:: 5/2012

Einschätzungen privater Haushalte zur Einkommens- und Wohnsituation

Ausgewählte Ergebnisse aus EU-SILC für Baden-Württemberg 2010

Die EU-SILC-Erhebung liefert für alle Staaten der Europäischen Union vergleichbare Daten zur Einkommenssituation und zu den Lebensbedingungen privater Haushalte. Neben den finanziellen Größen zum Haushaltseinkommen werden auch Einschätzungen der Haushalte zu ihrer finanziellen Situation und ihren Lebensbedingungen erfragt. Im folgenden Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse aus Baden-Württemberg für das Jahr 2010 präsentiert. Diese spiegeln die vergleichsweise gute ökonomische Lage im Land wider und zeigen im Vergleich zum EU- und Bundesdurchschnitt Differenzen bei der Bewertung im Wohnumfeld und der Wohnung.

Die Ermittlung des Einkommens der privaten Haushalte ist ein wesentliches Ziel der EU-SILC-Erhebung. Im Fragebogen werden deshalb die verschiedenen Komponenten des Einkommens – also Erwerbseinkommen, staatliche Zahlungen, Sozialleistungen, Einnahmen aus Vermögen, private Zahlungen etc. – detailliert erfasst, ebenso die Abzüge (unter anderem Steuern, Sozialversicherung) sowie die Wohnkosten. Auch für einen Vergleich innerhalb der EU ist die differenzierte Erfassung der verschiedenen Arten von Einkommen und Abgaben wichtig, um trotz der Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten hinsichtlich ihrer Steuer- und Sozialleistungssysteme vergleichbare Ergebnisse ermitteln zu können.

Bei EU-SILC wird die Einkommenssituation der Haushalte somit vergleichsweise genau erhoben. Die Statistik eignet sich deshalb gut für Analysen zum Einkommen und zur Armut von Haushalten. Der Fokus liegt dabei auf den nationalen Ergebnissen für den EU-Vergleich, der Stichprobenumfang lässt aber auch aussagekräftige Daten zumindest für die größeren Bundesländer zu.

Haushalts- und Äquivalenzeinkommen in Baden-Württemberg

Für Baden-Württemberg ergab sich aus der Erhebung EU-SILC 20101 ein mittleres Bruttoeinkommen (Median2) je Haushalt von 37 185 Euro im Jahr, wobei ein Haushalt durchschnittlich 2,1 Personen umfasste. Nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen verblieb den Haushalten ein mittleres verfügbares Einkommen von 28 465 Euro im Jahr.

Je nach Größe und Zusammensetzung der Haushalte gibt es jedoch große Unterschiede bezüglich der Höhe des Einkommens. Dies zeigen die folgenden Daten des verfügbaren Haushaltseinkommens für verschiedene Haushaltstypen:

2 Erwachsene ohne Kinder 32 832 Euro/Jahr
2 Erwachsene mit Kind(ern) 43 372 Euro/Jahr
Alleinlebende 17 207 Euro/Jahr
Alleinerziehende 24 609 Euro/Jahr

Mit Bezug auf die Größe des Haushalts wird das sogenannte Nettoäquivalenzeinkommen3 berechnet. Dieses stellt einen Einkommenswert je Person dar und dient als Rechengröße für die Ermittlung von Armutsgefährdungsquoten und von verschiedenen Maßen zur Einkommensverteilung.4 Im Jahr 2010 lag der Median des Nettoäquivalenzeinkommens in Baden-Württemberg bei 20 400 Euro im Jahr. Beim Vergleich unterschiedlicher Haushaltstypen zeigen sich beim Äquivalenzeinkommen ebenfalls die höheren Einkommenswerte von Haushalten mit zwei Erwachsenen. Durch den Bezug auf die Haushaltsgröße wird aber auch deutlich, dass Haushalte mit Kindern im Durchschnitt weniger Geld zur Verfügung haben als der vergleichbare Haushaltstyp ohne Kinder. Die errechneten Äquivalenzeinkommen für verschiedene Haushaltstypen im Einzelnen:

2 Erwachsene ohne Kinder 21 953 Euro/Jahr
2 Erwachsene mit Kind(ern) 20 268 Euro/Jahr
Alleinlebende 17 410 Euro/Jahr
Alleinerziehende 14 058 Euro/Jahr

Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt liegen die Einkommen der baden-württembergischen Haushalte deutlich höher. Der Landeswert des mittleren verfügbaren Einkommens lag bei EU-SILC 2010 knapp 2 900 Euro über dem Bundeswert von 25 605 Euro im Jahr. Beim Äquivalenzeinkommen lag Baden-Württemberg rund 1 600 Euro über dem deutschlandweiten Median von jährlich 18 797 Euro.

Haushalte kommen überwiegend gut mit dem Einkommen zurecht

Neben den statistischen Daten zur Höhe des Einkommens ist die Ermittlung subjektiver Einschätzungen zur finanziellen Lage der Haushalte und zu den Lebensbedingungen eine zweite wichtige Säule der EU-SILC-Statistik. Im Jahr 2010 gab eine große Mehrzahl der baden-württembergischen Haushalte an, mit dem monatlichen Einkommen überwiegend gut zurecht zu kommen. Rund 43 % der Bevölkerung lebten in Haushalten, die ihre finanzielle Situation als relativ gut einschätzten. Weitere 28 % bewerteten ihre Einkommenssituation als gut und knapp 9 % lebten in Haushalten, die sehr gut mit ihrem Einkommen zurecht kamen. Dagegen gelangte ein Fünftel der Haushalte zu einer insgesamt negativen Bewertung ihrer finanziellen Lage: Gut 12 % der Bevölkerung kam mit dem Einkommen relativ schlecht zurecht und weitere 8 % sogar schlecht oder sehr schlecht. Die Ergebnisse für ganz Deutschland zeigen insgesamt eine ähnliche Verteilung, wobei jedoch der Anteil der Bevölkerung in Haushalten, die mit ihrem Einkommen eher schlecht zurechtkommen, etwas höher liegt als in Baden-Württemberg.

