:: 3/2012

Nutzen des Zensus 2011 für die Kommunen

Teil II

Die Feststellung der Einwohnerzahlen für Bund, Länder und Gemeinden, das erste Ziel einer Volkszählung, hat aufgrund der Bedeutung der Einwohnerzahl für viele Gebiete staatlichen Handelns unmittelbare Rechtsfolgen.1 Insoweit ist eine Korrektur von staatspolitischem Interesse, aber auch im Interesse der Gemeinden, gerade um bei der Zuteilung von Steuer- und Fördermitteln eine vergleichbare und »verteilungsgerechte« Basis zu haben.

Für nahezu alle statistischen Fragestellungen ist der Ausgangspunkt die Zahl der Einwohner.2 Einwohnerzahlen sind die grundlegende Basis für alle personenbezogenen Strukturdaten und Bezugsgröße für viele bevölkerungs-, sozial- und wirtschaftsstatistische Indikatoren. Eine regelmäßige Korrektur dieser Zahlen, und damit neben der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung auch der in der Kommunalstatistik verwandten Fortschreibungsergebnisse, ist zwingend erforderlich, da sich bei Fortschreibungen von Verwaltungsregistern3 systembedingte Mängel (Melderegister sind keine Statistikregister), Fehler in der Registerführung und Verhaltensfehler in der Bevölkerung im Laufe der Jahre kumulieren. Der Zensustest 2001 unterstrich die Notwendigkeit zur Korrektur der Registerzahlen.4

Seit dem Zensustest 2001 sind weitere 10 Jahre vergangen und damit dürfte sich die Registerqualität alleine zeitbedingt auf der einen Seite weiter verschlechtert haben; auf der anderen Seite führte die Einführung der Steueridentifikationsnummer 2008 auch zu einer Melderegisterertüchtigung durch Mehrfachfallprüfungen (Bereinigung der Fälle, in denen Personen mehr als ein Mal mit alleiniger Wohnung oder Hauptwohnung oder nur mit Nebenwohnung gemeldet waren) und die Bereinigung von »Karteileichen« in den Meldebehörden. Laufende Registerbereinigungen ermöglichten bis Ende 2009 die nicht zustellbaren Lohnsteuerkarten; dieses in der Meldebehördenpraxis relevante Korrektiv ist mit der Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte ersatzlos entfallen. Eine Qualitätsverbesserung der Registerführung bedeutet auch der seit 2007 eingeführte elektronische Meldeaustausch (XMeld) der Meldebehörden. Keine Registerqualitätsverbesserung wird hingegen nach Einschätzung der Meldebehördenpraxis der bereits in Teilen der Bundesrepublik 2010 eingeführte vorausgefüllte Meldeschein bringen. Andererseits wurde mit der Neufassung des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) vom 19. April 2002 die generelle Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers bei An- und Abmeldungen aufgehoben und so auf ein effektives qualitätssicherndes Element der Melderegisterführung ersatzlos verzichtet, welches in einzelnen Landesmeldegesetzen (zum Beispiel in Baden-Württemberg) enthalten war.

Mit größeren Bereinigungseffekten ist insbesondere bei den Einwohnern mit Nebenwohnung zu rechnen, da dieser Bestand der Melderegister keiner laufenden Überprüfung (Lohnsteuerkarten, Wahlbenachrichtigungen, Ausweise) unterliegt und daher insbesondere Übererfassungen (»Karteileichen«) nicht korrigiert werden. Ausnahmen bilden freilich die derzeit rund 400 Kommunen5 (mit Schwerpunkt Hochschulstädte und Fremdenverkehrsgemeinden), die vorwiegend innerhalb des letzten Jahrzehnts eine Zweitwohnungssteuer eingeführt haben. Infolgedessen kommt es zu einer umfassenden Bereinigung der »vergessenen« Abmeldungen6; gleichzeitig dürfte sich aber auch ein (nicht quantifizierbarer) Untererfassungseffekt (verursacht durch diejenigen, die sich nicht mehr anmelden, um sich dieser Steuer zu entziehen) einstellen.

Ungelöst bleibt aber das Problem, dass die Melderegister seit der Volkszählung 1970 keiner systematischen Bereinigung mehr unterzogen wurden, da als Folge des »Rückspielverbots« des Volkszählungsurteils von Daten aus der Statistik in den Verwaltungsvollzug eine Harmonisierung mit Datenbeständen der Zensen und der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung unterbleiben muss. Die kommunale Bevölkerungsstatistik muss weiterhin mit den unbereinigten Registern und damit mit Einwohnerdaten arbeiten, die nicht mit denen der staatlichen Statistik kohärent sind.

Feststellung der Zahl der Haushalte

Neben der Zahl der Einwohner ist die Zahl der (Privat-)Haushalte eine wesentliche statistische Bestandszahl. Haushalte treten als Wirtschaftseinheit und als Nachfrager nach Wohnungen auf. Die Zahl der Haushalte in einer Kommune und ihrer Teilgebiete ist eine elementare Absolutzahl aber auch eine Bezugsgröße für viele weitere Indikatoren (durchschnittliche Haushaltsgröße, Wohnungsdichte, Wohnungsversorgungsgrad und anderes mehr).

So stellt die Gewinnung der Zahl der Haushalte, die flächendeckend bis hinunter auf die kleinste räumliche Ebene durch die Zusammenführung des registergestützten Zensusdatensatzes und den primärstatistisch erhobenen GWZ-Daten im Rahmen der Haushaltegenerierung zur Verfügung gestellt werden, eine der wichtigsten Pluspunkte des Zensus 2011 für die Kommunen dar. Kleinräumige Haushaltszahlen sind seit der letzten Volkszählung nur in Kommunen, die das Haushaltegenerierungsverfahren HHGen7 einsetzen, verfügbar beziehungsweise können in den wenigen Städten, die eine Mikrozensus-Anpassungsschicht bilden, auf Gesamtstadtebene aus dem Mikrozensus gewonnen werden. In der kommunalstatistischen Praxis geht man insbesondere von einer leichten Überhöhung von Ein-Personen-Haushalten im kommunalen HHGen-Verfahren8 aus, das ohne das Korrektiv der Zahl der Wohnungen im Wohngebäude auskommen muss. Das Generierungsverfahren HHGen stößt dann an seine Grenzen, wenn unverheiratete Personen sich nicht gleichzeitig an einer Adresse angemeldet haben.

