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Vom Babyboom zur älter werdenden Gesellschaft

6,7 Mill. Baden-Württemberger, die im Durchschnitt knapp 35 Jahre alt waren und von denen nicht einmal jeder Hundertste eine ausländische Staatsangehörigkeit hatte. Frauen, die im Durchschnitt 2,1 Kinder zur Welt brachten, von denen lediglich jedes elfte nichtehelich geboren wurde. Eine Lebenserwartung, die bei den Frauen nur 69 Jahre und bei den Männern lediglich 65 Jahre betrug; und schließlich: Fast elf Mal so viele Eheschließungen im Vergleich zur Zahl der Scheidungen!

Das sind einige demografische Kennzahlen Baden-Württembergs im Jahr 1952, dem Gründungsjahr des LandeS. Seither haben sich diese grundlegend geändert: Wir sind mehr und – was die Nationalitäten angeht – »bunter« geworden, die Kinderzahl je Frau ist drastisch zurückgegangen, während die Lebenserwartung deutlich angestiegen ist. Die Scheidungshäufigkeit hat sich erheblich erhöht, ebenso wie das Durchschnittsalter der Bevölkerung – und dies trotz einer zeitweise enormen Zuwanderung vor allem junger Menschen in den Südwesten.

Im Folgenden sollen ausgewählte Aspekte der demografischen Entwicklung Baden-Württembergs im Zeitraffer oder – wo es angezeigt erscheint – auch etwas detaillierter – vorgestellt werden.

Baden-Württemberg war und ist für Menschen aus anderen Teilen Deutschlands, Europas und der übrigen Welt attraktiv. Anders ist es nicht zu erklären, dass seit Bestehen des Landes per saldo etwa 3 Mill. Menschen zugezogen sind. Rund zwei Drittel des Einwohnerzuwachses in den vergangenen 6 Jahrzehnten entfielen damit auf Wanderungsgewinne gegenüber dem übrigen Bundesgebiet beziehungsweise dem Ausland und nur ein Drittel auf Geburtenüberschüsse. Die Motive für einen Zuzug waren und sind – wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden – vielschichtig und haben sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert.

Der Flüchtlingszustrom prägte das Bild bis in die 1950er-Jahre …

Nach dem Zweiten Weltkrieg strömten Millionen Menschen in das vom Krieg zerstörte Deutschland. Annähernd 900 000 Flüchtlinge und Vertriebene sind zwischen 1945 und 1950 in das Gebiet des späteren Landes Baden-Württemberg gekommen. Deren Zahl erhöhte sich bis 1961 vor allem durch den Zuzug von Vertriebenen aus der sowjetischen Besatzungszone und durch Umsiedlungen innerhalb Deutschlands auf 1,2 Mill.1 Der Bevölkerungsanteil der Vertriebenen in Baden-Württemberg stieg damit auf immerhin 16 %.2

… und die »Gastarbeiter« in den 1960er-Jahren

Nicht nur Vertriebene, sondern auch Kriegsgefangene kehrten noch bis Mitte der 1950er-Jahre nach Baden-Württemberg und in andere Bundesländer zurück. Zu dieser Zeit war das sogenannte »Wirtschaftswunder« bereits in vollem Gange. Als Folge dieser ungemein dynamischen Wirtschaftsentwicklung zeichnete sich ein allgemeiner Arbeitskräftemangel ab, der zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte führte. Zunächst wanderten »Gastarbeiter« aus Italien zu, ab den 1960er-Jahren vor allem auch aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Spanien, Portugal und der Türkei. Von 1958 bis 1973 sind per saldo etwa 830 000 Ausländer aus dem Ausland nach Baden-Württemberg zugezogen.3 Aufgrund der durch die Ölkrise im Jahr 1973 ausgelösten Rezession wurde die Anwerbung gestoppt.

