:: 4/2012

Das Jubiläumsjahr 2012 als Schlüsseljahr für die Hochschulentwicklung

Baden-Württemberg hat sich im Lauf seines Bestehens zu dem Bundesland mit den meisten Hochschulen entwickelt. Im Jahr der Landesgründung gab es in Baden-Württemberg 25 Hochschulen mit 22 840 Studierenden. Im Lauf der letzten 60 Jahre erhöhte sich die Anzahl der Hochschulen auf 72 und die der Studierenden auf über 300 000. Heute gibt es also fast drei Mal so viele Hochschulen wie vor 60 Jahren, und etwa 13 mal mehr Studierende. Der Anteil weiblicher Studierender verdreifachte sich von ursprünglich 16 % auf gut 47 % im Wintersemester 2011/12. Die kleinste Hochschule (Bierbronnen) hatte im Wintersemester 2011/12 nicht mehr als 16 Studierende und die größte (Duale Hochschule Baden-Württemberg) über 27 500.

Die Zahl der Hochschulen hat sich nahezu verdreifacht

Das Land Baden-Württemberg verfügte zum Zeitpunkt seiner Gründung über 25 Hochschulen. Dabei handelt es sich um die drei badischen Universitäten Heidelberg, Freiburg, und Karlsruhe sowie die drei württembergischen (Tübingen, Hohenheim und die Freie Hochschule Stuttgart). Darüber hinaus gab es eine Pädagogische Hochschule (Weingarten) und fünf Kunsthochschulen sowie 13 Fachhochschulen.1

Seit Ende der 1950er-/Anfang der 1960er-Jahre kam es kontinuierlich zu Neugründungen von Hochschulen. So wurden zum Beispiel die Pädagogischen Hochschulen in Freiburg, Schwäbisch-Gmünd und Ludwigsburg im Jahr 1962 gegründet. Ende der 1960er-Jahre bekamen die Hochschulen in Konstanz, Stuttgart, Mannheim und Ulm Universitätsstatus bzw. wurden als Universität gegründet. Ein regelrechter Gründungsboom ist für das Jahr 1971 zu verzeichnen. Nicht weniger als zehn Hochschulen bekamen in diesem Jahr die staatliche Anerkennung. Darunter die Pädagogischen Hochschulen in Heidelberg und Karlsruhe. Die häufigsten Neugründungen über den gesamten Zeitverlauf verzeichnen die Fachhochschulen, deren Anzahl sich von anfänglich 13 auf 44 mehr als verdreifacht hat. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist für diesen Hochschultyp eine neue Gründungswelle von Haupt- und Zweigniederlassungen zu verzeichnen (Schaubild 1).

Im Jahr 2012 gibt es in Baden-Württemberg 72 staatlich anerkannte Hochschulen. Viele Hochschulen betreiben Zweigniederlassungen, sodass sich die 72 Hochschulen auf mehr als 90 Standorte verteilen. Allein die Duale Hochschule Baden-Württemberg, die 2008 Hochschulstatus bekam, ist auf 13 Standorte (inklusive Zweigniederlassungen) verteilt. Sie bildet – bezogen auf die Studierendenzahlen – mit über 27 500 Studierenden schon kurz nach ihrer Aufnahme in die Hochschulstatistik die größte Hochschule des LandeS. Bis zum Wintersemester 2011/12 konnte die Universität Heidelberg, die die älteste Hochschule Baden-Württembergs ist, die höchsten Studierendenzahlen aufweisen. An ihr waren im Wintersemester 2011/12 etwas mehr als 27 000 Studierende eingeschrieben.

Mittlerweile gibt es über 300 000 Studierende im Land

Den Fachhochschulen wurde anfangs noch nicht dieselbe Bedeutung zugemessen wie heute, so dass deren Studierende in den ersten Jahren nicht in die Hochschulstatistik einbezogen wurden. Im Wintersemester 1973/74 änderte sich dies und auf einen Schlag kamen 15 326 Fachhochschulstudierende zu den 103 420 Studierenden der Universitäten, Kunst- und Musikhochschulen sowie der Pädagogischen Hochschulen hinzu (Schaubild 2).

Obwohl der Anstieg der Gesamtzahl der Studierenden durchaus kleinere oder größere Einbrüche aufweist, nahm die Zahl der Studentinnen fast kontinuierlich zu. Im Wintersemester 2010/11 waren etwas mehr als 135 000 also 47 % aller Studierenden weiblich. Der Anteil der Studienanfängerinnen stieg im Wintersemester 2010/11 auf über 48 %, so dass vieles auf ein weiteres Ansteigen des Frauenanteils unter den Studierenden hin deutete. Tatsächlich führte jedoch im folgenden Wintersemester 2011/12 die Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes kurzzeitig zu einem starken Anstieg bei den männlichen Studienanfängern. Nach vorläufigen Zahlen machen sie fast 55 % aus, so dass der Frauenanteil bei den Studienanfängern wieder auf gut 45 % absank.

Die demografische Entwicklung und die Studiengebühren beeinflussen die Studierendenzahlen an den Universitäten

Detaillierte Aussagen über die ganzen 60 Jahre hinweg lassen sich zu den Universitätsstudierenden treffen. So gab es 1951 etwas über 21 100 Studierende an den baden-württembergischen Universitäten, von denen knapp 16 % weiblich waren. Zuletzt wurden 2011 im Wintersemester fast 160 500 Studierende an den Universitäten des Landes gezählt und der Frauenanteil unter den Universitätsstudierenden hat sich fast verdreifacht – er betrug gut 47 %.

