:: 8/2012

Die Studienanfängerzahlen steigen

Im Wintersemester 2011/12 waren 304 994 Studierende an den Hochschulen des Landes immatrikuliert. Das waren 6 % oder 17 500 mehr als im vorangegangenen Wintersemester und fast die Hälfte mehr als noch vor 10 Jahren.

Schon bevor der »doppelte Abiturientenjahrgang« 2012 die Gymnasien Baden-Württembergs verlässt, kam es im Wintersemester 2011/12 zu einem überraschend hohen Anstieg der Studienanfängerzahlen. Die Zuwachsrate gegenüber dem Studienjahr 2010 betrug im Studienjahr 2011 über 15 %.

Die Studierendenzahlen in Baden-Württemberg sind seit dem Jahr 2000 nahezu kontinuierlich angestiegen. Lediglich 2007/08 kam es zu einem leichten Rückgang. Als 2008/09 die ehemaligen Berufsakademien – jetzt unter dem Namen Duale Hochschule Baden-Württemberg geführt – Hochschulstatus bekamen, setzte sich der Anstieg der Studierendenzahlen fort (Schaubild 1).

Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger hat gegenüber dem Wintersemester 2010/11, als 57 466 junge Menschen ihr Studium begannen, um 8 762 auf insgesamt 66 228 (+15 %) zugelegt. In den vergangenen 10 Jahren war ein durchschnittlicher Zuwachs von 5,1 % zu verzeichnen. Im Vergleich zu den Studienanfängerzahlen von vor 10 Jahren kann an den Hochschulen des Landes ein Anstieg von mehr als 66 % verbucht werden (Schaubild 2).

Zuwachs bei der Dualen Hochschule Baden-Württemberg besonders groß

Besonders hoch war der Zuwachs an Studienanfängern im Wintersemester 2011/12 bei der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Das Plus betrug 30 % gegenüber dem Vorjahr. Vor allem die männlichen Studienanfänger zog es an die DHBW. Im Wintersemester 2010/11 hatte die DHBW noch 4 559 Studienanfänger und 3 767 Studienanfängerinnen. Im Wintersemester 2011/12 stieg dieser Wert auf 6 365 (+40 %) bei den Männern und 4 455 (+18 %) bei den Frauen. Die DHBW ist aufgrund dieser Zuwächse bei den Studienanfängern seit dem Wintersemester 2011/12 die größte Hochschule des Landes. Sie hat mit 27 758 inzwischen mehr Studierende als die Universität Heidelberg (26 958), die lange Jahre den ersten Platz einnahm. Die DHBW setzt sich aus den neun ehemaligen Berufsakademien zusammen und hat seit dem Jahr 2008 Hochschulstatus. Ohne Berücksichtigung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg läge der Anstieg der Studienanfänger bei 13 %. Auch diese Zunahme liegt weit über dem langjährigen Durchschnittswert.

Der Anstieg bei den Kunsthochschulen entsprach mit 15 % fast genau dem Gesamtdurchschnitt. Unter dem Durchschnitt von stark 15 % mehr Ersteinschreibungen lagen dagegen die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit 9 %. Die Pädagogischen Hochschulen weisen bei den Studienanfängern einen Rückgang von mehr als 2 % auf.

Die Aussetzung von Wehr- und Ersatzdienst

Das Durchschnittsalter der Studienanfängerinnen und Studienanfänger hat sich zwischen den Wintersemestern 2010/11 und 2011/12 verringert. Bei den Studienanfängerinnen ist es um 2 Monate gesunken (von 21,3 auf 21,1 Jahre). Besonders auffällig ist jedoch, dass das Durchschnittsalter aller männlichen Studienanfänger sogar um fast ein halbes Jahr gesunken ist (von 21,7 auf 21,2 Jahre im Wintersemester 2011/12). Zugleich stieg der Anteil der männlichen Studienanfänger von 52 % (2010/11) auf 55 % im Wintersemester 2011/12, der Anteil der Frauen ging erstmalig seit Jahren wieder zurück und beträgt jetzt 45 %. Diese Phänomene lassen sich mit der Aussetzung der Wehr- und Ersatzdienstpflicht erklären. Dadurch, dass ein Teil der jungen Männer keinen dieser Dienste mehr ableisten muss drängten im Wintersemester 2011/12 mehr junge Männer als früher an die Hochschulen des Landes.

Baden-Württembergische und bayerische Studienanfänger

Die Zahl der baden-württembergischen Studienanfänger, also der 48 918 Personen, die ihre Hochschulreife in Baden-Württemberg erworben haben, wies 2011/12 eine Steigerungsrate von fast 20 % gegenüber dem Vorjahr auf, als es noch 40 914 waren. Offensichtlich nahmen viele junge Menschen, die in einer anderen Situation noch ein Auslandsjahr, ein Praktikum oder freiwillige Dienste abgeleistet hätten, nun unmittelbar ein Studium auf, um nicht im Wintersemester 2012/13 mit dem doppelten Abiturientenjahrgang der baden-württembergischen Gymnasien konfrontiert zu werden. Das hat möglicherweise auch dazu geführt, dass sich im Wintersemester 2011/12 an Hochschulen in Bayern mit 6 224 erheblich mehr (fast 35 %) baden-württembergische Studienanfänger immatrikuliert haben als im Studienjahr 2010 als es noch 4 624 waren.

