteil der Erhebung waren, wurde diese Grenze 1999 auf 2 ha und 2010 auf 5 ha angehoben. Allein aufgrund dieser letzten Änderung sind 2010 fast 17 000 ha weniger Grünland statistisch erfasst worden, bei Ackerland sind es etwas weniger als 6 000 ha. Ähnlich sah es 1999 aus. Damals war der Umfang des Dauergrünlands um 15 000 ha zurückgegangen, die beackerten Felder dagegen nur um rund 4 000 ha. In den letzten 4 Jahrzehnten fielen damit allein durch erhebungsmethodische Änderungen 6 % der aktuellen Dauergrünlandfläche aus dem Fokus der Statistik. Die unterschiedliche Entwicklung von Acker- und Dauergrünland wurde noch dadurch verstärkt, dass 1998 in der Agrarstatistik in Baden-Württemberg für die Bodennutzung erstmals Verwaltungsdaten herangezogen wurden. Aufgrund dieser Umstellung kamen 27 000 ha LF dazu, die vorher nicht durch die statistische Erhebung abgedeckt wurde. Der größte Zuwachs bestand aus Ackerland (17 000 ha), Wiesen, Weiden und Hutungen umfassten dagegen nur ungefähr 9 000 ha.
  • In den vergangenen 10 Jahren lag der Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsflächen, wie Straßenbau, industrielle Flächen, Siedlungsfläche oder Erholungsflächen bei 34 000 ha. 4 Laut Flächenerhebung ging der Zuwachs auf Kosten ehemals naturnaher land- und forstwirtschaftlich genutzter Fläche. 5 Inwieweit der Flächenverbrauch zu Lasten von Grünland oder Ackerland ging, lässt sich jedoch kaum nachvollziehen. Einerseits war laut Flächenerhebung Grünland weniger stark betroffen als Ackerland, andererseits erschweren die methodisch bedingten Flächenunterschiede zwischen den beiden Erhebungen eine Interpretation. In der Flächenerhebung wird eine Landwirtschaftsfläche von 1 635 000 ha nachgewiesen, die Fläche in der Agrarstatistik liegt dagegen über 200 000 ha darunter. Dies ist ein erheblicher Flächenanteil, der sich damit außerhalb des statistischen Einzugsbereichs befindet und nicht eindeutig zugeordnet werden kann.
  • Die Konkurrenz für die Grünlandflächen durch den Anbau von Getreide und Mais wurde stärker. Diese Entwicklung setzte einerseits dadurch ein, dass in den letzten 3 Jahrzehnten die Rinderzahlen in Baden-Württemberg stetig zurückgegangen sind, von rund 1,8 Mill. im Jahr 1979 auf gut 1 Mill. Rinder im Jahr 2010. In der Folge sank auch der Bedarf an Flächen zur Erzeugung von Futter. Andererseits begünstigten steigende Rohstoffpreise und die bessere Erlössituation für Agrarprodukte den Anreiz, Grünlandflächen in Ackerland umzuwandeln. Momentan dürfte vor allem Mais der stärkste Kontrahent für das Dauergrünland darstellen. Mais erreicht hohe Flächenerträge, was ihn bereits für die Rinderhaltung attraktiv machte. Zusätzlich bildet er durch seine gute Methanausbeute auch einen begehrten Rohstoff in Biogasanlagen. Diese Kongruenzeffekte wurden genutzt. Die rinderstarken Gebiete im Südosten Baden-Württembergs haben sich inzwischen zur Hochburg für Biogasanlagen entwickelt. Grassilage wird dagegen überwiegend dann seinen Weg in die Fermenter finden, wenn der Aufwuchs nicht als Futter benötigt wird.

Alle diese doch sehr unterschiedlichen Aspekte müssen bei der Interpretation der Flächenrückgänge im Dauergrünland berücksichtigt werden. Dabei gehen die größten Unsicherheiten von den unterschiedlichen Abdeckungsgraden der Betriebsstatistik einerseits (Grünland als Unterposition der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Betriebe) und der Katasterstatistik andererseits (Grünland als Unterposition der Landwirtschaftsfläche) aus. So dürfte aufgrund der größeren wirtschaftlichen Bedeutung Ackerland betriebsstatistisch umfassender nachgewiesen sein, wohingegen manche grenzwertige Grünlandstandorte hier wahrscheinlich nicht erfasst sind.