Beim Zensus 2011 wird definitorisch der gleiche Haushaltsbegriff verwendet wie in der kommunalstatistischen Bevölkerungsstatistikpraxis. Dieser Kohärenz-Vorteil für die Kommunalstatistik überwiegt den Nachteil, dass der in der Wissenschaft gebräuchliche Haushaltsbegriff eigentlich der einer zusammen wohnenden Wirtschaftseinheit ist, wie er früheren Volkszählungen ebenso wie dem Mikrozensus zugrunde liegt.

Erwerbspersonen und Erwerbstätige nach der Stellung im Beruf

Eine weitere wichtige Eckzahl stellt die Zahl der Erwerbspersonen dar, aus der wichtige Indikatoren wie zum Beispiel die Erwerbsquote abgeleitet werden, die sowohl für themenbezogene als auch für raum-zeitlich vergleichende Untersuchungen von Interesse sind. Dazu wird aus der Zusammenführung der Daten der Bundesagentur für Arbeit, der Daten der öffentlichen Arbeitgeber und der Haushaltsstichprobe die Zahl der Erwerbspersonen, unterschieden nach Erwerbstätigen und Erwerbslosen, und die Zahl der Nicht-Erwerbspersonen generiert. Soweit die Kommunalstatistik großer Städte laufend Erwerbstätigenzahlen aus der VGR oder die Arbeitslosen-/Umschülerzahlen und die Sozialversicherungspflichtig Beschäftigtenzahlen aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit bezieht, erlauben die Zensus-Daten eine Korrektur dieser; bezüglich der Zahl der Beamten (Richter und Soldaten) liefert der Zensus erstmals seit 1987 wieder kleinräumige Eckzahlen. Informationen über Selbstständige und mithelfende Familienangehörige sind freilich nur auf der Gesamtstadtebene bzw. für Stadtteile in Großstädten mit 400 000 oder mehr Einwohnern durch die Haushaltesstichprobe des Zensus erhältlich. Um diese untergemeindliche Datenlücke zu schließen, sollte zeitnah zur Veröffentlichung der Zensusergebnisse ein wissenschaftlich fundiertes, valides Schätzverfahren zur Verfügung stehen.

Gebäude- und Wohnungsdaten

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum ist ein wichtiges sozialpolitisches Ziel.9 Zugleich stellt das Wohnen einen Bereich der privaten Ausgaben dar, der mit etwa einem Drittel (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008) den höchsten Anteil hat. Wohnungsangebot und Mietkosten sind daher in den Bürgerumfragen der großen Städte regelmäßig die führenden Problemfelder auf der lokalen Agenda.

Der Wohnungssektor hat eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Der Wert der Wohnbauten in Deutschland wird auf der Grundlage der VGR auf rund 3,9 Bill. Euro (2008) geschätzt.10 Kommunen sind unmittelbare Akteure im Rahmen der Beteiligung am Wohnungsbau und an der Wohnraumversorgung über die öffentlichen Wohnungsgesellschaften, über Fördermaßnahmen (Energiesparprogramme, Sozialer Wohnungsbau) und nicht zuletzt über die Bauleitplanung sowie den Fachplanungen, bei denen über Ausmaß und Art der Wohnbautätigkeit entschieden wird.

Kommunale Wohnungspolitik benötigt für ihre Steuerungsaufgaben und Kooperationsprozesse mit den Wohnungsakteuren hochwertige, vergleichbare und möglichst umfassende Daten, als Voraussetzung für einen treffsicheren und effizienten Ressourceneinsatz (Finanzmittel, Flächenverbrauch). Dazu zählen zunächst die Eckdaten Zahl der Wohngebäude und Zahl der Wohnungen. Die Zahl der Wohngebäude und die Zahl der Wohnungen liegen nur für die Ebene der Gemeinde aus der jährlichen Wohnungsbaufortschreibung der Statistischen Landesämter vor, die auf der Basis der Gebäude- und Wohnungszählung 1987 (GWZ) generiert werden. Untergemeindliche Informationen sind daraus nicht ableitbar.

Abhilfe wird hier die Gebäude- und Wohnungszählung bringen, der (neben der Erhebung in Sonderbereichen) einzige Teil des Zensus 2011, der als primärstatistische Vollerhebung konzipiert ist. Die GWZ wird im Wesentlichen nicht von den Erhebungsstellen vor Ort, sondern zentral von den Landesämtern postalisch oder als elektronische Datenlieferung durchgeführt.

Die GWZ des Zensus 2011 wird also eine Korrektur der fortgeschriebenen Zahl der Wohngebäude und der Wohnungszahlen erlauben. Hier sind im Übrigen weniger korrigierte Gebäudezahlen als korrigierte Wohnungszahlen zu erwarten.11 Die Baufertigstellungsfortschreibung ist nicht gänzlich fehlerfrei (Melde- und Bearbeitungsfehler), hat eine andere Wohnungszählweise wie die GWZ12, kann nur die meldepflichtigen Vorgänge (Nutzungsänderungen, Teilungen oder Zusammenlegungen von Wohnungen laufen in der Regel ohne Genehmigung) berücksichtigen und führt so à la longue zu einer kumulierten Fehleinschätzung der Zahl der Wohnungen.

Eine bedenkliche Entwicklung aus der Sicht der Statistik stellen hier die in einzelnen Bundesländern (zum Beispiel Sachsen-Anhalt) »entbürokratisierten« Landesbauordnungen mit stark reduzierten Meldeverpflichtungen der Bauherren dar, die dadurch keine verlässliche Fortschreibung der Bautätigkeit mehr zulassen.