Bürgerkriegsflüchtlinge, Aussiedler und Asylbewerber sowie Zuzüge aus den neuen Ländern

Von Mitte der 1970er- bis Ende der 1980er-Jahre war die Migration – bedingt durch wirtschaftliche Einbrüche und der temporären bundesweiten Förderung von Rückwanderungen – sehr wechselhaft (Schaubild 1). Dieser Periode schloss sich eine erneute Phase starker Zuwanderungen aus dem Ausland an. Deutschstämmige Spätaussiedler, zunächst vor allem aus Rumänien und Polen, später insbesondere aus der früheren Sowjetunion, strömten verstärkt in den Südwesten. Hinzu kamen steigende Asylbewerberzahlen – sogar von einer »Asylantenflut« war die Rede4 – und Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem auseinanderfallenden Jugoslawien. Allein zwischen 1989 und 1992 sind so per saldo rund 470 000 Menschen aus dem Ausland nach Baden-Württemberg zugezogen.5

Die Zeit zwischen dem Ende der 1980er- bis zur Mitte der 1990er-Jahre war aber auch durch den enormen Zuzug aus den neuen Bundesländern nach dem »Mauerfall« geprägt. Allein von 1990 bis 1992 sind per saldo rund 90 000 Personen aus den neuen Ländern nach Baden-Württemberg gezogen.

Seit Mitte der 1990er-Jahre verläuft die Zuwanderung aber in deutlich ruhigeren Bahnen. In den Jahren 2008 und 2009 konnten die relativ geringen Wanderungsgewinne nicht einmal mehr das jeweilige Geburtendefizit kompensieren. Zuletzt hat sich jedoch die Zuwanderung wieder verstärkt, sodass mit derzeit 10,75 Mill. die höchste Einwohnerzahl seit Bestehen des Südweststaates erreicht wurde.

Fast alle Nationalitäten sind im Land vertreten

Die zeitweise starke Zuwanderung hat dazu geführt, dass heute rund 1,2 Mill. ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Baden-Württemberg leben.6 Damit hat jeder neunte Baden-Württemberger eine ausländische Staatsangehörigkeit. Die türkische Bevölkerung bildet hierbei bereits seit 1978 die stärkste ausländische Bevölkerungsgruppe – vor Personen mit italienischer, kroatischer und griechischer Staatsangehörigkeit (Schaubild 2). Fast alle Nationalitäten sind im Land vertreten – lediglich Angehörige aus 12 überwiegend sehr kleinen Staaten fehlen.

Seit Mitte der 1990er-Jahre ist die Zahl der Ausländer im Südwesten rückläufig – vor allem aufgrund von Einbürgerungen und einer Änderung des StaatsangehörigkeitsrechtS. In Deutschland geborene ausländische Kinder erhalten seit dem Jahr 2000 die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern ein Elternteil mindestens seit 8 Jahren hier seinen regelmäßigen Aufenthalt hat.

Vom Babyboom zum »Pillenknick«

»2009 niedrigste Zahl an Geborenen seit 1952«. So lautete im Jahr 2010 eine Pressemitteilung des Statistischen LandesamteS. Nur noch rund 90 000 Kinder wurden in den letzten Jahren per anno geboren. 1952 waren es bei einer wesentlich geringeren Einwohnerzahl noch 109 000, im Jahr 1964, dem Jahr mit der höchsten Geborenenzahl seit Bestehen des Landes, sogar 161 000 Babys.

Die Geborenenzahl ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter und dem Geburtenverhalten, gemessen an der durchschnittlichen Kinderzahl je Frau. Im Gründungsjahr des Landes lag die Geburtenrate noch bei 2,1 Kindern je Frau – also genau bei dem Wert, der für eine konstante Bevölkerungszahl ohne Zuwanderung erforderlich ist. Bis Mitte der 1960er-Jahre ist die Kinderzahl je Frau dann sogar auf 2,6 angestiegen. In Kombination mit der gleichzeitig hohen Zahl an Frauen im gebärfähigen Alter hatte dies 1964 zur höchsten Geborenenzahl im Land geführt.

