:: 4/2012

Verwaltungsgliederung und Regionalstatistik

Regionalstatistik und Verwaltungsgliederung stehen seit den Anfängen der amtlichen Statistik in engem Sachzusammenhang. Mit den wachsenden Anforderungen an statistische Daten zum Zwecke der Planung für die verschiedenen Gliederungsebenen eines Territoriums ergab sich die Notwendigkeit, Daten für immer kleinere regionalbezogene Einheiten – in der Regel Gemeinden – zu erheben und bereitzustellen. Als es im Südwesten der Bundesrepublik Deutschland am 25. April 1952 zu einer Neugliederung der nach dem Zweiten Weltkrieg von den Besatzungsmächten eingerichteten Länder: Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden durch die Gründung des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg kam, gab es hier 3 384 selbstständige Gemeinden, für die es galt Daten zu erheben, aufzubereiten und zu analysieren. Heute stellt sich diese Aufgabe für 1 101 Gemeinden mit einem deutlich ausgeweiteten Datenangebot.

Die frühen Jahre

Nach der Landesgründung erlebten die einzelnen Kommunen Baden-Württembergs oft eine sehr unterschiedliche Entwicklung. Eine Trennung von Wohnstätte und Arbeitsplatz erfolgte für viele Bürger durch die zunehmende Mobilität. Gemeinden, die kaum Gewerbe oder Industrie aufzuweisen hatten aber als Wohnort dienten, konnten ihre Lasten für die notwendige Unterhaltung für Straßen, Schulen, Kindergärten und Sportstätten nicht mehr finanzieren. In vielen Gemeinden kam es zu starken Bevölkerungsverlusten, weil sie sich abseits der Wirtschaftszentren befanden. Die dort ansässigen Handels- und Gewerbebetriebe erlitten wegen des Rückganges der Bevölkerung und dem damit einhergehenden Rückgang der Kaufkraft erhebliche Einbußen. Andere Gemeinden mit wachsender Industrie finanzierten im Gegensatz dazu eine gute Infrastruktur. Dieses Phänomen förderte die Abwanderung von den ländlichen Gemeinden in die größeren Städte und verstärkte den Gegensatz zwischen den Gemeinden mit Bevölkerungsrückgang und den sich vergrößernden Städten.1

Der Aufwand zur Darstellung und Analyse regionalstatistischer Daten in dieser Phase der amtlichen Statistik Baden-Württembergs war wie seit Beginn der amtlichen Statistik in Deutschland sehr hoch. Insofern wurden in den entsprechenden Publikationen auch nur die wichtigsten Eckdaten für Gemeinden dargestellt. Nach der Gründung des Landes Baden-Württemberg und der Zusammenlegung der bisher eigenständigen Statistischen Ämter wurde im Jahr 1955 eine neue Lochkartentechnikmaschine angeschafft, die speziell für statistische Auszählarbeiten geeignet war. Dieser Maschinentyp bot praktisch zum ersten Mal die Möglichkeit, statistisches Datenmaterial auf die Richtigkeit der Signierungen und die Plausibilität der Angaben maschinell zu prüfen. Über eine Schaltplatte konnte der Maschine das konzipierte Prüfschema eingegeben werden. Die beanstandeten Lochkarten ließen sich aussteuern und standen somit für die Berichtigung unmittelbar bereit. Die gründliche Korrekturmöglichkeit verbesserte die Qualität der Ergebnisse erheblich. Durch den Einsatz dieser neuen Maschine erreichte die auf dem Hollerithverfahren basierende konventionelle Datenverarbeitung vor ihrem endgültigen Abgang aus der amtlichen Statistik noch einmal einen Höhepunkt. Die Auszählung der Ergebnisse der Volks- und Berufszählung 1961 wurde bereits von einer Maschine aus dem Bereich der elektronischen Datenverarbeitung getätigt.2 Viele Ergebnisse der in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren durchgeführten Großzählungen wurden dann in regionalstatischer Tiefe für alle Gemeinden des Landes publiziert und ermöglichten somit analytische Vergleiche für mannigfaltige Planungen und Entscheidungen.

Die Verwaltungs- und Gebietsreform und das Landesinformationssystem

Die Länder der Bundesrepublik Deutschland befassten sich in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre mit dem Gedanken einer umfassenden Verwaltungsreform. Die öffentliche Verwaltung hatte sich in der Nachkriegszeit im Gegensatz zu Gesellschaft und Wirtschaft strukturell kaum verändert. Bedingt durch neue Aufgaben und den Wunsch nach größeren Verwaltungseinheiten entwickelte sich ein wachsender Reformdruck in Verwaltungssachen, dem die Regierungen des Bundes und der Länder nun nachkommen mussten.