Die systematische Beobachtung der Bautätigkeit auf allen räumlichen Ebenen einer Stadt liefert grundlegende Erkenntnisse über die Schwerpunkte der Bautätigkeit innerhalb des Stadtgebiets. Fragestellungen wie beispielsweise wo und in welchem Umfang Bautätigkeit stattfindet, ob sich die Bautätigkeit in den durch die Bauleitplanung abgedeckten Neubaugebieten oder außerhalb dieser in Baulücken im Bestand vollzieht oder durch Nachverdichtung (zum Beispiel Aufstockung), stellen Basisinformationen für städtebauliche Entwicklungskonzepte dar. Auf Gebäudeebene vorliegende Wohnungsstrukturdaten erlauben eine exakte Gebietsabgrenzung für städtebauliche Entwicklungs- und Erneuerungsgebiete (Sanierungsgebiete), als Voraussetzung für einen optimierten, zielgerichteten und effizienten Mitteleinsatz. Mittels vordefinierter minimaler Dichtewerte für verschiedene Stadtstrukturtypen lassen sich zum Beispiel gebietsscharfe Vorgaben für schrumpfende Städte entwickeln mit dem Ziel, die stadttechnische Daseinsvorsorge auch künftig wirtschaftlich zu gewährleisten.13

Das nur auf höchstens 2 Jahre begrenzte Auswertungsfenster der GWZ-Daten auf Gebäudeebene verhindert allerdings die einmalige Chance für viele Kommunen, auf dieser Basis eine eigene statistische Gebäude- und Wohnungsdatei aufzubauen und fortzuschreiben. Eine Fortschreibung der Bautätigkeit auf der Basis der dauerhaft in der abgeschotteten Kommunalstatistik speicherbaren Baublockseitenebene ist nach den vorliegenden kommunalstatistischen Erfahrungen mit der GWZ 1987 definitiv nicht leistbar. Eine Fortschreibung ist vielmehr nur auf Basis des konkret betroffenen Gebäudes möglich und auch die kleinräumige Gliederung des Stadtgebiets unterliegt ständigen Veränderungen (zum Beispiel Teilung von Baublöcken). Die Beispiele der Übersicht verdeutlichen die Notwendigkeit einer gebäudescharfen Datengrundlage, da sich Baublockseiten in der Praxis häufig aus sehr heterogenen Gebäudebeständen zusammensetzen.

Die Strukturdaten der Gebäude- und Wohnungszählung erlauben die Gebäude- und Wohnungsstruktur der Kommunen in beliebiger untergemeindlicher Maßstäblichkeit umfassend abzubilden und bieten dabei stets die Möglichkeit von Regional- oder Städtevergleichen. Adressgenaue Daten zur Gebäudestruktur und zum Gebäudealter eignen sich als Abgrenzungsmerkmale für Fördergebiete oder zur Beurteilung der »Durchmischung« von Quartieren mit Eigentums- und Nicht-Eigentumswohnungen oder mit Wohn- und Nicht-Wohnbebauung, die gegebenenfalls auf normativen gebietsspezifischen städtebaulichen Vorgaben (zum Beispiel für Erhaltungsgebiete) beruhen können.

Die flächendeckende Darstellung der Heizungsart ist für stadtklimatologische Fragestellungen ebenso interessant wie für Energieversorger, für Handwerksbetriebe oder Hersteller (Abschätzung der kleinräumigen Potenziale). Die Differenzierung der Gebäude nach der Heizungsart in Verbindung mit dem Gebäudealter und den Eigentumsverhältnissen liefert Eckzahlen beispielsweise für eine Abschätzung des Investitionsvolumens für Wohnungseigentümer in moderne Heizungssysteme. Allerdings bietet die konkrete Fragestellung der GWZ 2011 (Frage G 6) für die Kommunalstatistik kaum Informationsgehalt. Deutlich bessere Analysemöglichkeiten hätte eine Zusatzfrage nach dem Brennstoff der Heizung aus der GWZ 1987, selbstredend erweitert um aktuelle Energiearten (Holzpellets, Biogas, Sonnenenergie usw.) und ggf. der Warmwasserversorgung, erbracht. Mit Blick auf drängende Fragen des Klimawandels im allgemeinen und des lokalen Stadtklimas im besonderen und der Verfolgung von kommunalen Nachhaltigkeitsstrategien sind Merkmale zur Einschätzung der Energieeffizienz14 heute eigentlich unverzichtbar, zumal diese auch im Mikrozensus keine Berücksichtigung finden. Solche Daten würden wertvolle Hinweise zur Erarbeitung von Sanierungsentwicklungszielen (umweltpolitischer und stadtklimatologischer Art) in kommunalen Fördergebieten ermöglichen.

Speziellen Nutzen ziehen Städte mit Hauptstadtfunktion und deren Nachbarorte sowie Garnisonsstädte mit ausländischen Streitkräften aus der GWZ, welche Informationen über Zahl und Struktur des Wohnungsbestandes, der von Diplomaten beziehungsweise Angehöriger ausländischer Streitkräfte belegt ist, liefert. Von erheblichem kommunalen Interesse ist es zum Beispiel zu wissen, welche Wohnraumpotenziale wo innerhalb einer Stadt von mutmaßlichen Standortentscheidungen ausländischer Streitkräfte betroffen wären.

Kommunen, die eigene Mietspiegelerhebungen durchführen, erhalten mit der GWZ nicht nur einen korrigierten Stichprobenrahmen für die Stichprobenziehung (Zahl der Wohngebäude und Gebäudealter zur Abbildung der Marktrelevanz der Gebäudealterstypen), sondern können auch ihre Stichprobenziehung optimieren durch gezielten Ausschluss der nicht mietspiegelrelevanten Gebäude (Eigentümerausschluss).

Durch die Verknüpfungsoption der Registerdaten und der GWZ-Daten in der Auswertungsdatenbank des Zensus ist bei allen Analysen zur Struktur des Wohnungsbestandes zugleich auch die Betroffenheit der Haushalte und Personen mit ihren soziodemografischen Hintergrundvariablen darstellbar. Am Beispiel der Thematik Wohnungsversorgung wird dies deutlich. Die Wohnungsversorgung hat eine quantitative (»Sind alle Haushalte mit Wohnraum versorgt?«) und eine qualitative Komponente. Letztere umfasst beispielsweise die Wohnflächenversorgung nach Quadratmeter oder nach Räumen pro Person oder nach dem Haushaltstyp, differenziert nach Eigentumsverhältnissen, nach Ausstattungsqualität (Dusche, WC vorhanden?), der Staatsangehörigkeit, dem Migrationshintergrund, nach Alter, Familienstand und Erwerbstätigkeitsstatus. Damit lässt sich fachlich und räumlich tief gegliedert für beliebig generierbare Gebietseinheiten eine umfassende Bestandsaufnahme des Wohnungsmarkts einer Stadt erstellen, der sowohl die Bürgerseite als Nachfrager nach Wohnraum sieht als auch die Anbietersicht des öffentlichen, privaten und unternehmerischen Wohnbauinvestors beleuchtet. Wohnungspolitische Ziele können aus solchen Analysen ebenso abgeleitet werden (Auflegung spezieller oder Neuausrichtung vorhandener Förderprogramme für schlecht versorgte Gruppen; Eigentumsförderprogramm; Förderung spezieller Wohnformen wie zum Beispiel altengerechte Wohnungen in entsprechend unterversorgten Stadtgebieten) wie Hinweise auf zielgruppenspezifischen Wohnungsbedarfe zur Minimierung von Investitionsrisiken.

