:: 4/2012

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg seit 1952

Seit Bestehen des Landes Baden-Württemberg fanden bislang 15 Wahlen zum Landesparlament statt. Vor der Landtagswahl 1996 dauerte eine Legislaturperiode 4 Jahre, seit 1996 werden die baden-württembergischen Landtage für jeweils 5 Jahre gewählt. Anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Landes Baden-Württemberg wird im folgenden Beitrag ein Rückblick auf die wichtigsten Entwicklungslinien der Landtagswahlen seit 1952 gegeben.

Ältere Wahlberechtigte immer stärker vertreten

Entsprechend der dynamischen Einwohnerentwicklung Baden-Württembergs ist die Zahl der Wahlberechtigten in den letzten 60 Jahren stark angestiegen. Während 1952 rund 4,4 Mill. Wahlberechtigte gezählt wurden, waren bei der letzten Landtagswahl 2011 bereits über 7,6 Mill. Bürgerinnen und Bürger des Landes aufgerufen, sich an der Landtagswahl zu beteiligen. Das entspricht einer Zunahme der Wahlberechtigtenzahl um 74 %. Dabei ist auch die demografische Alterung längst auch im Wahlvolk angekommen. Bei der Landtagswahl 1980 war die Gruppe der jungen, unter 35-jährigen Wahlberechtigten mit einem Anteil von 30 % noch größer als die der 60-jährigen und Älteren. Bei der Landtagswahl 2011 hingegen befand sich bereits nahezu jeder dritte Wahlberechtigte im Seniorenalter, die Gruppe der jüngeren Wahlberechtigten war mit gut 23 % erheblich kleiner (Schaubild 1). Frauen sind unter den Wahlberechtigen etwas stärker vertreten als Männer. So waren bei der Landtagswahl 2011 rund 52 % der Wahlberechtigten Frauen, der Männeranteil betrug lediglich gut 48 %. Diese zahlenmäßige »Übermacht« der Frauen war infolge der beiden Weltkriege lange Zeit sogar noch ausgeprägter. So waren beispielsweise noch bei der Landtagswahl 1964 sogar 55 % der Wahlberechtigten Frauen.

Wahlbeteiligung stark schwankend

Die Beteiligung an den Landtagswahlen seit 1952 war starken Schwankungen unterworfen. Die höchste Wahlbeteiligung war mit 80 % bei der Landtagswahl 1972 erreicht worden. Seither ging der Wahleifer der Baden-Württemberger immer mehr zurück. Bei der Landtagswahl im Jahr 2006 hatten lediglich 53,4 % der Wahlberechtigen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Dies war die mit Abstand niedrigste Wahlbeteiligung, die jemals bei eine Landtagswahl in Baden-Württemberg registriert wurde. Mit der letzten Landtagswahl 2011 wurde dieser Rückwärtstrend unterbrochen. Mit 66,3 % lag die Wahlbeteiligung um 12,9 Prozentpunkte über der Marke von 2006 (Schaubild 2).

Die Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen liegt in Baden-Württemberg erheblich unter der bei Bundestagswahlen. Während sich an den Bundestagswahlen seit 1949 im Durchschnitt gut 82 % der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger im Land beteiligten, waren es bei den Wahlen zum Landtag nur rund 68 %.

Wahlbeteiligung der Männer nach wie vor höher als die der Frauen

Die Betrachtung der Wahlbeteiligung in den letzten Jahrzehnten zeigt, dass Männer sich nach wie vor stärker an den Landtagswahlen beteiligen als Frauen, obwohl der Rückstand der Frauen allmählich kleiner wird. Bei der Landtagswahl 1964 war die Wahlbeteiligung der Männer mit 70,6 % noch nahezu 6 Prozentpunkte höher als die der Frauen mit 64,9 %. Bis zur letzten Landtagswahl 2011 hat sich die Differenz zwischen Männern und Frauen auf 2,3 Prozentpunkte verringert.

