:: 8/2012

Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern: mehr gemeinsam als nur den Doppelnamen?

Zwei Bundesländer wie sie auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum sein können: das eine Zuwanderungsland mit einem starken Industriesektor und dichter Siedlungsstruktur. Das andere verlor seit der Wiedervereinigung stark an Einwohnern, ist eher ländlich strukturiert mit einem Agrarsektor, der durchaus noch eine Rolle spielt. Gibt es beim zweiten Blick Gemeinsamkeiten?

Viel Wasser in Mecklenburg-Vorpommern

Mecklenburg-Vorpommern (MV) im Nordosten Deutschlands und Baden-Württemberg (BW) im Südwesten – zwei Bundesländer, die in vielerlei Hinsicht verschieden sind – auch landschaftlich: Mecklenburg-Vorpommern als Teil des mitteleuropäischen Tieflandes, gelegen an der Ostsee. Die stark gegliederte Küste umfasst etwa 1 570 Kilometer (km) Binnenküste, die Länge der Außenküste ist etwa rund 377 km.1 Mit Rügen und Usedom befinden sich hier die größten Inseln Deutschlands. Zum typischen Landschaftsbild gehören weiterhin die zahlreichen im Herzen des Landes liegenden Seen, darunter der größte deutsche Binnensee, die Müritz. Die Wasserflächen nehmen allein knapp 6 % der Landesfläche Mecklenburg-Vorpommerns ein. Gut ein Fünftel der insgesamt 23 191 Quadratkilometer (km²) sind bewaldet. Die höchste Erhebung beträgt immerhin 179 Meter (m), es sind die Helpter Berge im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.

Viele Berge in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg als drittgrößtes Bundesland (35 752 km²) verfügt über eine abwechslungsreiche, vielgestaltige Landschaft. Die höchste Erhebung ist hier der Feldberg im Schwarzwald mit 1 493 m. Die Landschaft ist geprägt von den Mittelgebirgszügen der Schwäbischen Alb und des Schwarzwalds. Hinzu kommen der Bodensee sowie die Rheinebene als attraktive Landschaftsgebiete. Typisch ist ebenfalls der Anblick ausgedehnter Weinberge. Der Waldanteil liegt in Baden-Württemberg mit 38 % deutlich höher als in Mecklenburg-Vorpommern. Der Anteil der Wasserflächen liegt im Südwesten bei nur 1 %.

Aus historischer, kultureller und religiöser Sicht sind diese beiden Länder ebenfalls unterschiedlich gewachsen und geprägt. Die Vergangenheit Baden-Württembergs ist gezeichnet von der Kleinstaaterei auch »Kleinkammrigkeit« genannt.2 In der Folge entstanden eine Vielzahl von Residenzen, Schlössern, Burgen und Klöstern, aber auch vielseitige und vielschichtige Traditionen sowie unterschiedliche Ausprägungen der Religionen. Der Erfindungsreichtum und der Schaffensgeist eilen den Baden-Württembergern als Ruf voraus. Begleitet von heftigen Diskussionen wurde 1952 der Südweststaat in der heutigen Abgrenzung aus den drei Gebieten Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden geeint.

Für Mecklenburg und Vorpommern spielt die slawische Herkunft eine wichtige Rolle.3 Das Land wurde insbesondere durch den Städtebund der Hanse geprägt, in dessen Zuge 1419 in Rostock die heute älteste Universität im Ostseeraum gegründet wurde. Typisch für das Landesbild sind die zahlreichen gotischen Backsteinkirchen, Schlösser und Gutshäuser. In der jüngeren Zeit gehörte Mecklenburg-Vorpommern zur ehemaligen DDR. 1945 wurde das Land durch die sowjetische Militäradministration gebildet und 1952 wieder aufgelöst. Mit dem Vollzug der deutschen Einheit 1990 wurde das Land in der heutigen Abgrenzung wieder gegründet.

Mit der letzten Kreisgebietsreform vom 4. September 2011 teilt sich der Nordosten in sechs Landkreise und mit Rostock und der Landeshauptstadt Schwerin in zwei kreisfreie Städte (Schaubild 1). Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ist mit seinen fast 5 500 km² fast dreimal so groß wie der größte Landkreis Baden-Württembergs, der Ortenaukreis mit knapp 1 900 km². Selbst das Saarland ist mit knapp 2 600 km² nur halb so groß. Allerdings leben in Deutschlands nunmehr flächenmäßig größtem Kreis nur knapp 273 000 Einwohner.