Nicht hoch genug einzuschätzen ist das Informationspotenzial des Zensus für die lokalen Politikakteure, mittels Städte- und Regionalvergleichen eine quantitative und qualitative Bewertung der eigenen Wohnungsmarktstruktur zu erhalten. Die Einbeziehung der Umlandgemeinden ist bei einer lokalen Wohnungsmarktanalyse unerlässlich. Administrative Grenzen sind sowohl für die nachfragende Seite bei der Wohnungssuche als auch für die Investorenseite bei der Schaffung von Wohnungsangeboten nachrangig: Wohnungsmärkte sind regional ausgerichtet.

Spezielle und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels »boomende« Wohnformen sind Seniorenwohnungen oder generationsübergreifende Wohnformen. Lässt sich der Bedarf an Seniorenwohnungen aus dem Zensus durch eine intelligente Datenverknüpfung eines Teils auch kleinräumig überzeugend generieren, so ist doch anderen Teils die Chance vertan worden, eine weitergehende Informationsgrundlage hinsichtlich der Alterstauglichkeit des vorhandenen Wohnraums mit einer speziellen Fragestellung im Gebäude- und Wohnungsfragebogen zu schaffen.

Ein weiteres Praxisbeispiel für die Verwendung kombiniert aufbereiteter demografischer und wohnungsstatistischer Merkmale aus dem zensustypischen Datensatz ist die Potenzialermittlung und Lokalisierung des Wohnraums in der Kommune, der perspektivisch aus Altersgründen durch die Bewohner freigemacht wird.

Wohnungsmarktrelevant sind nicht zuletzt die Leerstände15 in den Kommunen. Für kommunalpolitische Steuerungsmaßnahmen sind speziell die Leerstandsquoten in den städtischen Teilräumen von besonderem Interesse (»Wo und in welchen Lagen häufen sich Leerstände?«); die Leerstandsquote ist ein Indikator für Lebens- und Wohnqualität in einem Quartier ebenso wie die Struktur der leerstehenden Wohnungen selbst von kommunaler Planungsrelevanz ist (»Spielt zum Beispiel das Baualter, die Größe der Wohnung eine Rolle für den Leerstand?«).

Die Leerstandsquote ist zudem von Interesse für Berechnungen zur Ermittlung der quantitativen Wohnraumversorgung, da leerstehender Wohnraum temporär oder dauerhaft nicht zur Verfügung steht. Im Unterschied zur GWZ 1987 wird bei der GWZ 2011 auf die Erhebung der Dauer des Leerstands verzichtet; gerade diese Größe ergibt aber wertvolle Hinweise auf die Art beziehungsweise das Motiv des Leerstandes (Wechsel des Wohnungsnutzers, Renovierungsarbeiten, gewollter Leerstand). 1987 wurde beispielsweise die Quote der länger als 6 Monate leerstehenden Wohnungen in Stuttgart als Beurteilungskriterium für die Notwendigkeit einer Zweckentfremdungsabgabe für Wohnraum herangezogen und Konzepte für Anreizsysteme Mietwohnungsraum zur Verfügung zu stellen, entwickelt.

Die Miethöhe hat für Mieterhaushalte eine erhebliche Budget- und für institutionelle und private Vermieter eine bedeutende Vermögensrelevanz. Bei der Beobachtung der Mietpreisentwicklung, die im Übrigen ein wichtiger Einflussfaktor auf die Inflationsrate ist, werden sowohl bei der Verbraucherpreismessung (keine Erfassung von kleineren und größeren Wohnungen)16 als auch bei der Mietspiegelaufstellung17 Preismessungen nur selektiv und nicht für den Mietwohnungsbestand in seiner Gänze vorgenommen. Insoweit ist der Verzicht auf die Erhebung der (Kalt-)Miete beim aktuellen Zensus (bei der GWZ 1987 wurde dieses Merkmal erhoben) eine bedauerliche Unterlassung, die letztendlich dazu führt, dass anstelle qualitativ hochwertiger und einschätzbarer amtlicher Quellen weniger geeignete privatwirtschaftliche Quellen genutzt werden.18 Für die Standortwahl und -treue von Unternehmen oder die Wohnortwahl von Privatpersonen kann beispielsweise der Mietfaktor ein Entscheidungskriterium sein; Stadtwerbung kann das vergleichsweise günstige Mietniveau hervorheben, sofern belastbare Städte- oder Regionalvergleichszahlen vorliegen.

Für sozialräumliche Betrachtungen ist das (tatsächliche) kleinräumige Mietpreisniveau ebenso von Interesse wie dieses als Auswahlkriterium für Förderprogramme und für wohnungspolitische Steuerungsmaßnahmen dienen kann. Die Kenntnis der Mietpreishöhe würde jene Kommunen, die keinen eigenen qualifizierten Mietspiegel erstellen, in die Lage versetzen, die Preisabstände zu nahegelegenen Städten mit eigenem empirisch erhobenen (qualifizierten) Mietspiegel zu berechnen; so könnte ein, beispielsweise nach Gebäudealter, strukturierter einfacher Mietspiegel entstehen (Tabelle 1).

