:: 5/2012

Die öffentliche Wasserversorgung in Baden-Württemberg 2010

Baden-Württemberg ist ein wasserreiches Land, mit einem Wasserdargebot von rund 49 Mrd. m3 pro Jahr.1 Im Jahr 2010 hat die öffentliche Trinkwasserversorgung mit 618 Mill. m3 rund 1 % des Dargebots entnommen. Kleinräumiger betrachtet gibt es jedoch Unterschiede bei der Verfügbarkeit und Qualität von Trinkwasser. Entlang der Landesgrenzen Baden-Württembergs, am Bodensee, im Iller- und Donautal sowie im Oberrheingraben gibt es sehr wasserreiche Gebiete. Diesen stehen wasserarme Gebiete in den zentralen und nordöstlichen Teilen des Landes, wie etwa dem mittleren Neckarraum, der Hochfläche der Schwäbischen Alb und einzelnen Regionen im Schwarzwald, gegenüber. Der folgende Beitrag beschäftigt sich unter anderem damit, wie sich aus diesen Gegebenheiten ein starkes und sicheres Versorgungsnetz entwickelt hat.

Wassergewinnung weiter rückläufig

Im Jahr 2010 gab es insgesamt 1 334 öffentliche Wasserversorger mit Sitz in Baden-Württemberg. Rund zwei Drittel dieser Unternehmen haben auch selbst Wasser gewonnen. Insgesamt lag die entnommene Wassermenge bei knapp 652 Mill. m3 Grund-, Quell- und Oberflächenwasser, knapp 34 Mill. m3 davon wurden auf bayerischem Gebiet gewonnen. Damit wurden 2010 im Vergleich zu 2007 rund 6 Mill. m3 Wasser weniger gewonnen. Das ist fast die Hälfte des Fassungsvermögens der Trinkwassertalsperre Kleine Kinzig (13 Mill. m3)2 im Schwarzwald.

Die Wassergewinnung durch die öffentliche Wasserversorgung ist im Land seit 1991 kontinuierlich zurückgegangen. Dabei war 1991 ein Trockenjahr, in dem besonders viel Wasser gewonnen wurde. Obwohl zwischen 1991 und 2010 die Zahl der an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossenen Einwohner um rund 770 000 Menschen gestiegen ist, ging die Wassergewinnung um 107 Mill. m3 zurück. Die Einsparungen konnten vor allem durch neue Techniken und ein verändertes Verbrauchsverhalten erzielt werden. Hinzu kommen Sanierungsarbeiten, durch die die Leitungsverluste und der Wasserwerkseigenverbrauch in den letzten 19 Jahren um 29 Mill.m3 gesenkt werden konnten.

Baden-Württemberg trinkt Grundwasser

In Baden-Württemberg wird im Wesentlichen Grundwasser zur Trinkwasserversorgung gewonnen. Seit 1975 liegt der Anteil des Grundwassers immer über 50 %. Auch die Landeswasserversorgung und die Wasserversorgung Nordostwürttemberg gewinnen vor allem Grund- und Quellwasser. An zweiter Stelle steht die Gewinnung von Wasser aus dem Bodensee. Die ersten Anlagen der Bodenseewasserversorgung wurden bereits im Jahr 1958 in Betrieb genommen. Seit 1998 hat der Anteil der Gewinnung von See- und Talsperrenwasser die Gewinnung von Quellwasser überholt. Die Kleine Kinzig im Schwarzwald ist die einzige Trinkwassertalsperre im Land. Das Trinkwasser, das aus Flüssen für die Versorgung im Land gewonnen wird, stammt vollständig aus der Donau.

Rund 99,6 % der Bevölkerung erhalten Trinkwasser aus dem öffentlichen Netz. Die Anschlussquoten bei Städten und Gemeinden mit 100 000 und mehr Einwohnern liegt sogar bei 100 %. Einzelwasserversorgungen über Hausbrunnen gibt es in der Regel nur noch vereinzelt in ländlichen Gebieten.

Die drei Ebenen der baden-württembergischen Wasserversorgung

Die Sicherstellung der Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser, auch während einer Hitzeperiode, ist Kernaufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. In Baden-Württemberg wird dies durch ein bis heute bestehendes, historisch gewachsenes System aus örtlicher Wasserversorgung, Gruppenwasserversorgung und Fernwasserversorgung garantiert.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein versorgten sich die Menschen in Baden-Württemberg in der Regel über einzelne Brunnen mit Trinkwasser. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein Wasserversorgungsnetz mit Hochbehältern und Druckrohren, das Wasser sogar bis in die Haushalte lieferte.3 Die Versorgung aus örtlichen Wasservorkommen bildet die erste Ebene der öffentlichen Wasserversorgung im Land.

Erste Gruppenwasserversorgung auf der Alb

Eine zweite Ebene entwickelte sich auf der Schwäbischen Alb. Aufgrund der geologischen Gegebenheiten gibt es auf der Schwäbischen Alb nur wenige Oberflächengewässer. Die Menschen nutzten daher Regenwasser, das sie in Zisternen sammelten, als Trinkwasser. Typisch für das Landschaftsbild der Schwäbischen Alb sind auch die sogenannten Hülen. Dabei handelt es sich um Senken bzw. Dolinen, die durch eine wasserundurchlässige Tonschicht abgedichtet wurden. Diese zum Teil natürlichen und künstlich angelegten Hülen wurden als Viehtränke, Löschwasserteich, Waschplatz und in Trockenzeiten auch als Sammelstelle für Kochwasser verwendet.