Baden-Württemberger im Durchschnitt jünger

1,64 Mill. Menschen lebten Ende 2010 in Mecklenburg-Vorpommern, dagegen 10,75 Mill. im Südwesten (Tabelle). Demzufolge haben die Einwohner im Nordosten im Schnitt deutlich mehr Fläche zur Verfügung. Denn mit 71 Einwohnern je km² liegt dieser Wert unter allen Bundesländern am niedrigsten und deutlich unter dem Schnitt von Baden-Württemberg mit 301 Einwohnern je km².

Die Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns waren Ende 2010 im Schnitt 2,7 Jahre älter als die Baden-Württemberger. Dies ist umso bemerkenswerter, als 1990 die Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns noch 3 Jahre jünger waren als die Baden-Württemberger. Der Alterungsprozess hat sich dort nach der Öffnung der Mauer sehr dynamisch entwickelt. Die Gründe sind vor allem der deutliche Geburtenrückgang und die starke Abwanderung vorwiegend junger Menschen. Auch die zunehmende Lebenserwartung spielt bei der Alterung der Gesellschaft eine Rolle. Das gilt allerdings für beide Bundesländer.

Gegenläufige Bevölkerungsentwicklungen

Während Baden-Württemberg seit Jahrzehnten ein Zuwanderungsland ist, verlor Mecklenburg-Vorpommern nach der Wiedervereinigung fast durchgehend jährlich an Einwohnern (Schaubild 2). In Summe der Jahre 1990 bis 2010 nimmt der Bevölkerungsrückgang allein durch die im Saldo fast 184 000 abgewanderten Einwohner nahezu die doppelte heutige Bevölkerung der Landeshauptstadt Schwerin ein (rund 95 000 Einwohner). Insbesondere zu Beginn der 1990er wanderten viele Menschen aus dem Nordosten ab. Allein 1990 und 1991 verließen per Saldo fast 67 000 ihr Bundesland. Baden-Württemberg gewann in dieser Zeit gut 342 000 Menschen hinzu. Eine schwächere aber dennoch zweite Zu- bzw. Abwanderungswelle lässt sich um die Jahrtausendwende erkennen. 2001 und 2002 gewann der Südwesten über 125 000 Menschen hinzu. Im gleichen Zeitraum verlor Mecklenburg-Vorpommern fast 22 000 Einwohner. Auch wenn beide Länder weit auseinander liegen, bestehen durchaus Wanderungsverflechtungen. So zogen 2010 1 278 Baden-Württemberger nach Mecklenburg-Vorpommern und gingen umgekehrt 1 350 vom Norden in den Süden. Seit Anfang der 1991er-Jahre bis heute zog es per Saldo rund 12 300 Menschen mehr aus dem Nordosten in den Südwesten als in umgekehrter Richtung.

Die Zahl der Geburten brach in Mecklenburg-Vorpommern zu Beginn der 1990er-Jahre ein. Letztmalig wurden 1990 noch mehr Menschen geboren als starben. Diese Wende vollzog sich in Baden-Württemberg deutlich später. Seit 2006 ist der Geburtensaldo negativ, sodass der Südwesten als letztes Bundesland diese Zäsur erlebte. Mit gut 8 100 erreichte das Geburtendefizit im Jahr 2010 den bisherigen Höchststand im Land.

Industrie im Süden – Dienstleistungen und Landwirtschaft im Norden

Der Anteil des Wirtschaftsbereiches Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei an der Bruttowertschöpfung (BWS) insgesamt lag 2011 in Mecklenburg-Vorpommern mit 3,5 % bundesweit am höchsten. In allen anderen Bundesländern betrug dieser Anteil zum Teil deutlich weniger als 2 %. Von jeher eher ein »Agrarland« waren Mitte 2011 gut 3,1 % der insgesamt 0,73 Mill. Erwerbstätigen in diesem Bereich tätig. Das Bundesland Baden-Württemberg wies dagegen aufgrund seiner ansässigen Industrie den höchsten Anteil im Produzierenden Gewerbe auf. 31 % der insgesamt 5,73 Mill. Erwerbstätigen gingen in diesem Bereich einer Beschäftigung nach. Der Anteil an der BWS (einschließlich Baugewerbe) war mit 37,9 % ebenso der höchste unter den Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern lag der Anteil des Produzierenden Gewerbes an der BWS bei 20,5 %.