Demografische, bildungs- und erwerbsbezogene statistische Strukturdaten

Bevölkerungs-, bildungs- und erwerbsbezogene Strukturdaten für Personen und Haushalte bilden den Kernbereich einer Volkszählung. Beim Zensus 2011 werden die Möglichkeiten der Datennutzung thematisch limitiert (durch den Umfang des Fragebogens der (als primärstatistische Stichprobenerhebung durchzuführenden) Haushaltebefragung einerseits und dem vorhandenen Datenumfang der herangezogenen Register (Melderegister, erwerbsstatistische Register) im Rahmen der sekundärstatistischen Datenerzeugung andererseits. Die Grenzen der kleinräumigen Nutzung der Zensusdaten für die kommunale Seite ergeben sich aus den Restriktionen, dass die inhaltlich umfangreiche Haushaltestichprobe nur in Gemeinden ab 10 000 Einwohner stattfindet und als Stichprobenerhebung nur gemeindescharfe19 Ergebnisse liefern kann (die Stichprobenbefragungen in Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern dienen der Ermittlung von Kreisergebnissen). Lediglich die aus den verwendeten Registern gewonnenen, aber inhaltlich begrenzten Datensätze erlauben eine kleinräumige, untergemeindliche Auswertung. Durch die Übermittlung dieser Daten auf der Adressebene (und als Einzeldatensätze) auf der Grundlage des § 22 Abs. 2 ZensG 2011 werden die Kommunen, befristet auf 2 Jahre, in die Lage versetzt, im Unterschied zur VZ 1987, die Daten je nach Anwendungszweck flexibel für beliebig generierbare Gebietseinheiten auszuwerten. Eine große aufbereitungstechnische Herausforderung bei der Erstellung des zensustypischen Auswertungsdatensatzes besteht freilich für die staatliche Statistik darin, die Daten aus den erhebungstechnisch und vermutlich auch qualitativ grundverschiedenen Datenquellen zu harmonisieren.

Der Datenkatalog der Haushaltestichprobe eröffnet den Kommunen zweifelsohne umfassende Möglichkeiten der Datenanalyse auf der kommunalen Makroebene einschließlich dem Blick auf vergleichbare Städte und auf die eigene Region, hier allerdings begrenzt auf die Umlandgemeinden, die oberhalb der Einwohnerschwelle von 10 000 Einwohner liegen. Die Personen- und Haushaltsmerkmale lassen sich beliebig auf der Einzeldatenbasis20 verknüpfen und fragestellungsspezifisch auswerten. So können bei ausreichenden Fallzahlen etwa geschlechtsspezifische Fragen der Bildungsteilhabe oder der berufliche Status nach Migrationshintergrund und differenziert nach Herkunftsland (der Kinder oder Eltern) und/oder Aufenthaltsdauer ebenso untersucht werden wie die Unterschiede der Bildungsteilhabe in den verschiedenen Haushaltstypen.

Befasst sich die Kommunalpolitik mit Fragen der speziellen Förderung von gesellschaftlichen Gruppen wie beispielsweise der Familien (zum Beispiel »Familiencard« mit Vergünstigungen für diverse Leistungen), kann über die Zensusmerkmale Zahl und Struktur der verschiedenen Haushaltstypen in der Kommune eine fundierte Abschätzung der Bedarfs- und der Budgeterfordernisse erfolgen.

Im Mittelpunkt der Kommunalpolitik steht seit jeher die soziale Kohäsion der Stadtgesellschaft. Neue Impulse gehen hier gerade auch von der EU aus, die explizit eine Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts verfolgt. Im Zeitalter der Globalisierung, sind soziale Fragen der Teilhabechancen einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen noch stärker in den Fokus gerückt. Mit der »Leipziger Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt« wurde die europäische Stadtpolitik auf die mitgliedstaatliche Ebene übertragen.21 Nicht zuletzt wurde die Möglichkeit geschaffen, integrierte Stadtentwicklungsvorhaben europäischer Städte und Regionen in die operationellen Programme des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und damit in die Förderprogramme (zum Beispiel URBACT, URBAN) zu bringen. Das gesamte EFRE-Budget beläuft sich auf rund 300 Mrd. Euro (einschließlich der Sozial- und Kohäsionsfonds). Dazu kommen nationale Förderprogramme wie beispielsweise »Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier« (BIWAQ), »Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten« (E&C) oder die »Soziale Stadt«.22

EU- ebenso wie nationale aber auch lokale Förderprogramme erfordern gleichermaßen untergemeindliche Daten zur Gebietsabgrenzung, zur Gebietspriorisierung und schlussendlich zur Evaluierung der Programmziele. Derzeit wird diskutiert, bei allen Städtebauförderprogrammen des Bundes Evaluierungen verpflichtend zu implementieren. Doch gerade in dieser Hinsicht stellt das Zensuskonzept 2011 eine Enttäuschung dar, da die hierfür erforderlichen erwerbsstatistischen Informationen untergemeindlich nur rudimentär zur Verfügung stehen (insbesondere gibt es keine Informationen über Selbstständige, mithelfende Familienangehörige, Studenten, Schüler, Rentner); der Migrationshintergrund ist untergemeindlich nur pauschal nach dem Herkunftsland verfügbar. Deshalb müssen aus kommunaler Sicht zeitnah Schätzverfahren entwickelt und in ihren Ergebnissen verfügbar gemacht werden, um diese Datenlücken zu überbrücken und nicht dauerhaft in die Abhängigkeit kommerzieller Anbieter von Marketingdaten mit intransparenter Herkunft, zweifelhafter Qualität und teilweise horrenden Preisen23 zu geraten. Mit der Umstellung auf einen registergestützten Zensus wurde ein Paradigmenwechsel eingeleitet, der für die kommunale Nutzerebene erst dann konsequent und zufriedenstellend vollzogen ist, wenn auch alle kleinräumigen Datenbedarfe früherer Zählungen gedeckt sind.

Das Spektrum der kleinräumig lieferbaren demografischen Merkmale (Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Migrationshintergrund, Familienstand) für Personen und Haushalte des Zensus 2011 ist zwar größer und kann durchaus als anforderungsgerecht bewertet werden, ist aber gleichwohl für die Kommunalstatistik stadtspezifisch24 aus der laufenden Bevölkerungsstatistik bereits ableitbar. Bestandsauswertungen zur Bemessung des Bedarfs an Kindergärten, an muttersprachlichem Unterricht im Einzugsbereich von Schulen, an Kindertagesstätten im allgemeinen oder im speziellen für die Bedarfe Alleinerziehender sind insoweit bereits kommunalstatistische Alltagsarbeit.