Bei einer Differenzierung nach verschiedenen Haushaltstypen zeigen sich deutliche Unterschiede in der Einschätzung der finanziellen Situation. In Haushalten von zwei Erwachsenen ohne Kinder ist die Bewertung erwartungsgemäß positiver als im Durchschnittshaushalt, während insbesondere Haushalte von Alleinerziehenden ihre finanzielle Situation deutlich kritischer sehen. Nur rund die Hälfte dieser Haushalte schätzt sie als überwiegend gut ein, aber knapp 27 % kamen mit dem monatlichen Einkommen nur schlecht oder sehr schlecht zurecht. Die Selbsteinschätzung der unterschiedlichen Haushaltstypen über ihre finanzielle Lage stimmt weitgehend mit den oben genannten objektiven Daten zum Äquivalenzeinkommen überein.

Finanzielle Belastung der Haushalte durch Wohnkosten

Die Wohnkosten stellen für die privaten Haushalte einen bedeutsamen Ausgabeposten dar. So wurden in Baden-Württemberg für die Wohnkosten (einschließlich Heizung, Strom und Wasser) im Mittel rund 6 700 Euro im Jahr ausgegeben, also fast ein Viertel des verfügbaren Einkommens. Bei EU-SILC wird auch die Einschätzung der Haushalte bezüglich der monatlichen Wohnkosten erfragt: Sind diese eine große, eine gewisse oder keine finanzielle Belastung? Eine deutliche Mehrheit von 59 % der Baden-Württemberger lebt in Haushalten, in denen die Wohnkosten als gewisse Belastung gesehen werden. Der Anteil derjenigen, die durch ihre Wohnkosten keine finanzielle Belastung empfinden, ist mit knapp 23 % etwas größer als derjenigen, die eine große Belastung sehen (18 %). Diese Einschätzung unterscheidet sich in Baden-Württemberg nur wenig von der in Deutschland.

Deutlichere Unterschiede zeigen sich stattdessen bei der Betrachtung verschiedener Haushaltstypen. Überdurchschnittlich häufig werden in Haushalten mit Kindern die Wohnkosten als große Belastung empfunden. In Baden-Württemberg waren es im Jahr 2010 bei Haushalten von zwei Erwachsenen mit Kindern knapp 20 %, bei Alleinerziehenden über 30 %. Hingegen stellen bei Haushalten ohne Kinder die Wohnkosten ein geringeres Problem dar. Für 15 % der Alleinlebenden sind sie eine große Belastung, noch geringer ist dieser Anteil bei Personen in Haushalten von zwei Erwachsenen ohne Kinder (rund 12 %).

Probleme im Wohnumfeld und der Wohnung

Bei Einschätzungen zu Problemen in der Wohnung oder im Wohnumfeld wurden in Baden-Württemberg vor allem Umweltbelastungen und Verschmutzungen im Wohnumfeld sowie Lärmbelästigungen, zum Beispiel durch Nachbarn oder von der Straße, kritisch gesehen. Davon gestört fühlten sich im Jahr 2010 knapp ein Viertel aller Personen (Schaubild 3). Bei der Problemsicht zur Umweltbelastung im Wohnumfeld lag Baden-Württemberg damit noch über dem Bundesdurchschnitt und deutlich vor dem EU-Durchschnitt. Auch beim Thema Lärmbelästigung ist die Problemwahrnehmung im Land und auch im Bund ausgeprägter als im europäischen Durchschnitt. Bei beiden Themen ist möglicherweise eine hohe Sensibilität in Deutschland gegenüber solchen Belastungen ein Grund für die vergleichsweise kritische Einschätzung.

In deutlich geringerem Maß fühlten sich die Menschen in Baden-Württemberg von Kriminalität, Gewalt oder Gebäudebeschädigungen im eigenen Wohnumfeld beeinträchtigt (9 %), ebenso von Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung oder im Haus (12 %). Bei beiden Themen ist die Bewertung der Haushalte im Land positiver als im Bundes- und im EU-Durchschnitt. Das weist sowohl auf ein vergleichsweise höheres Sicherheitsempfinden der Bewohner als auch auf einen besseren baulichen Bestand im Südwesten Deutschlands hin.

1 Referenzjahr für die Ermittlung des Einkommens ist bei EU-SILC jeweils das dem Erhebungsjahr vorangegangene Jahr.

2 Der Median ist der mittlere Wert einer aufsteigend geordneten Datenreihe. Im Unterschied zum arithmetischen Mittelwert (Durchschnitt) reagiert der Median weniger empfindlich auf Extremwerte in den Daten und wird daher bevorzugt bei Analysen zum Einkommen und bei der Berechnung der Armutsgefährdung eingesetzt.

3 Das Äquivalenzeinkommen wird ermittelt, indem das gesamte Haushaltseinkommen durch die Summe der Bedarfsgewichte der im Haushalt lebenden Personen geteilt wird. Jeder Person wird ein Gewicht zugewiesen (nach modifizierter OECD-Skala: erster Erwachsener 1,0; weitere Erwachsene 0,5; Kinder unter 14 Jahren 0,3). Das Haushaltseinkommen wird nun durch die Summe der Gewichte dividiert. Das so ermittelte Einkommen wird jeder Person im Haushalt als persönliches Äquivalenzeinkommen zugeschrieben.

4 So zum Beispiel Gini-Koeffizient und S80/S20-Einkommensverhältnis als Maße zur Beschreibung der Einkommensungleichheit.