Mehr als drei Viertel der Erwerbstätigen im Nordosten waren 2011 im Dienstleistungsbereich tätig. Entsprechend hoch gestaltete sich der Anteil an der BWS (76 %). Besonders der Unterbereich »öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, private Haushalte« war sowohl bei den Erwerbstätigen (35,7 % an insgesamt) als auch bei der BWS (34,1 % an insgesamt) im Dienstleistungsbereich am stärksten vertreten. Nicht ganz so dominant zeigte sich dieser Bereich im Südwesten. Mit Anteilen von knapp 68 % an den Erwerbstätigen insgesamt und 61,5 % an der BWS war der Dienstleistungsbereich bundesweit am niedrigsten.

Beide Länder sind attraktive und beliebte Reiseziele

»Wat soll ick mi hüt uprägen, öwer dat, wat morgen gar nich kümmt«: Dieser Satz zeigt ein wenig die Mentalität in Mäkelborg-Vörpommern, so wie es ebenso im Ländle zahlreiche Zitate und Sprüche gibt, wie beispielsweise: »s’isch, wie’s isch«. Es lassen sich hier – abgesehen von deutlichen sprachlichen Unterschieden – sicher auch viele Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen beider Regionen finden.

Beide Bundesländer sind attraktive und beliebte Reiseziele. In Mecklenburg-Vorpommern verweilen die Gäste im Schnitt mit 4,2 Tagen gerne etwas länger als in Baden-Württemberg mit 2,6 Tagen. Hintergrund können zum Beispiel die unterschiedlichen siedlungs- und landschaftsstrukturellen Gegebenheiten sein, die die »Art« des Urlaubs bestimmen. So kommt der Tages- bzw. Städtetourismus oder »Kurzbesuch« im Südwesten eher zum Tragen als im Nordosten.

Etwa 37 % der 3 104 Beherbergungsbetriebe im Nordosten waren 2010 Ferienhäuser und Ferienwohnungen, in denen knapp 13 % der insgesamt 6,67 Mill. Gästeankünfte gezählt wurden. Mit einem Anteil von 46 % an den Ankünften ist das Hotel das beliebteste Domizil der Gäste. Die Reisegebiete Vorpommern (28 % der Gästeankünfte) und Mecklenburgische Ostseeküste (27 % der Gästeankünfte) erfreuen sich der größten Beliebtheit. Fast jede fünfte Ankunft erfolgte auf Rügen/Hiddensee oder im Hinterland mit der Mecklenburgischen Schweiz und Seenplatte. Knapp 5 % aller Ankünfte entfallen auf ausländische Gäste. Für Mecklenburg-Vorpommern ist damit eher der innerdeutsche Tourismus bedeutsam.

Für Baden-Württemberg hingegen sind die Auslandsgäste von großer Bedeutung. Jede fünfte der insgesamt 16,7 Mill. Ankünfte entfiel 2010 auf einen ausländischen Gast. Von den knapp 7 100 Betrieben waren 25 % Hotels, der Anteil der Gasthöfe ist ebenso hoch. Ferienhäuser und -wohnungen sind mit 10 % eher weniger vertreten als im Norden. Knapp 54 % der Ankünfte wurden in einem Hotel gezählt. Beliebte Reisegebiete waren die Region Stuttgart mit knapp 20 % der Ankünfte, das nördliche Baden-Württemberg (18 % der Ankünfte) und der südliche Schwarzwald (knapp 17 % der Ankünfte). Der Schwarzwald insgesamt verbuchte 2010 sowohl bei den Ankünften als auch bei den Übernachtungen einen Anteil von rund 40 %.

Auch auf den zweiten Blick sowie aus Sicht der Daten sind beide Länder hinsichtlich ihrer Einwohnerentwicklung, Bevölkerungsstruktur und wirtschaftlicher Schwerpunkte verschieden. Das jedoch macht die Vielfältigkeit unter den Bundesländern Deutschlands aus. Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg bieten ihren Gästen aus dem In- und Ausland zwar unterschiedliche, aber sehr attraktive und landschaftlich reizvolle Ziele.

1 Staatliche Ämter für Landwirtschaft und Umwelt MV

2 Landeszentrale für politische Bildung BW, Zeitschrift »Der Bürger im Staat« – Die Bundesländer – 50 Jahre Bundesrepublik, Heft 1/2 99; Hans-Georg Wehling: Baden-Württemberg.

3 Landeszentrale für politische Bildung BW, Zeitschrift »Der Bürger im Staat« – Die Bundesländer – 50 Jahre Bundesrepublik, Heft 1/2 99; Heinrich-Christian Kuhn: Mecklenburg-Vorpommern.