Ein Manko des Zensuskonzepts 2011 stellt der Verzicht auf die Erhebung von detaillierten Pendlerdaten und Daten zur Verkehrsmittelwahl dar. Grundlegende Fragestellungen der kommunalen Verkehrs- und Umweltpolitik sind nur mit regional vergleichbaren Eckdaten zur Verkehrsmittelnutzung (Anzahl, Struktur) beantwortbar. Für Verkehrsinfrastrukturplanungen der verschiedenen Verkehrsträger (Pkw, ÖPNV oder Fahrrad) werden kleinräumige Pendlerströme (Berufs- und Ausbildungspendler) als Basisdateien benötigt, wenn es beispielsweise um Themen wie Linienführung, Haltestellendichte, Parkraummanagement, P&R-Plätze-Bedarf, Feinstaubbelastung und vieles mehr geht.

Die neben dem Migrationshintergrund einzige, über den europarechtlich verankerten Informationsbedarf hinausgehende Variable des Zensus 2011 stellt die Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft dar, die ergänzt wird um die freiwillig zu beantwortende Frage nach der Religion, Glaubensrichtung oder Weltanschauung. Die Kommunalstatistik profitiert davon insoweit, als insbesondere Daten zur Zahl der Muslime in den Städten stark nachgefragt sind.25 Mit der Zensus-Haushaltestichprobe wird diese Datenlücke geschlossen; obendrein besteht die Möglichkeit von Regionalvergleichen (mit allen Gemeinden ab 10 000 Einwohner) und der Darstellung von Haushalts- und sozioökonomischen Zusammenhängen (Tabelle 2).

Zusammenfassung und Ausblick

Der Weg, den die amtliche Statistik mit dem Zensuskonzept 2011 eingeschlagen hat, anstelle einer primärstatistischen Totalerhebung einen registergestützten Zensus durchzuführen, ist aus Sicht der Kommunalstatistik26 prinzipiell richtig und zeitgemäß – die Städtestatistik geht diesen Weg schon seit längerem sehr erfolgreich. Der gegenüber dem bisherigen Volkszählungsmodell vollzogene methodische Paradigmenwechsel setzt allerdings das Erreichen der Qualitätsziele des Zensus bei der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahlen und der zu erhebenden Fachdaten voraus. Nicht weniger bedeutsam aus kommunaler Sicht ist die Bewertung des neuen Zensusmodells hinsichtlich der fachlichen und räumlichen Tiefe der erhobenen und zur Verfügung gestellten Merkmale.

Der Nutzen des Zensus 2011 für die Kommunen fokussiert sich auf die Ergebnisse der Gebäude- und Wohnungszählung, da diese als Vollerhebung stattfindet und ihre Ergebnisse gemäß den Anforderungen der Kommunalstatistik im kleinräumigen Maßstab bereitgestellt werden. Zweifelsohne gewinnbringende Analysemöglichkeiten zum Wohnungsmarkt und zur Wohnungsversorgung eröffnet zudem die Verknüpfbarkeit der vorhandenen, im Wesentlichen soziodemografischen Eckdaten des zensustypischen Datensatzes mit den Merkmalen der GWZ und die Übermittlung an die abgeschotteten kommunalen Statistikstellen als Einzeldatensätze und auf der Adressebene. Das unterscheidet den Zensus 2011 in für die kommunale Nutzerseite vorteilhafter Weise von der Volkszählung 1987, bei der die Datenübermittlung an die kommunalen Statistikstellen auf die Ebene der Baublockseite begrenzt war. Ein gravierender Nachteil jetzt ist das kurze Auswertungsfenster von 2 Jahren, das nicht nur einen enormen Zeitdruck für qualifizierte Auswertungen aufbaut, sondern auch eine dauerhafte Verwendung als Basis einer Gebäude- und Wohnungsdatei in den Kommunen und künftige Auswertungen in nicht vorhersehbaren Fragestellungen und Gebietsgliederungen ausschließt.

Für die Kommunalstatistik der größeren Städte beschränkt sich der Nutzen des Zensus 2011 im Kern auf die Korrektur der im laufenden statistischen Produktionsprozess generierten beziehungsweise aus dem Mikrozensus ableitbaren statistischen Eckzahlen Einwohner, Haushalte und Erwerbspersonen (ohne Selbstständige). Wichtige Daten zur Verkehrsmittelwahl, Pendlerdaten, Kaltmieten und weitere relevante wohnungsstatistische Daten (Energieart Heizung, Warmwasserversorgung, energetischer Gebäudezustand), über die die Kommunalstatistik nicht verfügt und die zum klassischen Repertoire einer Volkszählung gehö­ren, werden beim Zensus 2011 nicht erhoben. Die Chance, Daten zu aktuellen gesellschaftlichen und globalen Fragestellungen mit dem Zensus zu gewinnen, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Seine besondere und exklusive Stärke entfaltet auch dieser Zensus in der Bereitstellung von stichtagsgleichen, nach einheitlichem Standard erhobenen und aufbereiteten Daten, die dazu noch in der Periodizität, jedenfalls künftig, in regelmäßigen, verlässlichen Datenlieferungsrhythmen vorliegen werden. Auf dieser Basis lassen sich die zur Einordnung von beobachteten kommunalstatistischen Sachverhalten notwendigen Städte- und Regionalvergleiche anstellen, freilich bei diesem Zensus beschränkt auf Städte größer als 10 000 Einwohner.

Die für die kommunale Informationsversorgung unabdingbaren untergemeindlichen, kleinräumigen Daten des Zensus gehen gleichfalls nur unwesentlich über das bereits in der kommunalstatistischen Alltagspraxis vorhandene, überwiegend aus den Verwaltungsregistern selbst generierte Datenmaterial hinaus. Die meisten der üblichen erwerbs- und bildungsstatistischen Daten werden nicht kleinräumig erhoben.