Neben dem Wassermangel litten die Menschen auch unter einer schlechten Wasserqualität. Um Abhilfe gegen diese unhaltbaren Versorgungszustände zu schaffen, schlossen sich erstmals benachbarte Gemeinden zu einer Gruppenwasserversorgung zusammen. Die 1869 gegründete Albwasserversorgungsgruppe, die ihr Wasser aus dem Quelltopf der Blau bezog, war die erste Gruppenwasserversorgung in Europa.4 Ein Zusammenschluss ermöglicht den Gemeinden eine gemeinsame Finanzierung und Verwaltung der beispielsweise Pumpwerke und Speicheranlagen.

Landeswasserversorgung seit 100 Jahren

Die dritte Ebene der öffentlichen Wasserversorgung in Baden-Württemberg ist die Fernwasserversorgung, bei der der Ort der Wassergewinnung weit entfernt vom eigentlichen Versorgungsgebiet liegt. In Baden-Württemberg gibt es vier große Fernwasserversorgungsunternehmen, die Bodensee-Wasserversorgung (BWV), die Landeswasserversorgung (LW), die Wasserversorgung Nordostwürttemberg (NOW) sowie die Wasserversorgung Kleine Kinzig (WKK).

Während der Industrialisierung wuchsen Bevölkerung und Wirtschaft im Raum Stuttgart rasant an. Die Trinkwasserversorgung konnte nicht mehr durch die örtlichen Wasservorkommen gedeckt werden. Dies führte 1912 zur Gründung der Landeswasserversorgung, die den Raum Stuttgart mit Wasser aus dem Donauried versorgte. Durch den Wirtschaftsboom und die steigenden Bevölkerungszahlen nach dem zweiten Weltkrieg kam es erneut zu Versorgungsschwierigkeiten. Es entwickelte sich die Idee, dass der Bodensee die Wasserversorgungsprobleme im Südwesten dauerhaft lösen könnte. Im Jahr 1954 wurde daraufhin die Bodenseewasserversorgung gegründet. Für die Versorgung der nordostwürttembergischen Gebiete wurde 1953 die Wasserversorgung Nordostwürttemberg gebildet. Der Zweckverband Kleine Kinzig versorgt die Einwohner mit Wasser aus der 1984 in Betrieb genommenen Talsperre Kleine Kinzig im Schwarzwald.

Fernwasser oder lokale Wasservorkommen

Erstes Ziel beim Aufbau der öffentlichen Wasserversorgung nach dem zweiten Weltkrieg war die Versorgung aller Einwohner mit sauberem Trinkwasser. Dabei richtete sich der Fokus vor allem auf den Ausbau der Fernwasserversorgung, um die Trinkwasserversorgung in den wasserarmen Gebieten und den Gebieten mit schlechter Wasserqualität sicherzustellen. Kleinere, örtliche Wasserversorger haben oft Schwierigkeiten, die steigenden Anforderungen an Qualität, Versorgungssicherheit und Kundenwünsche (zum Beispiel weiches Wasser) zu erfüllen. Jedoch spielt auch der Schutz von lokalen Wasservorkommen bei der Wasserversorgung eine wichtige Rolle. Viele Gemeinden und Städte wollten die Verantwortung für sauberes Trinkwasser nicht mehr allein an die Bodenseeregion oder einen Fernwasserversorger abgeben. Heute wird dem Erhalt und der Nutzung von lokalen Wasservorkommen eine besondere Bedeutung für einen vorsorgenden Gewässerschutz beigemessen. In Baden-Württemberg wurden 9 300 km2 Wasserschutzgebiete festgesetzt (30. Juni 2010). Das entspricht einem Anteil von 26 % an der Gemarkungsfläche des Landes oder der Fläche des Regierungsbezirks Freiburg.

Fazit

Die wasserreichen Gebiete in Baden-Württemberg liegen an den Landesgrenzen, während »die Mitte« des Landes ein eher wasserarmes Gebiet ist. Aus diesem Ungleichgewicht heraus hat sich langfristig eine Versorgungsstruktur entwickelt, die heute eine hohe Versorgungssicherheit mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser gewährleistet. Dabei spielt in Baden-Württemberg die Gewinnung von Grundwasser von jeher die bedeutendste Rolle. Der Anteil des Grund- und Quellwassers liegt bei knapp 73 %. See- und Talsperrenwasser sind mit 22 % die zweithäufigste Wasserart im Land.

1 Zweckverband Landeswasserversorgung (Hrsg.): Trinkwasser für Baden-Württemberg. Stuttgart 2009, S. 5. Unter www.lw-online.de/fileadmin/downloads/serv_infoschriften/Unternehmenspraesentation.pdf (Stand: 16. März 2012).

2 Zweckverband Wasserversorgung Kleine Kinzig: www.zvwkk.de (Stand: 15. März 2012).

3 Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg (Hrsg.): Handbuch der baden-württembergischen Geschichte 5. Stuttgart 2007, S. 316.

4 Ebenda.