Die angestrebten Reformen sollten diese Gegensätze ausgleichen und die Kreise und Gemeinden neu ordnen. Mit dem Landesentwicklungsplan begann eine politische Strukturreform, die in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre realisiert wurde. Der Landesentwicklungsplan wurde am 22. Juni 1971 aufgestellt und am 11. April 1972 für verbindlich erklärt.

Parallel zur Gebietsreform erfolgte der Prozess der Gemeindereform in Baden-Württemberg, die am 1. September 1968 begann und am 1. Januar 1975 endete. Die Gemeindereform wurde mit dem Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden vom 26. September 1967 eingeleitet, das vom Landtag von Baden-Württemberg verabschiedet worden war, um gleichwertige Lebensverhältnisse für die Bürger zu schaffen und Interessengegensätze zwischen Gemeinden – entstanden aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung – abzubauen.3 Aus mehr als 3 350 Gemeinden in Baden-Württemberg wurden durch Zusammenschlüsse und Eingemeindungen 1 110 Gemeinden und ein bewohntes gemeindefreies Gebiet gebildet. Damit wurde der regionalstatistische Darstellungs- und Analyseaufwand quantitativ auf weniger als ein Drittel des bisherigen Umfangs reduziert.

Aus dem Selbstverständnis der amtlichen Statistik heraus begann man 1969 beim Statistischen Landesamt Baden-Württemberg zunächst mit dem Aufbau einer statistischen Datenbank, um die im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform zunehmenden Informationsbedürfnisse zu befriedigen. Für jede der damals selbstständigen Gemeinden wurde ein Datensatz mit 20 000 Bytes Speicherkapazität vorgehalten. Von unterschiedlichsten Datenträgern wie Verzeichnissen, Listen, Lochkarten und Magnetbändern wurden mit spezifischen Aufbereitungsverfahren und Programmen Daten in einheitliche Formate gebracht, geprüft und auf diesen Datensatz geladen. Mit 4 000 Daten je Gemeinde war bereits 1973 die Kapazitätsgrenze erreicht. Die statistische Abbildung der im Zusammenhang mit der Gemeindereform schnell wechselnden Gebietsstände und die jeweils darauf abzustimmenden Planungseinheiten führten zu einem Bestand von mehr als 200 Magnetbändern mit immer größer werdenden Dateiverwaltungsproblemen.

Die Struktur- und Regionaldatenbank

Es waren neue Lösungen zu suchen. Die Wahl fiel auf IMS, ein ursprünglich für die Lagerhaltung entwickeltes Informations-Management-System. Mit diesem System wurde die Struktur- und Regionaldatenbank (SRDB) kreiert, das aus einer numerischen Kerndatenbank mit statistischen Werten umgeben von einem Regional- und Katalogleitsystem, in dem die jeweiligen Metadaten hinterlegt sind, besteht.4 Die SRDB bildet bis auf den heutigen Tag das Kernstück des Landesinformationssystems (LIS) des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg. Grundsätzlich lassen sich aus den auf Gemeindeebene gespeicherten Daten über eine in der SRDB gespeicherte Zuordnungsdatenbank alle administrativen und nichtadministrativen Raumtypen darstellen, die sich aus Gemeinden zusammensetzen lassen. Seit 1979 konnten über einen Zeitraum von mehr als einem Vierteljahrhundert aus dem LIS regionalstatistische Daten zum damals aktuellen Gebietsstand für 1 110 Gemeinden und ein bewohntes gemeindefreies Gebiet (Gutsbezirk Münsingen) analysiert, aufbereitet und in vielfältiger Form zur Verfügung gestellt werden.

Analog zu den anstehenden Gebietsreformen begann man in der SRDB mit einem Anfangsgebietsstand zum Stand vom 27. Mai 1970. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Baden-Württemberg 3 350 eigenständige Kommunen, für die rückwirkend bis zum Jahr 1871 statistische Daten aufgenommen und bereit gehalten wurden. Da sich die Gemeindereform über einen relativ langen Zeitraum erstreckte, wurden von diesem Anfangsgebietsstand aus in der SRDB bis zum 1. Januar 1979 insgesamt zehn verschiedene Gebietsstände mit jeweils weniger Gemeinden abgebildet. Der Vorteil einer derartigen Datenbank wie der SRDB war und ist, dass sich für die aktuellen Gemeinden alle gespeicherten statistischen Werte inklusive der Werte der eingemeindeten Kommunen abrufen und analysieren lassen. Im Umkehrschluss ist es aber nicht möglich, aktuelle statistische Werte für nicht mehr existierende – weil eingemeindete – Kommunen zu speichern und darzustellen. Dies ist dadurch bedingt, dass die regional unterste Erhebungsebene in den meisten amtlichen Statistiken die politisch administrativ selbständige Gemeinde ist.