Unabhängig davon ist die Statistik-Tauglichkeit der vorhandenen Melde- und Erwerbsstatistikregister zur Gewinnung des zensustypischen Datensatzes selbstkritisch von der staatlichen Statistik zu prüfen, unter dem Aspekt der Datenqualität und mit Blick auf den Aufbereitungsaufwand und den erforderlichen Aufbereitungszeitraum; keine Utopie sollten künftig »kleine Zensen« im 5-Jahres-Abstand sein. Eine alte Forderung der Städtestatistikpraxis einer normierten Vorab-Ertüchtigung der Register innerhalb des Verwaltungsvollzugs müsste dabei im Mittelpunkt der Diskussion stehen.

Mit dem Zensus 2011 kommt der Bund seiner Verpflichtung den Kommunen für ihren verfassungsrechtlich legitimierten Bedarf die erforderlichen statistischen Informationen zur Verfügung zu stellen, nur sehr bedingt nach. Im Ansatz richtig und begrüßenswert ist die nun wenigstens für maximal 2 Jahre mögliche Auswertung der Zensusdaten auf der Adress- und Einzeldatensatzebene. Auf Dauer zufriedenstellen kann dies, auch aus staatsökonomischer Sicht und mit Blick auf das Verhältnismäßigkeitsgebots nicht. Daher bleibt eine zentrale Forderung der Kommunalstatistik, Straße/Hausnummer als Erhebungsmerkmale bei künftigen Zensen zu behandeln oder den abgeschotteten kommunalen Statistikstellen die dauerhafte Speicherung dieser Merkmale zu ermöglichen.

Die vom Bund mit dem Kostenargument begründete Begrenzung des Datenkatalogs tangiert massiv die kommunalen Interessen, da zahlreiche Daten, die zum selbstverständlichen Datenkranz früherer Zählungen gehörten (bildungs- und erwerbsstatistische Daten, Pendlerdaten, Verkehrsmittelwahl, Arbeitsstättendaten), nicht mehr kleinräumig erhoben werden. Eine Möglichkeit der »Schadensbegrenzung« könnte hier die Entwicklung von Schätzverfahren zur Verbesserung der kleinräumigen Datenlage darstellen. Unverzichtbar ist in diesem Kontext aber die Forderung der Kommunalstatistik, den Kommunen substituierend uneingeschränkten Zugang zu anderen Statistikerhebungen und Statistikquellen (zum Beispiel Verwaltungsregister) der staatlichen Statistik auf der Adressebene zu ermöglichen beziehungsweise die Adressebene für kommunalstatistische Zwecke als Erhebungsmerkmal vorzusehen. Der Auftrag der Kommunalstatistik im Kontext der Erfüllung der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben erfordert diesen speziellen kleinräumigen Datenbedarf, der damit auch eindeutig über die Bedürfnisse staatlicher Ebenen hinausgeht.

Das Beispiel des Unternehmensregisters, das als Ersatz für die Arbeitsstättenzählung dienen soll, weist in diese Richtung, zeigt aber auch die Problematik der speziellen kommunalen Erfordernisse auf. Methodisch-fachlich ist der Fragenkatalog des Unternehmensregisters einerseits gegenüber der klassischen Arbeitsstättenzählung begrenzt auf die sektoral gegliederten Beschäftigtenzahlen und ihre sublokale Zuordnung, dafür ist die regelmäßige Datenverfügbarkeit ein großes Plus gegenüber dem 10-Jahres-Rhythmus einer Großzählung.

Das Unternehmensregister erfüllt in seinem derzeitigen Zustand die kommunalen Anforderungen allerdings noch nicht, da die für die Kommunen entscheidende Anwendung des Unternehmensregisters als kleinräumige Datenquelle auf der Adressebene nicht möglich ist. Die Ursachen liegen hier nicht im Datenschutz, sondern an der Datenerhebung: Mehrbetriebsunternehmen haben nämlich die Möglichkeit einer zusammengefassten Meldung der Daten am Unternehmenshauptsitz; damit ist eine untergemeindliche Aufbereitung der Daten des Unternehmensregisters ausgeschlossen.

Teil I des Beitrags wurde veröffentlicht in Schwarz, Thomas: »Nutzen des Zensus 2011 für die Kommunen«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2012«

Die Erstveröffentlichung des Aufsatzes erfolgte in: Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 8/2011.

1 Vgl. Fürnrohr, Michael: Die Bedeutung der amtlichen Einwohnerzahlen und ihre Ermittlung beim Zensus 2011; Vortrag beim Symposium »Möglichkeiten und Grenzen des Zensus 2011«, siehe www.dagstat.de.

2 Zu den unterschiedlichen Einwohnerbegriffen und ihrer Verwendung in der amtlichen Statistik vgl. Haußmann, Michael/Schmitz-Veltin, Ansgar: Einwohnerbegriffe und Datengrundlagen in der kommunalen Bevölkerungsstatistik – wieviele Einwohner leben in Stuttgart?, in: Statistik und Informationsmanagement, 2011, Heft 1, S. 18–25.

3 Zur Problematik der Melderegisterqualität vgl. Frank, Eberhard: Volkszählung und amtliche Einwohnerzahl – welche Rolle spielen die kommunalen Einwohnerregister dabei? in: Beitrag der Kommunalstatistik zur Methodendiskussion eines Zensus. Statistik und Informationsmanagement, 2003, Themenheft 5, S. 98–99.

4 Der Zensustest ergab, dass bundesweit die Melderegister durchschnittlich eine »Karteileichen«-Rate von 4,1 bzw. 2,9 % nach Abzug der temporären »Karteileichen« und eine Fehlbestandsquote von 1,7 % im unbereinigten Zustand (in diesem werden die Melderegister für die kommunale Bevölkerungsstatistik genutzt) enthielten; in Städten ab 800 000 Einwohner stieg diese Quote auf 7,6 bzw. 3,0 %. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistische Ämter der Länder (2003): Ergebnisse des Zensustest, zitiert aus: Braun, Ralph: »Zensustest 2001«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2004«.

5 Vgl. www.zweitwohnungssteuer.de.

6 In Stuttgart reduzierte sich die Zahl der Einwohner mit Nebenwohnsitz auf rund ein Drittel.

7 Lindemann, Utz (2002): Wie erhält man aus dem Einwohnerregister Haushalte? Das Haushaltegenerierungsverfahren HHGen, in: Dorbritz, Jürgen/Otto, Johannes (Hrsg.): Familienpolitik und Familienstrukturen. Ergebnisse der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft und der Johann-Peter-Süßmilch-Gesellschaft für Demographie. Materialien zur Bevölkerungswissenschaft, Band 108, Wiesbaden, S. 239–243.