Der geringere Wahleifer von Frauen ist dabei ungleich auf die Altersgruppen verteilt ist. So sind es von jeher vor allem die Jungwählerinnen und die Seniorinnen, die darauf verzichten, zum Wählen zu gehen, und die eine deutlich geringere Wahlbeteiligung aufweisen als ihre männlichen Altersgenossen. Bei den Landtagswahlen von 1964 bis 2011 lag die Wahlbeteiligung der Jungwählerinnen von 18 bis 24 Jahren im Durchschnitt um gut 4 Prozentpunkte, die Wahlbeteiligung der Frauen im Alter von 60 und mehr Jahren sogar um durchschnittlich mehr als 9 Prozentpunkte unter der der gleichaltrigen Männer. In den mittleren Altersgruppen der 30- bis 49-Jährigen liegt hingegen mittlerweile die Wahlbeteiligung der Frauen höher als die der Männer (Schaubild 3).

Wen haben die Baden-Württemberger gewählt?

Seit der ersten Landtagswahl belegt die CDU im baden-württembergischen Parteienspektrum den ersten Platz. Bei der Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung im Jahr 1952 lag der Stimmenanteil der CDU noch bei gut einem Drittel aller gültigen Stimmen. Bis 1968 erreichte die CDU stets relative Stimmenmehrheiten, von 1972 bis 1984 sogar absolute Mehrheiten, mit einem Spitzenergebnis von 56,7 % im Jahr 1976. Danach nahm der Stimmenanteil wieder leicht ab, bis die CDU 1988 mit 49% knapp die absolute Mehrheit an Stimmen verlor. Allerdings verlor sie damit nicht die Mehrheit der Landtagsmandate. So war es den Christdemokraten im Zeitraum von 1972 bis 1992 möglich, mit Dr. Hans Karl Filbinger, Lothar Späth und Erwin Teufel als Ministerpräsidenten die Landesregierung allein zu stellen. Bei der Landtagswahl 1992 sank der Stimmenanteil der CDU auf 39,6 %, bei den Landtagswahlen 1996 (41,3 %), 2001 (44,8 %) und 2006 (44,2 %) konnte die CDU ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen in der Parteienlandschaft wieder an Stimmen dazu gewinnen. Die letzte Landtagswahl 2011 brachte der CDU deutliche Verluste. Mit 39 % der gültigen Stimmen musste sie ihr zweitniedrigstes Ergebnis bei einer Wahl zum baden-württembergischen Landtag hinnehmen. Da auch die bisherige Koalitionspartnerin FDP bei der Landtagswahl 2011 starke Einbußen zu verzeichnen hatte, gehört die CDU erstmals seit 1953 nicht der Landesregierung an.

Die bis 2011 zweitstärkste Partei im Land, die SPD, konnte 1952 bei der Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung 28 % der gültigen Wählerstimmen auf sich vereinen. Bei der Landtagswahl 1972 erreichten die Sozialdemokraten mit 37,6 % ihr bislang bestes Wahlergebnis bei baden-württembergischen Landtagswahlen. Bis 1996 nahm ihr Stimmenanteil jedoch kontinuierlich auf nur noch 25,1 % ab. Bei der Landtagswahl 2001 kam die SPD auf 33,3 % der gültigen Stimmen, fiel 2006 jedoch erneut auf gut 25 % zurück. Einen weiteren Stimmenrückgang auf 23,1 % verzeichneten die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl 2011. Die SPD lag bislang bei allen baden-württembergischen Landtagswahlen deutlich hinter der CDU. Am geringsten war der Rückstand 1960, als die CDU einen Vorsprung von 4,2 Prozentpunkten hatte. Am höchsten war der Vorsprung der CDU vor der SPD bei der Landtagswahl 1976 mit über 23 Prozentpunkten. Seit der Landtagswahl 2011 liegt die SPD nicht nur hinter der CDU, sondern auch hinter den GRÜNEN auf Platz 3 des baden-württembergischen Parteienrankings.

Die Liberalen, die mit Dr. Reinhold Maier 1952/53 den ersten Ministerpräsidenten des neu gegründeten Bundeslandes Baden-Württemberg gestellt hatten, erreichten 1952 mit 18 % Stimmenanteil ihren bislang größten Wahlerfolg. Bei den folgenden vier Landtagswahlen konnte die FDP/DVP ihren Stimmenanteil im zweistelligen Bereich halten. Bis zur Landtagswahl 2001 wurde dieses hohe Niveau jedoch nicht mehr erreicht. 1988 und 1992 kam die FDP/DVP mit jeweils 5,9 % Stimmenanteil sogar sehr nahe an die 5-Prozent-Marke. Bei den Landtagswahlen 1996, 2001 und 2006 konnten die Liberalen ihre Position wieder deutlich ausbauen. 1996 verdoppelten sie ihren Stimmenanteil gegenüber 1992 fast und kamen auf 9,6 %. Erstmal seit 1968 erzielten sie 2006 mit einem Stimmenanteil von 10,7 % wieder ein zweistelliges ErgebniS. Bei der Landtagswahl 2011 fielen die Liberalen jedoch auf 5,3 % zurück.