Die regionalstatistischen Darstellungs- und Abrufmöglichkeiten aus dem LIS wurden stetig den aktuellen Informationsbedürfnissen und auch den Kommunikationstechnologien angepasst. Standen in den ersten Jahren noch herkömmliche Formen regionalstatistischer Veröffentlichungen im Vordergrund, wurden schon bald sogenannte Strukturdatenblätter entwickelt. Hier wurden einzelne statistische Themenbereiche in Form von Zeitreihen behandelt, Strukturvergleiche angestellt und regionale Vergleichstabellen erzeugt. Neben spezifischen Datenbankabrufen, die Kunden auf Wunsch in gedruckter oder elektronischer Form zur Verfügung gestellt wurden und werden, gab es bereits in den 1980er-Jahren externe Dialogteilnehmer vor allem aus der öffentlichen Verwaltung, denen auf Antrag unter Wahrung des Datenschutzes ein begrenzter direkter Zugang zu der SRDB ermöglicht wurde. Zur gezielten tabellarischen Darstellung wurden in der SRDB seit den späten 1970er-Jahren auch themenbezogene Datenblätter zu bestimmten sachlichen Inhalten gespeichert. Diese sogenannten BIBER (Bildschirmberichterstattungstabellen) dienen insbesondere der schnellen Information bzw. der Beantwortung wenig präziser Informationswünsche.

Die BIBER werden auch heute noch laufend aktualisiert und thematisch weiterentwickelt. Viele von ihnen sind in der Zwischenzeit für ausgewählte regionale Aggregate neben den Gemeindeergebnissen über das Internetangebot des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg für alle Interessenten kostenfrei abrufbar. Welch starke Nachfrage hier besteht, zeigen die täglich rund 28 000 Kontakte auf das Internetangebot.

Die Folgen der aktuellen Gemeindezusammenschlüsse

Nach den Gemeinde- und Gebietsreformen in den 1970er-Jahren kamen erst 2006 neue Gebietsstandsänderungen auf das Land zu. So wurden mit Wirkung zum 1. Mai 2006 die Gemeinde Tennenbronn in die Stadt Schramberg im Landkreis Rottweil eingemeindet und mit Wirkung zum 1. Januar 2007 die Gemeinde Betzweiler-Wälde in die Gemeinde Loßburg im Landkreis Freudenstadt. Mit Wirkung zum 1. Januar 2009 schlossen sich die acht Gemeinden Bürchau, Elbenschwand, Neuenweg, Raich, Sallneck, Tegernau, Wies und Wieslet im Landkreis Lörrach zum Kleinen Wiesental zusammen. Die vorerst letzte Änderung erfolgte zum 1. Januar 2011. Der bislang bewohnte, gemeindefreie »Gutsbezirk Münsingen« wurde neu aufgegliedert. Danach wurden die bewohnten Siedlungsflächen in die Stadt Münsingen im Landkreis Reutlingen und in die Gemeinde Heroldstatt im Alb-Donau-Kreis eingegliedert sowie eine unbewohnte Fläche in die Stadt Schelklingen im Alb-Donau-KreiS. Die restliche Fläche des Gebiets ist unbewohnt und bleibt gemeindefrei. Das Land Baden-Württemberg besteht somit ab dem 1. Januar 2011 aus 1 101 Gemeinden und zwei unbewohnten, gemeindefreien Gebieten.

Nach einem Zeitraum von mehr als einem Vierteljahrhundert Kontinuität in der regionalstatistischen Datenhaltung und Darstellung in der SRDB ergab sich durch die oben aufgeführten Gebietsveränderungen die Notwendigkeit, die aktuellen Gebietsstände in der SRDB des Landesinformationssystems abzubilden. Für die heute existierenden Gemeinden sind weit mehr als 700 000 statistische Sachverhalte pro Gemeinde in der SRDB.

… und die Zukunft?

Welche Gemeinden in den nächsten Jahren aufgrund der veränderten Bevölkerungsstruktur fusionieren, ist derzeit noch nicht absehbar. Genauso kann heute noch nicht prognostiziert werden, ob und wann es zu einer föderalen Neugliederung des Bundesgebietes kommen wird. Beides würde zu einer mehr oder weniger starken Veränderung der aktuellen Verwaltungsgliederung führen.

Bereits seit längerem zeigt sich, dass die SRDB in verschiedener Weise an Grenzen stößt. So sind zum Beispiel der Umsetzung von Gebietsstandsänderungen und der Verwaltung von Metadaten enge Grenzen gesetzt. Die Anbindung an das Internet und die Abrufmöglichkeiten von außen sind wenig flexibel umsetzbar und nicht mehr zeitgemäß. Auch zeitgemäße Abruf-, Darstell- und ggf. Downloaddienste, die die Möglichkeit zur Verarbeitung georeferenzierter Daten ermöglichen, können von dem derzeitigen Datenbanksystem nicht geleistet werden. Somit ist die Kreation einer neuen regionalstatistischen Datenbank eine mehrdimensionale Aufgabe, bei der die Einarbeitung vieler neuer Aufgabenfelder nötig sein wird.