Seit Ende der 1960er-Jahre ist dann aber die Geburtenrate innerhalb eines Jahrzehnts drastisch zurückgegangen und liegt seither relativ konstant bei nur noch etwa 1,4 Kindern je Frau. Damit ist also die Geburtenrate – anders als oft in der Presse zu lesen ist – in den vergangenen Jahrzehnten nicht weiter gesunken. Vielmehr ist die Zahl der Neugeborenen in den letzten Jahren vor allem deshalb zurückgegangen, weil die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter kleiner geworden ist. Sie gehören weitgehend zu den geburtenschwachen Jahrgängen aus den 1970er-Jahren. Die zeitliche Nähe zur Einführung der »Pille« gab dem Phänomen damals seinen Namen. Der Zusammenhang war aber eher zufällig, da das Verhütungsmittel nur zuvor angewandte Methoden abgelöst hatte.7

Der Rückgang der Geborenenzahlen ging zunächst einher mit einem Rückgang beim Alter der Mütter bei der Geburt ihrer Kinder. Bis Mitte der 1970er-Jahre sank das Durchschnittsalter auf 27 Jahre, um in den folgenden Jahrzehnten deutlich anzusteigen. Im Jahr 2010 waren die Frauen in Baden-Württemberg bei der Geburt eines Kindes bereits 31 Jahre alt.

Parallel hierzu entwickelte sich der Anteil der nichtehelichen Kinder – auch dieser war zunächst zurückgegangen. Wurden 1952 etwa 9 % der Kinder von nicht verheirateten Müttern geboren, so sank dieser Anteil bis Ende der 1960er-Jahre sogar auf unter 5 %. Seither ist dieser Anteil aber stetig angestiegen. Mehr als jedes fünfte Kind wird zwischenzeitlich nichtehelich geboren.

Bundesweit höchste Lebenserwartung

Die Menschen in Baden-Württemberg leben immer länger. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines neugeborenen Mädchens beträgt heute rund 83,5 Jahre, die eines neugeborenen Jungen etwa 79 Jahre. Zu Beginn der 1950er-Jahre lagen die Werte bei knapp 69 Jahren für die Frauen und sogar nur bei 65 Jahren für die Männer – also 14 bzw. rund 15 Jahre weniger als heute! Bundesweit hat damit die Bevölkerung im Südwesten seit Jahrzehnten die höchste Lebenserwartung und auch europaweit gibt es nur wenige Staaten, in denen die Menschen länger leben.

Die Sterblichkeit ist in den letzten Jahrzehnten in allen Altersgruppen zurückgegangen. Besonders stark war der Rückgang im Säuglingsalter. Heute sterben 3 von 1 000 Neugeborenen im 1. Lebensjahr, 1952 – dem Gründungsjahr des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg – waren es noch 44 von 1 000 Lebendgeborenen.

Die Gründe für die seit Jahrzehnten steigende Lebenserwartung sind vielfältig. Neben der bereits genannten stark gesunkenen Säuglings- und Kindersterblichkeit hat die Sterblichkeit auch im höheren Alter vor allem aufgrund der verbesserten gesundheitlichen Vorsorge und der medizinischen Versorgungssituation beträchtlich abgenommen. So sind insbesondere die Sterbefälle aufgrund der Todesursache »Krankheiten des Kreislaufsystems« – der mit Abstand häufigsten Todesursache – deutlich zurückgegangen. Und dies, obwohl die Bevölkerung im Schnitt immer älter wurde und es sich hier um eine eigentlich typische Altersursache handelt.8 Demgegenüber hat sich die Sterblichkeit aufgrund von Krebserkrankungen zwischen 1970 und 1980 sogar erhöht und ist seither praktisch unverändert.

Enormer Bedeutungsverlust der Ehe

Heiraten war in den 1950er-Jahren »in«. Im Gründungsjahr des Landes wurden noch fast elf Mal so viele Ehen geschlossen wie geschieden – heute liegt die Zahl der Eheschließungen nur noch gut doppelt so hoch. Auch wenn dieser Vergleich die zurückgehende Attraktivität der Ehe aufgrund unterschiedlicher Geburtsjahrgangsstärken überzeichnet – die »Institution Ehe« hat im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zweifelsfrei an Bedeutung verloren. Heute wird nämlich nicht nur später, sondern auch seltener geheiratet. So sind derzeit beispielsweise nur rund 44 % der 30- bis 35-jährigen Baden-Württemberger verheiratet, 1980 lag dieser Anteil noch bei 75 %. Zugleich haben andere Formen des Zusammenlebens an Bedeutung gewonnen. Als ursächlich für diesen Trend wird unter anderem die gestiegene Bildungs- und Erwerbsbeteiligung der Frauen angesehen, die deren Unabhängigkeit erhöht hat.9