Der Anstieg der Studierendenzahlen an den Universitäten verlief über die ersten 40 Jahre fast linear. 1994 wurde ein Spitzenwert von über 152 700 Universitätsstudierenden erreicht. Dann kam es zu einem regelrechten Einbruch. 6 Jahre später waren die Studierendenzahlen auf drei Viertel dieses Wertes abgesunken. Mit etwas über 111 500 Studierenden an Universitäten erreichte die Talfahrt im Jahr 2000 die Talsohle. Damit befanden sich die Studierendenzahlen wieder auf dem Niveau von 1983 (Schaubild 3).

Eine Ursache dieses Phänomens ist in der demografischen Entwicklung bei den 18- bis 23-Jährigen zu sehen. Ende der 1980er-Jahre ging ihre Anzahl stark zurück und stieg erst Mitte der 1990er-Jahre wieder an. Dieser Einbruch spiegelt vor allem den »Pillenknick« Mitte/Ende der 1960er-Jahre wieder. Die geburtenstarken Jahrgänge schlossen Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre ihr Studium ab und die nachfolgenden Jahrgänge bildeten zunächst zahlenmäßig kleinere Kohorten.

Auch die zunehmende Attraktivität der Fachhochschulen, deren Neugründungswelle genau in dem Zeitraum zwischen 1995 und 2005 erkennbar wird, kann Einfluss auf das Absinken der Studierendenzahlen an den Universitäten gehabt haben.

Seit 1999 stiegen die Studierendenzahlen an den Universitäten in Baden-Württemberg – unterbrochen von einem erneuten Einbruch im Jahr der Einführung der Studiengebühr (im Sommersemester 2007) – wieder. Die Anzahl der Universitätsstudierenden hat mit über 160 000 im Wintersemester 2011/12 den Wert von 1994 erstmals wieder deutlich überschritten.

Die zukünftige Entwicklung lässt sich schwer prognostizieren

Bereits die vorläufigen Zahlen für das Wintersemester 2011/12 belegen ein Ansteigen der Gesamtstudierendenzahlen in Baden-Württemberg auf über 300 000. Im Jahr 2012, wenn Absolventinnen und Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs an baden-württembergischen Gymnasien das Hochschulstudium aufnehmen, wird mit einem weiteren sprunghaften Anstieg der Studierendenzahlen gerechnet. Auch der Wegfall der Studiengebühren ab Sommersemester 2012 kann erkennbare Auswirkungen auf die kurzfristige Entwicklung der Studierendenzahlen in Baden-Württemberg haben.

So fällt das 60-jährige Jubiläum des Landes mit einem Schlüsseljahr für die künftige Entwicklung an den baden-württembergischen Hochschulen zusammen. Noch nie waren so viele Studierende an den Hochschulen des Landes und noch nie gab es so eine große Anzahl von Studienanfängerinnen und -anfängern in einem Jahr – vermutlich auch auf lange Jahre hin nicht wieder.

Dieser erwartete kräftige Anstieg der Studierendenzahlen wurde im Rahmen des Programms »Hochschule 2012« vorbereitet. Bis zu 22 000 zusätzliche Studienanfängerplätze wurden seit 2007 mit einem Budget von rund 520 Mill. Euro an Landesmitteln geschaffen. Im Rahmen des Raumprogramms werden Anmietungen und einzelne Bau- und Sanierungsmaßnahmen zwischen 2012 und 2017 mit 115 Mill. Euro bezuschusst. Auch aus Mitteln des Hochschulpakts von Bund und Ländern werden die personellen und räumlichen Kapazitäten an den Hochschulen des Landes erweitert.

Es handelt sich bei diesen Ausgaben um Zukunftsinvestitionen, denn es herrscht Einigkeit darüber, dass künftig ein immer größerer Anteil junger Menschen einen akademischen Abschluss ablegen soll. Diese bildungspolitische Zielsetzung lässt auch längerfristig eine höhere Studierendenquote erwarten. Erst nach dem Jahr 2020 wird aufgrund der demografischen Entwicklung von rückläufigen Studierendenzahlen ausgegangen.

Aber diese Entwicklungen sind von so vielen Faktoren abhängig, dass eine zuverlässige Abschätzung der künftigen Entwicklung äußerst schwierig ist. Wenn immer größere Anteile der Schulabgangsjahrgänge ein Studium aufnehmen, kann auch auf längere Sicht mit steigenden Studierendenzahlen gerechnet werden. Wenn dagegen Ausbildungsberufe für Abiturienten an Attraktivität gewinnen, sinken gegebenenfalls die Studienanfängerzahlen.

Parallel zu diesen Entwicklungen bieten die Hochschulen immer mehr Aufbau- und Fortbildungsstudiengänge an. Zudem beziehen die Zulassungsvoraussetzungen für ein Hochschulstudium immer mehr berufliche Qualifikationen mit ein, so dass sich zunehmend mehr Berufspraktiker an Hochschulen einschreiben können. Die Verknüpfung von Praxis und Theorie wird auf diese Weise an baden-württembergischen Hochschulen in vielen Berufsfeldern vorangetrieben.

1 Seit 2010 werden Fachhochschulen in Baden-Württemberg unter der Bezeichnung »Hochschulen für angewandte Wissenschaften« (HAW) geführt – in allen anderen Bundesländern ist weiterhin der Begriff »Fachhochschulen« gebräuchlich. In Anbetracht der historischen Betrachtung wird in diesem Beitrag weiterhin der Begriff »Fachhochschulen« verwendet.