Gleich bei ihrer der ersten Kandidatur zum Landtag von Baden-Württemberg schafften die GRÜNEN im Jahr 1980 mit 5,3 % den Einzug in den baden-württembergischen Landtag. Bei der darauf folgenden Landtagswahl 1984 gelang es ihnen sogar, die Position als drittstärkste politische Kraft im Landtag, die seit Gründung des Landes die Liberalen innegehabt hatten, zu erobern. Auch 1988, 1992 und 1996 erzielten die GRÜNEN mit 7,9 %, 9,5 % und 12,1 % bessere Wahlergebnisse als die FDP/DVP. Bei der Landtagswahl 2001 verloren die GRÜNEN merklich an Stimmen und fielen auf 7,7 % der gültigen Stimmen zurück. Damit lagen sie zum ersten Mal seit 1980 wieder in der Rangliste hinter der FDP/DVP. Bei der Landtagswahl 2006 gelang es jedoch den GRÜNEN mit einem Stimmenanteil von 11,7 %, die Liberalen erneut zu überholen. Ihren bislang größten Erfolg hatten die GRÜNEN jedoch bei der Landtagswahl 2011. Mit einem Plus von 12,5 Prozentpunkten auf 24,2 % der gültigen Stimmen konnten sie nicht nur ihr Ergebnis von 2006 mehr als verdoppeln, sondern sie stehen erstmals an Platz 2 des baden-württembergischen Parteienrankings noch vor der SPD. Gemeinsam mit der SPD verfügen die GRÜNEN über eine Mehrheit im Landtag. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gibt es mit Winfried Kretschmann einen »grünen« Ministerpräsidenten eines Landes.

Die REPUBLIKANER erreichten bei ihrer ersten Kandidatur zur Landtagswahl 1988 einen Stimmenanteil von 1 %. Die darauf folgende Wahl 1992 verschaffte ihnen allerdings einen Wahlerfolg, als sie mit einem zweistelligen Ergebnis (10,9 %) als drittstärkste Partei den Einzug in den baden-württembergischen Landtag schafften. 1996 lagen sie mit 9,1% der Stimmen wieder hinter den Liberalen und den GRÜNEN. Bei den letzten Landtagswahlen 2001, 2006 und 2011 scheiterten sie mit 4,4 %, 2,5 % bzw. 1,1 % an der Fünfprozenthürde und sind nicht mehr im Landtag vertreten.

Frauen auch heute noch eine Minderheit im Landtag von Baden-Württemberg

Obwohl Frauen mit einem Anteil von rund 52 % unter der wahlberechtigten Bevölkerung in Baden-Württemberg leicht in der Überzahl sind, sind sie nach wie vor sowohl unter den Kandidaten als auch unter den Landtagsabgeordneten eine Minderheit. Der Zeitvergleich zeigt allerdings – zumindest bis zur Landtagswahl 2006 – eine erkennbare Dynamik hinsichtlich der Präsenz von Frauen im Landtag von Baden-Württemberg.

Bei der Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung 1952 wurden sechs Frauen gewählt, der Frauenanteil unter den 121 Abgeordneten lag somit bei 5 %. Danach ging der Frauenanteil im baden-württembergischen Landtag immer mehr zurück und lag nach der Landtagswahl 1968 nur noch bei 0,8 %. Damals war unter den Landtagsabgeordneten nur noch eine Frau. Bis zur Landtagswahl 2006 ist der Frauenanteil im Landesparlament dann kontinuierlich angestiegen. Nach der Landtagswahl 1976 lag der Frauenanteil unter den Landtagsabgeordneten bei 5 %, 1988 bei knapp 9 % und 2006 bei rund 24 %. Im aktuellen Landtag sind nun erstmals wieder weniger Frauen. Von den 138 Abgeordneten im 2011 gewählten Landtag sind 113 Männer und 25 Frauen, das heißt, der Frauenanteil an den baden-württembergischen Parlamentariern ist auf nur noch gut 18 % zurückgegangen.