Der doppelte Abiturientenjahrgang, der 2011 bayerische Gymnasien verlassen hat, führte im Studienjahr 2011 zu einem Anstieg der dortigen Studienanfänger von über 30 %. Aber auch hier in Baden-Württemberg ist eine erkennbar höhere Zuwachsrate gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Mit 4 904 bayerischen Studienanfängern nahmen im Studienjahr 2011 über 30 % mehr bayerische Studierende als im Studienjahr 2010 (mit 3 745) ihr Studium an Hochschulen in Baden-Württemberg auf.

Der doppelte Abiturientenjahrgang in Niedersachsen hat sich dagegen auf die Studienanfängerzahlen in Baden-Württemberg weniger stark ausgewirkt. 2010 begannen 1 105 Niedersachsen ein Studium im Südwesten, 2011 waren es mit 1 206 rund 9 % mehr (Schaubild 3).

Studienanfänger im Studienjahr

Um die Gesamtzahl der Studienanfänger in einem Studienjahr festzustellen, müssen zu den Ersteinschreibungen des Wintersemesters auch die Ersteinschreibungen des letzten Sommersemesters berücksichtigt werden. Das »Studienjahr 2011« setzt sich also aus dem Sommersemester 2011 und dem Wintersemester 2011/12 zusammen. Der Stichtag dieser Erhebung ist nicht fest fixiert, sondern bezieht sich auf das Ende der Einschreibungsfrist an den jeweiligen Hochschulen. Deshalb liegt der Stichtag stets am Anfang des Sommer- und Wintersemesters.

Im ganzen Studienjahr 2011 haben sich insgesamt 77 350 Personen an den Hochschulen des Landes im ersten Hochschulsemester eingeschrieben. Das sind über 15 % mehr als im Studienjahr 2010. Seinerzeit gab es 67 182 Ersteinschreibungen, die im Vergleich zum Studienjahr 2009 eine Steigerung von gut 3 % ausmachten. Die Steigerungsrate bei den Studienanfängern hat sich also verfünffacht.

Unterschiedliche Schwerpunkte bei den Hochschulzugangsberechtigungen je nach Hochschulart

Der Anteil der Studienanfänger mit Fachhochschulreife bzw. fachgebundener Hochschulreife betrug 2011/12 unter den Studienanfängern der staatlichen Hochschule für Angewandte Wissenschaften 44 %. An zweiter Stelle folgen die privaten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit 41 % und danach die Verwaltungsfachhochschulen mit 32 % Studienanfängern mit Fachhochschulreife bzw. fachgebundener Hochschulreife.

Studienanfänger mit allgemeiner Hochschulreife dominieren an den Universitäten. Dort hatten über 94 % der Studienanfänger im Wintersemester 2011/12 eine allgemeine Hochschulreife. Aber auch an den Pädagogischen Hochschulen war der Anteil mit 93 % besonders hoch. Danach folgen Studienanfänger an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, die zu 88 % die allgemeine Hochschulreife haben.

Beliebteste Studienbereiche und Hochschulen

Bei den Studienanfängern bildete der Studienbereich »Wirtschaftswissenschaften« mit über 14 500 Studierenden im ersten Hochschulsemester den größten Studienbereich. Im Studienjahr 2011 haben sich dort 18 % mehr Studienanfänger eingeschrieben als im Vorjahr. An zweiter Stelle folgte Maschinenbau/Verfahrenstechnik mit inzwischen über 8 000 Studierenden und einer Zuwachsrate von über 18 % seit dem letzten Studienjahr.

Nach der Dualen Hochschule Baden-Württemberg mit rund 27 800 Studierenden und der Universität Heidelberg mit 27 000 Studierenden folgen die Universität Tübingen mit 24 000 und die Universität Freiburg mit 22 200 Studierenden. Über die Hälfte (51 %) der Studierenden ist an den Universitäten des Landes eingeschrieben, ein starkes Drittel an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (ehemals »Fachhochschulen«) einschließlich der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (rund 38 %). Über 7 % sind an den Pädagogischen Hochschulen immatrikuliert, an den Kunsthochschulen sowie an den Verwaltungsfachhochschulen sind es jeweils unter 2 % aller Studierenden (Schaubild 4).

Wie sieht die Entwicklung im nächsten Jahr aus?

Es kann davon ausgegangen werden, dass im kommenden Jahr in Baden-Württemberg die Zahl der Studienanfänger erneut deutlich steigen wird, wenn im Land der doppelte Abiturientenjahrgang vor den Türen der Hochschulen steht. Nach den Ergebnissen der Vorausrechnung aus dem Jahr 2010 wird erwartet, dass dann mehr als 93 000 Absolventen der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen mit der Fachhochschul- oder der Hochschulreife eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben werden.

Die Frage, wie viele dieser jungen Menschen tatsächlich ein Studium aufnehmen, kann allein auf Grundlage dieser Zahlen jedoch nicht seriös beantwortet werden, weil die Einflussfaktoren schon auf kurze Sicht hin nicht kalkulierbar sind. Studierendenströme zwischen Bundesländern oder in das Ausland bzw. aus dem Ausland sind starken Schwankungen ausgesetzt. Verhaltensänderungen sind nur schwer abzuschätzen. So ist es möglich, dass viele Abiturienten erst einmal eine Ausbildung oder ein Praktikum machen, ein Freiwilliges Soziales Jahr ableisten oder einige Zeit ins Ausland gehen.

Der Ansturm auf die Hochschulen erstreckt sich deshalb aller Voraussicht nach auf mehrere Jahre. Nach Einschätzung der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Theresia Bauer1 haben wir es mit einem »Hochplateau« und nicht mit einem »Studentenberg« zu tun.

1 Anlässlich einer Pressekonferenz am 31. Mai 2012.