Nicht nur die »Heiratsneigung« der Baden-Württemberger hat abgenommen; gleichzeitig hat auch die Zahl der Scheidungen zugenommen. Von den Paaren, die 1960 geheiratet haben, haben sich nur rund 15 % scheiden lassen. Für den Heiratsjahrgang 1970 traf dieses Schicksal auf jedes vierte Ehepaar zu und für den Jahrgang 1980 bereits auf jede dritte Ehe. Bei den Paaren, die 1995 den Bund der Ehe eingingen, könnte die Scheidungshäufigkeit sogar bei etwa 40 % liegen. Damit hat sich die Scheidungshäufigkeit jüngerer Heiratsjahrgänge im Vergleich zu den in den 1960er-Jahren geschlossenen Ehen mehr als verdoppelt.

Immer weniger junge, immer mehr alte Menschen

Eine seit Jahrzehnten deutlich zu geringe Geburtenhäufigkeit und eine enorm gestiegene Lebenserwartung – das sind die Hauptgründe für die stetige Alterung der baden-württembergischen Bevölkerung. Parallel hierzu hat das Land zwar von einer zeitweise erstaunlich hohen Zuwanderung profitiert – doch auch diese konnte die Alterung der Bevölkerung lediglich abmildern, nicht aber stoppen.

1952 gab es knapp 2,1 Mill. Einwohner, die unter 20 Jahre alt waren; immerhin fast ein Drittel der Baden-Württemberger zählte zu dieser Altersgruppe. 60-Jährige und Ältere gab es dagegen erst etwas mehr als 900 000 und damit nicht einmal halb so viele. Und auch noch 1980 lag der Anteil der Jungen um rund die Hälfte höher als der der Älteren (Schaubild 3). Im Laufe der folgenden Jahrzehnte hat sich dieses Verhältnis allerdings immer stärker zugunsten der Älteren verschoben. Im Jahr 2000 war es erstmals so, dass es geringfügig mehr Menschen im Alter von 60 und mehr Jahren als unter 20-Jährige gab. Aktuell liegen die Zahl und der Anteil der Älteren um rund ein Viertel über denen der Jüngeren.

Besonders deutlich wird der Alterungsprozess der baden-württembergischen Gesellschaft anhand der Entwicklung der Hochbetagtenzahl. 1952 gab es lediglich knapp 18 000 Männer und vor allem Frauen, die 85 Jahre oder älter waren; derzeit zählen rund 255 000 zu dieser Altersgruppe – ein Anstieg auf das 14-fache in knapp 6 Jahrzehnten!

Wenig verwunderlich ist, dass die Alterung der Bevölkerung auch zu einer Zunahme der Pflegebedürftigenzahl im Land geführt hat. Denn das Risiko, pflegebedürftig zu werden, steigt mit dem Alter deutlich an. So liegt dieses Risiko für die 75- bis unter 80-Jährigen bei knapp 8 %, für die 85- bis unter 90-Jährigen dagegen bereits bei etwa 32 %.10

2009 bezogen 246 000 überwiegend ältere Menschen in Baden-Württemberg Leistungen aus der Pflegeversicherung. 1999, dem Jahr der ersten Erhebung zur Pflegebedürftigkeit, waren es erst knapp 211 000 – eine Zunahme um fast 17 % innerhalb eines Jahrzehnts! Zwei Drittel der Pflegebedürftigen sind hierbei Frauen – vor allem deshalb, weil diese aufgrund der längeren Lebenserwartung deutlich häufiger als Männer ein pflegeintensives Alter erreichen.11

Ausblick: Die weitere Alterung ist »vorprogrammiert«

6 Jahrzehnte Bevölkerungsentwicklung haben Baden-Württemberg in demografischer Hinsicht ein anderes »Gesicht« gegeben. Das wohl entscheidende Kennzeichen ist die völlig veränderte Altersstruktur der Bevölkerung im Vergleich zu der im Gründungsjahr des Landes (Schaubild 4).