8 In der Gegenüberstellung ergibt sich für Stuttgart beispielsweise eine Überhöhung des durch die kommunale Haushaltegenerierung gewonnenen Anteils der Ein-Personen-Haushalte gegenüber dem aus dem Mikrozensus ermittelten Prozentsatzes um 2 Prozentpunkte.

9 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 763/2008 v. 9.7.2008, Begründung S. 2,3.

10 Die Immobilienmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive. Gutachten für den Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. und die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V., o. J., S. 38.

11 Bundesweit wurde bei der GWZ 1987 eine Übererfassung von über 1 Mill. Wohnungen (– 3,8 %) ermittelt. In Stuttgart lag die Zahl der Wohngebäude um 0,4 % und die Zahl der Wohnungen um 2,8 % über den Fortschreibungsergebnissen (ähnlich wie in den anderen Stadtkreisen und Universitätsstädten Baden-Württembergs). Gravierender waren die Unterschiede bei den Gebäudegrößen; Wohngebäude mit einer Wohnung wurden bei der GWZ 11 % mehr, Wohn-gebäude mit zwei Wohnungen 8 % weniger in Stuttgart ermittelt (Erste Ergebnisse der Gebäude- und Wohnungszählung 1987, Statistischer Informationsdienst, Sonderheft 8/1989).

12 Baugenehmigungsverfahren und die laufende Bautätigkeitsfortschreibungsstatistik zählen »echte« Wohnungen, während die GWZ vorsieht, in den Fällen, in denen mehrere Wohnungen in einem Gebäude von einem Haushalt bewohnt werden, diese als eine Wohneinheit zu zählen (vgl. Erste Ergebnisse der GWZ 1987; Statistischer Informationsdienst, Sonderheft 8/1989, S. 10, 11).

13 Westphal, Christiane: Dichte als Planungsgröße im Stadtumbau? in: Raumforschung und Raumordnung 2009, Heft 1, S. 7–20.

14 Mögliche Fragestellung: »Wurden in dem Gebäude energetische Sanierungsmaßnahmen an der Außenwand, Dach/oberste Geschossdecke, Keller/unterste Geschossdecke, Heizung durchgeführt, und wenn ja, wann?«

15 Da seit der GWZ 1987 keine Leerstandsdaten mehr amtlich erhoben wurden, behelfen sich Kommunen mitunter durch die Auswertung von Daten lokaler Stromanbieter oder Stromableser, deren Datenqualität freilich kaum einschätzbar ist.

16 Die Immobilienmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive. Gutachten für den Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. und die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V., o. J., S. 72.

17 Ausgeschlossen sind per Gesetz geförderte Wohnungen, von Freunden/Bekannten angemietete Wohnungen, Werkswohnungen, Wohnungen in Wohnheimen und solche, die innerhalb der letzten 4 Jahre vor der Erhebung im Preis nicht verändert oder nicht neu vermietet wurden. Unberücksichtigt bleiben auch Mietmarktuntypische Komfortwohnungen mit exklusiver Ausstattung.

18 Auswertung von Internetplattformen wie »Immobilienscout 24«; vgl. auch die Verwendung von Mietpreisdaten von Neu- und Wiedervermietungen durch die BBSR.

19 In Städten mit mindestens 400 000 Einwohner wird die Haushaltestichprobe in Unterstichprobenschichten mit etwa 200 000 Einwohnern erhoben (§ 7 Abs. 1 ZensG 2011). Da Schichten dieser Größenordnung im Normalfall keiner untergemeindlichen Gebietskategorie entsprechen, ist der Nutzen für die Kommunen vernachlässigbar.

20 Der Einzeldatenbezug setzt das Vorhandensein einer abgeschotteten Statistikstelle in einer Kommune voraus.

21 2007 unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft von den für Stadtentwicklung zuständigen Ministern der EU verabschiedet, vgl. Nickel, Eva Mareile: Die Leipzig Charta im Kontext der europäischen Kohäsionspolitik, in: Informationen zur Raumentwicklung, 2009, Heft 6, S. 395–403.

22 Alisch, Monika: Sozialraummodelle im arbeitsmarktpolitischen Kontext, in: Informationen zur Raumentwicklung, 2010, Heft 2/3, S. 103–110.

23 Vgl. auch Meinel, Gotthard: Planung ohne kleinräumige Daten? in: IÖR info, Heft 45, 12/2010, S. 1.

24 Arbeitsorganisatorisch nur schwer zu realisieren sind allerdings ggf. erforderliche überregionale Vergleichsuntersuchungen.

25 Vgl. Schmitz-Veltin, Ansgar: Muslime in Stuttgart 2009. Neue Schätzung zur Zahl der in Stuttgart lebenden Muslime, in: Statistik und Informationsmanagement, 2010, Monatsheft 7, S. 217–221.

26 Zur Bewertung und Kritik der Städtestatistik am Zensuskonzept: »Die 7 Grundanliegen der Städtestatistik beim Zensus 2011«, Kurzfassung des Zensusworkshops der Städtestatistik am 22./23. Februar 2007 in Bonn (von Rudolf Schulmeyer); »Forderungen der Städtestatistiker an den Zensus« (Thomas Schwarz), vgl. »Wieviel Zensus braucht die Stadt?« Stadtforschung und Statistik, Sonderausgabe 2007, Hrsg.: Verband Deutscher Städtestatistiker (VDSt); Ausführungen des kommunalen Sachverständigen (Thomas Schwarz) zum Zensuskonzept, in: Protokoll 48. Sitzung des Innenausschusses: öffentliche Anhörung zum Entwurf des Zensusvorbereitungsgesetzes 2011 (ZensVorbG 2011) am 17. September 2011 in Berlin (BT-Drucksache 16/5525); Trutzel, Klaus: Verantwortung für kommunale Daten. Paradigmenwechsel in der amtlichen Statistik. Bund top – Städte flop? in: Stadtforschung und Statistik 2/2008, S. 43–47.