Parteipräferenzen von Frauen und Männern gleichen sich an …

In Ergänzung zu den endgültigen amtlichen Ergebnissen der Landtagswahlen bietet die Repräsentative Wahlstatistik unter anderem Aufschluss darüber, ob es Unterschiede gibt in der Wahlentscheidung von Männern und Frauen und von jüngeren und älteren Wählern. Bei den Landtagswahlen der jüngeren Zeit unterschieden sich die Parteipräferenzen der Geschlechter nicht sehr stark. So gaben bei der Landtagswahl 2011 39,3 % der Frauen und 38,7 % der Männer der CDU ihre Stimme. Für die SPD stimmten 22,9 % der Frauen und 23,4 % der Männer und bei den Liberalen machten 4,8 % der Frauen und 5,8 % der Männer ihr Kreuz. Etwas größer waren die Unterschiede hinsichtlich der Stimmabgabe für die GRÜNEN. So wählten 26,1 % der Baden-Württembergerinnen, jedoch nur 22,2 % der Baden-Württemberger die GRÜNEN.

Der Blick auf die Wahlen der 1960er-Jahre zeigt, dass es damals sehr ausgeprägte Unterschiede in den Parteipräferenzen von Männern und Frauen gab. Damals wählten weitaus mehr Frauen als Männer die CDU. So gaben bei der Landtagswahl 1964 50,4 % der Frauen, jedoch nur 41 % der Männer ihre Stimme der CDU. Bei der Landtagswahl 1968 vergrößerte sich diese Differenz sogar auf 13 Prozentpunkte. Umgekehrt stimmten damals deutlich mehr Männer als Frauen für die SPD. Seit den Landtagswahlen der 1970er-Jahre ist – von Ausnahmen abgesehen – eine immer stärkere Angleichung der Wahlentscheidungen von Männern und Frauen zu beobachten. Eine dieser Ausnahmen war die Landtagswahl 1992. Damals gaben 11,9 %1 der Baden-Württemberger den REPUBLIKANERN ihre Stimme, wobei deren Rückhalt bei den Männern (15,5 %) erheblich stärker war als bei den Frauen (8,5 %).

… die der Generationen werden unterschiedlicher

Während bei der Wahlentscheidung von Männern und Frauen bei den letzten Landtagswahlen nur noch relativ geringe Unterschiede zu beobachten waren, unterscheiden sich die Parteipräferenzen von jüngeren und älteren Wählern mittlerweile weitaus stärker als früher. So erweist sich die CDU mittlerweile als Partei der 60-jährigen und älteren Wählern. Die Senioren stimmten bei den letzten Landtagwahlen überdurchschnittlich stark für die CDU. Bei den unter 60-Jährigen schneidet die CDU jedoch seit 2001 durchweg unterdurchschnittlich ab. Umgekehrt sieht es bei den GRÜNEN auS. Sie erhielten bislang von allen Altersgruppen unter 60 Jahren stets überdurchschnittlich hohe Stimmenanteile. Demgegenüber unterstützten die 60-jährigen und älteren Baden-Württemberger die GRÜNEN bislang nur in unterdurchschnittlichem Maße.

Resümee

Bei der Betrachtung der Wahlergebnisse und des Wahlverhaltens seit Gründung des Landes werden sowohl langlebige Strukturen als auch Umbrüche sichtbar. Zu den langlebigen Strukturen gehört ohne Zweifel das Abschneiden der CDU, die im Südwesten seit der Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung im Jahr 1952 bis zur jüngsten Landtagswahl 2011 stets die mit Abstand meisten Wähler für sich gewinnen konnte. Eine Konstante stellt auch bis heute die Unterrepräsentanz von Frauen im Landtag dar. Diese resultiert im Wesentlichen aus der Tatsache, dass Frauen bereits unter den Kandidaten in der Minderheit sind. Deutliche Änderungen sind in den Parteipräferenzen von Männern und Frauen und von jüngeren und älteren Wählern erkennbar. Während sich die Parteipräferenzen der Geschlechter tendenziell immer mehr angleichen, ist bei den Jüngeren und Älteren ein Auseinanderdriften der Parteipräferenzen zu beobachten.

1 Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik vor 2011 ohne Briefwähler.