Eine weitere Alterung der Gesellschaft ist aufgrund der bestehenden Struktur »vorprogrammiert«. Bis zum Jahr 2060 wird sich das Durchschnittsalter im Land nochmals um 7 Jahre auf dann knapp 50 Jahre erhöhen. Die Zahl der 85-Jährigen und Älteren könnte sich im gleichen Zeitraum verdreifachen. Die Infrastruktur ist deshalb an die künftigen Bedarfe anzupassen. Vor allem der deutlich steigende Bedarf im Bereich der Altenpflege wird das Land vor enorme Herausforderungen stellen.

Ein anderes, wichtiges Merkmal der heutigen baden-württembergischen Gesellschaft ist sicherlich die gegenüber früheren Jahrzehnten gestiegene kulturelle Vielfalt. Und hierzu haben die Zuwanderer ohne Zweifel einen entscheidenden Beitrag geleistet. Das Land ist für viele Menschen aus anderen Bundesländern und auch für viele Ausländer zur zweiten Heimat – vielleicht sogar zur ersten – geworden. Etwa 45 % der Mitbürgerinnen und Mitbürger mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit leben hier seit mindestens 20 Jahren. Darüber hinaus haben viele der Zugezogenen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen – auch darin spiegelt sich ihre Integrationsbereitschaft wieder. Dennoch: Trotz aller Integrationserfolge sind Probleme insbesondere im Zusammenhang mit der Ausbildung ausländischer Kinder und Jugendlicher unbestreitbar. Eine verbesserte Integration und der Abbau von Benachteiligungen von Personen mit Migrationshintergrund gerade im schulischen Bereich sind deshalb zu den Aufgaben mit einer weiterhin hohen Priorität zu zählen.

Schließlich: Baden-Württemberg wird zweifelsohne auch künftig durch Zuwanderung geprägt sein. Unabhängig davon, ob man Deutschland und damit auch Baden-Württemberg als Einwanderungsland bezeichnen will oder nicht. In jedem Fall sind »multikulturelle Traditionen«12 aufgrund der starken Zuwanderungen gerade auch im Südwesten zu konstatieren, die Carl Zuckmayer seinen General Harras in »Des Teufels General« so trefflich zusammenfassen lässt:

»Und jetzt stellen Sie sich doch mal ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt: Da war ein römischer Feldhauptmann. Ein schwarzer Kerl. Braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. – Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das alles hat am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt – und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven, und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald, und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben.«

1 Glass, Christian: Die Vertriebenen in Baden-Württemberg, in: Alltagskultur in Baden-Württemberg, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrg.), S. 38.

2 Walla, Wolfgang: Eine Völkerwanderung ohnegleichen, in: Baden-Württemberg im Wandel – 40 Jahre in Wort und Zahl, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 1992, S. 21.

3 Meister-Scheufelen, Gisela/Cornelius, Ivar: Die Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg, in: Baden-Württemberg – Gesellschaft, Geschichte, Politik, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrg.), 2006, S. 190.

4 Bausch, Susanne: Ein Gastland oder Wie man hier mit Fremden umgeht, in: Das Land im Südwesten, Willy Reschl (Hrg.), 1987, S. 31.

5 Meister-Scheufelen, Gisela/Cornelius, Ivar: Die Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg, in: Baden-Württemberg – Gesellschaft, Geschichte, Politik, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrg.), 2006, S. 190 ff.

6 Ergebnis des Ausländerzentralregisters.

7 50 Jahre Baden-Württemberg – gezählt und erzählt von Ihrem Statistischen Landesamt, herausgegeben vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg, 2002, S. »1970«.

8 Baumann, Lothar: Krankheiten des Kreislaufsystems – Todesursache Nummer eins, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, 11/2009, S. 5 ff.

9 Peuckert, Rüdiger: Familien im sozialen Wandel, 7. Auflage, 2008, S. 45.

10 Gölz, Uwe: Wer pflegt wen? – Ergebnisse der Pflegestatistik 2009, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2011, S. 3 ff.

11 Siehe Fußnote 10.

12 Weber, Reinhold: Auf der Suche nach einer neuen Heimat: Zur Geschichte der Aus- und Einwanderung im deutschen Südwesten, in: Kulturelle Vielfalt – Baden-Württemberg als Einwanderungsland, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrg.), 2005, S. 59 f.